Argentiniens nächstes Experiment

A supporter poses with a life-size cutout of opposition presidential candidate Mauricio Macri before the start of his closing campaign rally in Humahuaca, Jujuy, Argentina, Thursday, Nov. 19, 2015. Macri will face the ruling party candidate Daniel Scioli in a Nov. 22 runoff. The election comes at a time when Argentina’s economy, the third largest in Latin America, has stalled. Inflation is around 30 percent, gross domestic product growth is just above zero and many private economists warn that the current administration’s spending is not sustainable. (Keystone/Natacha Pisarenko)

Soll die Fehler der Vergangenheit korrigieren: Neu gewählter Präsident Mauricio Macri als Pappfigur. (Keystone/Natacha Pisarenko)

Wer sich auf konkrete Weise mit makroökonomischen Lehrsätzen vertraut machen möchte, studiert am besten die Wirtschaftsgeschichte Argentiniens der letzten zweihundert Jahre. Denn vieles, leider allzu vieles ist schief gelaufen in jenem Land – und gerade daraus lässt sich einiges lernen.

Noch vor dem Ersten Weltkrieg traute man Argentinien zu, den Lebensstandard der Europäer und Nordamerikaner zu erreichen. Heute ist es ein typisches Schwellenland, das den Anschluss an den OECD-Club verpasst hat.

Die Tabelle zeigt die Entwicklung im Vergleich zu den USA (Quelle). Um 1800 war der Lebensstandard Argentiniens auf demselben Niveau wie derjenige der USA, um 1900 nur noch halb so hoch, am Ende des 20. Jahrhunderts dreimal niedriger. (Die USA haben immer den Wert 100).

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Wie lässt sich dieser Abstieg erklären? Ein Grundproblem ist zweifellos die ungleiche Landverteilung, die aus der Kolonialzeit stammt und nie beseitigt wurde. Denn Grossgrundbesitzer sind immer eine Hypothek für die Modernisierung eines Landes. Ungleiche Landverteilung bremst die Industrialisierung, Alphabetisierung, Demokratisierung und die Entwicklung des Rechtsstaats. Das lässt sich nicht nur in Argentinien, sondern in vielen Ländern beobachten.

Die Tabelle zeigt das Ausmass der Konzentration des argentinischen Landbesitzes vor hundert Jahren. Die Unterschiede sind frappant. Selbst in den Südstaaten der USA, wo die Plantagenwirtschaft weit verbreitet war, gab es keine vergleichbare Landkonzentration. Nur in Mexiko war der Landbesitz noch stärker konzentriert.

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In jüngster Zeit lief in Argentinien besonders viel schief. In den 1980er-Jahren explodierte die Inflation, worauf man den Peso an den US-Dollar band. Das brachte zwar monetäre Stabilität, würgte jedoch das Wirtschaftswachstum ab, als sich der US-Dollar ab 1995 stark aufwertete und die US-Zinsen stiegen. Ende der 1990er-Jahre rutschte das Land in eine schwere Rezession, im Dezember 2001 erklärte das Land einen Teilbankrott, im Januar 2002 löste es die Bindung an den US-Dollar auf.

Die darauf folgende Abwertung beendete zwar die Rezession, doch die Regierung konnte die wieder auftretende Inflation nicht in den Griff bekommen. Das Ehepaar Kirchner weigerte sich in bester peronistischer Tradition, die geldpolitischen Bremsen zu betätigen. Kein Wunder, wurde Cristina Fernández de Kirchner in den jüngsten Wahlen abgewählt. Auf die Dauer bringt hohe Inflation jede Regierung zu Fall. Die Grafik verdeutlicht die beiden Wendepunkte Ende der 1980er Jahre und anfangs der 2000er Jahre.

Bild4

Die neue Regierung unter Präsident Mauricio Macri probiert nun, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren. Ein neues Experiment beginnt. Wird es diesmal gelingen?

Es gibt ermutigende Zeichen. Erstens hat die argentinische Regierung die Zentralbank wieder unabhängig gemacht und einen kompetenten Chef eingesetzt. Zweitens versucht sie, die Defizite des öffentlichen Haushalts in den Griff zu bekommen. Drittens hat sie die Wirtschaft steuerlich entlastet.

Das Kalkül von Macri ist, dass die eingeleiteten Massnahmen das Wirtschaftswachstum so stark ankurbeln, dass die Sanierung des Haushalts sozial verkraftet werden kann. Dies wiederum soll den nötigen Rückhalt für institutionelle Reformen geben.

Niemand würde darauf wetten, dass das Experiment gelingen wird. Aber immerhin wird der Versuch unternommen, Argentinien wieder auf Kurs zu bringen. Und wenn es allen Widrigkeiten zum Trotz gut herauskommen sollte, könnte man für einmal vom Erfolg des Landes lernen.

63 Kommentare zu «Argentiniens nächstes Experiment»

  • Linus Huber sagt:

    Ein leicht verständliches Beispiel für diejenigen, welche nicht richtig verstehen können, was genau mit dem Ausdruck „Fehlinvestitionen“ als Resultat eines künstlich erzeugten Booms gemeint ist. Die wenigsten Fehlinvestitionen sind visuell derart leicht zu erkennen.

    http://en.people.cn/n/2015/1116/c90000-8977146.html

  • Linus Huber sagt:

    Auch in den USA regt sich langsam der Widerstand gegen die zunehmende Zentralisation mit der damit verbundenen Idee, Entscheidungen wieder auf eine tiefere hierarchische Ebene zurückzuführen. 🙂

    http://thehill.com/blogs/ballot-box/265259-texas-governor-calls-for-constitutional-convention

  • Ralph Sommerer sagt:

    Schade, dass es keine Wissenschaft gibt, die ökonomische Prozesse studiert. Denn dann müssten nicht mehr paarweise widersprüchliche Erklärungen für denselben Sachverhalt herangezogen werden, die jeder gemäss seiner Ideologie aus dem Hut (oder Hintern) zieht.

