Die zweite Grosse Depression

Never Mind The Markets

Depressive Zustände: Wartende vor einem Arbeitsamt in Madrid. Foto: Reuters

Der deutsche Staat muss für neu ausgegebene Anleihen mit zehn Jahren Laufzeit gegenwärtig bloss 0,89 Prozent Zins pro Jahr bezahlen. Das ist das niedrigste je verzeichnete Zinsniveau in Deutschland.

Für Bonds mit Laufzeiten bis drei Jahren sind die Renditen gegenwärtig sogar negativ; Investoren entrichten im Effekt dem deutschen Staat einen Zins für das Privileg, sichere Bundesanleihen halten zu dürfen.

Tolle Nachrichten, nicht wahr?

Leider nein.

Bevor wir der Frage nachgehen, weshalb das keine guten Nachrichten sind, hier noch einige weitere Rekorde:

  • Die Renditen auf zehnjährigen Anleihen des italienischen Staates liegen gegenwärtig auf 2,43 Prozent.
  • Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen Frankreichs: 1,23 Prozent
  • Die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen Spaniens: 2,22 Prozent

Das alles sind Tiefstwerte, die in der Historie noch nie erreicht wurden. Die Renditen auf Staatsanleihen in Europa, auch an der schwachen Peripherie, sind nicht bloss auf das Niveau von vor Ausbruch der Eurokrise im Jahr 2010 gesunken, sondern auf den niedrigsten Wert seit zum Teil mehreren hundert Jahren.

Der nachfolgende Chart zeigt die Entwicklung der Bondrenditen seit dem Jahr 2000 (Quelle: Bloomberg):

Auch im Fall von Belgien, Österreich, Irland, Finnland und den Niederlanden sind, nebenbei bemerkt, die Renditen auf Staatsanleihen auf historische Tiefs gesunken.

Hier noch, weil’s so eindrücklich ist, die Renditen auf spanischen Staatsanleihen im Zeitverlauf von gut 220 Jahren (Quelle: Bank of America Merrill Lynch):

Selbst das von der Eurokrise noch vor kurzem heftig gebeutelte Spanien konnte sich noch nie in der Historie günstiger finanzieren als heute.

Was ist los?

Für die Finanzminister der betreffenden Staaten (übrigens auch in der Schweiz, wo zehnjährige Eidgenossen 0,4 Prozent rentieren) sind derartige Finanzierungsbedingungen ein Traum. Für Investoren, insbesondere auch auf Sicherheit bedachte Pensionskassen, sind sie ein Horror. Und für den Beobachter der makroökonomischen Situation sind sie ein Warnsignal.

Niedrige und sinkende Bondrenditen sind ein Zeichen, dass die Finanzmärkte eine Abkühlung der Wirtschaft oder sogar einen Rückfall in die Rezession erwarten.

Genau das ist in der Eurozone in den vergangenen Monaten geschehen. Das Wachstum in Europas Wirtschaft verlangsamt sich bedrohlich; wäre der Kontinent ein Flugzeug, befände er sich gegenwärtig bedrohlich nahe an einem Strömungsabriss:

  • Italien ist im zweiten Quartal wieder in die Rezession gerutscht und hat das Kunststück des so genannten «Triple Dip» geschafft: Drei Rezessionen in kurzer Abfolge in den Jahren 2008, 2011 und 2014.
  • Frankreichs Wirtschaft gelingt das nicht minder beeindruckende Kunststück des «Flatlining»: Seit mehr als einem Jahr macht das Bruttoinlandprodukt keinen Mucks mehr.
  • Das BIP Deutschlands ist im zweiten Quartal im Vergleich zum ersten Quartal um 0,2 Prozent gefallen.
  • Unter den grossen Volkswirtschaften der Eurozone mag sich einzig die viertgrösste, Spanien, einigermassen im positiven Bereich zu halten – wenngleich die in den letzten Quartalen verzeichneten BIP-Wachstumsraten von jeweils rund 0,5 Prozent freilich nie und nimmer reichen, um die erdrückend hohe Arbeitslosenrate von fast 25 Prozent spürbar zu senken.
  • Nicht nur die ausgewiesenen BIP-Zahlen des zweiten Quartals waren in der Eurozone enttäuschend, auch die konjunkturellen Vorlaufindikatoren haben sich in den Sommermonaten kontinuierlich abgeschwächt (hier mehr dazu).

Die Eurozone – auch die vermeintliche Konjunkturlokomotive Deutschland – droht, wieder in die Rezession zu fallen.

