Warum ein zu grosser Finanzsektor schadet

Ein grosser und überdies wachsender Finanzsektor entzieht der «realen» Wirtschaft auf dem Arbeitsmarkt Talente.(Keystone/WalterBieri)

Durch die hohen Saläre dominieren die Banken den Kampf um Talente auf dem Arbeitsmarkt: Banker vor der UBS-Filiale am Paradeplatz. (Keystone/WalterBieri)

«Was gut ist für General Motors, ist gut für Amerika.»

Dieses Zitat wurde während Jahrzehnten Charles Erwin Wilson zugeordnet, der von 1941 bis 1953 Präsident des mächtigen Autoherstellers war und in den Fünfzigern unter Dwight Eisenhower als US-Verteidigungsminister diente. Wilson hat die Worte zwar nie so geäussert, aber das spielte keine Rolle, denn ein halbes Jahrhundert lang galt tatsächlich das Mantra: Wenn Amerikas Autosektor möglichst gross ist, profitiert die Volkswirtschaft des ganzen Landes.

In Anlehnung dazu könnte es in der Schweiz heissen: «Was gut ist für UBS und Credit Suisse, ist auch gut für die Schweiz.» Auch hierzulande wird gemeinhin angenommen, dass die Volkswirtschaft des ganzen Landes profitiert, wenn der Finanzsektor möglichst gross ist.

Doch ist dem so?

Die Empirie spricht dagegen. Es scheint tatsächlich so zu sein, dass ein aufgeblähter Finanzsektor schädlich für die Volkswirtschaft wird, wenn er eine gewisse Grösse überschreitet.

Aber Achtung: Bevor die zahlreichen Bankenbasher frohlocken, hier zunächst eine wichtige Feststellung. Ein effizienter Finanzsektor ist extrem wichtig für die Volkswirtschaft. Banken und Versicherungen übernehmen eine Intermediärfunktion; sie kanalisieren Kapital von Sparern hin zu produktiven Investitionen, und sie allozieren Risiken dorthin, wo sie am besten getragen werden können. Ein effizienter, professioneller Finanzsektor steigert den Wohlstand eines Landes.

Es soll in diesem Beitrag also nicht um Sinn und Unsinn des Finanzsektors per se gehen, sondern um seine Grösse und um seine Wachstumsrate.

Stephen Cecchetti, der ehemalige Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel, hat mit Enisse Kharroubi in einem Working Paper den Zusammenhang genauer untersucht. Als Datenquelle dienten 21 Länder der OECD (auch die Schweiz), der Beobachtungszeitraum betrug 30 Jahre.

Wer sich für die Details interessiert, findet die Studie hier. In seinem stets lesenswerten Blog (hier) beschreibt Cecchetti die Arbeit in etwas einfacheren Worten.

Seine Konklusion: Ein wachsender Finanzsektor ist bis zu einer gewissen Grösse nützlich für die Volkswirtschaft. Wird diese Grösse überschritten, leidet dagegen die Produktivität der Wirtschaft. Und noch wichtiger: Wächst der Finanzsektor zu schnell, hemmt das die Produktivität der Volkswirtschaft.

Die folgenden zwei Grafiken verdeutlichen den Sachverhalt.

Die erste Grafik zeigt den Zusammenhang zwischen der Grösse des Finanzsektors und den Produktivitätsfortschritten in der Volkswirtschaft:

Die Grafik ist etwas komplex, daher einige Erklärungen: Die horizontale Achse zeigt für die beobachteten Länder den rollenden Fünfjahresdurchschnitt der Arbeitsstellen im Finanzsektor im Verhältnis zur Gesamtzahl der Arbeitsplätze im Land. Die vertikale Achse zeigt den rollenden Fünfjahresdurchschnitt des Wachstums des Bruttoinlandproduktes pro Arbeitsstelle (eine Masszahl für den Produktivitätsfortschritt).

Wie die Grafik zeigt, besteht zwischen den beiden Grössen zunächst ein positiver Zusammenhang. Das heisst, mehr Arbeitsplätze im Finanzsektor führen zu höherem Produktivitätswachstum. Ab einer bestimmten Grösse wird der Zusammenhang allerdings negativ. Mehr Arbeitsplätze im Finanzsektor gehen dann mit einer Abschwächung des Produktivitätswachstums einher.

Am Beispiel der USA rechnen Cecchetti und Kharroubi vor, dass die optimale Anzahl Arbeitsstellen im Finanzsektor um 4 Prozent aller Arbeitsplätze im Land liegt.

Vor allzu eindeutigen Schlüssen aus dieser Beobachtung sei allerdings gewarnt. Wie die grosse Streuung der Punkte in der Grafik zeigt, ist die statistische Datenlage überaus lärmig, mit zahlreichen Extremwerten.

Eindeutiger wird der Befund im zweiten Untersuchungsfeld, nämlich der Wachstumsrate des Finanzsektors, wie die folgende Grafik zeigt:

Auch hier einige Erklärungen. Die horizontale Achse zeigt den rollenden Fünfjahresdurchschnitt des Wachstums der Anzahl Arbeitsplätze im Finanzsektor. Die vertikale Achse bildet wiederum das Produktivitätswachstum ab.

Hier ist die statistische Aussage klarer: Es besteht ein negativer Zusammenhang zwischen dem Wachstum des Finanzsektors und dem Produktivitätswachstum in der Volkswirtschaft. Je schneller der Finanzsektor wächst, desto schwächer ist das Produktivitätswachstum der gesamten Wirtschaft.

Warum ist das so?

Cecchetti und Kharroubi haben zwei Erklärungen: Die eine betrifft die Sicherheit für Kredite («Collateral»), die andere den Kampf um Talente.

Zum Collateral-Argument: Ein wachsender Finanzsektor geht mit steigender Kreditvergabe einher. Und um Kredite von Banken zu erhalten, müssen Unternehmen meist Pfandsicherheiten (Collateral) bieten. Hier werden Industrien bevorzugt, die greifbare Sicherheiten wie Gebäude, Lager und dergleichen zu bieten haben. Neue, überdurchschnittlich produktive Sektoren wie die Informationstechnologie besitzen allerdings nur wenig greifbare Sicherheiten, denn sie arbeiten hauptsächlich mit intellektuellem Kapital.

Das könnte bedeuten, dass in einem Kreditboom jene Sektoren übermässig mit Krediten bedient werden, die zwar greifbare Kollateralsicherheiten bieten können, die aber bloss unterdurchschnittlich zum Produktivitätswachstum der Wirtschaft beitragen. Beispiele, die Cecchetti und Kharroubi nennen, sind der Häuserbau in Ländern wie Spanien, Irland und den USA in den Jahren zwischen 2000 und 2007.