    • Markus Ackermann sagt:

      @Sommerer
      … oder einfach weitere Artikel lesen und versuchen, sich ein Bild zu machen
      Argentinien:
      http://blog.bazonline.ch/welttheater/index.php/36293/kirchners-fieses-erbe/
      Tausende von «Ñoquis»
      Venezuela
      http://bazonline.ch/ausland/amerika/venezolanische-armee-schwoert-praesident-maduro-absolute-loyalitaet/story/15490325?comments=1
      Vor Chavez war auch schon Korruption
      Dominikanische Republik
      Dort gibt es 2 massgebende Parteien, die sich fast regelmässig an der Macht ablösen.
      Bei jeder Ablöse wechselt das Personal im Staat und es entstehen mehr Versorgungsposten
      Bsp: Verteilen von Flugblättern vor den Wahlen gibt eine Mini-Rente nach den Wahlen, falls die Partei gewinnt

    • Rolf Zach sagt:

      Berühmte Ökonomen haben diese ökonomischen Prozesse untersucht und haben auch durchaus sehr gute Argumentationen verfaßt für die unterschiedlichen Gegebenheiten der Ökonomie in den verschiedenen Weltregionen. Natürlich kann man alles mit dem Monetarismus der Chicago Boys erklären und vielleicht sogar einige Erfolge in der Eindämmung der Inflation erreichen wie dies mit Einschränkungen in Chile der Fall war. Aber nach wie vor leidet die chilenische Wirtschaft an ungenügendem Wachstum, einer bleibenden Verarmung der unteren Klassen. Chile hat als Rohstoffland vollständig an die Weltwirtschaft angedockt. Chile hat den gleich hohen HUD Index Punkte wie Argentinien.

    • Linus Huber sagt:

      Schade, dass es keine Wissenschaft gibt, die ökonomische Prozesse studiert.

      Vielleicht verstehe ich Sie falsch, aber dies ist ja genau der Inhalt der ökonomischen Lehre. Das Problem liegt eher darin, dass je nach politischer Ausrichtung diejenigen Aspekte der Theorien von der Politik übernommen werden, welche der ideologische Überzeugung der entsprechenden politischen Entscheidungsträger am zuträglichsten sind, was mitunter auch die Tendenz beinhaltet, die Macht der eigenen Organisation (Regierung) zu erweitern/auszubauen. Der Grund für die anscheinend widersprüchlichen Erklärungen liegt aus meiner Sicht in der aus Wechselwirkungen resultierenden Dynamik und der hohen Komplexität.

  • Rolf Zach sagt:

    Noch eine Ergänzung wegen der Landverteilung USA und Lateinamerika. Die USA besiedelten ihr Land durch den Homestead Act 1862 in dem sie Bundesland gratis abgaben um freie Bauernstellen zu schaffen und dies auch für Einwanderer (65 Hektaren), der Bürgerkrieg gegen die Sklaverei, war auch ein Kampf gegen den Großgrundbesitz. Der Sieg von Lincoln sicherte endgültig einen freien Bauernstand wie in Frankreich und der Schweiz, im Gegensatz zu England und Osteuropa. Somit hatte die USA 1920 20 Millionen Farmen, bedingt durch Industrialisierung ist dies auf 2,1 Millionen abgesunken. Es gibt 2 Seiten des Großgrundbesitzes, derjenige der feudalistisch eingerichtet ist und der kapitalistische.

    • Rolf Zach sagt:

      Der feudalistische ist nicht interessiert an der Steigerung des Konsums seiner Beschäftigten, er will eine Rechtshoheit über sie
      und exportiert nur zugunsten des Konsums seiner Eigentümer. Die Ware geht fast vollständig nach Übersee und dient kaum der einheimischen Industrie. Der kapitalistische Großgrundbesitz, wie er als gutes Beispiel in den neuen Bundesländer praktiziert wird, ist hochmodern, äußerst flexibel auf den Markt eingestellt und fördert die Wirtschaft von Deutschland. Seine Mitarbeiter sind vollwertige Konsumenten. Der heutige Großgrundbesitz in Lateinamerika schwankt zwischen Feudalismus und moderner Agrarwirtschaft zugunsten des Landes.

      • Rolf Zach sagt:

        Fort.: Ein Beispiel ist Argentinien. Eigentlich sollte dieses Land die mächtigste Schuhindustrie der Welt haben, viele der Einwanderer sind italienischen und deutschen Ursprung. Ideale Voraussetzungen für die Gründung eines solchen Gewerbes im Paris von Lateinamerika, als südliche Metropole für Mode und Design. Aber es siegte nicht Norditalien, sondern Sizilien mit seinen mafiösen Strukturen, dieser Virus hat sich bis heute erhalten, ob links oder rechts. Kein Konzept der Regierung für eine nachhaltige Entwicklung. Immerhin ist da Brasilien trotz Korruption fortschrittlicher gewesen, denken wir am Vale und auch trotz allem Petrobras. Auch Chile hat mehr aus dem Agrarbereich gemacht.

        • Rolf Zach sagt:

          Noch eine Bermerkung zu den Argentiniern selber. Ueli Hoeness bemerkte einmal: Er habe bei gleichem Können lieber Argentinier in seiner Mannschaft, diese seien viel seriöser und ausgeglichener als die brasilianischen Kicker, die sich viel leichter von ihrem Temperament zu Unbesonnenheit verleiten lassen. Nebst Uruguay ist in Argentinien der Bildungsstand für Südamerika am höchsten. Während den 70 Jahren hat nur Argentinien auf voller Breite sich erlaubt, die oppositionellen Kinder des Bürgertums derart grausam zu verfolgen. In Chile passierte dasselbe in geringerer Anzahl und in Brasilien kaum, dort hat man dafür keine Hemmungen gegenüber der Unterschicht, aber die Weissen sind beinahe Tabu.

