Der wahre Problemfall Europas
Die Welt blickt nach Grossbritannien.
Nach dem Ausgang des «Brexit»-Referendums vom 23. Juni zum Austritt aus der Europäischen Union hat eine mehrmonatige Phase kompletter politischer und wirtschaftlicher Ungewissheit begonnen. Noch ist völlig offen, wann, durch wen – und ob überhaupt – der Prozess der Herauslösung des Vereinigten Königreichs aus der EU losgetreten wird. Wer mehr zu diesem Thema erfahren will: Hier ein längeres Interview, das ich kürzlich mit dem britischen Ökonomen George Magnus führen konnte.
In diesem Beitrag soll es aber nicht um den «Brexit» gehen, sondern um ein anderes Problem. Eines, das möglicherweise die Krise in der Europäischen Währungsunion wieder aufflammen lassen könnte. Eines, das die drittgrösste Volkswirtschaft der Eurozone betrifft: Italien.
Mein Kollege Andreas Neinhaus hat Italien bereits in diesem Beitrag vor wenigen Wochen die «Achillesferse Europas» genannt.
In diesem Beitrag soll es spezifisch um jenen Sektor gehen, der momentan die akuteste Gefahr für Italien und das europäische Finanzsystem darstellt: die Banken.
Beginnen wir mit einer Grafik (Quelle: Morgan Stanley):

Die Kurven zeigen den Anteil fauler Kredite (Non-performing loans, NPL) in den Bankbilanzen ausgewählter Staaten. Die grüne Kurve zeigt beispielsweise eindrücklich, wie die faulen Kredite in den US-Banken nach der Finanzkrise von 2008 in die Höhe schossen und seither wieder stetig gesunken sind.
Augenfällig ist die gelbe Kurve für Italien. Sie steigt und steigt. Gegenwärtig sind mehr als 18 Prozent aller von den italienischen Banken ausgegebenen Kredite faul, das heisst, die Schuldner der jeweiligen Kredite sind in Zahlungsverzug. Das ist keine Schätzung, sondern beruht auf offiziellen Daten der italienischen Zentralbank.
Und das ist ein Problem.
Denn die faulen Kredite fressen sich durch die Bankbilanzen, führen zu Verlusten und lassen damit das Eigenkapital der Banken schrumpfen. Einige italienische Banken, allen voran die altehrwürdige Banca Monte dei Paschi di Siena, werden in absehbarer Zeit frisches Eigenkapital benötigen, um solvent zu bleiben.
Der Markt hat das erkannt und die Aktienkurse der italienischen Banken in den vergangenen Monaten massiv abgestraft. Die Aktien der Monte dei Paschi sind allein im letzten Monat um 55 Prozent eingebrochen.
Schon bald könnte die Rettungsaktion für die italienischen Banken offiziell werden: Am 29. Juli publiziert die Europäische Bankenaufsicht (EBA) die Resultate ihres diesjährigen Stresstests.
Die folgende Grafik von den Analysten von Morgan Stanley zeigt, wie die «gestressten» Bilanzen der europäischen Banken aussehen dürften:

Die blauen Balken in der Grafik zeigen die voraussichtliche Eigenkapitaldecke nach dem Stresstest. Am schlechtesten werden voraussichtlich die italienischen Banken abschneiden. Banco Popolare (die am Stresstest nicht mitmacht, hier aber zu illustrativen Zwecken gezeigt wird) und Monte dei Paschi hätten ihr Eigenkapital praktisch aufgezehrt. Ebenfalls wenig komfortabel sieht die Lage für die grösste Bank Italiens, Unicredit (UCG Italy) aus: Auch sie liegt punkto Kapitalstärke im unteren Drittel des Feldes (wie, nebenbei bemerkt, auch die Deutsche Bank).
Je nach Schätzung, die derzeit am Markt herumgereicht wird, benötigt Unicredit weitere 6 Milliarden Euro, und Monte dei Paschi braucht 2 bis 6 Milliarden.
Als solid kann in Italien einzig die Grossbank Intesa Sanpaolo betrachtet werden.
Was nun?
Die Regierung von Ministerpräsident Matteo Renzi hat längst erkannt, dass im italienischen Bankensystem eine Bombe tickt. In mehreren – stets unbestätigten, aber auch nicht dementierten – Berichten in einflussreichen Medien wie «Il Sole 24 Ore» und Bloomberg war Ende Juni von einer gross angelegten Rettungsaktion zu lesen: Rom plane, bis zu 40 Milliarden Euro in Form von Eigenkapital in die italienischen Banken zu pumpen.
Renzi will das Dilemma lösen und die angeschlagenen heimischen Banken mit Staatsmitteln retten. Er plant einen «Bail-out». Doch genau damit stösst er in Brüssel auf heftigen Widerstand.