Die zweite Erklärung leuchtet noch etwas mehr ein: Ein grosser und überdies wachsender Finanzsektor entzieht der «realen» Wirtschaft auf dem Arbeitsmarkt Talente. Wenn Ingenieure, Mathematiker und Physiker für eine Investmentbank arbeiten und komplexe derivative Produkte erfinden, ist ihr Nutzen für die Volkswirtschaft möglicherweise kleiner, als wenn sie ihren Intellekt den Herausforderungen der «echten» Wirtschaft widmen würden.

Thomas Philippon, ein an der New York University lehrender französischer Ökonom, befasst sich seit Jahren mit der Frage, wann ein Finanzsektor für eine Volkswirtschaft zu gross sein kann. Auch für ihn ist der Kampf um knappe Talente am Arbeitsmarkt einer der wichtigsten Problemfaktoren. Wie er unter anderem in dieser Studie aus dem Jahr 2009 zeigt, bezahlt der Finanzsektor deutlich höhere Saläre als die restliche Wirtschaft.

Die folgende Grafik zeigt beispielsweise, wie viel ein ausgebildeter Studienabgänger (post grad) in den USA verdienen kann, wenn er oder sie im Finanzsektor arbeitet oder aber eine Stelle als Ingenieur in der realen Wirtschaft annimmt:

Die grüne Kurve zeigt das Lohnniveau im Finanzsektor (zu Preisen des Jahres 2000). Die rote Kurve zeigt das Lohnniveau eines Engineering-Studienabgängers in der realen Wirtschaft. Bis in die Achtzigerjahre verliefen die beiden Kurven in etwa gleich, doch seither klaffen sie immer weiter auseinander.

Soll eine ausgebildete Mathematikerin für eine Investmentbank arbeiten oder aber in einem Forschungsinstitut versuchen, neue Energieträger zu erfinden? Die monetären Anreize sind gross, sich für erstere Wahl zu entscheiden. Für die Produktivität der gesamten Wirtschaft kann das schädlich sein.

Philippons Daten beziehen sich auf die USA, doch es darf vermutet werden, dass dieses Dilemma auch in der Schweiz spielt.

Hier noch eine weitere Grafik aus Philippons Studie, die den Zusammenhang zwischen der Regulierung des Finanzsektors und dem Salärniveau aufzeigt:

Die rote Kurve zeigt das Salärniveau des Finanzsektors relativ zum Rest der Wirtschaft. Die grüne Kurve zeigt einen von Philippon konstruierten «Index der Deregulierung». Je niedriger der Wert, desto höher die Regulierung.

Augenfällig: Von Mitte der Dreissiger- bis Anfang der Achtzigerjahre war der US-Finanzsektor im Vergleich zu seiner eigenen Historie hoch reguliert. Das war die Zeit des Trennbankensystems unter dem sogenannten Glass-Steagall-Act (für Interessierte: hier ein sehr lesenswerter Beitrag meines Kollegen Tobias Straumann zur Geschichte der Bankenregulierung in den USA).

Während dieser Zeit der straffen Regulierung standen die Löhne im Finanzsektor ungefähr im Einklang mit dem Rest der Wirtschaft. Das relative Salärniveau (rote Kurve) lag zwischen 1 und 1,1.

Mit dem Beginn der Deregulierungswelle in den Achtzigerjahren schossen die Saläre der Banker in die Höhe. 2009 betrugen sie das 1,7-Fache des Salärniveaus des Rests der Wirtschaft.

Auch dies ist ein Anhaltspunkt für die von Cecchetti und Kharroubi formulierte These, dass ein zu grosser, zu schnell wachsender Finanzsektor den Kampf um knappe Talente am Arbeitsmarkt dominiert und damit der Gesamtwirtschaft schadet.

«Food for thought» – besonders in einem Land wie der Schweiz mit einem derart grossen Finanzsektor.

56 Kommentare zu «Warum ein zu grosser Finanzsektor schadet»

  • Linus Huber sagt:

    Eine interessante philosophische Frage.

    „freedom derives from conformity to authority and the rules“ (Freiheit beruht auf der Übereinstimmung mit Obrigkeit und Regeln)
    „freedom exists in opposition to authority“ (Freiheit existiert als Gegenpol zur Obrigkeit)

    Na ja, wenn die Obrigkeit die Regeln nach ihren Vorstellung korrumpiert und aus Effizienz-Gründen umgeht, gilt wohl eher der 2. Grundsatz.

    Hier der Link: http://www.theguardian.com/commentisfree/2015/mar/15/poet-goethe-solution-germany-greece-standoff

  • Maiko Laugun sagt:

    „Soll eine ausgebildete Mathematikerin für eine Investmentbank arbeiten oder aber in einem Forschungsinstitut versuchen, neue Energieträger zu erfinden?“ ….. Vielleicht sollte sie bei der Blackstone Group anheuern. Dort wurde dem CEO 2014 eine Jahresvergütung in Höhe von 690 Millionen Dollar ausbezahlt: http://www.crainsnewyork.com/article/20150308/FINANCE/150309875/get-ready-for-the-first-billion-dollar-ceo-stephen-schwarzman

    • Linus Huber sagt:

      Nicht zufällig wurde Philipp Hildebrand mit seinem Beziehungsnetz (inkl. Mario, welchen er mit sanfter brauner Zunge bearbeitet, wie man beim WEF Interview gut erkennen konnte) angeheuert. Ein kleiner „Hint“ von z.B. Mario dürfte beim Einsatz von genug hohem Hebel jeweils Billionen Wert sein. Die Kunst heute liegt nicht darin, Risiken objektiv zu bewerten, sondern einen minimalen Zeitvorsprung durch Vetternwirtschaft oder technische Überlegenheit (wie z.B. HFT) zu erarbeiten.

    • seebueb sagt:

      80% davon sind Dividenden und haben nichts mit seinem Chef-Sein zu tun.

      • Anh Toàn sagt:

        „Schwarzman, 68, received $85.9 million in compensation, $570 million in dividends from his Blackstone shares ( BX -0.63% ) , and $33.5 million from his investments in Blackstone funds in 2014, a regulatory filing showed on Friday. His net worth is currently pegged by Forbes at $12 billion.“

        @seebueb: Danke, habe mich grad ein bisschen schlau gemacht, die 690 Millionen als Gehalt und Bonus in einem Jahr wären auf allen Titelseiten gelandet, hätten 500 Kommentare generiert, das kann kaum sein, auch wenn 86 Millionen noch immer viel zu viel sind.

