Bloss keine Gutscheine!

Wenn es einzig um den Gebrauchsnutzen der Beschenkten geht, eignen sie sich am besten: Geldgeschenke . Foto: Keystone
Was soll man an Weihnachten schenken? Höchste Zeit für die ökonomische Kurzanalyse zum Thema. Das Wichtigste vorweg: Finger weg von Gutscheinen.
Die Frage, die aktuell möglicherweise viele mehr beschäftigt als die Eurokrise, der Ölpreis oder der steigende Dollar, ist jene, was sie ihren Liebsten schenken sollen. Eine Auseinandersetzung dazu aus ökonomischer Warte gab’s hier schon im Jahr 2010 und im Jahr 2011. Aber Weihnachtslieder singen und Guetslibacken tut man auch jedes Jahr zur gleichen Zeit und auf die gleiche Art. Deshalb ist auch dieser Blog wieder diesem wichtigen Aspekt im Vorfeld dieses Fests gewidmet.
Der wesentliche Punkt ist simpel: Wenn das Ziel des Schenkens darin besteht, der oder dem Beschenkten das zu überreichen, was sie oder er am besten brauchen kann, dann muss die Lösung ein allgemeingültiger Gutschein ohne Ablaufdatum sein. Denn kein Schenkender kann die Wünsche des Empfängers besser kennen als dieser selbst. Mit dem allgemeingültigen Gutschein kann der Empfänger diese Wünsche im Ausmass des Werts dieses Gutscheins erfüllen.
In der Schweiz gibt nur eine Institution einen solchen Gutschein heraus: Die Schweizerische Nationalbank. Bekannt ist er unter dem Namen Geld.
Während Geld als allgemeiner Gutschein ideal ist, gilt das pure Gegenteil für andere Gutscheine – gerade weil sie nicht allgemeingültig sind und weil sie ein Ablaufdatum haben. Gutscheine sind vor allem ein Geschenk für die Unternehmen, die sie herausgeben. Sie erhalten Geld für eine Leistung, die sie möglicherweise nie erbringen müssen. Oder um es in der obigen Terminologie auszudrücken: Sie erhalten einen allgemein gültigen und unbeschränkten Gutschein im Gegenzug für einen mit einer zeitlich und inhaltlich eingeschränkten Nutzbarkeit, deren Qualität sie überdies selber bestimmen können. Ein sehr schlechter Tausch! Doch viele wollen ihren Liebsten damit einen Gefallen tun.
Tun sie nicht! Gutscheine sind für die Beschenkten eine Zwangsmassnahme: Sie können damit nur etwas anfangen, wenn sie genau den damit verbundenen Zweck innert einer beschränkten Frist verfolgen – ob ihnen dieser nun liegt oder nicht. Geld im gleichen Wert würde das Verfolgen des gleichen Zwecks ebenso ermöglichen, aber zudem auch alle möglichen Alternativen und wann immer es beliebt. Gutscheine machen deshalb nur da Sinn, wo das Ziel darin besteht, die Wahlmöglichkeit ihrer Empfänger einzuschränken – etwa bei solchen für Mahlzeiten, die an Drogensüchtige abgegeben werden.
Viele werden einwenden, Geld sei auch nicht unbeschränkt gültig, weil es immerhin so etwas wie Inflation geben könne (auch wenn das im Moment nun wirklich kein Problem ist). Doch eine so gigantische «Geld»-Entwertung wie bei einem gewöhnlichen Gutschein ist in unseren Breitengraden schwer vorstellbar, denn dieser verliert auf einen Schlag am Ablaufdatum seinen gesamten Wert.
Anbieter von Gutscheinen werden argumentieren, dass es gerade die mögliche Teuerung sei, die eine Beschränkung der Gültigkeitsdauer des Gutscheins nötig mache – immerhin könnten die Preise für das Erbringen ihrer Leistungen auch über den Betrag hinaus steigen, den sie mit dem Verkauf des Gutscheins vorab abgegolten bekommen haben. Doch das Problem könnten sie auch anders lösen: Etwa indem sie mit dem erworbenen Geld für den Gutschein die für die Erstellung der Leistung nötigen Dinge sogleich kaufen (i der Finanzbranche würde man von einem «Hedge» sprechen) oder – wenn das nicht möglich ist – indem sie die Gutscheinleistung indexieren, das heisst, der Teuerung anpassen. Dann erhält man eben nach einiger Zeit eine etwas eingeschränkte Leistung oder man muss etwas draufzahlen. All das ist weit besser, als dass der Gutschein ganz verfällt.
