Wie zwei Notenbanker 60 Jahre Geldpolitik prägten

Never Mind The Markets

Zwei der einflussreichsten Zentralbanker des letzten Jahrhunderts: Fed-Chefs McChesney Martin und Greenspan. Fotos: Federal Reserve (Wikimedia), Scott Applewhite (Keystone)

Dies ist eine Geschichte. Eine simple Geschichte von zwei Männern. Der eine ist heute weitgehend vergessen, der andere nicht.

Wir erzählen diese Geschichte anhand von je einer Aussage, die die beiden Männer im Lauf ihrer Karriere gemacht haben, und anhand einer Grafik.

Zwei Männer, zwei Aussagen, eine Grafik. Das mag auf den ersten Blick nicht nach viel klingen, doch für die Entwicklung der Finanzmärkte in den vergangenen 60 Jahren hatten diese zwei Männer mit ihren zwei Aussagen eine entscheidende Wirkung.

Beginnen wir mit den beiden Männern: Der eine, der vergessene, heisst William McChesney Martin. Der andere Alan Greenspan.

Es handelt sich um die beiden am längsten amtierenden Vorsitzenden der US-Notenbank (Fed); William McChesney Martin stand von 1951 bis 1970 an der Spitze der weltweit mächtigsten Zentralbank, Alan Greenspan besetzte das Amt von 1987 bis 2006.

Und nun die beiden Aussagen.

McChesney Martin hielt am 19. Oktober 1955 eine Rede vor der Investment Bankers Association of America in New York, in der er folgende Aussage machte:

The Federal Reserve, as one writer put it, after the recent increase in the discount rate, is in the position of the chaperone who has ordered the punch bowl removed just when the party was really warming up.

Frei übersetzt mahnte der Fed-Chef seine Zuhörer im Saal an, dass es nicht die primäre Rolle der Zentralbank sei, für gute Stimmung in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten zu sorgen. Vielmehr sei es ihre Aufgabe, den Alkohol («the punch bowl») wegzuräumen, bevor die Party zu heiss laufe.

Seine Worte richteten sich gegen jene Stimmen, die 1955 vom Fed verlangten, höhere Inflationsraten zu dulden, um der boomenden Wirtschaft ihren Lauf zu lassen. Doch seine Aussagen richteten sich ebenso an die im Saal anwesenden Investmentbanker, die nicht damit rechnen durften, dass die Zentralbank für gute Stimmung an den Finanzmärkten sorgt.

Die Aufgabe der Zentralbank sei es, sagte McChesney Martin einst während eines Auftritts vor dem Senat, sich stets gegen den Wind zu stemmen. Egal, woher der Wind wehe. Nach dieser Maxime agierte übrigens auch Paul Volcker, der dem Fed von 1979 bis 1987 vorstand.

Und nun kommen wir zur zweiten Aussage.

Sie stammt von Alan Greenspan, und er äusserte die folgenden Worte am 5. Dezember 1996, also vor fast genau zwanzig Jahren, am Jahresdinner des American Enterprise Institute in Washington D.C.:

But how do we know when irrational exuberance has unduly escalated asset values, which then become subject to unexpected and prolonged contractions as they have in Japan over the past decade?

Es ist nur eine kurze Aussage, eine kryptisch formulierte Frage in einem überaus langen Redetext. Doch sie setzte die Finanzmärkte für kurze Zeit in einen Schockzustand: Die Aktienmärkte büssten am Folgetag weltweit markant an Wert ein. Die Investoren schienen zu befürchten, dass Greenspan das Kursniveau an den Börsen für aufgebläht halte, angetrieben von irrationalem Überschwang («irrational exuberance») der Investoren.

Tatsächlich hatte Greenspan wenige Tage vor dem 5. Dezember 1996 zusammen mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Fed-Vorsitz einen Vortrag von Robert Shiller und John Campbell angehört, in dem die beiden Ökonomen argumentierten, dass der US-Aktienmarkt massiv überbewertet sei.