        • seebueb sagt:

          Die Frage nach dem Wert einer Managementleistung lässt sich mMn nicht wirklich beantworten weil er sich erst im Nachhinein (oft erst nach vielen Jahren) zeigt – wieviel war bspw Steve Jobs Arbeit bei Apple wert? Dass handkehrum Dougan sein Geld bei der CS nicht wert war, scheint naheliegend, Ermotti ebenso.

          Letztendlich dürften die Löhne Ausdruck der Machtverhältnisse unter den verschiedenen Anspruchsgruppen sein. Je grösser ein Unternehmen, desto höhere Managementlöhne kann es zahlen, und desto stärker zersplittert (und damit schwächer) sind die Aktionäre, mal ganz abgesehen vom Verhalten der Institutionellen mit ihren verschiedenen Sammelgefässen.

          • Anh Toàn sagt:

            Bei 26 Mio hätte ich nicht gedacht, er sei unterbezahlt.

          • seebueb sagt:

            Ichnehme an, das war sein Lohn in den letzten Jahren? Als es Apple schlecht ging, hat er sich mehrere Jahre ausschliesslich mit Aktien bezahlen lassen. Angesichts der Wertsteigerung für die Aktionäre hat man aus meiner Sicht im Fall von Jobs durchaus argumentative Munition auch für einen Lohn von -zig Millionen.

          • seebueb sagt:

            Scheiss-Blogsystem.

      • Maiko Laugun sagt:

        In diesem Falle wird sich die Mathematikerin bestimmt fürs Forschungsinstitut entscheiden, wenn es nur noch (von @AT berichtigt) $85.9 Millionen bar auf die Hand gibt.

  • Walter Bernstein sagt:

    Je weiter sich die Finanzwirtschaft in Grösse und Struktur von der restlichen Wirtschaft entfernt, desto näher der Absturz.
    Das hat man in Island gesehen. Denn grundsätzlich gilt natürlich:

    Eine Volkswirtschaft mit vielen KMU braucht kleine, flexible und ortsnahe Banken.
    Z. B. Kantonalbanken, oder im Ausland die Volksbanken, Caisses d’Epargne, Cajas usw.

    Ein Land mit starker Exportorientierung braucht Banken mit Aussenhandelserfahrung, Korrespondenzbankverbindungen, einem „guten Namen“ für Dokumentenakkreditive, Auslandsrepräsentanzen usw.

    Ein Land mit grossen Industrieunternehmen braucht Banken mit Erfahrung bei Unternehmensanleihen, Börsengängen, Investitionsfinanzierung usw.

    Ein Land mit einer sparsamen Bevölkerung braucht gute Vermögensverwalter und keine „Wettbüros“.

    Fazit:
    Die Schweizer Banken entsprechen den Anforderungen der Wirtschaft.
    Die Schweizer Grossbanken sind nicht zu gross: In der internationalen Arbeitsteilung nehmen sie Aufgaben für das Ausland wahr und benötigen ihre Grösse, um professionell und rentabel zu sein. Die Reduzierung des Investmentbankings wird die Nachhaltigkeit stärken.

    Natürlich schöpfen Banken Talente ab, aber nicht jeder hochbezahlte Banker wäre auch ein guter Softwareentwickler. Schwieriger wäre es, wenn die fähigsten Ingenieure in unproduktiven Bereichen arbeiten, z. B. einer subventionierten Rüstungsindustrie. Das war in der Sowjetunion der Fall. Es hat dort massgeblich zu Innovationsschwäche und Verfall der Wettbewerbsfähigkeit beigetragen.

  • Markus Ackermann sagt:

    Abbildung 6 zeigt, dass etwas faul ist:
    „Mit dem Beginn der Deregulierungswelle in den Achtzigerjahren schossen die Saläre der Banker in die Höhe. 2009 betrugen sie das 1,7-Fache des Salärniveaus des Rests der Wirtschaft.“
    EIGENTLICH müsste mehr Konkurrenz zu TIEFEREN Preisen führen. Bei einer DE-Regulierung werden ja z.B. die Eintrittsbarrieren gesenkt. ABER DIES fand eben gerade NICHT statt: Die Bankgeschäfte wurden exakt NICHT vereinfacht, sondern verkompliziert.
    WARUM haben wir in den AM MEISTEN REGULIERTEN Branchen die grössten Abzocker-Löhne? z.B. Juristen, Pharma, Banken. Früher haben die Zünfte reguliert, die Kosten hoch getrieben und damit die Produktivität nach unten gedrückt.
    1. Preis-Theorie
    Es lohnt sich, Adam Smith zu lesen: Wealth of Nations, Book I chapter 7:
    „The exclusive privileges of corporations, statues of apprenticeship, and all those laws which restrain, in particular employments, the competition to a smaller number than might otherwise go into them, have the same tendency, though in a less degree. They are a sort of enlarged monopolies and may frequently (…) keep up the market price of particular commodities above the natural price, and maintain both the wages of the labour and the profits of the stock employed about them somewhat above their natural rate.
    Such enhancements of the market price may last as long as the regulations ov police which give occasion to them.
    (…) The same statutes of apprenticeship and other corporation laws indeed, which when a manufacture is in prosperity, enable the workman to raise his wages a good deal above their natural rate ….. etc.“
    2. Es lohnt sich sicher auch, den Begriff der Produktivität zu klären. Auch dabei leistet Adam Smith gute Dienste.
    3. Wenn beide Begriffe geklärt wären, kämen wir dann zu Ronald Coase (siehe nobelprize.org: Transaktionskosten). Denn die Transaktionskosten sind das Beafsteak, welches z.B. die Banker unter sich verteilen. Das System ist EIGENTLICH ein feudales: Die Realwirtschaft erarbeitet das Beafsteak (Produktivität) und die Abzocker nehmen das Beafsteak der Realwirtschaft wieder ab – abgeschottet von Konkurrenz durch Regulationen

    • Markus Ackermann sagt:

      „Es scheint tatsächlich so zu sein, dass ein aufgeblähter Finanzsektor schädlich für die Volkswirtschaft wird, wenn er eine gewisse Grösse überschreitet.“
      Zum Begriff der Produktivität: Die beiden ersten Grafiken haben einen bias, denn sie kombinieren PRODUKTIVE UND UNPRODUKTIVE Beiträge zum BIP.
      Auch hier hilft wieder Adam Smith, Wealth of Nations, Book 2 chapter III:
      „There is one sort of labour which adds to the value of the subject upon which it is bestowed: There is another which has no such effect. The former, AS IT PRODUCES A VALUE, may be called productive; the latter unproductive labour. Thus the labour of a manufacturer adds, generally, to the value of the materials which he works upon (…). The labour of a menial servant, on the contrary, adds to the value of nothing. Though the manufacturer has his wages advanced to him by his master, he, in reality costs him no expense, the value of those wages being generally restored, together with a profit, in the improved value of the subject upon which his labour is bestowed. But the maintenance of a menial servant never is restored. (…) The labour of the latter, however, has its value, and deserves its reward as well as that of the former. (…) The labour of the menial servant, on the contrary, does not fix or realize itself in any particular subject or vendible commodity. His services generally perish in the very instant of their performance, and seldom leave any trace of value behind them, for which an equal quantity of service could afterwards be procured.
      The labour of some of the most respectable orders in the society is, like that of menial servants, unproductive of any value (…) The sovereign, for example, with all the officers both of justice and war who serve under him, the whole army and navy, are unproductive labourers. They are the servants of the publick, and are maintained by a part of the annual produce of the industry of other people. (…) In the same class must be ranked, some both of the gravest and most important, and some of the most frivoulous professions: churchmen, lawyers, lawyers, physicians, men of letters of all kinds, players, buffoons, musicians, opera-singers (…) and that of the noblest and most useful, produces nothing which could afterwards purchase or produce an equal quantity of labour. (…)
      Both productive and unproductive labourers, and those who do not labour at all, are all equally maintained by the annual produce of the land and the labour of the country.“ etc.
      In einer Dienstleistungsgesellschaft haben wir immer mehr Services, deren Wert sofort konsumiert wird: die also UNPRODUKTIV sind. Der Finanzsektor kompensiert dies einfach mit BEWERTUNGEN (z.B. an der Börse) … und ein schöner Teil dieser Bewertungen erweist sich später als „Blasen“ oder „abzuschreibende Schulden“
      In einer freien Marktwirtschaft werden die Konsumenten merken, dass diese Services für sie nichts wert sind und deshalb werden die Konsumenten sie nicht konsumieren wollen: nach dem Konsum (der Transaktion) sind sie NICHT reicher (besser) als vorher. Darum der gesetzliche Zwangskonsum.
      Jetzt kommen wir zum Begriff der Transaktionskosten (Ronald Coase): Die Regulationen ZWINGEN den Konsumenten die Transaktionen auf, die sie freiwillig nicht vornehmen würden. Und genau DIES ist das Beafsteak von Juristen, Bankern etc. und ermöglicht diesen Abzocker-Löhne (abgeschirmt durch Regulationen als Eintrittsbarrieren).
      Und damit können wir die letzte Grafik des Artikels erklären.
      Alle, die sich jetzt von den Abzockern besch***en fühlen, lesen mit Gewinn Adam Smith, Wealth of Nations oder Ronald Coase „The law, the market and the firm“

      • Markus Ackermann sagt:

        korrigiere: R.H. Coase (Nobelpreis 1991), The Firm, the Market and the Law, University of Chicago Press

      • Linus Huber sagt:

        @ Markus

        Danke für die grundlegenden Überlegungen, welche auf verschiedene Verhältnisse angewendet werden können. Z.B. im Falle der Staatsquote besteht wohl ein irgendwo unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Struktur ideales Verhältnis, welches einerseits die Nachhaltigkeit nicht verletzt und andererseits genügend an Rechtssicherheit und Organisation bietet um die Wirtschaft und Gesellschaft florieren zu lassen. Im Falle des Finanzsektors dürfte eine ähnliche Situation vorliegen, welche anhand der Geldpolitik, indem das Wachstum der Kreditmenge demjenigen der Wirtschaft entspricht, gesteuert werden kann. Es geht jeweils um die Verhältnismäßigkeit, welche Nachhaltigkeit und damit Systemsicherheit bietet, und nicht um gut oder schlecht.

      • Linus Huber sagt:

        „The real currency of the world is trust“

        https://www.youtube.com/watch?v=MAYNW_vunfI

        • Markus Ackermann sagt:

          Danke für den Link zu einem sehr informativen, unaufgeregten Film
          1. Die ersten 60 min zeigen gut, warum es eine Nationalbank braucht und dass man zu deren Unabhängigkeit Sorge tragen muss.
          Diese ersten 60 min zeigen auch sehr schön, WAS das Thema der „Deregulierung“ war: nicht der Wettbewerb in der Finanzindustrie, sondern die Ausweitung des Profit-Pools (wie oben von Frank Rosebrook kommentiert), der in der Finanzindustrie unter den boys verteilt werden kann. Die Finanzindustrie blieb sehr wohl reguliert: zwecks Ausschluss der Konkurrenz von aussen. Und damit zeigt der Film auch, was es mit der Abbildung 6 des obigen Artikels auf sich hat
          2. Die weiteren 40 min zeigen sehr kompetent, in welchen Problemen wir HEUTE stecken: Die Interview-Sequenzen stammen von allen, die bis fast zuletzt Rang und Namen hatten in der Geldpolitik. Kompetentere Interview-Partner gibt es nicht.
          3. Interessant auch die Begründungen, Plausibilisierungen bzw. „Beweise“, warum die Finanzindustrie UNPRODUKTIV ist. Dies zeigt zugleich auch den Ausweg aus der Krise: Rückkehr von der Wall Street zur Main Street und damit ein langsamer Abbau des Schuldenüberhangs durch produktive Investitionen
          4. Zum Abschluss:
          In der Finanzindustrie wurden grosse Vermögen angehäuft. Dies führte zu einer starken Ungleichheit in der Vermögensverteilung:
          – Reiche wurden sehr viel reicher,
          – Arme blieben arm,
          – der Mittelstand profitierte kaum.
          Grundlage dafür war die leverage von bis zu 50:1 (also nur 2% Eigenkapital). Ich glaube in der Schweiz ist genau DIES (too-big-to-fail) das prioritäre Problem.
          Dies zu lösen, wäre in der Schweiz seit 2008 die prioritäre Aufgabe von BR EWS. Aber sie machte GAR NICHTS. Eine bessere Lobbyistin konnten sich die Grossbanken gar nicht wünschen. Die Reichen und die Grossbanken können mit BR EWS sehr zufrieden sein, der Schweizer Steuerzahler bleibt jedoch im Risiko und die Realwirtschaft und die Normalverdiener werden auch weiterhin die too-big-to-fail-Erpressung auszubaden haben.
          Und nun die pointe: WER wählte BR EWS? Links-grüne PolitikerINNEN.

        • Walter Bernstein sagt:

          Linus Huber, 3:32
          So früh schon wach?

          Ich bedanke mich für den interessanten Link!