Seit Anfang 2015 ist es aufgrund der Bestimmungen der europäischen Bankenunion (hier der vollständige Text der Richtlinie) einem einzelnen EU-Staat nicht mehr erlaubt, «seine» Banken mit öffentlichen Mitteln zu retten. Beziehungsweise: Er darf das erst tun, wenn die Obligationäre der betreffenden Bank auf einen Teil ihrer Forderung verzichtet oder diesen in Eigenkapital gewandelt haben («Bail-in»).
Diese Bail-in-Regeln wurden als Folge der Finanzkrise von 2008 geschaffen und sind an sich sinnvoll, um das «Too big to fail»-Problem zu entschärfen: Auch die Gläubiger einer gestrauchelten Grossbank müssen bluten, bevor der Staat rettend einspringt.
Doch für Matteo Renzi wird diese Regel zu einem handfesten innenpolitischen Dilemma. Der Grund dafür liegt in einer italienischen Besonderheit: Die Banken im Land haben ihren Sparkunden seit Jahrzehnten überaus aktiv Schuldpapiere verkauft. Es ist für den durchschnittlichen Privathaushalt in Italien normal, dass er nicht bloss ein normales Sparkonto, sondern auch Kassenobligationen seiner Bank besitzt. Diese Obligationen – sie können vor- oder nachrangig sein – waren wegen ihrer höheren Verzinsung überaus beliebt.
Die folgende Grafik des Hongkonger Brokerhauses CLSA zeigt das Ausmass der Bankobligationen in den Händen der italienischen Haushalte:

Die dunkelblaue Kurve (linke Skala) zeigt das Volumen der Bankobligationen in den Händen der Privathaushalte. Ende 2015 waren es gut 200 Milliarden Euro. Die hellblaue Kurve zeigt den Anteil dieser Obligationen am Volumen aller ausstehenden Bonds von Banken.
Mit anderen Worten: 30 Prozent aller von den italienischen Banken ausgegebenen Anleihen, ein Totalbetrag von gut 200 Milliarden Euro, liegt in den Händen von Hunderttausenden italienischer Privathaushalte.
Sollte es nun zu einer Rettungsübung für die italienischen Banken kommen und werden die Regeln der Bankenunion in diesem Fall nicht aufgeweicht, könnten zahlreiche Kleinsparer in Italien einen Teil ihres Geldes verlieren.
Diese Passage ist bewusst im Konjunktiv geschrieben, denn die Regeln der Bankenunion lassen Ausnahmen zu.
Doch angenommen, es kommt tatsächlich zum Ernstfall und Renzi ist gezwungen, die italienischen Obligationäre bluten zu lassen: Grosser Unmut im Land wäre die Folge. Doch Renzi kann es sich momentan nicht leisten, seine Wähler zu verärgern. Im Oktober steht nämlich ein enorm wichtiges Referendum zur geplanten Verfassungsreform an: Dabei soll der Einfluss des Senats beschnitten werden, was es Renzi erlauben würde, seine geplanten Wirtschaftsreformen effizienter durchzusetzen.
Sollte Renzi das Referendum verlieren, würde er wahrscheinlich zurücktreten. Es käme zu Neuwahlen, in denen die EU- und Euro-kritische Protestpartei von Beppe Grillo, die «Cinque Stelle»-Bewegung, kräftige Erfolge erzielen könnte.
Nach dem Brexit könnte dann schon bald ein neuer, geflügelter Begriff die politischen Eliten Europas erschaudern lassen: Uscitalia.
55 Kommentare zu «Der wahre Problemfall Europas»
Linus: Der ganze Mist ist ja aus dem Samen IHRER Doktrine gewachsen mit dem naiven Glauben man können die Finanzwirtschaft als prinzipientreue verantwortungsvolle Player ins Wirtschaftsleben einbeziehen und auch ab und zu mal eine Bank ordopolitisch konkurs gehen lassen ohne dass es weitere grössere Folgen für die Volkswirtschaft haben könnte. Und am liebsten alles schön dereguliert ohne staatliche Eingriffe – der Markt würde es dann schon regeln.
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Ihre Doktrine mitsamt der ganzen Prinzipienideologie sind ja gut und recht für irgendwelche Sanitärzubehörhersteller etc aber eben nicht für die Finanzwirtschaft – aber ich glaube das werden Sie nie begreifen!
Den Huber interessiert genau so wenig wie Trump oder Farage, ob was er behauptet einen Wahrheitsgehalt hat. Beide begreifen ganz genau, es geht um Emotionen. Wenn man genug Schmutz wirft, bleibt immer etwas hängen, wo Rauch ist, ist ein Feuer.