      • Markus Ackermann sagt:

        @Zach
        1. Genau dies ist die Trennlinie zw. Feudalismus und Liberalismus, so wie ich die geschichtliche Entwicklung verstanden habe.
        2. Der Feudalismus (so wie Sie ihn m.E. richtig beschreiben) sah die auf dem Boden arbeitenden Menschen, z.B. die Leibeigenen oder die Sklaven, als Teil des Bodens
        – Darum hat z.B. Manuel de Cespedes auf seiner Zuckerrohr-Farm (bzw. Zuckerrohr-Mühle) in der Nähe von Bayamo (Kuba) seine Sklaven in die Freiheit entlassen und es ihnen anheim gestellt, mit ihm in den Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien zu ziehen
        – In Europa war die Kirche bzw. waren die Klöster sehr bedeutende Grundeigentümer. Darum wurden sie in der französischen Revolution enteignet

  • Rolf Zach sagt:

    Aus den bisherigen Beiträgen, wovon die meisten von guten Argentinien-Kennern verfaßt wurden, ersieht man, daß weder Linke noch Rechte, weder Keynes, Hayek und schon gar nicht Marx diesem Land geholfen haben. Natürlich ist auch die Land-Verteilung eine Ursache der ständigen Miesere. Aber hatte auch nicht England den Großgrundbesitz beibehalten und sogar durch die Enclosures ausgebaut und am Schluß um 1870 gemäß Cobban Frankreich überholt, trotzdem dieses während der großen Revolution den Großgrundbesitz zum größten Teil aufgelöst hat. Aber eben, England war eine industrielle Wachstumswirtschaft mit dem protestantischen Geist nach Max Weber, obwohl diese Leute nicht Gutmenschen waren.

    • Rolf Zach sagt:

      Forts.: Ich kann mir dies nur durch diese katholische Latifundien-Kultur erklären. Lateinamerika hat diese katholische Bösartigkeit nach dem Konzil von Trient in voller Wucht erhalten, während in Europa dies nicht derart durchgeführt werden konnte, wie in den spanischen und portugiesischen Kolonien. Wurde zum Beispiel eine katholische Förderung der Zivilisation wie die Jesuiten-Missionen in Paraguay aufgebaut, die das ganze Volk einschlossen, hat es Rom wegen Machterhalt zerstören lassen. Die Kirche in Lateinamerika war nicht da, irgendwie die Zivilisation vorwärtszubringen. Beim Verlust von Eigentum hat sie sich mit Privilegien abspeisen lassen+hat ihre Macht billig für die Oberen verkauft.

      • Rolf Zach sagt:

        Forts: Diese Latifundien-Kultur war immer eine Zivilisation des Konsums und nie auf langfristige Investitionen angelegt. Es mußte sofort rentieren. Der Protz und das Seelenheil waren wichtiger als Bildung, die auf starker einheimischer Kultur gründet. Wo sind die prächtigsten Friedhöfe? In Lateinamerika! Diese innerliche Weltbild der Kurzfristigkeit haben auch die Linken. Man verstaatlicht ohne Verstand um das Volk bei Laune zu halten. Es werden der kurzfristige Konsum der Massen gefördert, aber nichts getan für deren Weiterentwicklung. Argentinien ist neben Kanada die Nation der Weißen in der Neuen Welt, hat aber nichts gebracht. Was ist der Unterschied zwischen Brasilien und Argentinien?

        • Rolf Zach sagt:

          Fort.: Argentinien ist das beste Agrarland der Welt. Was wird daraus gemacht? Wenig, die Verarbeitung der Rohstoffexporte ist nach wie vor jämmerlich. Kirchner hat die Exportzölle für den inländischen Konsum der Massen ohne Nachhaltigkeit benutzt und der neue Präsident schafft sie ab, damit die Reichen in Argentinien ihre Vermögen in der Schweiz und den USA weiter ungehemmt vergrößern können. Es wird immer vergessen, dass die Argentinier bereits vor den Arabern riesige Auslandsvermögen hatten und es hat nicht abgenommen, zur Freude der USA, die trotz gewaltigem Leistungsbilanzdefizit ihren Status als Reservewährung behalten konnten. Brasilien hat langfristiger gedacht.

          • Rolf Zach sagt:

            Was sagen die Herren Kommentatoren zum Werk von Galeano: Die offenen Adern Lateinamerikas, z.B. Herr Senn?

          • Marcel Senn sagt:

            Zach: Kenne das Buch vom Hörensagen, habe es allerdings nicht gelesen. Allerdings scheint Galeano auch nicht mehr ganz dahinter zu stehen: Zitat aus Wiki:
            „Der Autor selbst distanzierte sich allerdings viele Jahre später von seinem Buch. Bei einer Buchmesse soll er der New York Times zufolge 2014 gesagt haben, dass das Buch ein Werk der Politischen Ökonomie hätte sein sollen, er aber damals noch nicht die dazu notwendige Ausbildung und Vorbereitung gehabt hätte. Er fügte hinzu, dass er „nicht fähig wäre, das Buch nochmals zu lesen. Ich würde vornhin umkippen.“
            .
            Geschrieben 1971 war das in der Zeit vor den Militärdiktaturen & Friedmans ersten neoliberalen Experiment in Arg, Chi, Uru etc

    • Markus Ackermann sagt:

      Ergänzung zu Zach:
      1. Welche Rolle spielten die Unabhängigkeitskriege / die Entkolonialisierung? z.B.
      Simon Bolivar und José de Sucre (insb. während den Kriegen Napoleons in Europa, „Gross-Kolumbien“)
      – Ecuador
      – Venezuela
      – Kolumbien
      – Bolivien
      – Paraguay
      José de San Martin
      – Argentinien
      – Chile (bin unsicher: San Martin war nach meiner Erinnerung da nur marginal dabei, sondern ein anderer Revolutionär)
      – Peru
      – Uruguay ….(NB: dann von Uruguay ausgehend z.B. Garribaldi in Italien).
      José Marti
      – Kuba
      2. Welche Rolle spielte der shift in der ökonomischen Theorie (Liberalismus), insb. von Grund und Boden als zentralem Produktionsfaktor zur Arbeit als zentralem…

      • Markus Ackermann sagt:

        … Produktionsfaktor?