Der folgende Chart zeigt die Zusammensetzung der BIP-Wachstumskomponenten pro Quartal seit 2012:

Sinkende Bondrenditen, blutleere Wirtschaft, die ständige Tendenz, zurück in die Rezession zu gleiten: Dieses Muster erinnert gefährlich stark an Japan seit Beginn der Neunzigerjahre. Dort sieht die Entwicklung der Renditen auf zehnjährigen Staatsanleihen so aus (Quelle: Bloomberg):

In Japan hält die Lethargie nunmehr seit mehr als zwanzig Jahren an, und Europa ist auf bestem Weg dazu, in die gleiche Falle zu tappen. Mein Kollege Alexander Trentin beschreibt in diesem Beitrag die Japanifizierung Europas.

Kein Wunder, liegt der Kurs des Euro angesichts dieser desolaten Aussichten wieder bedrohlich nahe an der von der Schweizerischen Nationalbank verhängten Mindestgrenze von 1.20 Fr. je Euro (hier mehr dazu).

Wenn man sich etwas vom «Lärm» der quartalsweisen Berichterstattung des BIP-Wachstums distanziert, wird rasch klar, dass es im Kern der Sache gar nicht um die Frage geht, ob die angeschlagenen Volkswirtschaften der Eurozone ein zweites oder gar drittes Mal in die Rezession rutschen: Seit nunmehr sechs Jahren befinden sie sich in einer Depression und kommen nicht raus.

Der folgende Chart des Bloggers Matt O’Brien der Washington Post zeigt das Muster eindrücklich:

O’Brien hat den nominellen Stand des Bruttoinlandproduktes im vierten Quartal 2007 auf 100 indexiert; die Kurven zeigen den bisherigen Verlauf. Die Eurozone als Ganzes (schwarze Kurve) hat ihr Vorkrisenniveau immer noch nicht wieder erreicht.

Das BIP Italiens (rosa) liegt fast 9 Prozent unter dem Stand des Jahres 2007. Spanien hat sich zwar etwas erholt, das dortige BIP liegt aber immer noch knapp 6 Prozent unter dem Niveau von 2006.

Zwei weitere Anhaltspunkte: Das italienische BIP in absoluten Zahlen ist heute kein Cent höher als im Jahr 2000. Die Industrieproduktion Italiens liegt aktuell auf dem Stand von Anfang der Neunzigerjahre. Und sie sinkt weiter.

Das ist keine Rezession. Das ist eine Depression. Genau das signalisiert der Bondmarkt mit den sinkenden Zinsen.

Mir ist schleierhaft, weshalb nach sechs Jahren Depression weite Teile der nordeuropäischen Classe Politique immer noch überzeugt ist, man könne sich aus dieser Falle befreien, wenn man nur eine genügend harte Austeritätspolitik betreibt. Wer sich genauer für die Argumente gegen eine allzu sture Sparpolitik interessiert, findet sie in diesem, diesem oder diesem Blogbeitrag.

Hier, falls Sie sich für die Finanzmärkte interessieren, noch ein Link in eigener Sache: In diesem ausführlichen Interview, das ich kürzlich mit meinem Kollegen Gregor Mast führen konnte, spricht der Nobelpreisträger Robert Shiller über die neue Euphorie an den Börsen. Amerikanische Aktien hält er für deutlich überbewertet.

130 Kommentare zu «Die zweite Grosse Depression»

  • Einar sagt:

    Mark Dittli schrieb über Frankreich:
    > Seit mehr als einem Jahr macht das Bruttoinlandprodukt keinen Mucks mehr.

    Oh, das stimmt gar nicht. Das Bruttoinlandprodukt Frankreichs liegt nicht tot darnieder, es liegt nicht bei 0. Es liegt bei rund 40.000 USD pro Kopf pro Jahr. (Deutschland rund 45.000, Schweiz rund 80.000 USD)

    Das würde ich mir gerne mal ausführlich erklären lassen:
    Wenn ein BIB über Jahre konstant, mit – wie z. Zt. – vernachlässigbarer Inflation, vor sich hin fliegt, wieso droht dann ein Strömungsabriss – also ein drohender Totalschaden durch Absturz?

    Ist das so? Wieso? Muss das so sein?

    • Linus Huber sagt:

      Herr Dittli spricht das fehlende Wirtschaftswachstum ausgedrückt durch das BIP (Bruttoinlandprodukt) an, welches seit 2 Jahren Wachstumsraten von 0% (plus/minus) ausweist , einmal ein wenig drüber, dann wieder unter Null und in den letzten 2 Quartale genau 0%.