Doch Greenspan hatte nicht vor, mit seiner «Irrational Exuberance»-Rede zu signalisieren, dass die US-Notenbank den Alkohol vom Tisch räumen würde, bevor die Party an den Finanzmärkten zu heiss lief.

Ganz im Gegenteil. An jenem Abend des 5. Dezember 1996 wurde die Greenspan-Doktrin geboren.

Diese entpuppte sich in den Folgejahren als die pure Antithese zur Philosophie von McChesney Martin. Greenspan vertrat nämlich die Meinung, dass es sich für die Zentralbank nicht ziemt, die Party an den Finanzmärkten zu beruhigen. Ja, Greenspan war sogar fest der Meinung, dass es ex ante gar nicht möglich sei, eine Spekulationsblase an den Märkten zu erkennen – ergo ist es auch nicht möglich, sich dagegenzustemmen. Die einzige Aufgabe des Fed sei es, sagte Greenspan einige Jahre später, die Unordnung aufzuwischen, wenn eine Blase geplatzt sei.

Die Bedeutung der «Irrational Exuberance»-Rede ist nicht zu unterschätzen. Die Ära Greenspan – begonnen 1987, aber effektiv gefestigt und formuliert am 5. Dezember 1996 – läutete eine fundamentale Abkehr von der von William McChesney Martin postulierten Philosophie ein. Neu galt an den Finanzmärkten: Die US-Notenbank steht an unserer Seite. Läuft die Party, spielt das Fed mit. Und endet der Rausch in Exzess und Desaster, lindert Greenspan den Kater – und schenkt dann wieder grosszügig ein.

Greenspan, sein Nachfolger Ben Bernanke sowie dessen Nachfolgerin Janet Yellen setzten diese Politik bis zum heutigen Tag fort. In allen Turbulenzen, die nach 1996 folgten, war die US-Notenbank stets zur Stelle und beruhigte die Finanzmärkte mit überaus grosszügiger Geldpolitik: in der Asien-, der Russlandkrise und der Krise um den kollabierten Hedge Fund LTCM von 1997 und 1998, nach dem Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000, in der Finanzkrise von 2008 sowie in allen Markterschütterungen in den Jahren seit 2008.

Im Börsenjargon spricht man vom Greenspan- oder vom Fed-Put: Die US-Notenbank lässt die Märkte nach oben laufen, doch im Crash unternimmt sie alles, um den Preiszerfall zu stoppen: eine asymmetrische, für Investoren höchst komfortable Ausgangslage.

Und nun kommen wir zur Grafik (Quelle: RBA):

 

Sie ist etwas technisch. Die Grafik zeigt die Korrelation zwischen dem amerikanischen Aktienmarkt (S&P 500) und den Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen im Zeitraum seit 1900. (Und noch etwas Technisches dazu: Die Renditen von Staatsanleihen verhalten sich invers zum Preis der Anleihen. Das heisst: Sinkt der Preis von Staatsanleihen, steigt die Rendite, und vice versa.)

Nun zeigt die Grafik recht eindrücklich: Während des grössten Teils des 20. Jahrhunderts war die Korrelation zwischen Bondrenditen und Aktienmarkt in den USA negativ. Das heisst, wenn die Bondrenditen gefallen sind, sind die Aktienkurse gestiegen. Oder anders gesagt: Wenn die Bondpreise gestiegen sind, sind auch die Aktienkurse gestiegen. Die Preise der beiden Anlageklassen stiegen und fielen im Gleichschritt. Das schien der Normalzustand zu sein in der Zeit, als die Notenbank von Männern wie McChesney Martin geführt wurde.

Irgendwann ab Mitte der Neunzigerjahre – also um den Zeitpunkt der Formulierung des «Greenspan Put» – scheint ein fundamentaler Wandel stattgefunden zu haben: Von diesem Zeitpunkt an bis heute ist die Korrelation zwischen Bondrenditen und Aktienmarkt positiv. Das heisst, die Preise von Staatsanleihen und Aktien verhalten sich nicht mehr im Gleichschritt, sondern stehen in einer inversen Relation: Wenn die Preise von Staatsanleihen fallen, steigen tendenziell die Aktienkurse, und vice versa.