Anh: Sie meinen bei LH wohl eher, wenn man genug mit prinzipienfesten Doktrinen um sich wirft, bleibt in der kritischen Betrachtung immer ein Gschmäckle von moralischer Schwäche in der Luft hängen…
Mit der Aufgabe des Goldstandards und der damit verbundenen zunehmenden Machtkonzentration in den Händen der Zentralbanken hat sich das Spiel von stark behindernder zur unbehinderten Zentralplanung des Finanzsystems gewandelt und in gewohnter Manier haben die Regierungen anhand der zusätzlichen Macht vetternwritschaftlich die Chose in die Scheisse geritten. Die Idee, dass grundlegende ökonomische Prinzipien aus zwar verständlichen aber kurzfristig orientierten Überlegungen ungestraft verletzt werden können, hatte sich daher schrittweise durchgesetzt und jetzt wo man langsam merkt, dass „there is no free lunch“, wird lernresistent im gleichen Rahmen weiter gewirtschaftet. Gratulation
@Linus Huber
Ihre Bemühungen hier gleichen dem Kampf gegen die Windmüllen, die Ahnungslosigkeit von Senn, Zach, Toan usw. ist so offensichtlich, es ist einfach verlorene Zeit denen ihre Kindergartenökonomie wegzunehmen, die lernen es nie und werden nach wie vor ihre keynesianische Märchen nachplappern.
Gruss Jan
Banken soll man nicht retten. Sondern in der konkursrechtlichen Reihenfolge Aktionäre, Obligationäre und Depositäre bluten lassen. Nur so lernen wir wieder, was Geld ist, was eine Bank ist und wie das funktioniert. Den Luxus der Ignoranz kann sich nur der Bevormundete leisten. Das Ergebnis solcher Härte ist zwar nicht unbedingt „fair“, aber in der Wirtschaft geht Fairness des Prozesses vor Fairness des Ergebnisses. Die Spar- und Leihkasse Thun lässt grüssen.
Der Artikel ist doch nicht etwa von der aktuellen Ausgabe des Economist abgeschrieben („The Italian Job“)?
Wie aus der Grafik klar ersichtlich ist, begannen die Non-Performers just ab 2008 – während den Höhepunkten der US-Subprime und Bankenkrise massiv zu steigen.
Mich würde doch mal eine quantitative Analyse interessieren, wie hoch der Anteil ist, den die US-Krise zum EU Dilemma beigetragen hat (so manche europ. Bank konnte doch die Finger nicht von den verführerisch süssen Früchten der US-Verbriefungsindustrie nicht lassen, die sich ex-post als toxisch erwiesen) & wie hoch der Anteil der hausgemachten EU-Probleme sind wie GR, die Immoblasen in Spanien, Irland etc, die Effekte des Einheitszinses, Bürokratie etc etc.
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Man staune über Japan weniger als 2% Nonperformers bei 240% BIP Schulden
Das zeigt die unterschiedlichen Machtverhältnisse, die japanischen Zombiebanken wurden entmachtet während im Westen die Banken die Regierung stellen und sich jederzeit selbst einen Bailout zulasten Allgemeinheit verordnen dürfen. Dafür gibt das korrupte und kriminelle westliche Establishment den Japanern immer wieder gerne gute Ratschläge wie die ihre Wirtschaft besser zu führen haben.
Der Problemfall ist nicht Italien. Italien ist ein kleines Mosaiksteinchen im Gesamtmosaik aller Probleme der EU und innerhalb der europäischen Schuldenkrise. Griechenland, Spanien, Frankreich, England etc. und die wirtschaftliche Gesamtlage der EU, die Jugendarbeitslosigkeit das sind die grossen Probleme. Die, wie mittlerweile alle Wissen sollten, nicht gelöst werden mit eklatanten Missachtungen der Maastrichter-Verträge. Und trotz dem wird weitergewurstelt.
Zum Trost, auch Rom ging nicht in einem Tag unter.
Einverstanden, Italien ist ein Stück von Euroland, wenn auch ein sehr grosses. Wo ich nicht einverstanden bin, ist ihre grundlegende Annahme über den langsamen Verfall von Euroland. Natürlich können die Mitglieder von Euroland dieses kaputt machen und viele Politiker und renommierte Ökonomen wie Sinn, Lucke und andere Träumer reden ständig davon und reden uns ein, wie dann das Paradies ausbrechen würde. Wirtschaftlich ist das Euroland gesund, trotz hoher Jugend-Arbeitslosigkeit in Südeuropa und trotz Verletzung z.B. von Spanien und Portugal der Verträge von Maastricht. Die meisten Leute haben gar nicht begriffen, was eine Reservewährung ist.