        • Marcel Senn sagt:

          Ackermann: Korrigenda: Artigas war der Vater der Unabhängigkeit von Uruguay!!! Der steht hierzulande auf jedem Hauptplatz in jedem Kaff!!

          https://de.wikipedia.org/wiki/Jos%C3%A9_Gervasio_Artigas

          • Markus Ackermann sagt:

            @Senn
            Merci
            Ich kann meine Frage reduzieren: Ist damals der Liberalismus in Südamerika angekommen oder haben die Unabhängigkeitskriege nichts Positives gebracht, sondern einfach die Spanier ersetzt durch korrupte lokale Eliten (die ja schon da waren als Stellvertreter der Spanier) aber an den politischen Konzepten hat sich nichts Wesentliches geändert (Latifundien-Kultur)?
            – weiter Grossgrundbesitz
            – keine arbeitsteilige Wirtschaft, danach wenig Industrialisierung (nur Bodenschätze)
            – keine Demokratie
            – keine Würde / Gefühl für die eigene Werthaltigkeit jeder Person
            also nichts, was im Nachgang zur frz. Revolution sich während ca. 1 Jahrhundert in Zentraleuropa entwickelte

          • Marcel Senn sagt:

            Ackermann: Man muss vielleicht auch etwas differenzieren – Uruguay und Chile sind auf dem weltweiten Korruptionsindex ex-aequo auf Rang 21, während Argentinien auf Rang 119 dahindümpelt und Venezuela um Rang 165 – da sind doch noch Welten dazwischen
            Nach den Jahrzehnten der Diktaturen vor allem in den 70er und tw. 80er Jahren wird die Demokratie sehr hoch gehalten, was sich auch in den Stimmbeteiligungen von z.B. Uruguay mit 91.3% 2014 zeigt (gut es gilt auch die Stimmpflicht, aber die Leute gehen auch so mit Begeisterung an die Urnen).
            .
            Als in Südamerika lebender sehe ich das nicht so ganz düster wie Sie Herr Ackermann – auch hierzulande hat man sich nach 1789 weiterentwickelt
            .

          • Marcel Senn sagt:

            Vielleicht noch anzumerken: Während man in Europa nach WKII vor allem auf die „soziale Marktwirtschaft“ setzte um zu verhindern dass Europa nach links kippt bis 1989, installierten die Amis in Lateinamerika eine Diktatur nach der anderen und Milton Friedman und seine Chicago Boyz konnten in Chile, Argentinien etc ihre ersten neoliberalen Experimente durchführen (diese waren ja nach ihrem kläglichen Scheitern während der Great Depression für 40 Jahre in der Versenkung verschwunden) — welche eigentlich auf wirtschaftlichen Freiheiten basieren sollten, aber natürlich in den damaligen Zwangsdiktaturen schon ex-ante zum Scheitern verurteilt waren.

          • Markus Ackermann sagt:

            @Senn
            Merci
            Wie sieht’s aus mit den Mentalitäten und den Traditionen?
            Lassen sich daraus Arbeitshypothesen oder Muster (meinetwegen: Clichés) entwickeln, welche die unterschiedlichen Entwicklungen in den Ländern Südamerikas erklären könnten?
            Gibt es Unterschiede in Bezug auf die soziale Schichtung (soziale Mobilität zw. den Schichten. Stellenwert der Indigenen), welche in Argentinien unter der Oberfläche motten und erklären können, warum Argentinien immer wieder zurück fällt?
            Meines Wissens sind die Chilenen „Preussen“. Falls das überhaupt stimmte: was wären denn dann die Argentinier und die Brasilianer, dass es solche gesellschaftlichen Unterschiede gibt, wie wir sie antreffen?

          • G. Nardone sagt:

            @Marcel Senn:
            – „Milton Friedman und seine Chicago Boyz konnten in Chile, Argentinien etc ihre ersten neoliberalen Experimente durchführen“
            – „in den damaligen Zwangsdiktaturen schon ex-ante zum Scheitern verurteilt waren“

            Argentinien ist seit 1983 und Chile 88/89 eine Demokratie! Also nix da mit ex-ante …

            Ausserdem könnte in dieser Diskussion vielleicht ein geschichtlicher Einwand helfen wie mit der Geschichte der ‚Bananen-Republik‘:
            https://de.wikipedia.org/wiki/Bananenrepublik#Geschichte

          • Marcel Senn sagt:

            Nardone: Das mit den ersten neoliberalen Experimenten war denk noch in den 70er Jahren — 1973 nach dem Pinochet Putch und ab 1976 mit der arg. Militärdiktatur!! In Europa gab damals noch die keynsianische Wirtschaftslehre den Ton an.
            .
            Und ab den 80er Jahren mischelten dann Ronnie Reagan und vor allem Thatcher die westlichen Industrienationen mit dem neoliberalen Gedankengut auf — und seither haben wir ja auch wieder regelmässig Börsenabstürze und Krisen während es zw. 1945 bis nach 1980 relativ ruhig war (mal abgesehen von den Folgen der US$ Fixkurs-Freigabe durch Nixon und in Folge den beiden Oelkrisen 1973 und 1978)
            .

          • G. Nardone sagt:

            @Marcel Senn:
            OK, mein Fehler, ich dachte aus Ihrem Kommentar implizit gelesen zu haben, dass die neo-lib. Experimente in Südamerika Ende ’80er begannen.

          • Marcel Senn sagt:

            Ackermann: Argentinier sind der spanischen und ital. Mentalität am ähnlichsten — müssen übrigens wie z.B. die Griechen auch sehr viel arbeiten, bei rel. wenig Ferien – gut Feiertage wurden in den letzten Jahren einige neu eingeführt.
            Die indigene Bevölkerung ist marginal, soziale Mobilität auch eingeschränkt — von weit unten nach ganz oben kommt man am besten noch als talentierter Fussballer.
            Brasilien hat ein grosses Nord/Südgefälle – wobei hier der Norden sehr arm ist. Brasilianer sind halt wie Brasilianer – da fällt mir jetzt kein Vergleich ein. Auch hier ist ein sozialer Aufstieg zwar möglich, aber auch ziemlich schwierig ohne entsprechende Beziehungen.