Sehr wichtig: Korrelation bedeutet nicht Kausalität. Wir können nicht sagen, dass die Preisveränderungen am Bondmarkt die Preisveränderungen am Aktienmarkt bedingen, oder umgekehrt. Wir können auch nicht sagen, was diese Korrelation genau signalisiert oder was die markante Veränderung der Korrelation ausgelöst hat.

Aber wir sehen ganz klar, dass sich im Zusammenspiel zwischen Bondrenditen (bzw. -Preisen) und Aktienkursen in den USA irgendwann in der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre etwas Grundlegendes verändert hat: Eine normalerweise negative Korrelation hat sich in eine positive Korrelation gewandelt. Und das dauerhaft.

Wie gesagt: Wir wissen nicht, was diese Veränderung ausgelöst hat. Es können viele Faktoren sein. Aber es könnte sein, dass eine Ursache in der neuen Geldpolitik liegt, die Alan Greenspan eingeführt hat und die seither von Bernanke und Yellen fortgeführt wurde.

Hier nur ein Erklärungsversuch: Wenn die Bondrenditen steigen, signalisiert das, dass der Markt steigendes Wirtschaftswachstum erwartet – was auf den ersten Blick gut ist für die Gewinne der Unternehmen und damit für die Aktienkurse.

Steigende Bondrenditen sind aber auch ein Signal dafür, dass die Wirtschaft irgendwann zu heiss läuft. In der alten Welt, der Welt von William McChesney Martin, hätte das bedeutet, dass die Zentralbank mit einer restriktiven Geldpolitik rasch Gegensteuer gibt – was wiederum schlecht wäre für die Aktienmärkte. So zumindest schien, stark vereinfacht, die Erwartungshaltung der Finanzmärkte in der alten Welt zu funktionieren:

Steigende Bondrenditen = Aussicht auf restriktive Geldpolitik = fallende Aktienkurse (daher die negative Korrelation)

Die neue Welt, eingeläutet von Alan Greenspan 1996 und in den Folgejahren verinnerlicht von den Finanzmärkten, könnte dagegen so funktionieren:

Steigende Bondrenditen = Aussicht auf gute Wirtschaft bei gleichzeitig locker bleibender Geldpolitik = steigende Aktienkurse (daher die positive Korrelation)

Wie gesagt: Wir wissen es nicht. Aber es könnte sein. Alternative Erklärungsvorschläge sind in den Kommentaren willkommen.

Übrigens, als kleiner historischer Nachtrag: Wie mein Kollege Sandro Rosa hier schön darlegt, ist das Bewertungsniveau des S&P 500 heute wieder exakt gleich hoch wie Ende 1996, als Alan Greenspan von Robert Shiller gewarnt wurde und er seine «Irrational Exuberance»-Rede vorbereitete.

28 Kommentare zu «Wie zwei Notenbanker 60 Jahre Geldpolitik prägten»

  • Linus Huber sagt:

    Die zunehmende Sicherheit, dass die sich seit Mitte der 80iger Jahre eingestellte Kreditexpansion (weit über dem Wirtschaftswachstum) durch die Zentralbanken anhand entsprechender geldpolitischer Massnahmen nicht nur nicht unterbunden, sondern sichergestellt wird, mag mit eine Rolle in der untersuchten Korrelation spielen.
    Der überspitzte Fokus auf die Inflationsrate, respektive die verfehlte Angst vor leicht negativen Inflationsraten (Konsumentenpreisindex), welche die natürliche Folge von Produktivitätssteigerungen darstellen und daher eher zu begrüssen als zu bekämpfen sind, dürfte dabei die Rechtfertigung geliefert haben. Ebenfalls wird die Korrelation zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit als gegeben betrachtet, eine Idee, welche empirisch widerlegt …