      Mit Strömungsabriss will er wohl die Gefahr einer deflationären Spirale und einem damit in Verbindung gesetzten Einbruch der Wirtschaft andeuten.

    • Mark Dittli sagt:

      Selbstverständlich ist mit „kein Mucks“ nicht gemeint, dass das BIP Frankreichs auf Null gefallen ist, sondern dass es über vier Quartale null Wachstum erreicht hat.

  • Linus Huber sagt:

    Interessant, wie die einmaligen ausserordentlichen Massnahmen des Fed aus dem Jahre 2008/09 zur Regel für Zentralbanken mutierten und wie immer höhere Dosen davon benötigt werden.

    http://www.bloomberg.com/news/2014-08-27/blackrock-appointed-by-ecb-as-abs-program-consultant.html

    Zufällig ist unser lieber Herr Hildebrand wohl genau am richtigen Platz bei Black Rock, oder könnte sein Beziehungsnetz (Vetternwirtschaft) Einfluss auf diesen Mandatsentscheid der EZB beinhalten? Und selbstverständlich wird Black Rock aufgrund der damit verbundenen Insider-Informationen keinerlei Vorteile „erwirtschaften“.

  • rascha kocher sagt:

    So schätze ich, wird der Euro genüber dem Franken auf 75 Rappen fallen, gezwungenermassen; alles andere wäre Schubumkehr im Landeanflug. Ansonsten beginnt der Schweizer Europa alleine zu tragen (durch unberechenbare Zuwächse, nicht mit definierten Beiträgen).
    Jeden Moment gehen die Euro-Verkäufe los > in andere Währungen, vorab dem CHF.
    Investieren auf künstlich erweiterem Schuldenniveau ist ist maximal ‚Fangnetze aufbauen‘ –
    welche beim Abtrudeln gleich durchrissen werden!

    • Walter Bernstein sagt:

      rascha kocher, 13:26
      Ich folge Ihrer Einschätzung.
      Ich glaube, dass der Euro langfristig gegenüber dem Franken abwertet, denn die Eurozone braucht für ihre Exporte einen billigen Euro (und Frankreich fordert ihn auch ständig). Ähnliches gilt für den Dollar.

      Man wird sehen, wo die nächsten Zinserhöhungen stattfinden.

    • Linus Huber sagt:

      Dies würde der SNB interessante Zeiten mit XXX Milliarden Verlusten bescheren.

  • rg sagt:

    Wo bleiben eigentlich die Leute die immerwieder behaupten dass Zinsen, und vorallem Zinseszinsen, Diebstal sind, und nur den Reichen dienen? Mit diesen extrem niedrigen Zinsen sind wir doch schon fast am Ziel angekommen. So ein wenig mehr Freude würde man erwarten.

  • Linus Huber sagt:

    Der Wagen sitzt in der Schei… und nun geht die grosse Diskussion los und immer mehr Menschen erkennen die Problematik. Soweit so gut.

    Warum wir jedoch überhaupt in dieser Schei… landeten, aus welcher wir keinen angenehmen Ausweg mehr zu finden scheinen, da wir schon so oft mit Vollgas daraus entkommen wollten und der Wagen dadurch immer tiefer einsank, wird nicht einmal mehr im Ansatz diskutiert, sondern immer mehr einzig die Symptome der Problematik (die einen Erkennen das Problem im Kapitalismus, obwohl es sich heute um reine Vetternwirtschaft handelt, die andern glauben, dass der Staat zuwenig reguliert, die dritten denken, dass das Fehlen von höheren Löhnen der Grund sei etc. etc.). Die Ursache scheint für viele Leute diffus zu sein und niemand kümmert sich einen Deut darum, sondern man begeilt sich in der Diskussion von Symptomen wie ein Arzt, welcher einzig das Fieber bekämpft ohne dessen Grund und Ursache wirklich erkennen zu wollen, da die potentiell notwendige Therapie für den Patienten unangenehm sein könnte und da die Fähigkeit zuerst eine gesellschaftlich harte Zeit zu durchleben um später die daraus resultierenden Früchte zu ernten durch die Idee des von Regierungen garantiertem angenehmen Lebens gewichen ist. Die zeitliche Verschiebung grundsätzlicher Lösungen führt schrittweise zu einem neuen Bewusstsein, Verteilungskämpfen und dürfte in immer polarisierenderen Standpunkten ihren Ausdruck finden.