Kommen wir auf Sachgeschenke zu sprechen: Wenn es nur um den Gebrauchsnutzen der Beschenkten geht, sind auch sie die schlechtere Lösung als ein Geldgeschenk. Denn auch hier gilt, dass sie die Wahlfreiheit einschränken. Mit dem Geld könnte sich der Beschenkte dasselbe ebenfalls kaufen, wenn er es will, ansonsten aber (anders als beim Sachgeschenk) jede bevorzugte Alternative gleichen Geldwerts. Das bedeutet, dass man sich den Stress sparen könnte, wenn einem einzig die Frage umtreibt, was der oder die zu Beschenkende wohl am besten brauchen kann. Geld würde das Problem lösen.
Die ganze Logik sieht allerdings ganz anders aus, wenn ein Geschenk sich nicht am Gebrauchswert des Empfängers orientiert, sondern an der Botschaft der Schenkenden: Zum Beispiel eine Sache, die an sie oder ein gemeinsames Erlebnis mit ihnen erinnert – zum Beispiel etwas selbst Gemachtes. Die Symbolkraft ist es, die zählt.
Wie aber erklärt sich dann der vorweihnachtliche Geschenk-Einkaufsstress? Tatsächlich geht es vermutlich auch hier um die Symbolkraft des Geschenks. Allerdings in einer ganz besonderen Art: Die Botschaft, die das Geschenk übermitteln soll, lautet hier: Ich bin nicht knausrig, zumindest nicht knausriger als du mit deinem Geschenk. Es geht um einen Statuswettbewerb.
Dabei können Geschenke nicht aus Geld bestehen. Denn dann würde dieser Wettbewerb sogleich ad absurdum geführt: Wenn man mindestens gleich grosse Beträge verschenkt, wie man sie erhält, kann man gleich saldieren. Man stelle sich bloss vor, man schenkt jemandem eine Hunderternote und erhält im Gegenzug ebenfalls eine solche. Bei gewöhnlichen Gutscheinen, genauso wie bei Sachgeschenken, ist ein solches Saldieren ausgeschlossen, sie unterscheiden sich immer.
Der Statuswettbewerb führt aber dazu, dass man eher zu viel als zu wenig kauft und schenkt. Wenn das sehr viele tun, hat das am Ende eine gewaltige Verschwendung an Ressourcen zur Folge, die anders besser und nutzbringender hätten eingesetzt werden können.
Fazit:
- Man sollte sich über die Motive klar werden, die einem beim Schenken antreiben: Will man das für den Beschenkten Nützlichste geben, empfiehlt sich Geld. Geht es um die Symbolkraft bzw. die Botschaft, die man mit einem Geschenk verbinden will, taugt Geld überhaupt nicht. Auch nicht, wenn das Motiv der Statuswettbewerb ist, der führt aber zu Verschwendung.
- Gutscheine eignen sich nie, ausser man will den entsprechenden Herausgeber beschenken. Geld ist für die Beschenkten immer die bessere Alternative. Soll das Motiv des Geschenks auch hier die Botschaft sein, was man den Beschenkten damit ermöglichen will, kann man diesen Zweck auf der Begleitkarte konkret notieren. Das ist sogar noch persönlicher als ein gewöhnlicher Gutschein.
18 Kommentare zu «Bloss keine Gutscheine!»
Wenn wir jemanden beschenken wollen, machen wir das auch mit Geld, aber auf eine ganz besondere Art. Wir überlegen uns, was wir für die zu beschenkende Person auswählen würden. Dann fertigt meine Frau eine Kunstkarte an, in die eine Abbildung des gewählten Geschenks integriert wird. In diese Karte legen wir dann das Geld, welches für die Realisierung unserer Geschenkidee nötig wäre. Mit diesem Vorgehen beweisen wir, dass wir beim Schenken nicht phantasielos handeln, und die beschenkte Person kann das Geld trotzdem nach eigenem Gutdünken verwenden. Geschenke, die keine Freude machen oder Umtauschaktionen auslösen, gibt es somit nicht. Freude herrscht trotzdem, weil wir beweisen, dass wir uns beim Schenken wirklich etwas überlegen.
Das Thema ist insofern interessant, inwieweit die Kommentatoren verschiedene Aspekte, welche sie erwägen aufzählen und welche nicht der Logik des Artikels entsprechen. Neben den sehr individuellen Vorlieben bestehen kulturelle, altersbedingte wie situationsbedingte Variationen akzeptabler Formen des Schenkens, welche den rein ökonomischen Überlegungen der oberflächlich betrachteten Nutzen-Kosten-Abwägung zu widersprechen scheinen. Zum Glück ist der Akt des Schenkens extrem schwierig zu überwachen, von zu geringem Interesse für Regierungen (ausser im Falle von Erbschaftssteuerhinterziehung) ansonsten sich in diesem Falle wohl die paternalistische Form der Einflussnahme (Nudging) aufdrängen würde. Aber dies dient natürlich immer dem „Wohle“ der Gesellschaft und damit zulasten der freien individuellen Entscheidung, welche intuitive und nicht rein logisch nachvollziehbare Aspekte eines Ökonomen beinhaltet.