Eine Reservewährung ist eine Währung, wo die Leute erwarten, daß sie ein einigermaßen sicheres Geld in der Hand haben, daß nur eine geringe Inflation erleidet.Löst man den Euro auf, wird in keinem Land in Kontinentaleuropa irgendeine Landeswährung dieses Vertrauen bekommen, auch nicht die Deutsche Mark und der Holländische Gulden.
Wir haben dann, noch mehr als vor 1990, den Dollarstandard in voller Blüte. Die USA wird diese Monopolstellung voll ausnützen, um ihre inneren sozialen Konflikte zu lösen und ihre Stellung als Weltmacht zu verstärken. Sie sind dann der alleinige Taktgeber der weltweiten Inflation und werden diese so einrichten, daß ihre Schulden eine Gratis-Fahrkarte für sie sind
Diese Macht des Dollar-Standard erfahren die einzelnen Länder in Europa mit ihren souveränen Währungen, obwohl sie einen ständigen Leistungsbilanz-Überschuß aufweisen, ihre Haushalte in Ordnung haben und zwischendurch ständig Austerität-Maßnahmen durchführen. Keynes nützt ihnen gar nichts, der Binnenmarkt auf monetärer Basis ist zu schwach. Die Fünf-Sterne Bewegung in Italien und die Front National in Frankreich sind schlimmer als die üblichen korrupten Gauner in diesen beiden Ländern, sie gehen nackt im arktischen Gewässer baden, auch ein Versuch der Überlebens-Strategie, vielleicht hilft ihr Glaube, sie seien Robben. Natürlich schreien jetzt alle, China, China und nochmals China!!
Reserve-Währungen werden durch Personen und Institutionen des Auslandes gerne angenommen, weil sie ein universelles Zahlungsmittel sind und der Betreffende weiß, er kann sie bei Not hervorkramen und sie sind stabiler und breiter akzeptiert als die Währung seiner Heimat. Auch das Pfund kann man als Reservewährung vergessen, das Interview mit Herrn Magnus ist dabei klar. Ich glaube aber nicht, daß die Bank of England solang die Niedrigzinsen Politik durchhalten kann. Mein Omi mani padme hum meiner Gebetsmühle heisst, schaut auf die Leistungsbilanz eines Landes, auf seine Netto-Investment-Position und was bringt eine Abwertung. Hier unterscheiden sich Rohstoff-, Industrie- und Service-Länder.
Die Macht des Dollarstandards besteht wegen und nicht obwohl der Leistungsbilanzüberschüsse. Der Konzeptfehler der neoliberalen Euroturbos ist die idiotische Annahme dass alle gleichzeitig Überschüsse fahren können in einem permanenten gegenseitigen race to the bottom mit realer Abwertung Lohn- Preisniveau letztlich bis auf Level Albanien, damit die Exporteure maximalen Profit haben, der Rest ist trickle down, während die Überschüsse zur Festigung des Dollarstandars an der Wall street recycled werden.
Graphiken beweisen alles. Sie sind beliebig und führen Leichtgläubige hinters Licht. Aus Sicht der EU mag Italien als der Problemfall der EU erscheinen. Aus europäischer Sicht ist der Problemfall Europas aber die EU.
Der Zins als Preis für Staatsanleihen hätte eigentlich die Aufgabe, den Gläubigern das unterschiedliche Kredit-Risiko zu signalisieren. Dieser Mechanismus wurde mit dem Euro ausser Kraft gesetzt. man kann diesen neuen Mechanismus als Irrsinns-Prozess der fiskalischen Allmende beschreiben: Die immer grösser werdende Zahl der dem Euroraum anhörenden Mitgliedstaaten hat sich an den unendlichen Beständen des billigen Geldes für die Finanzierung des Sozialstaat bedient.
Mit dem billigen Geld werden die Handelsdefizite und somit das Leben der Südeuropäer über ihre Verhältnisse finanziert, in die Sozialsysteme fliesst davon wegen der Sparpakete nichts, sondern vielmehr in grosszügige Ausstattungen der Politiker, Bürokraten und von aufgeblähten Grossbanken.
Was soll ich dazu sagen, Herr Gunten, Ihren Ausführungen kann ich noch so sehr mit Logik widersprechen, es ist wie man an eine Wand redet, die wirklichen Vor- und Nachteile des Euros werden nicht diskutiert und die gegenwärtigen Verfügungen um den Euro stabil zu halten, auch nicht. Man schwatzt im neoliberalen Nebel, den seine Protagonisten als schöne weiße Wetterwolke beschreiben, obwohl dieser gelblich bis schwärzlich ist. Während die Anhänger von Varoufakis meinen, eine Währung sei da, um die Umverteilung von Reich zu Arm zu organisieren. Gerade diese Umverteilungsmaßnahme ist in diesem Zusammenhang das blödeste, was man sich vorstellen kann.