    • Linus Huber sagt:

      werden kann, jedoch prominent im Gedankengut der Ökonomen vorherrscht und die Geldpolitik mit beeinflusste.
      Die Schwierigkeit eine einzige Korrelation zu analysieren, respektive die richtigen Schlüsse aus den erkennbaren Resultaten zu ziehen, zeigt eigentlich auf, dass die Komplexität der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge und Wechselwirkungen derart hoch ist, dass man nicht versuchen sollte, anhand abstruser ökonometrischer Modelle und Theorien die Geldpolitik zur Erreichung von teilweise selbst zusammengeschusterten Zielen zu verwenden. Möglichst transparente Parameter, welche Wertbeständigkeit der Währung und Systemsicherheit sichern, sollten anstelle als Auftrag bestehen, ansonsten nichts als gelassenes Interesse am Wirtschaftsverlauf ausreichen.

    • Linus Huber sagt:

      In die Rolle von Gott zu schlüpfen ist allerdings derart verlockend, dass die Zentralbanker nicht widerstehen können, sofern die Gesellschaft ihnen diese Möglichkeit nicht verweigert.

  • Monique Schweizer sagt:

    Unter McChesney Martin herrschten auch andere Bedinungen: Mit wenigen Ausnahmen lag das reale Wachstum über 5%, der Spitzensteuersatz lag bis 1963 bei 91% (ab 200’000 $ (oder 2.43 Mio 2015er $) und war auch bis 1981 mit 70% vergleichsweise hoch.
    Das USA baute seine Infrastruktur rund um das Automobil auf noch ohne die ganzen Importe aus Fernost.
    Die Einkommen und Vermögen waren noch viel gleichmässiger verteilt als heute und die Mittel- und Unterschicht hatte damals noch reales Lohnwachstum.
    .
    Seit der unseligen Financialisation der Wirtschaft, massiver Senkung der Spitzensteuersätze, fallenden Wachstumsraten, Deregulierung des Finanzsektors bis hin zur Aufhebung des Trennbankensystems und Einsatz neuartiger Finanzinstrumente haben sich die Bedinungen doch wesentlich geändert.

    • Monique Schweizer sagt:

      Seit 10 Jahren wurde kein reales Wachstum von 3% mehr erreicht, die Medianeinkommen dümpeln seit der Jahrtausendwende auf kaum verändertem Niveau dahin, die Spitzensteuersätze sind mit akt. 39.6% ab 400’000$ einiges tiefer als in den 50er Jahren, die Vermögens-& Einkommensungleichheit hat massivst zugenommen, die Finanzbranche ist aggressiver bis hin zu kriminell geworden.
      Man kann auch die These aufstellen, dass das FED seit Greenspan auf das Versagen der Politik fast nur noch reagiert und gar nicht mehr agiert wie damals unter McCheseney auf falsche Anreize, die primär die Politik setzte insbesondere im ganzen Finanzsektor aber auch steuermässig mit den Senkungen der Spitzensteuersätze die gewisse Akteure zu einem zu riskanterem Agieren ermutigte.
      Nichts ist mehr wie es einmal war

      • Linus Huber sagt:

        Die Frage, welche man sich stellen darf, liegt darin, inwiefern die Zentralbanken aufgrund fehlerhafter Annahmen und Theorien falsch agierten, als sie noch nicht verdammt waren, einzig zu reagieren, also z.B. 1990-95. Damals dürfte die Kreditexpansion weit über dem Wirtschaftswachstum klar erkennbar gewesen sein und anstatt dagegen zu halten, hat Greenspan diese Entwicklung noch befeuert. Natürlich wäre er dadurch in den Kreisen der Finanzindustrie, in welchen er sich bewegte, bedeutend weniger beliebt gewesen, was sein Verhalten erklären mag. Inwiefern und zu welchem Ausmass sich eine anders geartete Geldpolitik auf die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse ausgewirkt hätten, ist im nach hinein schwierig zu eruieren, jedoch bestehen zweifelsfrei Wechselwirkungen.