    Nur weil die USA z.Z. eine leicht höhere Wachstumsrate ausweist, bedeutet übrigens keineswegs, dass die Situation dort wirklich besser ist, sondern eher, dass sie sich noch tiefer in der Schei… eingruben.

    • rascha kocher sagt:

      Die USA hilft Europa stützen weil ein ‚Abriss‘ voll in die Wirtschaft knallen wird.

    • Anh Toan sagt:

      @ „Die zeitliche Verschiebung grundsätzlicher Lösungen“

      Sie haben eine ….lösung?

      • Linus Huber sagt:

        Na ja, jemandem, welcher glaubt, dass das Problem mangelnder Konsum sei, muss man sicherlich nichts mehr erklären, denn er glaubt das Problem klar erkannt zu haben.

        • Anh Toan sagt:

          Naja

          Wenn die Arbeitslosen Arbeit hätten, würden Sie ja etwas machen, etwas herstellen, produzieren. Und dann machen wir es in ein Lager. Und dann arbeiten die weiter und wir machen es in ein Lager. Und dann noch ein Lager. Weil Konsum hilft nicht.

          Sind die Läden voll, und die Verkäufer werden entlassen, fehlt es am Konsum.

          Sind die Läden leer, liegt es nicht am Konsum.

  • Die Ursache für das europäische Desaster liegt vor allem in einer Abkehr von der alten produktivitätsorientierten Lohnpolitik des Sachverständigenrats in den 80er Jahren (Zielinflationsrate von 2 % plus Produktivitätszuwachs). Deutschland lag in den letzten 20 Jahren deutlich unter diesem Wert, Italien darüber. Nur Frankreich hatte sich mit der Euroeinführung an diese implizite Regel gehalten. Deutschland hat damit als größtes Land in Europa den größten Schaden angerichtet, weil es sich nicht an die (Lohn)Regeln der Währungsunion gehalten hat.

    Als Krönung wurde dann auf deutschen Druck eine austeritätsorientierte Spardiktatur eingeführt, die durch ihre prozyklischen Effekte Europa in einer deflationären Spirale zu sprengen droht. Dies hat wohl inzwischen sogar DIE WELT erkannt: http://www.welt.de/print/wams/wirtschaft/article131531185/Merkel-scheint-den-Ernst-der-Lage-nicht-kapiert-zu-haben.html. Das sollte uns allen zu denken geben, wenn solche Artikel nicht mehr nur im ND oder der TAZ erscheinen.

    Hier können Sie nachlesen, was zu tun ist: http://www.foreignaffairs.com/articles/141847/mark-blyth-and-eric-lonergan/print-less-but-transfer-more
    http://zinsfehler.wordpress.com/2013/10/13/neun-masnahmen-fur-ein-europa-in-frieden-freiheit-und-wohlstand/

    LG Michael Stöcker

    • Walter Bernstein sagt:

      Im Vertrag von Maastricht kann ich nirgends Untergrenzen für die Lohnentwicklung finden – weder explizit noch implizit.
      Entgegen Ihrer Behauptung kann ich also nicht erkennen, dass sich Deutschland regelwidrig verhalten hätte. Es hat sich damals mühsam aus einer Rezession herausgearbeitet, und hat objektiv das richtige getan.

      Seit mehreren Jahren liegt die Bruttolohnentwicklung in Deutschland markant über der Inflationsrate. Der Mindestlohn wird ab 2015 ein Übriges tun.

      Die von Ihnen so genannte „austeritätsorientierte Spardiktatur“ wurde nicht von Deutschland eingeführt, sondern ergibt sich direkt aus den EU-Konvergenzkriterien und dem Fiskalpakt. Letzterer wurde 2011 unter dem Druck der Finanzmärkte von fast allen EU-Ländern unterzeichnet. Der Fiskalpakt ähnelt sehr stark der Schweizer Schuldenbremse von 2003.

      Wo also liegt das Problem, ausser, dass Sie Deutschland nicht mögen?

      • Rolf Zach sagt:

        Werner Vontobel hat wiederholt wie Herr Stöcker zu Recht diese Politik für die Konjunktur-Schwäche im ganzen EURO-Raum verantwortlich gemacht und ich verstehe ihre Argumentation. Die Agenda 2010 von Schröder betrachte ich nicht
        als der Hauptgrund, dass es Deutschland gegenwärtig gut geht. Man kann ja auch bösartig denken, diese Politik sei nicht gestaltet worden, um die deutschen Staatsfinanzen zu sanieren und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, sondern um ein möglichst hohen deutsches Leistungsbilanz-Überschuss zu erwirtschaften, dass dann nicht nur den deutschen Gross-Konzernen, sondern auch den vielen leistungsstarken mittleren Unternehmen, den sogenannten „hidden champions“ erlaubte, sich zu multinationalen Konzernen zu entwickeln. Bei einem Ertrags-Bilanz Überschuss muss man nicht die Grösse betrachten, sondern wie er auch aufgeteilt ist.