          • Linus Huber sagt:

            @ Marcel

            Nur eine kleine Bemerkung zur Great Depression, denn es besteht der Mythos, dass Hoover ein dogmatischer Proponent von „laissez-faire economics“ war.

            Lee Ohanian (2009) entwickelte die Theorie „labor-market failure“ um die Great Depression zu erklären. Der Arbeitsmarkt versagte jedoch genau wegen Hoover.

            I conclude that the Depression is the consequence of government programs and policies, including those of Hoover, that increased labor’s ability to raise wages above their competitive levels. The Depression would have been much less severe in the absence of Hoover’s program.

            http://www.econ.ucla.edu/people/papers/Ohanian/Ohanian499.pdf

          • Markus Ackermann sagt:

            @casus knaxus
            Unten macht tobias gruber einen Hinweis:
            „Seit vier Jahren ist die Wirtschaft nicht gewachsen, allein der Staat schuf Beschäftigung. Es gibt vier Millionen öffentlich Beschäftigte! Die gesamten Steuereinnahmen gehen für Gehälter drauf.“
            Das kennen wir bestens aus Afrika: Politik als (Versorgungs-)Business
            1. Man schafft parasitäre Sessel-Furzer in den Verwaltungen als eine Form der Korruption. Oft noch mit viel polit. Sendungsbewusstsein (z.B. Venezuela)
            2. Diese Parasiten beziehen einen Lohn, aber produzieren nichts: allenfalls Probleme
            3. Aggregiert finanziert man die Un-Produktiven durch Schulden, da man ja bei jeder Transaktion dieser Parasiten Geld verliert

        • Markus Ackermann sagt:

          @Senn, Peluffo, Zach
          Die Misere Argentiniens kann man
          – nicht geschichtlich
          – nicht aufgrund der Werte und Traditionen
          – nicht aufgrund der aktuellen Gesellschaftsordnung
          erklären.
          .
          Also: Was ist denn der casus knaxus in Argentinien?
          1. Straumann, Zach und Peluffo beziehen sich auf den Grossgrundbesitz
          2. ABER ist dies nicht sehr „dünn“, wenn gleichzeitig Argentinien ein moderner, industrialisierter Staat mit einer starken Zivilgesellschaft ist?
          -> Ein Land mit einer starken Zivilgesellschaft kann sich doch selber organisieren und seine Probleme lösen … als Spezialist in eigener Sache. Warum klappt dies denn in Argentinien nicht?

          • Marcel Senn sagt:

            Ackermann: Argentinien hat eben keine „starke Zivilgesellschaft“ — eine auf und ab Geschichte mit Militärdikatur, dann Hyperinflation 1989, ein paar Jahre Grössenwahn mit der 1:1 Dollaranbindung und Ausverkauf der Staatsbetriebe, dann der Bankrott 2001 und die Schmach und Perspektivlosigkeit 2002/03 — viele Argentinier schämten sich danach Argentinier zu sein. Gut die Aera CFK hat mit linkspatriotischer Propaganda (z.B. TV Spots: Argentina un pais de buena gente) und Erungenschaften (z.B. die ersten zwei arg. Satelitten) den Nationalstolz wieder etwas zurückgebracht. und ob das neoliberale Wirtschaftsmodell wirklich den Sprung nach vorne bringt – das sehen wir dann in ein paar Jahren.

          • Linus Huber sagt:

            Ähnlich wie in meisten Staaten, jedoch im Eiltempo 😉

            Argentina’s Franken-state stormed the central bank last month, destroying the last vestiges of independence. Given the hyperinflationary history of that nation, it is worth asking why Argentines have allowed this to happen.

            The pathology of a government power grab is not hard to discern. The state creates the conditions for crisis. Crisis strikes. Politicians seize extraordinary powers. Crisis passes. Left behind is a popular perception that complete annihilation was averted due to government genius. Politicians are permitted to expand their power…

            http://www.wsj.com/articles/SB10001424052702303404704577313761154794238

          • Linus Huber sagt:

            Paul Krugman hält schon eine lange Zeit die Idee, Probleme durch die „Geldpresse“ zu lösen. Er sieht überall Deflation.

            Argentina was facing deflation; the trouble was that by pegging to the United States, which did not by any means dominate its trade, Argentina exposed itself to the fluctuations of the dollar (any perceived similarities to the problem of a gold standard are completely right)…

            http://krugman.blogs.nytimes.com/2011/10/07/argentina-2002/

            Vielleicht haben die argentinischen Entscheidungsträger zu stark Krugmans Rat befolgt. 🙂

          • Markus Ackermann sagt:

            @Senn, Huber
            Wären also Argentinier „geborene Untertanen“, die tun, was man Ihnen sagt?
            – Spanien hat eine sehr starke, autoritäre Tradition und kaum demokratische Traditionen
            – Argentinien als spanische Kolonie hätte die autoritäre Tradition von den Spaniern übernommen
            – feudalistische Werte, die mit den Latifundien zusammen gehen
            … ABER:
            1. Argentinien ist ja ein grosses Land … und in der Pampa ist jede Autorität weit weg (mit Ausnahme des Grossgrundbesitzers)
            2. Argentinien ist ja ein modernes Land … und Städte kann man nicht autoritär führen
            3. Ist Argentinien evt. ein eher chaotisches Land, das auf Caudillos anspricht?
            … oder, oder?
            … Was ist der casus knaxus?

          • Linus Huber sagt:

            Was ist der casus knaxus?

            Keine Ahnung, da ich die argentinischen Verhältnisse und seine Geschichte nicht kenne. Auch hier werden eher die Symptome erklärt:

            http://www.cato.org/publications/commentary/how-argentina-got-mess

          • Markus Ackermann sagt:

            Sorry
            Das posting
            Markus Ackermann
            8. Januar 2016 um 23:35

            @casus knaxus
            sollte hier kommen

          • Linus Huber sagt:

            Ist es nicht herrlich, wenn man als Superreicher oder Grossunternehmen die Verantwortung für das gute Funktionieren der Gesellschaft mit der Bezahlung des steueroptimierten Obolus abstreifen, sämtliche menschlichen Probleme beim Staat auslagern und die Rahmenbedingungen ansonsten durch den „Kauf“ der Politik zu seinen Gunsten beeinflussen kann, während die Sozialisten sich immer stärker von diesem gleichen Staate mit seiner Regulierungswut abhängig machen wollen und jeder seine vermeintlichen Vorteile vehement verteidigt, während die wirtschaftliche Dynamik und der allgemeine Wohlstand immer stärker leidet.