    • seebueb sagt:

      „EIGENTLICH müsste mehr Konkurrenz zu TIEFEREN Preisen [Löhnen] führen.“

      Im Gegenteil:
      Die Konkurrenz unter den Arbeitgebern nahm zu weil die Geschäfts- und vor allem Gewinnmöglichkeiten zunahmen, was wiederum die Preise in die Höhe trieb. Der Preis der Arbeitskraft wird gemeinhin als Lohn bezeichnet.

      Also müssten, um die Entwicklung umzukehren, die Profitmöglichkeiten des Finanzsektors reduziert werden. Nur stellt sich dann die Frage, was Sie mit all den zusätzlichen Arbeitslosen (nicht notwendigerwiese die Ex-Banker, aber irgendwer kriegt keine Arbeit wenn die Stellenzahl abnimmt) anzustellen planen.

  • HireAndFire sagt:

    Da die Banken allerdings auch sehr oft Arbeit auslagern und entsprechend Mitarbeiter entlassen, werden ganz viele Talente frei.
    Google zeigt, dass Unternehmen auch ausserhalb von Banken a) gut bezahlen können und b) die Mitarbeiter sogar noch gut behandelt werden.
    Entsprechend wird natürlich auch Leistung verlangt.

    • Maiko Laugun sagt:

      Banken sind nicht so sozial, dass sie die entlassenen „Talente“ in einem *Silicon Emmental* weiterhin sponsoren würden.

      • Walter Bernstein sagt:

        Maiko Laugun, 12:16
        Banken sind nicht sozialer oder unsozialer als andere Wirtschaftsunternehmen.

        Die Grossbanken sind – durch ihre Internationalisierung und ihre angelsächsische Prägung ab den 80ern – eher bereit, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern bzw. „Talente dem Markt zur Verfügung zu stellen“.
        Das trägt aber zu höheren Dividenden bei, die dann über die Pensionskassen, Lebensversicherungen und Steuereinnahmen dem gesamten Volk zugute kommen. Diese Seite wird oft vergessen.
        Ausserdem ist eine rechtzeitige Produktivitätssteigerung besser, als wenn man lange nichts ändert und in der nächsten Krise umso stärker Kosten sparen muss.

        • Maiko Laugun sagt:

          @Walter Bernstein: Danke. Es ist noch nicht lange her, als viele (gerade in der CH) inkl. des Staates stolz auf den Finanzsektor und die resultierenden Steuereinnahmen waren, auch wenn ein Teil davon aus dubiosen Geldern aus dem Bankgeheimnis resultierten. Deshalb durfte diese Zunft gezielt und staatlich unterstützt auch ständig wachsen, mit dem nun bekannten Resultat. Ein paar gestrauchelte Talente spielen keine Rolle, auch nicht in anderen grossen Wirtschaftsunternehmen. Es scheint logisch zu sein, dass diese ein ‚erfolgreiches‘ Geschäftsgebaren kopieren. Moral spielt keine Rolle, auch nicht beim Staat. Denn dieser ist von den Konzernspitzen korrumpiert und fungiert (ganz nebenbei) als einzig legaler Geldwäscher, indem er die aus Justizverfahren als schmutzig deklarierten Gelder als saubere in die Staatskasse überführt – und nicht aus moralischen Gründen auf einem Scheiterhaufen verbrennt.

  • Linus Huber sagt:

    Diese Studie zeigt auf, dass wenn das Kreditvolumen aufgrund einer fehlerhaften Geldpolitik stärker als die Wirtschaft wächst, sich längerfristig negative Konsequenzen melden. Ein altbekannter Umstand, welcher immer wieder als neue Erkenntnis vermarktet wird.

    • Anh Toàn sagt:

      Das Wort „Geldpolitik“ sagt, dass das Geld ein Mittel der Politik ist. Sie verstehen unter Geldpolitik, Geld sei das Ziel der Politik, und darum ist Geldpolitik fehlerhaft. „Rettet unser Geld“

  • Frank Rosebrock sagt:

    Vielleicht wächst ja der Finanzsektor einfach deshalb stärker als die Restwirtschaft, weil dort die (Fehl-)Anreize, schnell viel Geld zu verdienen, grösser sind? Somit wird dort das Geld deponiert, was wiederum logischerweise Arbeitsplätze im Finanzbereich generiert, denn die Gelder wollen bewirtschaftet und verwaltet werden. Es ist doch nicht so, dass zuerst Arbeitsplätze geschaffen werden und dann die Beschäftigung dafür gesucht wird. Also kann der Finanzsektor nicht als Folge der Suche und „Abwerbung“ gutbezahlter Arbeitskräfte aufgebläht werden; dies ist vielmehr umgekehrt die Folge der Aufblähung. Wenn diese aber erfolgt, weil Gelder dorthin (fehl-)alloziert werden (durch die Marktteilnehmer allgemein, nicht alleine durch die Banken), ist es nur logisch, dass infolge fehlender Investitionsgelder die restliche Wirtschaft weniger wächst. Gut, ich bin nicht Ökonom, vielleicht bringe ich ja Dinge durcheinander. Bloss die Gedanken eines Laien dazu.

    • Linus Huber sagt:

      @ Frank

      Sie sehen dies schon richtig. Die Geldpolitik verursachte einen massiven Wachstum der Kreditvolumen (weit über dem Wachstum der Wirtschaft) in den vergangenen Jahrzehnten, worauf das Wachstum des Finanzsektors beruht.

  • N. Kamber sagt:

    Wenn ein aufgeblähter Finanzsektor wirtschaftliche Vorteile bringen würde, dann müsste Grossbritannien mit Abstand die stärkste Volkswirtschaft Europas sein und nicht etwa Deutschland.
    Während Deutschland Handelsbilanzüberschussrekorde schreibt, macht Grossbritannien das Gegenteil und bricht zudem Staatsverschuldungsrekorde.

    • Margot sagt:

      Der Aussenhandelsüberschuss ist gut für die Eigentümer / Aktionäre der exportierenden Unternehmen. Aber für die Volkswirtschaft sehr schädlich, denn es wird Leistung ins Ausland exportiert ohne Gegenleistung. Deshalb ist eine ausgeglichene Handelbilanz erstrebenswert, wie es zur DM Zeit noch war. Damals haben sich die Goldbestände stetig erhöht. Und jetzt hat man Target 2 Salden! Juchhuu!!

      • N. Kamber sagt:

        Offensichtlich geht es der Deutschen Volkswirtschaft und dem Werkplatz Deutschland mit einem Handelsbilanzüberschuss wesentlich besser als den EU-Ländern mit einem Handelsbilanzdefizit. The proof is in the pudding, Margot.

        Das soll nicht heissen, dass ein Handelsbilanzüberschuss angestrebt werden soll. Der Überschuss und die geringe Arbeitslosigkeit belegt jedoch, dass ein starker Industriesektor gegenüber einem aufgeblähten Finanzsektor wesentlich vorteilhafter ist.