Genau so funktioniert die Umverteilung der Reservewährung von reich zu arm auf Stufe Gliedstaaten in den USA, aber im Gegensatz zu unserem idiotischen NFA ohne ewige in Stein gemeisselte unbegrenzte bedingungslose Defizitgarantie.
@ Jakob
Wie Sie richtig erläutern, handelt es sich im Bereiche der Geldpolitik um Zentralplanung par Exzellenz und dient heute in erster Linie dazu, den gegenwärtigen Status Quo mit immer neuen Mitteln von Zwangsmassnahmen zu erhalten. Die Idee, dass man mit der Geldpresse ökonomische Gesetze ausser Kraft setzen könne, wurde schon oft angewendet, aber scheiterte jeweils kläglich. Die neoliberale Agenda war nur in Anwendung dieser zentralplanerischen ankerlosen Geldpolitik der letzten Jahrzehnte möglich, ansonsten die erzeugten Ungleichgewichte regelmäßig zu den notwendigen politischen Auseinandersetzungen und den damit verbundenen gesellschaftlichen Reformen geführt hätten.
Huber: Einmal mehr die Huhn Ei Frage – denn historisch gesehen war zuerst die deregulierten neoliberalen Finanzmärkte da und dann die (massiven) Eingriffe der Zentralbanken zumindest in Europa (der Greenspan hat schon nach Dot.com glschampert)!
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Die Ursache war die Deregulierung der Finanzmärkte -was wir jetzt haben sind die „Aufräumaktionen“ der Zentralbanken.
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Glaube das Potential der Zentralbanken ist noch gross – der weltweite Anleihenmarkt wird noch viele Jahre genügend Anleihen zum Kauf kreieren – die ZB müssten einfach ihre Ankaufbeschränkungen noch etwas deregulieren resp. liberalisieren…
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Solange die breiten Massen immer weniger für Konsum haben wirds kaum Inflation…
Nein, der Interventionismus und Inflationierung der Geldmenge der Zentralbanken begann in den 80iger Jahren und verstärkte sich zunehmend bis es heute derart offensichtlich ist, dass sogar Sie dies erkennen.
Sie scheinen den Zusammenhang noch immer nicht zu erkennen. Einzig und alleine die fehlgeleitete ankerlose Geldpolitik, welche u.a. eine positive Inflationsrate des cpi als eines der Hauptziele beinhaltete, ermöglichte die Bildung dieser massiven Ungleichgewichte, das auf überdimensionalem Wachstum der Kreditmenge beruhende massive Wachstum des Finanzsektors und die erfolgreiche Anwendung der „neoliberalen“ Agenda im Rahmen der Globalisierung, ansonsten regelmäßig die sich bildenden Ungleichgewichte in der einen oder anderen Form hätten bereinigt werden müssen. Ich beanstande Ihre Kritik an der „neoliberalen“ Politik nicht, aber man muss trotzdem die Ursache richtig einschätzen.
Ach was – es verdoppelte sich einfach von 1980 bis 1990 die globale Geldmenge M3 von rund 7.5 Bio $ auf 15 Bio $ und dann bis 2000 auf 30 Bio $ und bis 2010 auf über 70 Bio $ und aktuell dürften wir bei knapp 90 Bio $ sein.
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Das ist der normale Lauf der Dinge in nonlinearen dynamischen Systemen mit implementierten Zinseszinsfunktionen und fast unlimitierten Leveragemöglichkeiten….Die weltweiten Geldmengen sind zum Wachstum verdammt — seis um die Schulden abzustottern oder um zu wirtschaftliches Wachstum hinzukriegen.
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In den 80ern herrschten doch wirtschaftsliberale bis fast schon libertäre Zeiten — Reagan und Thatcher sei dank – Ihr ewiger Interventionismus ist eine Phantasie
„Ach was – es verdoppelte sich einfach“
Nicht einfach, sondern aufgrund der entsprechenden Geldpolitik.
Nur Huber was Sie wieder mal nicht sehen — die Geldmenge M0, die die Zentralbanken wirklich selber steuern ist bis 2010 kaum gestiegen – auf nur rund 5 Bio $ weltweit!
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Das zeigt doch auf, dass Ihre Kritik ziemlich haltlos ist und das Problem woanders liegt, nämlich bei den Leverage-Effekten einen Fraktional Reserve Systems!
Es waren (zumindest bis 2008/09) nicht primär die Zentralbanken sondern die Geschäftsbanken, die die Geldmengen so erweiterten und aufgrund Ihrer Doktrine von der Deregulation der Finanzmärkte ab 1986 so richtig voll sauen konnten – das Resultat haben wir jetzt und die Zentralbanken versuchen jetzt irgendwie unbedarft Feuerwehr zu spielen – nur brennt es überall.