          • Markus Ackermann sagt:

            @Huber
            Ja, genauso läuft’s … und darauf muss man eine politische Antwort finden.
            1. Die Liberalen mussten im 18. + 19. Jahrhundert den Feudalismus beseitigen
            2. Ende 20. Jh. kam ein Neo-Feudalismus auf
            Im 21. Jh. muss dieser Neo-Feudalismus beseitigt werden.
            Dies ist die Aufgabe … und die bisherigen Konzepte reichen dafür nicht aus
            3. Man kann es auch anders formulieren:
            – In der französischen Revolution wurden die Adligen entmachtet, aber deren Verwalter (die „Meier“ + die „Huber“ bzw. wie die Verwalter-/Bürokraten-Namen sonst alle heissen) gingen vergessen. Dies ist nun im 21. Jh. nachzuholen
            – Wahrscheinlich werden die sog. Entwicklungsländern dabei Europa voraus sein

          • Anh Toàn sagt:

            @Linus Huber „Ist es nicht herrlich, wenn man als Superreicher oder Grossunternehmen die Verantwortung für das gute Funktionieren der Gesellschaft ……abstreifen…“

            Also die Superreichen und Grossunternehmer sind verantwortlich für das gute Funktionieren der Gesellschaft, wenn es keinen Staat gäbe. Wer verantwortlich ist, hat Befehlsgewalt, Machtmonopol, denn Verantwortung setzt die Möglichkeit voraus, die vernünftigen Einsichten durchzusetzen:

            Ich bin genauso viel und wenig verantwortlich für die Gesellschaft, wie Reichen.

            Schreiben Sie doch einfach:

            Wenn es keinen Staat gäbe. ären die Reichen wieder gut, weil verantwortlich.

            Kotz!!!!!!!!!!!!

          • Anh Toàn sagt:

            In den Standesgesellschaften hatte der Adel die Verantwortung für das Wohlergehen der Gesellschaft.

            Sie wollen den Adel durch die Superreichen und Grossunternehmer ersetzen, also etwa so wie Argentinien funktioniert (Grossgrundbesitzer, Superreiche bestimmen)

            Ich weiss nicht, ob Sie das wollen, aber Sie schreiben es.

          • Linus Huber sagt:

            Natürlich blenden Sie die Scharnier-Funktion, welche die Regierungen und Politiker in diesen als Demokratien deklarierten jedoch immer mehr als Oligarchien funktionierenden Scheindemokratien spielen, locker aus. Delegieren wir doch gleich mal 5000 Bedienstete zur Sicherheit der unterschiedlich positionierten Reichen (CEOs etc.), welche sich in gelöster Stimmung in Davos unter ihresgleichen und den ihnen dienenden politischen Eliten genüsslich feiern, ab. Was genau hat die Bevölkerung mit diesen Leuten zu tun, respektive wie kommt es dazu, dass der Steuerzahler solch einen Unfug von de facto versammelter Unverantwortlichkeit zu berappen hat? Was Sie beschreiben besteht bereits.

          • Anh Toàn sagt:

            Sie sagen Private hätte keine Mach über Mitmenschen, aber Verantwortung, wenn sie Superreich sind oder Grosskonzerne.

            Verantwortung hat nur, wer Macht hat, Sie schrieben vor wengen Tagen, Private hätten keine Macht, als haben sie auch keine Verantwrtung, welche sie abstrefen könnten an den Staat.

          • Anh Toàn sagt:

            Zum ablenken von fehlender Logik, auf die Sie sich sonst ausschliesslich berufen, schreiben Sie dann ganz lange Sätze mit vielen negativ konnotierten Worten wie CEO und Davos (als Wirtschaftseliteforum) Oligarchen und Scheindemokratien.

            Was ist jetzt Ihre Aussage: Die oben sind böse und Sie kämpfen für die Unten, den Doofen erklären Sie die Welt, af dass diese Ihnen folgen.

          • Anh Toàn sagt:

            Folget dem Huber, er wird Euch führen durchs dunkle Tal, Euch wird nicht mangeln an Freiheit und Unabhängigkeit von staatlicher Zentralmacht mit Kontrollinstrumenten, der Huber wird ein guter, verantwortungsvoller Führer, und dann werden es nicht nur tausend Jahre, nein, es wird nachhaltig diesmal, also ewig.

          • Anh Toàn sagt:

            Sie Herr Huber handeln nur Unverantwortlich, zahlen Ihre Wettschulden nicht, weil Sie von einer Zentralmacht geschützt werden. Gäbe es kein Gesetz, das sagte, Forderungen aus Spiel und Wette seien nicht einklagbar, durchsetzbar, würden Sie natürlich (sic) bezahlen. Ohne Sie Ihre Verantwortlichkeit astreifen lassende Zentralbürokratie, würden Sie zahlen. Jetzt was ich, wie Sie das verstehen.

          • Linus Huber sagt:

            Wirkliche Verantwortung trägt, welcher auch Konsequenzen auf persönlicher Ebene akzeptiert, während im gegenwärtigen immer weniger transparenten und durch Vetternwirtschaft gekennzeichneten System niemand mehr wirkliche Verantwortung, welche unteilbar mit Konsequenzen auf persönlicher Ebene verbunden sein muss, tragen will, jedoch den Genuss der unverantwortlichen Macht kosten will.

            Richtig, Private hätten keine Macht, wenn die Politik sich nicht immer stärker korrumpieren liesse. Jedes gesellschaftliche System scheint bei genügend Zeit diesem Schicksal ausgeliefert zu sein. Wie kommen Sie auf die unsinnige Idee, dass ich Verantwortung für Menschen ausserhalb meiner Familie anstrebe?