        (Der Deutsche Handelsbilanzüberschuss innerhalb der Eurozone ist allenfalls ein Problem für die Eurozone, aber sicher nicht für Deutschland selbst.)

        • Manfred Grieshaber sagt:

          Die Handelsbilanz zwischen Deutschland und den anderen EU-Staaten ist ausgeglichen, die BRD im- und exportiert für ca. 400 Mrd. EURO. Das Problem liegt woanders. Die Exportindustrie Deutschlands hat nahezu alle attraktiven Märkte in Asien und den USA besetzt da bleibt für die anderen EU-Industrien nicht viel übrig. Das zweite Problem ist das ein größerer Teil der gesamten EU-Exportindustrie Teil deutscher Konzerne ist. Die haben aber die Produktionsabschnitte mit der geringsten Wertschöpfung in den anderen EU-Staaten positioniert während der Löwenanteil an Wertschöpfung innerhalb dieser Konzerne in Deutschland entsteht. Dadurch profitiert Deutschland überproportional von jedem neuen Auftrag. Um mit Deutschland gleichziehen zu können müsste das Wirtschaftswachstum z.B. in Spanien mehr als doppelt so groß sein wie in der BRD.
          Die Wirtschaftsdominanz Deutschlands ist eines der ältesten Probleme in Europa und existiert seit etwa 1900 als das ehemalige Kaiserreich erstmals wirtschaftlich das British Empire übertraf. Das lag aber hauptsächlich an einer gesellschaftlichen Erstarrung in Frankreich und England. Fast unüberwindliche Klassenschranken würgten die wirtschaftliche Dynamik ab. Und in Deutschland engagierte sich der Staat viel stärker in der Förderung von Forschung und Entwicklung. Daraus kann man Deutschland keinen Vorwurf machen sondern nur den anderen EU-Staaten die hier vieles versäumt haben.

    • seebueb sagt:

      Gegenbeispiel ist Luxemburg mit Finanzplatz und dem rekordhohen BIP pro Kopf.

      • Margot sagt:

        Bei Luxemburg weiss man seit dem „Lux Leaks“ den Grund.

        • seebueb sagt:

          Na und? Sie fragen bei UK ja auch nicht nach dem Grund. Kann es sein, dass das Bsp UK Ihre vorgefasste Meinung bestätigt?

      • N. Kamber sagt:

        Sie können nicht aus einer grossen Volkswirtschaft einen reinen Finanzplatz kreieren.

        Ein paar Leute müssen immer auch noch arbeiten und reale Wertschöpfung generieren.

        • Linus Huber sagt:

          Aufgrund der Globalisierung ist gerade in diesem Bereich eine globale Sichtweise angezeigt. Natürlich mag eine kleine Volkswirtschaft in Ausnützung dieser vergangenen Entwicklung hohe Vorteile für sich herausholen, was sich jedoch später bei einer entsprechenden Gegenbewegung ins Gegenteil wenden dürfte.

          • seebueb sagt:

            Würde sich die Entwicklung nicht umkehren, wäre es keine Gegenbewegung. Schlagen Sie gelegentlich die Bedeutung von Pleonasmus nach.

        • seebueb sagt:

          Oder aber man kauft billig im weniger wohlhabenden Ausland ein. Ich wette, dies trifft stark auf Lux zu.

  • Thomas Geiger sagt:

    Der Umkehrschluss der zweiten Graphik würde lauten: Je schneller der Finanzsektor schrumpft, desto stärker ist das Produktivitätswachstum der gesamten Wirtschaft.

  • Wer glaubt, dass Orwells 1984 im Allgemeinen — und das Konzept des doublethink im Speziellen — eine Fiktion sei, sollte Artikel von Ökonomen lesen. Zum Beispiel diesen hier. Erfreulicherweise widerlegt er überzeugend das Dogma des Markt-Liberalismus, wonach der Freie Markt mit Unsichtbarer Hand eine optimale Allokation von Reourcen bewirkt, legt dieses der Analyse aber selber wieder zu Grunde. Oder wie sonst ist es möglich, Unsinn, wie folgenden zu schreiben:

    „Banken und Versicherungen übernehmen eine Intermediärfunktion; sie kanalisieren Kapital von Sparern hin zu produktiven Investitionen, und sie allozieren Risiken dorthin, wo sie am besten getragen werden können. Ein effizienter, professioneller Finanzsektor steigert den Wohlstand eines Landes.“

    während wir immer noch dabei sind, hinter der letzten „produktiven Investition“ und Risiko-Allokation, a.k.a. Finanzkrise von 2008, aufzuräumen? Während ausserdem gerade ein neuer Bauboom überflüssiger Business-Imobilien im Gange ist, der zeigt, wie effizient die Allokation finanzieller Resourcen im Freien Markt ist? Dass inzwischen sogar die Bank of England zugibt, dass Kredite eben nicht von Sparern „hin zu produktiven Investitionen“ kanalisiert werden, sondern umgekehrt Spar-Deposite überhaupt erst aus Krediten entstehen, sei nur nebenher erwähnt.

    Aber der Hammer ist, dass der Autor am Ende das Grund-Dogma des Markt-Liberalismus widerlegt, das er doch gerade noch in Heiligem Glauben an den Göttlichen Freien Markt zitiert hatte, indem er nun empirisch beweist, dass die Resource Hirnkapital effizienter in Technologie statt in Finanz-Architektur investiert würde, während der Freie Markt offenbar gegenteilige Anreize schafft.

    Ich dachte immer, Schreiben schaffe Distanz zum Beschriebenen. Offenbar nicht. Herr Dittli, Sie haben mit Ihrem Artikel — wohl unwissentlich und unabsichtlich, aber desto überzeugender und m.E. endgültig — den Glauben widerlegt, dass Freie Märkte eine auch nur im Entferntesten optimale Allokation von Resourcen bewirken. Sie sollten Ihren Artikel lesen und daraus lernen… 😉

    • Gregor sagt:

      Genau aus dem Grunde werden wir auch bald sehen, dass der ach so hochgehaltene „Freihandel“ keine Einbahnstrasse ist.
      Die „erste“ Klage gegen die Schweiz ist im Köcher und so undemokratisch wie in jeder Bananenrepublik wird durch „Eliten“ entschieden und ausbaden muss es das Allgemeinwesen.

      Kurzsichtigkeit – Gewinnoptimierung contra – wer zu letzt lacht …..

      Das wusste schon meine Oma, die hatte aber nicht studiert. 🙂

    • Linus Huber sagt:

      In einem freien Markt würden die Banken nicht anhand verschiedener Mechanismen indirekt staatlich subventioniert.