Meinem Gefühl nach ist Schenken ein Akt der Liebe. Sozusagen eine Tätigkeit, die dem Fach „Liebe“ unterstellt ist. Einer anderen Person absichtlich eine Freude bereiten, ist im engeren Sinn nur durch einen „Liebesimpuls“ zu begründen.
Aber Geschenke werden ebenso oft, wie sie aus einem reinen Ausdruck der Liebe, als Ausdruck spezifischer Interessen, gemacht.
Deshalb ist so ein Gutschein völlig in Ordnung. Er ist sogar ehrlicher, wenn man bedenkt, dass er transparent ein spezifisches Interesse zugibt. Ausserdem gibt er dem Schenkenden das zusätzlich erwärmende Gefühl, nicht nur seine Freundin, sondern auch noch die „Migros“ beschenkt zu haben. Zwei Fliegen auf einen Schlag 🙂
Schenkt mir jemand Geld, der weniger hat als ich, verpflichtet es mich, mich zu errinnern ihm mehr zu schenken (Danaer-Geschenk), hat er mehr als ich, heisst das noch lange nicht, dass ich welches davon gerne hätte oder gar brauchte, ich bin doch kein Bettler.
Sündiges ist immer gut, weil man entlastet den Beschenkten vom schlechten Gewissen. Also Drogen, legale oder illegale zum Beispiel, oder einem Sparsamen etwas Luxoriöses, auch eine luxoriöse Kleinigkeit. Eben nicht, was sich der Beschenkte selber gönnt, sondern das, was er sich nicht selber gönnt.
Bargeld geht nur bei Teenagern, da halte ich es für unschlagbar. Da überweisen auch da eher nicht geht, habe ich schon, wenn weit weg vom Beschenkten, Gutscheine von Internethändlern mit breitem Angebot verschenkt. Aber nur bei Teenagern.
Die Gutscheine, die von den Kunden nicht eingelöst werden, machen den Firmen aber nicht nur Freude.
Ich glaube, es ist zumindest in Deutschland so, dass solche Gutscheine nach Ablauf der gesetzlichen Verjährungsfrist gewinnwirksam ausgebucht werden müssen. Darauf werden dann – je nach Rechtsform – die astronomisch hohen deutschen Steuern fällig.
? Gutscheine sind ein zinsloser Kredit. Soll es etwa steuerfrei sein, wenn man seine Schulden nicht mehr zurückzahlen muss und daher das ausgeliehene Geld gewinnt?
M.M.n. fehlt ein dritter Punkt in der Auflistung: Ein Geschenk, das beim Beschenkten einen grossen Wunsch erfüllt, dessen er/sie sich aber so konkret gar nicht bewusst ist. Quasi die Apple-Strategie des Schenkens: Etwas zu finden, das der Empfänger weder kannte noch vermisste, das hinterher aber wie das grösste Glück wirkt, ohne das man nicht mehr leben kann. In diesem Fall übersteigt der konkrete Nutzen des Sachgeschenkes den reinen Geldwert. Negativ: Man muss die Person wirklich gut kennen und das Glück haben, was passendes zu finden, sonst ist ein Scheitern garantiert. Und das ist leider eher die Regel als die Ausnahme, wie die Berge von fürchterlichen Einrichtungsgegenständen zeigen, die jedes Jahr verschenkt werden.
Ok, vielleicht etwas verstiegen, darum als 4. die Light-Version davon: Einen Sachgegenstand schenken, dessen Auswahl etwas Arbeit und/oder Kenntnis benötigt, weshalb der Wert des Geschenkes erneut den reinen Geldwert übersteigt. Deshalb eignet sich m.E. etwa Wein für Weinfreunde immer als gutes Geschenk, zumindest wenn man nicht den erstbesten im Denner kauft, sondern sich die Mühe macht, eine überdurchschnittliche Rarität zu finden..
Nett geschrieben, bloss, starten wir jetzt eine Maximierungsaufgabe, die den grösstmöglichen Nutzen aus aus den Variablen „Nutzen für den Empfänger“ und „Symbolkraft und Motiv des Geschenkes“ finden soll, so landen wir evt. doch wieder beim Gutschein.
Lieber Markus Diem Meier
In der Tat ist es bei den professionellen (Internet) Gutscheinhändlern ein Bestandteil des Business Planes, dass ein Teil der verkauften Gutscheine NIE eingelöst werden.