  • Laura Peluffo sagt:

    Seit 1900 gibt es in Argentinien einen Kampf zwischen 2 Modellen: Ein Agrarland von Grossgrundbesitzern vs. ein industrialisiertes Land mit KMU’s und starken Unions. Die letzte Diktatur 1976 hat ein absolutes neoliberales Modell eingeführt, unter Herrschaft der Finanzmärkte, alliert mit den Agrarsektor. Resultat: Bankrott 2001; Staatsverschuldung von 120% des BIP’s; Armut 56%; Arbeitslosigkeit 22%; Rezession -4% BIP; Inflation 5%.
    Danach 12 Jahre Kirchners mit keynesianischen und anderen heterodoxen Versuchen. Resultat: Umstrukturierung der Schulden; Staatsschulden 40% des BIP’s, Armut 28%; Arbeitslosigkeit 7%; Wachstum respektabel; Inflation schlimm.
    Jetzt ist der Neoliberalismus…

    • Markus Ackermann sagt:

      @Peluffo
      1. Können Sie da (2 Modelle) noch mehr ausführen?
      – Brasilien kenne ich als Industrieland (z.B. Embraer, Autofabriken)
      – Argentinien kenne ich als Landwirtschaftsland (Wein, Fleisch, Soja), aber nicht als Industrie-Zentrum. Biotechnologie vielleicht, aber auch da schreibe ich Brasilien mehr zu
      – Argentinien hat wohl auch weniger Industrie als z.B Chile
      – Chile und Peru kenne ich als Länder der Bodenschätze. Argentinien hat auch Minen, aber da lese ich vor allem von Blockaden und Streiks
      2. Warum gibt es so viele Caudillos in Südamerika … und in Argentinien speziell (Perron, Menem, Kirchner)?
      3. Argentinien hat viele Einwanderer aus Europa, aber: Zivilgesellschaft?

      • Laura Peluffo sagt:

        Die INDUSTRIE in Argentinien umfasst Fahrzeuge und deren Ersatzteile, Stahlproduktion, Erdölraffinerien, Kühlschränke, Fernseher, Möbel, Textilien, Lederwaren, Plastikfabriken und neuerdings sogar Satelliten (einziges lateinamerikanisches Land mit 2 Satelliten im Weltall). Dass das Land eher wegen Wein, Fleisch und Getreide weltbekannt ist, erklärt sich dadurch, dass die Agro-Finanzelite den Kampf gegen die Industrie immer mit der Einsetzung einer Militärdiktatur gewonnen hat. Seit 1916 (Einführung des Universalstimmrechtes) ist Macri der erste Vertreter der Elite, der in musterhaft sauberen Wahlen gewonnen hat. CAUDILLOS: Die Antwort bräuchte ein ganzes Geschichtsbuch. ZIVILGESELLSCHAFT

        • Laura Peluffo sagt:

          Forts.: ZIVILGESELLSCHAFT: 40 Millionen hochpolitisierte Argentinier mit einer Wahlbeteiligung über 80 % (Trotz Obligatorium gehen die Meisten wegen eigener Motivation); stark organisierte Arbeiterschaft, zivile Organisationen für Menschenrechte; kulturelle Organisationen, weltbekannte Filme und Literaten, Opernhaus. Habe ich die Frage richtig interpretiert?

          • Markus Ackermann sagt:

            @Peluffo
            Ja, Sie haben meine Frage richtig interpretiert.
            .
            … ABER
            1. dann müsste die Zivilgesellschaft doch für eine stabile Wirtschaftsentwicklung sorgen (können) – und zwar während Generationen … und mit dem höchsten Wohlfahrts-Niveau von ganz Südamerika … und ohne Staatsbankrotte
            2. dann dürfte es keine korrupten PolitikerINNEN geben
            3. dann dürfte ein Staatsanwalt nicht in seiner Wohnung erschossen werden (und man entdeckt schon den Haftbefehl gegen die damalige Präsidentin Christina Kirchner in seinen Unterlagen)
            … etc. pp

        • Markus Ackermann sagt:

          @Peluffo
          Merci
          Nach Ihrer Meinung wäre also das prägende / überwiegende Kriterium zur Erklärung des historischen Schicksals von Argentinien ein Konflikt zw. Landwirtschaft (Latifundien) und Industrie?
          Dies würde sich decken mit dem Ansatz von Zach (weiter oben).
          .
          …. ABER:
          Warum sollte denn der erste Sektor (Landwirtschaft) bei den politischen Kämpfen in Argentinien gewinnen können gegen den zweiten Sektor (Industrie) und den dritten Sektor (Dienstleistungen)?
          -> In allen mir bekannten Ländern in Europa hat die Landwirtschaft verloren (tiefere Wertschöpfung)

  • Claire Deneuve sagt:

    Herr Straumann: Sie glauben tatsächlich Macri könnte den arg. Haushalt in Ordnung bringen?
    Macri war 7 Jahre Bürgermeister von Buenos Aires — davon hat er 6 Jahre mit Defizit abgeschlossen, die Schulden der Stadt haben sich in US$ Terms vervierfacht (in arg. Pesos inflationsbedingt versechsfacht). Er liess zwar ein paar schöne Velowegli nach europ. Vorbild bauen und den Metrobus (ausführende waren meist seine „Freunde“ aus der Bauwirtschaft), aber Kinder mussten im Winter in ungeheizten Schulen bei wenigen Graden ausharren.
    Den US-Geierfonds kriecht er jetzt schon in den Hintern – das wird sicher auch gegen 20 Mrd kosten.
    Und so ein Typ soll den Haushalt sanieren? Forget it!