      • Reto Stadelman sagt:

        Es sei denn, sie werden so gross und mächtig das es anders gar nicht mehr funktioniert, weil sont mit sozialen Unruhen zu rechnen ist…

        • Linus Huber sagt:

          @ Reto

          Könnten Sie sich vorstellen, dass sie derart gross und mächtig wurden, gerade weil sie subventioniert werden und sich in ihrem Verhalten jedoch zwecks Elimination behindernder Regeln sich auf einen vermeintlich freien Markt beriefen, der gerade in ihrem Falle keineswegs bestand.

      • Anh Toàn sagt:

        Es gibt keinen freien Markt.

      • Anh Toàn sagt:

        Die Banken werden subventioniert vom Staat, zweifellos, ich wurde auch subventioniert, die Semestergebühren haben nicht die Profs und die Bibliothek mit Arbeitsplatz bezahlt, aber wenn es so stört, dass die Banken vom Staat profitieren, warum sie, und damit die Geldschöpfung mittels Kredit dann nicht verstaatlichen? Warum schliessen Sie diese Option von vornherein aus?

  • Hans Grob sagt:

    Es ist fast banal, festzustellen, dass die Produktivität im Bereich technisch-wissenschaftliche Entwickung und Forschung gegen unendlich steigen kann, derweil sie im Bereich Finanzkonstrukte und Versicherungen fast Null sein wird. Eine weitere Frage ist, welchen volkswirtschaftlichen Einfluss sehr hohe Saläre haben. Wenn sie für den Kauf und von Luxusprodukten (zur Demonstration der eigenen ‚Ueberlegenheit‘) ausgegeben werden, so ist das auch allgemeinwirtschaftlich negativ oder zumindest neutral, weil der Ueberschuss sinnvoller und nützlicher durch und für andere ausgegeben werden könnte.

    • Rolf Zach sagt:

      Die Produktivität in der Abwicklung der Geschäftsfälle im Bank- und Versicherungsbereich hat in den letzten 20 Jahren enorm zugenommen. Dies gilt nicht nur für diese beiden Branchen, sondern allgemein für alle verwaltungstechnischen Prozesse. Die Anzahl der heutigen Geschäftsfälle könnte gar nicht mehr in der Weise erledigt werden, wie dies vor 50 Jahren der Fall war, ausser man würde, dass dazugehörige Personal massiv vergrössern. Die hohen Saläre der obersten Chefs der Banken-Konzerne sind auch dadurch verursacht worden, dass die Lohnstückkosten im Bankensektor abgenommen haben. Anstatt die Saläre ihrer einfachen Angestellten und ihrer mittleren Kader zu erhöhen, haben die obersten Chefs diese Zunahme der Produktivität, verursacht durch verbesserte Informatik, in ihre Taschen geleitet.

      • Markus Ackermann sagt:

        Ja, die Transaktionskosten bestimmen die Grösse der Firmen.
        Und die Regulationen bestimmen die Höhe der Transaktionskosten.
        NUR bei Transaktionskosten = 0 gibt es keine Ausbeutung.
        siehe Coase Theorem
        Oder in den Worten von George J. Stigler (Nobelpreis 1982):
        „The world of zero transaction costs turns out to be as strange as the physical world without friction. Monopolies would be compensated to act like competitors, and insurance companies would not exist.“
        Und Paul A. Samuelson (Nobelpreis 1970) meinte dazu:
        „Only when prices of goods are equal to Marginal Costs is economy squeezing from its scarce resources and limited technical knowledge the maximum of outputs“
        Coase stimmt dem ausdrücklich zu:
        „Since consumers have to decide not only what to consume, but also how much, price should be equal to the costs of additional units of output, that is to say marginal costs.“
        Sie haben Recht, Herr Zach, wenn Sie behaupten, dass die Abwicklung der Geschäftsfälle bei Banken und Versicherungen schneller und zahlreicher erfolgt als vor Jahren.
        ABER:
        Sie liegen KOMPLETT FALSCH, wenn Sie das PRODUKTIVITÄT nennen. Denn Banken und Versicherungen schaffen KEINE Werte, sie sind UNPRODUKTIV: nach der Transaktion ist man nicht reicher als vorher (siehe weiter unten: Adam Smith, Wealth of Nations).
        Bref:
        Banken und Versicherungen beuten aus (einfach anders als ein Dieb oder Erpresser, nämlich legal) oder m.a.W.: Das Vermögen als solches verschwindet nicht, es ändert sich nur der Besitzer.

        • Linus Huber sagt:

          @ Markus

          „Banken und Versicherungen beuten aus“

          Sie haben natürlich recht in Ihrer Annahme, dass direkt kein Vermögen geschaffen wird mit diesen Funktionen. Aber …

          Die Organisation der Gesellschaft, der Kapitalallokation wie der Risikoumverteilung hat sicherlich seine Berechtigung, solange sie den gesamtwirtschaftlichen Interessen dient und nicht in einer Form der verdeckten Subvention eines entsprechenden Sektors abläuft. Auch diese Organisation mag mit höherer Effizienz durch entsprechende Produktivitätssteigerungen arbeiten. Es handelt sich wohl eher um die Frage des Ausmasses, indem diesen Sektoren durch ein entsprechendes Anreizsystem nicht erlaubt wird, sich aufgrund der Umverteilung der durch Risiken verursachten Kosten auf die Allgemeinheit als Selbstzweck zu erkennen und dementsprechend künstlich erzeugtes Wachstum auszuweisen. Der Finanzsektor z.B. wächst stark, wenn das systemweite Kreditvolumen stärker wächst als die Wirtschaft selbst und dieses seit Beginn der 80iger Jahre erzeugte übermäßige Wachstum beruht auf der Geldpolitik der Zentralbanken. Die Deregulation bezweckte eigentlich nichts anderes als die Beschränkungen des Risikos, welches aufgrund der Geldpolitik immer offensichtlicher umverteilbar (z.B. Greenspan-Put) wurde, aufzuheben, womit mit immer höherem Hebel gearbeitet werden konnte und sich das Geschäftsmodell der ungerechtfertigten (da risikolos) Selbstbereicherung der Teppich-Etage etablierte. Anstatt das Risikokapital anzuheben und damit den Hebel und das Risiko zu reduzieren, was dieser Selbstbereicherung entgegengewirkt hätte, wurden z.B. im März 2009 der Bewertungsgrundsatz von „Bewertung nach Marktwert“ auf „Bewertung nach Modell“ verändert (was eine sofortige Reaktion erzeugte) und das effektive Risikokapital in der Form von Aktienkapital einzig marginal respektive kosmetisch leicht verbessert. Damit wurde das fehlerhafte Anreizsystem weiter ausgereizt, was dazu führte, dass immer mehr Grossfirmen (nicht einzig im Bankensektor) sich dieses Modell des erhöhten Hebels (und Selbstbereicherung) zulegen und damit immer stärker ihre Existenz bei einer etwelchen Wachstumsdelle aufs Spiel setzen, respektive die entsprechenden negativen Konsequenzen auch wieder verstärkt beim Staat (Allgemeinheit) landen.