Beim „Tante Emma“ Laden um die Ecke sieht das doch ganz anders aus. Hier spielt noch der gesunde Menschenverstand oder – wenn dieser nicht vorhanden – zumindest die Angst eines Image-Schadens eine Rolle und Gutscheine werden auch nach Ablauf noch angenommen…
Wir sehen einen weiteren Vorteil für Gutscheine. Diese sind nicht nur eine „Zwangsmassname“ sondern können dem Beschenkten auch auf einen alternative „Lieferquelle“ aufmerksam machen. Sei es z.B: ein neues Restaurant oder aber ein Anbieter aus de Internet, von welchem der Käufer weiss, dass sich der Empfänger des Gutscheins darüber freuen würde und ohne den Gutschein nie darauf aufmerksam geworden wäre…ein WIN-WIN für alle 3 Parteien.
Fleury-Art, 7:38
Würde ich auch sagen.
Leider reicht meine Phantasie beim Geschenkekauf nicht sehr weit, so dass ich immer wieder bei Gutscheinen lande.
Bisher habe ich von den Beschenkten nur positive Reaktionen erhalten, vor allem, weil ich mich vorher diskret nach ihrem Lieblingsrestaurant erkundige – bzw. weiss, wo sie gerne einkaufen.
Übrigens: Ich freue mich auch über Gutscheine am meisten – jedenfalls mehr, als über ein quietschbuntes Hemd.
Wir erhielten vor einigen Jahren einen Gutschein über CHF 200.- für ein Sternelokal. So kurz vor dem Ablaufdatum gingen wir hin, wir wollten den Betrag schliesslich nicht verfallen lassen. Und legten dann natürlich nochmals gut CHF 300 drauf. Wussten wir vorher schon, aber so gesehen war dieser Gutschein eher eine Nötigung zum Geld ausgeben. Wenn schon ein Gutschein sollte sicher gestellt werden, dass er auch ohne weiteren finanziellen Aufwand eingelöst werden kann.
In diesem Stil hatte ich auch mal einen Gutschein im Gegenwert von CHF 400.- für eine Firme erhalten, die „individuelle“ Flugreisen anbietet. Ich habe zuerst das Gültigkeitsdatum telefonisch verlängern können und nach detaillierter Prüfung einiger Angebote den Gutschein schliesslich uneingelöst verfallen lassen. Eine einfache Flasche Wein hätte mir mehr Freude bereitet, zumindest nicht noch Umstände und Aufwand für nichts.
Schenken Sie mal einem Kleinkind Bargeld anstatt ein bunt verpacktes Spielzeugauto. Wo erwarten Sie den freudigeren Gesichtsausdruck? Bei Erwachsenen ermöglicht es die Ritualisierung des Schenkens übrigens, ab und zu etwas luxuriöses zu konsumieren, ohne dass es gleich zur (teuren) Gewohnheit wird. Muss man sein Geschenk nämlich selbst einkaufen, ist die Gefahr der Gewohnheitsbildung viel grösser. In Kombination mit seiner beschränkten und streng vorgegebenen Frequenz bietet daher der rituelle Rahmen eine vernünftige Art der Mass haltens, ohne ganz auf Luxus verzichten zu müssen. Weihnachtsgeschenke machen somit ökonomisch Sinn, und maximieren den Nutzen der gegenseitig Beschenkten, wenn man die Selbstdisziplin beim Einkaufen als beschränkte Ressource betrachtet.
Luxus? Sie meinen, ich soll mir eine Rolex schenken lassen, die ich erst nach Feierabend zu Hause tragen und an mir reiben kann, nachdem ich den ganzen Tag mit dem Kompressorhammer Strassenzüge aufgerissen habe?
Gekaufte Gutscheine sind unbeschränkt gültig. Dazu gibt es Entscheide des Bundesgerichts. Auch wenn Schlaumeier etwas Anderes behaupten und solche Passagen auf die Gutscheine aufdrucken.
Nur Gutscheine, welche man von den Unternehmen direkt geschenkt bekommt (Werbegeschenke) können in der Gültigkeitsdauer beschränkt werden.
Interessant! Gibt es zu diesem BGE eine Quellenangabe?
Josef, 7:06
Ich habe auch so etwas gehört.
Die von den Firmen eingetragenen Verfalldaten halten einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand.
Man sollte aber sicherheitshalber die gesetzlichen Verjährungsfristen einhalten. Ich glaube, es sind 10 Jahre (Art. 127 OR?).
Bundesgericht hat noch nie entschieden, wer geht wegen ein paar Hundis zum Bundesgericht?
Es geht um Frage der Verjährung, AGB usw., Juristen können da viel behaupten, ich meine, ist das Verfalldatum klar auf dem Gutschein vermerkt, ist es gültig: Anderer Meinung ist aber, und der Beitrag ist juristisch fachlich sicher nicht falsch:
http://www.arnoldrusch.ch/pdf/111212_jusletter.pdf