  • Marcel Senn sagt:

    Nach meinen Quellen war das GDP/Capita in Argentinien in der Jahrhundertwende um 1900 doch einiges höher als nur 52% – nämlich zw. 70 bis 85% — daher kommt ja noch der franz. Ausspruch „Riche comme un Argentin“ – weil die Oberschicht ihre Sprösslinge alle nach Paris schickten und auch selber gerne dort verweilten. Zudem liess man mehrere franz. Architekten in BsAs bauen, was man heute noch in prächtigen Villen in BsAs sieht, die an Paris erinnern.
    Allerdings galt dies nur für eine kleine Oberschicht, die Landarbeiter wurden bis Peron kam in oft sklavenähnlichen Zuständen gehalten! Die sehr einseitige Landverteilung drückt das ja auch aus

    http://www.webcitation.org/63mmpZjlL

  • Marcel Senn sagt:

    Mit Mauricio Macri wurde ein Präsident gewähtl der 24 laufendene Strafverfahren am Hals hat (so in etwa ähnlich wie S. Berlusconi in Italien), der weiss, dass seine „Reformen“ (praktisch alle zugunsten einer kleinen Oberschicht) massive soziale Unruhen auslösen werden und darum mal den nationalen Sicherheitsnotstand ausrufen liess und 100’000 neue Poliezkräfte einstellen lassen will, die Liberalisierung der Mediengesetze rückgängig machen will, damit seine Vetterlifreunde von Clarin wieder bestimmen was die „Realität“ ist.
    .
    Das land wird vermutlich wieder verscherbelt wie unter Menem an wenige Günstlinge. Sehe das nächste 2001 in wenigen Jahren schon kommen!

    Buenas Noches…

    • tobias gruber sagt:

      Seit vier Jahren ist die Wirtschaft nicht gewachsen, allein der Staat schuf Beschäftigung. Es gibt vier Millionen öffentlich Beschäftigte! Die gesamten Steuereinnahmen gehen für Gehälter drauf, Scioli hat in der Provinz Buenos Aires in den letzten Jahren weniger als 3 Prozent investiert. Sogar die Fussball-Profi-Liga wurde aus Steuergeld bezahlt, ohne jegliche Transparenz, auch da ermittelt die Justiz. Also, ich gebe Macri jetzt ein halbes Jahr und schaue mir an, wie er die Themen angeht. Etwa dir Kürzung der Energiesubventionen, die bislang alleine die Hauptstadt bevorzugten halte ich für völlig korrekt. Anders als in Uruguay kostete hier ein Monat Strom so viel wie ein Kaffee in der Bar

      • Marcel Senn sagt:

        Gruber: Die Energiesubventionen fand ich in dem Ausmasse auch ziemlich pervers – nur als man die für die „besseren“ Quartiere abschaffen wollte, gingen die Massen der K-Gegner auf die Strasse – das sei ungerecht etc.
        Aber wenn dann die Bevölkerung im März die ersten 2-Monatsrechnungen für Strom erhalten die 800% höher sind als zuvor, dann werden vermutlich wieder viele auf die Strasse gehen. Von einem Extrem ins andere — das kommt nicht gut!
        .
        Unter K. ist sicher auch einiges schief gelaufen, aber die aktuelle 180Grad Wende wird zu viele Verwerfungen mit sich bringen – fürchte auch die Kriminalität wird massiv zunehmen, infolge Perspektivlosigkeit vieler Aermerer!

  • Tigre . sagt:

    Argentinien war in der ära kirchner ein alternatives modell zum neoliberalismus, die subventionen an die ärmeren schichten liessen den mittelstand florieren und hohe einfuhrzölle förderten die einheimische produktion.die aktuelle regierung verschuldet das land aufs neue bei den internationalen finanzgangstern und beschenkt die grossgrundbesitzer mit dem streichen der ausfuhrzölle. Ähnliches verhalten führte zur revolution von 2001 und macri wird die casa rosada verlassen wie de la rua,der musste mit einem helikopter vor den wütenden massen gerettet werden……

    • León sagt:

      Miravos, da hingen Sie aber Cristina ein bisschen zu sehr an den aufgespritzten Lippen: der sogenannte Mittelstand hat hauptsächlich auf Pump gelebt, was bei zweistelliger Inflation ja durchaus rational ist. Alle Ersparnisse, sofern vorhanden, wandern dagegen seit Jahrzehnten am Fiskus und den Kapitalkontrollen vorbei ins Ausland. Dass die einheimische Produktion dank der Ausfuhrzölle hochging war zwar das Ziel, nicht aber das Resultat der Übung. Gerade im Agrarbereich führten die Zölle zu sinkender Produktion. Die Streichung bringt dem Land lebensnotwendige Devisen (die unter ihrem Mann dank hoher Rohstoffpreise angehäuften Reserven hat Cristina nämlich verblasen).

    • Olivero sagt:

      Nicht ganz so toll Sr. Tigre, war die Ära Kirchner, wie sie schreiben. Wie Hr. Strauman ausführte: auf die Dauer bringt hohe Inflation jede Regierung zu Fall, denn diese trifft die Ärmsten ganz besonders. Da hat man nun auch bei der venezolanischen Regierung gesehen. Die Freunde der Kirchners haben eine noch höhere Inflation „geschaftt“ mit verstaatlichungen und rekordimporten, alles aus den Devisenreserven bezahlt, die nun nicht mehr vorhanden sind. Ebenso sind die Chavisten Regierungsleute alle reich geworden mit grossen Vermögen im Ausland, sowie die Kirchners die auf „seltsame Weise“ halb Patagonien kaufen konnten. Viel schlechter kann Macri wohl nicht sein.

  • Sylvia Stamm sagt:

    Cristina Fernandez de Kirchner wurde nicht, wie hier behauptet wird, nicht wiedergewählt in den jüngsten Wahlen in Argentinien. Sie durfte gar nicht mehr antreten, da Argentinien nicht mehr als 2 Amtszeiten mit derselben Person erlaubt.

    • tobias gruber sagt:

      Sie haben Recht, die Verfassung verbietet mehr als zwei Amtszeiten. Allerdings hat der Autor auch nicht ganz Unrecht, denn der Grossteil der Stimmen für Macri waren, wie das hier in Argentinien heisst – anti-K. Sie können sicher sein, dass Cristina Sciolis Schlappe als eigene Niederlage empfunden hat. In den nächsten Monaten wird Frau Kirchner mit den diversen Prozessen, die auf sie zukommen allerhand zu tun haben.

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