      • Moebius sagt:

        Nun ja, der Vertrag enthält eine Verpflichtung zum Inflationsausgleich, die aber völlig verkorkst umgesetzt worden ist; da Lohnstückkosten die wichtigste Determinante für Inflation sind, hat das schon Implikationen für die Lohnentwicklung – auch wenn kaum einer der beteiligten Politiker das begriffen haben dürfte.
        Durch das Drücken der Lohnkosten hat Deutschland die anderen Euroländer preislich unterboten – und damit die Währungsunion geschädigt. Dass das keine offizielle Regelverletzung war, zeigt nur, wie untauglich die Maastricht-Kriterien für das Funktionieren einer Währungsunion sind (Details unter http://oekonomiefuereinsteiger.wordpress.com/2013/09/05/ursachen-der-eurokrise-teil-1-kein-geeigneter-wahrungsraum/)

        Die Behauptung, die Lohnentwicklung in Deutschland liege seit Jahren markant über der Inflationsrate, ist nicht korrekt. Laut Statistischem Bundesamt haben sich die Reallöhne wie folgt entwickelt: 2013 -0,1%, 2012 +0,5%, 2011 +1,2%, 2010 +1,5%, 2009 -0,2%; 2013 lagen die Reallöhne um ganze 1,6% über denen des Jahres 2010. Als „messbar“ kann man einen durchschnittlichen Anstieg von 0,5%/Jahr ja bezeichnen, als „markant“ aber wohl kaum. Ohnehin hat Deutschland Nachholbedarf: Seit 2000 sind die Reallöhne in Deutschland um ganze 3,3% gestiegen.

        Deutschland hat nicht das Richtige getan. Einige einfache Faustregeln zeigen, dass die Löhne schon damals hätten steigen anstatt stagnieren oder gar sinken müssen: http://oekonomiefuereinsteiger.wordpress.com/2013/11/21/wie-hoch-sollten-lohne-sein/

  • Jens Voigt sagt:

    Ein Trennbankensystem wie das von Roosevelt und Pecora nach 1929 würde ein Wunder bewirken, sodass diese Diskussionen unendlich andauern werden, weil es sich hier um eine Quadratur des Kreises handelt. Die „Rettung“ der Bank in Portugal vor einigen Tagen mit 5.0 Mrd. Euro und die anschließende Enthüllung über die Mafiastrukturen innerhalb der Bank ist hier nur ein Beispiel.

    • Marcel Senn sagt:

      Voigt: Blöde nur, dass das zweite Glass-Steagall-Gesetz mehrfach modifiziert wurde und 1999 unter Präsident Bill Clinton mit dem Gramm-Leach-Bliley Act schließlich komplett aufgehoben. Auf diese Weise sollte der Globalisierung Rechnung getragen sowie die Wettbewerbsfähigkeit US-amerikanischer Geschäftsbanken gestärkt werden. Viele Kritiker sehen in der Abschaffung des Glass-Steagall-Gesetzes jedoch die Ursache für die Fehlentwicklung in der Finanzbranche, die letztlich zum Desaster im Herbst 2008 d. h. zum Untergang der Investmentbank Lehman Brothers führte.
      Im Herbst 2008 erlebte das Glass-Steagall-Gesetz auf dem Höhepunkt der damaligen Finanzkrise eine Renaissance: Die US-Investment-Banken wurden gezwungen, sich in Geschäftsbanken zu verwandeln. Das bedeutete eine strengere Aufsicht, aber auch wiederum besseren Zugang zur Refinanzierung durch die Fed.

      • seebueb sagt:

        Ich halte den Wiki-Eintrag (Ihren 2. Abschnitt) für falsch. Soweit ich mich erinnere, setzte Unterstützung einer Bank durch die US-Regierung (d.h. billiges Geld in Form von EK-Spritzen, billigen Krediten und/oder staatlicher Garantie von Unternehmensanleihen) die Unterstellung unter die FDIC voraus, und die wiederum setzte eine konventionelle Banklizenz (Commercial Bank) voraus.