      • Hans Grob sagt:

        Und warum hat die Produktivität im Bankensektor so stark zugenommen???? Fast allein nur wegen den Fortschritten in Elektronik, Telekommunikation und Informatik. Das sind TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE Bereiche. Im Zug dessen gab es auch einige neue Multimilliardäre, die Gründer von Microsoft, Oracle, SAP, etc. Was hat denn der gleich reiche Finanzier Caros Slim zum Fortschritt der Welt beigetragen? Er hat die erste Milliarde mit dem Monopol auf Mexikos Telekom gemacht, den Rest geschickt zusammengekauft. Was nützt es, wenn es 100’000 Derivate gibt statt nur 100 auf die wichtigsten Indizes und Rohstoffe???? Was nützt der Hochfrequenzhandel? Im übrigen wurde betriebswirtschaftlich gefunden, dass die Prozesseffektivität in der eigentlichen Verwaltung seit 1900 nur um 100% zugenommen hat. Das dürfte auch für das Bankwesen an sich gelten.

  • Rolf Rothacher sagt:

    Interessanter Artikel. Leider trifft er auf die CH-Grossbanken nicht zu. Die UBS hält 61% ihrer gewichteten Risiken im US-Dollar-Raum, 11% in Euro-Raum und nur 17% in CHF. Wenn man also von der Aktiv-Seite der Banken spricht, liegen bloss 1/5 der UBS-Risiken in der Schweiz. Die grossen Händler-Räume jedoch, die Tausende von Talenten vom Markt abschöpfen, liegen in Grossbritannien und den USA, betreffen also auch nicht direkt die Schweiz.
    Insgesamt dürften die Aussagen Cecchetti und Kharroubi und Phillipon zwar stimmen, wenn man die Bankenwelt global oder auf die USA beschränkt betrachtet. Doch mit der UBS und der CS in der Schweiz haben die Aussagen wenig zu tun. Hier profitieren wir von zwei Konzern-Zentralen mit rund 10’000 sehr gut bezahlten Jobs für den Mittelstand, sowie dem normalen CH-Geschäft der Grossbanken mit weiteren 25’000 gut bezahlten Jobs, viele davon in der Vermögensverwaltung für ausländische Kunden. Diese schöpfen zwar auch Talente vom Markt ab. Ihnen gegenüber stehen jedoch ganz normale Dienstleistungen der Banken, die vom Markt so gefordert werden und deshalb ebensowenig schädlich sind, wie zum Beispiel die Arbeitsplätze von Google in Zürich.

    • Rolf Zach sagt:

      Herr Rothacher, ich möchte Ihre Zahlen keineswegs bestreiten. Die Sache hat aber einen Hacken, die $ Aktiven der UBS sind nicht nur Aktiven Inland-Ausland, sondern in ihrer Mehrheit $ Aktiven, die vollkommen dem US-Geschäft zuzurechnen sind und nicht dem internationalen Geschäft. Der grosse Nachteil davon ist, dass nicht die FED für diese Aktiven als der „Lender of the Last Resort“ figuriert, sondern unsere Nationalbank. Offensichtliches Beispiel ist die Übernahme der Subprime Papiere 2008 der UBS durch unsere Nationalbank. Es gab nur keinen Verlust, weil die FED den US-Banken
      für diese Papiere soviel Hilfe zu gedient hat, dass sich der Markt wieder erholte und die Nationalbank bei der Liquidation keinen Verlust hatte. Wird sich in einem zweiten Fall ein solches glückliches Prozedere wiederholten? Nicht zu vergessen ist, dass das relativ grosse US Inland-Geschäft teuer eingekauft wurde und eine kümmerliche Rendite aufweist. Es muss z.B. vor allem bei Steuern und Bussen, von der Schweiz aus quer subventioniert werden. Mit der Aufwertung des $ wäre eigentlich die Zeit gekommen, diese lahme Kuh ohne Verlust abzustossen. Die UBS wird dort nie in die Ligen der grossen US Banken und Vermögensverwalter vorstossen, sogar HSBC, Barclays und die Deutsche Bank haben Schwierigkeiten, obwohl sie ganz andere Kaliber sind und wichtige Verbündete der USA im Rücken haben. So wie die UBS heute ausgerichtet ist, reduziert sie gute Arbeitsplätze in der Schweiz und baut solche in London und New York auf, die Pro-Kopf weniger Ertrag einbringen als diejenigen in der Schweiz. Alles schwere Gepäck wird auf den Schweizer Gaul geladen. Deshalb auch die verklausulierte Forderung von Herrn Ermoti, die Eigenkapitalvorschriften für das Schweizer Geschäft zu reduzieren, damit in London und New York genügend Eigenkapital ausgewiesen werden kann. Wer die Zahlen der UBS genaustens studieren will, dem sei der SEC Report für die UBS empfohlen.

      • Maiko Laugun sagt:

        Musste bei der CS First Boston nicht auch alles aus der Schweiz quersubventioniert werden? Inkl. der hohen Boni für die zockenden Investment-Manager? Der „…Schweizer Gaul…“ befindet sich eben in einer geschützten Werkstatt für schwer Erziehbare die man mehr verhätschelt als diszipliniert.

        • seebueb sagt:

          Hab ich auch so in Erinnerung: wenige Jahre mit ein bisschen Gewinn, gefolgt von einem Hammerverlust der die bisherigen Gewinne mehr als nur auslöscht. Aber für die Expansion ins Investmentbanking war nichts zu teuer.

          Übrigens:
          Der Chiasso-Skandal hatte der CS (damals noch SKA) im Jahr 1977 2Mrd Verlust eingebrockt. Sie war auf massive Stützung durch die übrigen CH-Banken angewiesen, wäre sonst wohl Konkurs gegangen.

      • Markus Ackermann sagt:

        Gute und richtige Beobachtungen, Herr Zach.
        Für die Schweizer Steuerzahlenden und die Schweizer Realwirtschaft (Bref: die BürgerINNEN in der Schweiz) heisst das zentrale und prioritäre Problem der Finanzwirtschaft: NIE, NIE mehr too-big-to-fail!

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