        • Monique Schweizer sagt:

          „…als sie noch nicht verdammt waren, einzig zu reagieren, also z.B. 1990-95.“
          .
          Wirtschaftshistorisch scheinen Sie mir nicht besonders bewandert zu sein Herr Huber! Die USA hatten die Savings & Loan Crisis 1986-95, das Great Bond Massacre 1994 und zudem den Impakt des Zusammenbruchs der japanische Aktienmärkte. Die Japaner hatten damals sehr viele Investitionen in den USA.
          Die FED hatte also schon in jener Periode allerhand zu tun.

          • Linus Huber sagt:

            Es handelte sich nicht um systembedrohende Krisen; jedoch genau das Gedankengut, die Konsequenzen von Fehlverhalten mit geldpolitischen Massnahmen abzufedern und damit indirekt (und oft auch direkt) die Kosten resultierend meist aus der Anwendung von zu hohem „Leverage“ auf die Allgemeinheit umzuverteilen, erzeugt ja genau die falschen Signale.

          • Monique Schweizer sagt:

            Gibt es überhaupt „systembedrohende Krisen“? Das System hat 1929ff überstanden, 1946ff, 1973, 1987, 1990, 1998, 2000.
            Nur 2008/09 ist mal für das Finanzsystem mal eng geworden, aber das System hätte auch dies überstanden wenn auch unter ziemlich chaotischen Verwerfungen.
            Das System wird auch diese Zentralbankeninterventionen überstehen. Irgendwie geht es immer weiter, denn wir müssen auch jeden Tag was zu essen bekommen.

          • Linus Huber sagt:

            Ja, irgendwie geht es immer weiter, selbst wenn wir nichts zu essen bekommen.
            Was ich erläutern wollte, liegt im Umstand, dass das Verletzen von Prinzipien (z.B. Umverteilen von Risiken vom Risikoträger auf die Allgemeinheit) die Gefahr beinhaltet, dass Verhalten, welches gesellschaftsschädigend wirkt, schrittweise zum normalen Modus Operandi mutiert. Die kurzfristige Sichtweise verhindert oft dass unangenehme Prinzipien ignoriert werden, jedoch sind die Konsequenzen (2./3. Runden-Effekte) oft bedeutend unangenehmer z.B. dass in 2009 die mit zu hohem Hebel arbeitenden Banken (TBTF und TBTJ) den Staat erpressen konnten.

            Spezifische Ereignisse z.B. an gesellschaftlichen Verwerfungen als Konsequenz der gegenwärtigen Geldpolitik vorauszusagen übersteigt meine Fähigkeiten.

          • Monique Schweizer sagt:

            Huber: Ihre 2./3. Rundeneffekte waren nach 1929 aber wesenlich gesellschaftsschädigender und haben später u.a. auch zum 2. WK geführt obwohl z.B. die FED genau das Gegenteil von heute machte, nämlich die Geldmenge enorm schrumpfen liess.
            Sie scheinen mir ja ein sehr zentralplanerisches Nannystate Verhalten der FED herbeizusehnen, welches es nun mal nicht gibt und einer Quadratur des Kreises gleichkäme.
            Eine stärkere Regulierung der Geschäftsbanken inkl. der Wiedereinführung eines strikten Trennbankensystems am besten mit einer konsequenten rechtlichen Aufsplittung der grossen Banken wäre vermutlich das vernünftigste, so dass man in Zukunft Banken ohne grössere Kollateralschäden für die Gesamtwirtschaft bankrott gehen lassen könnte und die Politik nicht mehr in deren Geiselhaft wäre.

          • Linus Huber sagt:

            Ich rede von der Vorgeschichte aus welcher die Krisen von 2008 und 1929 als 2./3. Runden-Effekt resultierten und nicht darum, wie auf die Krise reagiert wurde.