Linus: Die 360 Mrd Bad Loans in Italien (und anderswo) sind nicht primär entstanden, weil die Zentralbanken einer falschen Doktrin nachgehangen sind, sondern weil die Banker einfach unseriös Kredite vergeben haben.
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Klar in Ihrem Universum müsste jetzt ein schmerzhafter Bereinungsprozess eintreten, der Mio oder sogar Mrd Menschen ins Elend wirtschaftliche Elend stürzen könnte, Staaten kollabieren lassen nur damit der Herr Huber sein prinzipientreues (realitätsfremdes) Weltbild durchsetzen könnte.
Nur funktionieren Politiker nicht so (aber das weiss man schon lange) – wer sägt schon an dem Ast auf dem er sitzt.
Vermutlich ist die akt. Geldschwemme noch die beste aller schlechten…
„Leverage-Effekten einen Fraktional Reserve Systems“
Natürlich, aber genau für dieses System zeichnen sich die Zentralbanken verantwortlich. Es ist logisch und nicht rocket science, dass wenn die Kreditmenge dauerhaft überproportional (im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum) wächst, dies später zu Problemen führen wird. Natürlich funktionieren Politiker nicht nach ökonomischen Prinzipien, sondern einzig nach dem Prinzip des Eigennutzes; es sind jedoch die mit unzähligen Ökonomen besetzten Zentralbanken, welche diesbezüglich versagten, indem sie sich in der Adoption einer fehlerhaften Doktrin dem politischen Establishment verdingten.
Sie verstehen die mit der zunehmend aktivistischen Geldpolitik der vergangenen Jahrzehnte verknüpften Konditionierung der Banken nicht. Die Banken wurden nicht gleich nach der Aufgabe des Goldstandards auf einmal sorgfaltslos und kurzfristig orientiert, sondern schrittweise im zunehmenden Bewusstsein, dass die Zentralbanken bei fast jeder Schwierigkeit und ungehindert durch etwelchen handlungsbehindernden Standard mit Interventionismus und Stimulation die Folgen ihres Fehlverhaltens ausbügeln würden, womit die negativen Konsequenzen solchen Verhaltens ausblieben.
Der Bereinigungsprozess wird eh kommen, die Frage ist nur in welcher Form.
Spezifisches Beispiel des zunehmenden Aktivismus der Zentralbanken:
Had the Greenspan Fed not backstopped the markets and flooded the system with liquidity post the ’87 Crash, Credit would have tightened and bursting Bubble effects would have been readily apparent throughout the data. Instead, late-eighties (“decade of greed”) excess ensured spectacular Bubbles in junk debt, M&A and coastal real estate. It’s been serial Bubbles ever since.
http://creditbubblebulletin.blogspot.com/2016/07/weekly-commentary-greenspan-on-bubbles.html
Am 26.10.1986 wurde unter Mithilfe Ihres Doktrinvaters Hayek die Finanzmärkte deregulisiert – der Dow Jones stieg von rund 1800 Punkten innert eines Jahres bis auf 2640 Punkte bevor er dann abstürzte in etwa wieder auf 1800 Punkte!
Gut Greenspan (eine der Jahrhundertpfeifen unter den Zentralbankern – da gehe ich mit Ihnen sogar mal einig) kam im Sept. 1987 an den FED Steuerknüppel.
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Das zeigt mir mehr, dass deregulierte Finanzmärkte viel schädlicher sind – selbst als miese Zentalbanker.
Gerade in der Finanzindustrie hat der Markt eben nicht immer recht, weil er sich meist nicht mehr an realen sondern virtuellen Gegebenheiten orientiert.
Unter Deregulierung verstehe ich, dass zuerst oder mindestens in Tandem der staatliche Schutz (z.B. Liquiditätsrückversichterung) reduziert oder aufgehoben wird, denn mit zunehmender Freiheit der Akteure müssen auch die Rechte gegenüber dem Staat reduziert werden. Nicht nur wurde diese logische Konsequenz nicht verfolgt, sondern sogar Bagehot’s Regel, dass Zinsen für Liquiditätsbedarf strafend hoch sein müssen, wurde ignoriert. In anderen Worten wurde dort dereguliert, wo es den Akteuren nützte, jedoch nicht dort wo fehlerhaftes Verhalten bestraft worden wäre. Wer genau ist nun für das Anreizsystem verantwortlich? Ich nenne dies weniger Deregulierung als Vetternwirtschaft.
Eine weitere jedoch eher indirekt wirkende Subventionierung wird erzielt, wenn man künstlich durch entsprechende Geldpolitik die Asset-Preise hochtreibt und somit die den Finanzsektor beflügelnde Krediterweiterung vorantreibt. Dies ist umso leichter zu bewerkstelligen, desto weniger behindernde Faktoren wie z.B. Goldstandard im Wege steht; wie auch immer handelt es sich nicht um einzig ein verantwortungsloses Verhalten der Banken, sondern das entsprechende Anreizsystem stellten in gut vetternwirtschaftlicher Manier die Zentralbanken. Die Krise ist nicht das Resultat von bösen Banken per se, sondern eines fehlerhaften ökonomische Prinzipien verletzendes Anreizsystems.
Der Unterschied in der Doktrin der Zentralbanken zwischen z.B. 1990 und heute unterscheidet sich im Kern wenig, sondern einzig die daraus resultierenden Konsequenzen werden immer offensichtlicher und das Vertrauen in das Establishment reduziert sich schrittweise. Wer AfD, Brexit, Trump, FN, Pademos, 5-Star etc. heute beklagt, scheint offensichtlich die korrosive Wirkung der Vetternwirtschaft auf das Gesellschaftsverhalten nicht zu erkennen. Irgendwann spielt Bevölkerung einfach nicht mehr mit, wenn es immer offensichtlicher wird, dass die Karten gezinkt sind.
Glauben die Zentralbanker jetzt der falschen Doktrin oder prostituieren die sich an die korrupte Politik?
Oder:
Wenden (böse) Zentralbanker vorsätzlich eine falsche Doktrin an, um sich der Politik anzudienen? Also wissen die es besser? Oder wenden (dumme) Zentralbanker eine falsche Doktrin an, wissen nicht was sie tun.
Um wenigstens eine in sich konsistente >Aussage zu machen, müssen Sie sich für etwas entscheiden, sonst gibt das keinen Sinn.
Das eine schliesst das andere nicht aus. Wichtiger als deren Motivation ist, dass die Zusammenhänge schrittweise verstanden werden.
Linus: Ihr prinzipientreues verantwortungsüberladenes Doktrindenken wurde eben auch im Elfenbeinturm ausgedacht und ist genauso realitätsfremd wie die Risikomodelle der Investmentbanken vor und auch noch während der Finanzkrise 2008/09, die einen Systemkollaps auf etwa 1 mal in einer Mio Jahre einschätzten.
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Das Gesamtsystemrisiko ist eben nicht einfach die Summe aller Einzelrisiken, sondern infolge all der Verflechtungen und Rückkopplungen viel höher, darum sind die heutige Zentralbankinterventionen gesamtvolkswirtschaftlich eben immer noch weniger schädlich, als wenn man jetzt konsequent Ihre Doktrine durchsetzen würde!
Wir haben nur noch die Wahl zw. schlecht und sehr schlecht!
Sicher doch, die Bevölkerung als blöd zu betrachten respektive, abgehoben im Wohlgefühl von Macht in gewohnter Manier trotz rauchendem Motor einfach blind weiter aufs Gaspedal drücken, ist eine ausgesprochen gute Lösung. Kein Wunder reduziert sich das Vertrauen in das Establishment. – Bravo und gut Glück damit.
LH „Das eine schliesst das andere nicht aus. “
Doch tut es: Wenn die der Doktrin glauben, folgen sie ihr weil sie ihr glauben. Punkt.
Wenn sie persönliche Interessen verfolgen, oder die persönlichen von Politkern, schieben die eine passende Doktrin vor, als Erklärung.
Wichtiger ist, genug Schmutz zu werfen, damit irgend etwas davon hängen bleibt, als in sich konsistente Aussagen zu machen.
Man „glaubt“ gerne, was einem am meisten nützt – 🙂
Ist doch klar,was passiert: In der EU entscheiden die Mächtigen und die Kumpanen. Der Chef der EZB ist Italiener, Renzi ist Italiener, und da glaubt jemand ernsthaft, Brüssel könne die Regeln durchsetzen? Hat Brüssel die Regeln betr. Flüchtlinge in Italien durchgesetzt? Nicht entfernt, wer hätte etwas anderes erwartet, ausser der CH-Bundesrat und andere Naivlinge? Letztlich werden via Brüssel de facto die Schulden im sozialdemokratischen Friedensprojekt EU vergemeinschaftet und irgendwann wird man Italien die Schulden erlassen: denn wer spart, wer sorgfältig haushaltet, wer die Steuern tiefer hält, der soll bestraft werden, abgekürzt EU.
So ein Unsinn. Wenn schon wird den Banken die Schulden erlassen und nicht dem Staat; und die EU ist keine Sozialdemokratie sondern ein neoliberales Konstrukt zur Ausbeutung der Bürger, Profitmaximierung und Schwächung der Nationen. Dazu gehört auch der innereuropäische Steuerwettbewerb race to the bottom mit Privilegierung von Profiten und Zinsen zulasten höherer Besteuerung der Arbeit.