            Die Reaktion in 1929 kann man einigermassen beurteilen, allerdings die Konsequenzen der nach 2008 getroffenen Entscheide können noch nicht bewertet werden, da die Ponzi-Scheme einfach noch einmal massiv befeuert wurde und damit einzig die zeitliche Verschiebung einer nachhaltigen Lösung erwirkt wurde. Die temporäre Lösung beruhte anfänglich stark darauf dass die Bewertungsgrundsätze von Markt auf Modell geändert wurde und in der 2. Phase, dass die Zentralbanken ihre Bilanzen aufblähten und somit Liquidität ins System pumpten. Damit werden die Ungleichgewichte allerdings nicht behoben, sondern weiter ausgebaut (hi Ponzi!).

          • Linus Huber sagt:

            „Sie scheinen mir ja ein sehr zentralplanerisches Nannystate Verhalten der FED herbeizusehnen“

            Genau das Gegenteil ist der Fall, denn das FED hat in der Vorgeschichte der Krise sich im Sinne eines Nannystates zugunsten einer Deregulierung einzig der Einschränkungen einspannen lassen, jedoch die diversen direkten wie indirekten Subventionen (z.B. sofortige geldpolitische Stimulierung bei Gegenwind, viel zu günstige Konditionen für die Liquiditätsrückversicherung, Einlagenversicherung, steuerliche Begünstigung bei Verschuldung etc.) an die Finanzindustrie nicht angepasst, reduziert oder aufgehoben, was eine logische Folge hätte sein müssen: mehr Freiheit gleich mehr Eigenverantwortung.

          • Monique Schweizer sagt:

            „mehr Freiheit gleich mehr Eigenverantwortung.“
            .
            Das ist meiner Meinung nach doch etwas gar naives Gutmenschengedankengut, welches immer noch nur auf eine Minderheit der Bevölkerung zutrifft.

          • Linus Huber sagt:

            Ich erkenne nicht, was dies mit Gutmenschengedankengut zu tun haben soll. Es geht um das Anreizsystem, welches derart ausgelegt sein muss, dass sich für die Gesellschaft wertvolles Verhalten lohnt und Verhalten, welches der Gesellschaft schadet, negative Konsequenzen nach sich zieht. Und es geht hierbei auch nicht darum, dass in jedem Fall dies uneingeschränkt umsetzbar ist, sondern dass Entscheidungsträger sich dieses Umstandes bewusst sind und sich nicht prinzipienfrei und kurzfristig orientiert verhalten.

  • Josef Marti sagt:

    Die Notenbanken und va. die Fed haben es nie nachhaltig fertig gebracht die Langfristzinsen von Anleihen zu drücken. Im $ sind stets zumindest langfristige Inflationserwartungen eingepreist. Betr. Sonderfall des $ schreibt Paul Volcker 2005 in der W-Post:
    What holds the US economic success story all together is a massive and growing flow from capital from abroad, running to more than $2 billion every working day, and growing…
    As a nation we don’t consciously borrow or beg, We aren’t even offering attractive interest rates, nor do we have to offer our creditors protection against the risk of a declining dollar. We fill our shops and our garages with goods from abroad, and the competition has been a powerful restraint on our internal prices…

    • Josef Marti sagt:

      …It’s surely helped keep interest rates exceptionally low despite our vanishing savings and rapid growth. And it’s comfortable for our trading partners and for those supplying the capital. Some, such as China, depend heavily on our expanding domestic markets. And for the most part, the central banks of the emerging world have been willing to hold more and more dollars, which are, after all, the closest thing the world has to a truly international currency.
      The difficulty is that this seemingly comfortable pattern can’t go on indefinitely. I don’t know of any country that has managed to consume and invest 6 percent more than it produces for long. The US is absorbing about 80 percent of the net flow of international capital.

  • Josef Marti sagt:

    Wie Shiller mal formuliert hat kann man eine Aktienblase nicht shorten, also muss die Notenbank einspringen um das bis auf weiteres auf Zusehen hin zu gewährleisten aber ohne Garantie, bis der Zeitpunkt kommt wo sie die Blase zum Platzen bringt.