Warum können Leute wie Sie, Herr Marti, nicht zwischen Form und Inhalt unterscheiden? Die EU ist ein politisches Gefäss, das mit verschiedenen Inhalten gefüllt werden kann. Wenn die EU gegenwärtig als „Neoliberales Konstrukt“ erscheint, dann deswegen, weil das neoliberale Dogma der bürgerlichen Mehrheitsmeinung in beinahe allen Mitgliedsstaaten entspricht. „Gewinne privat, Verluste (und Schulden) dem Staat, sparen beim Prekariat“ findet immer noch Mehrheiten, insbesondere auch in der CH, die gar nicht EU-Mitglied ist.
Man will nicht eine Politik nach Keynes in vielen Euro-Staaten und ebenso in der Schweiz und Großbritannien. Eine solche Politik würde auch bedeuten, daß das Steuerwesen in Europa angeglichen würde und dies nicht nur bei der Mehrwertsteuer. Eine solche Politik ist für die meisten Reichen in Europa der reine Kommunismus. Lieber zerstört man den europäischen Binnenmarkt und die gemeinsame Währung Euro und lässt die Herrschaft der Inflationswährung Dollar wieder zu. Ich will, daß ich unbedingt 10 Franken mehr erhalte und die Nachbarschaft mit nur 10 Rappen mehr auskommen muß. Wenn ich nur 5 Franken mehr kriege und die Nachbarschaft ebenfalls 1 Franken, so ist dies für mich schreiendes Unrecht.
Diese absolut egozentrische Haltung bestimmt am meisten in Großbritannien und der Schweiz die Haltung der Macht-Elite zur EU und dem Euro. Sie lieben die Inflationswährung Dollar und wollen ein Europa mit einzelnen Währung, aber ein Freihandelszone zum spekulieren in Finanzdienstleistungen und Waren. Für die Arbeitnehmer eine liberale Kontingentwirtschaft der Arbeitskräfte, was nicht anderes ist als ein Euphemismus für Sklaverei. Sie bilden sich tatsächlich ein, sie könnten mit der geballten Ladung der Mehrheit der Ökonomen auf ideologischem Gebiet und durch Einkauf der Politiker einen solchen Zustand erreichen. Ihre Mantra ist der Steuerwettbewerb+keine EU-Richtlinien für Konsumentenschutz
50 % aller Sozialleistung in der Welt werden an 400 Millionen Menschen in der Euro-Zone und Großbritannien ausbezahlt. Diesen Zustand zu ändern ist das Ziel aller Reichen in Europa mit neoliberalem Konzept und sie finden darin die dankbare Unterstützung der Linken, die nicht weiß, was sie tut und den Euro verdammt. Es ist natürlich klar, daß die Menschen aus dem Islambogen (auch die Türkei) versuchen in dieses Paradies mit Mauern einzudringen. Der Islambogen, ausser der Türkei, hat in den letzten 25 Jahren keinerlei wirkliches Wirtschaftswachstum gehabt, Stagnation und Rückschritt war das übliche. Die Qualität des Wachstums von der Türkei, ist nicht die von Südkorea.
Es wird sich zeigen, ob die Euro-Staaten auf diese Chimäre des Neoliberalismus eingehen oder nicht. In Deutschland auf alle Fälle ist es erschreckend, wieviele Ökonomen und auch Politiker in dieser Richtung reden. Was sagte Kauder im Deutschen Bundestag. Man spricht Deutsch. Vielleicht hätte er sagen sollen, man spricht Kleindeutsch, die dritte Niederlage der Deutschen nach den beiden Weltkriegen, den Deutschland braucht die Euro-Zone wie auch die Euro-Zone gedeihen kann nur mit einer effektiven Verwaltung und nicht griechischen Papierli-Schieber. Und dies ist nicht die Schuld des angeblich bürokratischen Monster von Brüssel. Es ist ja bezeichnend, daß Farage früher Rohstoffhändler war.
Werden weite Teile der Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen ergibt das eine massive Diskreditierung des Establishments, das kann sich Renzi nicht leisten. Also gibt es einen Bailout zulasten Staat, die BIP Schuldenquote steigt und die Zinsen auf Staatsanleihen werden wieder ansteigen resp. deren Kurse fallen. Die EZB wird einschreiten müssen und italienische Bonds aufkaufen um die Kurse zu stützen, alles schon wie gehabt.
Ich denke, diese Zahlen stimmen nicht. Die EU und das Eurosystem ist ein Friedensprojekt und funktioniert toll. Wir Schweizer sollten auch beitreten. Wir Genossen sagen das ja schon lange.
Eine sehr schöne Satire. Danke.
Uscitalia
Uscitalia
Quitaly?