  • Johnny Smith sagt:

    „Frei übersetzt mahnte der Fed-Chef seine Zuhörer im Saal an, dass es nicht die primäre Rolle der Zentralbank sei, für gute Stimmung in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten zu sorgen. Vielmehr sei es ihre Aufgabe, den Alkohol («the punch bowl») wegzuräumen, bevor die Party zu heiss laufe.“

    Welch wohltuende, un-egoistische Bodenhaftung von McChesney Martin. Kann sich jemand vorstellen, dass heute Yellen oder der Egomane Draghi so etwas sagen würden? Die feuern als Brandstifter lieber die Party weiter an – und sagen dann in aller ‚Unschuld‘ als Feuerwehr, man hätte den Brand nie vorhersehen können.

    • Michael Stöcker sagt:

      Einer sieht den Brand; allerdings an ganz anderer Stelle als vermutet. Mark Carney rekurriert auf Karl Marx: http://www.bankofengland.co.uk/publications/Pages/speeches/2016/946.aspx. Das könnte übrigens auch der wahre Grund für die positive Korrelation sein. Und hier noch das passende Bild dazu: http://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/boe-chef-carney-die-neuvermessung-der-globalisierung/14942892.html.

      LG Michael Stöcker

      • Linus Huber sagt:

        May hat grundsätzlich recht. Mark Carneys Verteidigung beruht einzig auf die Zeit nachdem die Krise bereits entstand und nicht auf die vorhergehenden 20 Jahre, wo die Ursache der Krise in der Form der auf der inflationären Geldpolitik beruhenden Umverteilungsmechanismen von unten nach oben und Ausbau an Ungleichgewichten liegt. Anstatt die eigenen Fehler in der Befeuerung der Kreditexpansion zu erkennen, will er der Globalisierung die Schuld zuweisen. Natürlich stellen die Resultate aus der fast schon forcierten Globalisierung hauptsächlich zum Wohle der Grossfirmen mit ein Grund, aber die inflationäre Geldpolitik ermöglichte und beflügelte den Grad und das Ausmass dieser Entwicklung. Ja May hat den Schwarzen Peter gefasst, aber daran sind die Zentralbanken nicht unschuldig.

  • Beat Müller sagt:

    Wer den Investmentbankern 55 Prozentige akoholische Edelgetränke offeriert, der muss sich nicht wundern, wenn die Party irgendwann ausartet. Einmal genug besoffen drängen diese die andern Partyteilnehmer auch zu unkontrollierten Trinkspielen und exzessiven Konsum und dann artet die Party endgültig aus.
    Staat und Zentralbanken dürfen dann das Erbrochene zusammenputzen und die Komasäufer in den Notfall bringen.

  • Martin Vischer sagt:

    Teil 4) So hat sich zwar der Grund für die Umkehrung der Korrelation seit den 90ern leicht verändert, nicht aber die Umkehrung selbst. Und so könnte man die Situation mit den Worten, „die Geister, die ich rief, ich werd‘ sie nicht mehr los“ kommentieren.
    Vielleicht ist das der Grund für die Umkehrung der Korrelation.

  • Martin Vischer sagt:

    Teil 3) um den gestiegenen Finanzbedarf zu decken. Geschehen ist aber folgendes:
    Die Staaten sind derart verschuldet, dass angenommen werden muss, dass sie die Schulden nicht zurückzahlen können, was das vertrauen in die Staatsverschreibungen trübt, weshalb auch eine höhere Rendite auf den Staatspapieren nicht zu mehr Vertrauen führt. Die enorm gewachsene Geldmenge hat dazu geführt, dass a) viel billiges Geld nach nicht vorhandenen Renditevehikeln sucht und b) die Anleger dazu treibt in feste Werte, wie Produktionskapazitäten zu investieren. Deshalb steigen die Aktienkurse selbst dann, wenn die Rendite auf den Staatsverschreibungen steigen. Weil selbst dann wenn die Staatspapiere eine vernünftige Rendite abwerfen würden, wäre da immer noch der Zweifel über die Bedienbarkeit dieser Schulde

  • Martin Vischer sagt:

    Teil 2) Das war der Beginn der Umkehrung. Nach dem Platzen der Dotcom-Blase wurde versucht, die Wirtschaften anzuschieben, was man auch schon bei der Bewältigung der Tigerstaatenkrise so versucht hatte.
    Seit Eintritt ins 21. Jh. ist der Druck auf den Regierungen hoch, den Lebensstandard dieser gesättigten und alternden Gesellschaften zu halten. Wegen der mangelnden Wachstumsimpulse wurde immer mehr versucht, die Märkte durch billiges Geld (tiefe Zinsen) und tiefe Steuern zu beflügeln. Die tiefen Steuern, die immer teurere Alterung der Gesellschaft, die damit verbundenen steigenden Gesundheitskosten und die eigentliche Sättigung haben die Staaten in die Schulden getrieben. Durch die tiefen Zinsen und die tiefen Steuern wollte man die nötigen Wachstumsimpulse schaffen,

  • Mirco Melone sagt:

    Eine sehr schöne Beschreibung eines historischen Wandels. Einfach, verständlich, nachvollziehbar. Was ich (als Laie!) aber vermisse: welche Haltung hat der Autor zu diesem Wandel? Wie ist dieser Wechsel von einer negativen zu einer positiven Korrelation einzuordnen? Fördert Greenspans Doktrin ein Risikoverhalten, das uns in regelmässigen Abständen Krisen, also geplatzte Blasen hinterlässt? Oder treibt erst dieses Aufwischen nach dem Platzen und damit das Zulassen der Party eine wirtschaftliche Entwicklung und Wohlstand voran (was angesichts des S&P 500-Bewertungsniveaus eher nicht der Fall zu sein scheint)? Gerne hätte ich da ein paar Einschätzungen, die über eine deskriptive Betrachtung hinausgehen (schon klar, damit lehnt man sich aus dem Fenster, da gibts (zu)viele weitere Faktoren).

    • Linus Huber sagt:

      Aus meiner Sicht liegt ein Fehler darin, dass Geldpolitik zur Förderung von Wirtschaftswachstum missbraucht wird. Das grundlegende Ziel dieser Idee besteht darin, die Kreditexpansion zu begünstigen, womit das Wirtschaftswachstum immer stärker darauf als in erster Linie auf Innovation und Technologischem Fortschritt beruht. Solche geldpolitischen Eingriffe zeigen zwar positive Resultate in erster Instanz im Zeitpunkt der Anwendung, jedoch werden erstens die 2./3. Runden-Effekte (z.B. ein immer höhere Kreditmenge, welche von der Wirtschaft getragen werden muss, ein überproportional starkes Wachstum der Finanzbranche, welche damit an politischem Einfluss gewinnt, eine sich öffnende Vermögensschere, welche zu unvorhersehbaren politischen Reaktion führt, etc.) …

    • Linus Huber sagt:

      … und zweitens unterliegen sie dem Gesetz des abnehmenden Grenzertrages, was heisst, dass immer höhere Dosen von Nöten sind, um die gleiche Wirkung zu erzeugen.

      Die Komplexität ist einfach viel zu hoch um aufgrund von Überheblichkeit sich zwecks Erreichens von sich selbst auferlegten kurz- bis mittelfristigen Zielen derart intensiv in die gesellschaftlichen Wechselwirkungen erfolgreich einzumischen. Anstatt dessen sollte einzig die Stabilität einer Währung und des Währungssystems das Ziel einer Zentralbank darstellen, denn Wachstum wie Konsum muss man nicht fördern sondern der Mensch versucht immer sein Leben zu verbessern, was automatisch zu Wachstum und Konsum führt.

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.