        Glass-Steagall (der Banking Act von 1933) ist auch heute noch ausser Kraft. Da die ehemaligen Investmentbanken mittlerweile eine konventionelle Banklizenz besitzen, hätte er heute sowieso keinen Anwendungsbereich mehr. Eine Wiedereinführung von Glass-Steagall müsste demzufolge eine dekretierte Aufteilung der betroffenen Banken beinhalten.

        Für die IB war die Unterstellung unter die FDIC ganz einfach die simpelste Lösung und der schnellste Weg, um an frisches Kapital und Kredite zu gelangen, zumal sie durch die Übernahme konkursiter Banken bzw von AIG (auf Einladung der Behörden, typischerweie mit Defizitgarantie durch FDIC bzw. Bundesregierung) bereits eine nationale Banklizenz unter ihrem Dach hatten. Dass sie „gezwungen wurden“ (durch die Behörden) ist falsch, allenfalls „waren sie gezwungen“ (durch die Marktverhältnisse).

        Zu beachten ist, dass die ehemaligen Investmentbanken früher als Partnerships organisiert waren, was unlimitierte Solidarhaftung mit dem Privatvermögen der Partner zur Folge hat. Als letzte IB wurde Goldman Sachs 1999 im Rahmen ihres IPO in eine AG umgewandelt.

        Übrigens:
        Wenn Banken sagen, der xy-Markt funktioniere nicht mehr, dann nicht zuletzt deshalb, weil sie damit die Ausführung von OTC-Geschäften (bspw Ausübung einer Put-Option durch den Kunden) verweigern (steht im Kleingedruckten) und damit das Risiko einer Markterholung auf den Kunden abschieben können – bei aufgelaufenen Kursverlusten von meinetwegen 80%, 90% oder noch mehr eine für die Bank durchaus gewinnversprechende Strategie.

  • ast sagt:

    Die (auch hier immer wieder aus meiner Sicht fälschlich gelobte) Politik der EZB hat zu diesem Zustand beigetragen. Die politisch durch rechtsbürgerlichen Druck aktivierte Austerizität und die einseitige EZB -Geldschwemme an Finanzinstitute generieren Deflation und stagnierende Beschäftigung. Ich habe hier bereits mehrfach erwähnt, dass der Geldsegen der EZB vor allem die Taschen von Grossinvestoren füllte, aber in der Realwirtschaft gar zu Geldverknappung führt. Das ist der Fall, weil Geld Rendite sucht. Und weil Rendite nur noch am Aktienmarkt zu finden ist, wird dorthin auch noch Geld aus dem Kreislauf der Realwirtschaft aufgesogen und sozusagen in Form von Aktien kalt gestellt. Die EZB hat in Wirklichkeit Geld aus den Taschen der kleinen Leute gezogen, öffentlich wird fälschlich aber von Geldschwemme geschatzt -eine gelungene Irreführung der Bevölkerung die alleine der Besitzwahrung der vermögenden Eliten diente.

    • Linus Huber sagt:

      Einen kleinen Vorteil beinhalten die Aktionen der Zentralbanken. Aufgrund der erzeugten Verstärkung von immer stärker allgemein erkennbaren Ungleichgewichten wird deren Vorgehen zunehmend zu einem politischen Thema, während sie früher verhältnismäßig kritikfrei und unabhängig im Hintergrund agieren konnten.

  • Zet Winter sagt:

    Guter Artikel, und gut geschrieben

  • Anh Toan sagt:

    Sind die Zinsen negativ, gilt, je mehr Schulden desto Zinseinnahmen, und die Schulden bauen sich von alleine ab, was diejenigen, welche glauben, dass Schulden als negativ zu werten sind, ja eigentlich gut finden müssen.

    Es ist eben nicht gut, wenn die Schulden abgebaut werden, weil damit genauso die Ersparnisse abgebaut werden, und wenn die Ersparnisse schmelzen, und die Preise sinken, wird gespart auf teufel komm raus, und dann haben wir die Depression.

    Herr Dittli hat im Ergebnis durchaus recht, die Austeritätpolitik ist schädlich, fraglich erscheint mir, wie weit tatsächlich eine Austeritätspolitik betrieben wird.

    Solange die Banken ihre Bilanzsummen verkleinern (müssen) gibts kein Wirtschaftswachstum, weil sich die Bankkredite reduzieren und damit die relevante Geldmenge in der Volkswirtschaft.

    • Walter Bernstein sagt:

      Anh Toan, 10:51
      Es stimmt natürlich – reine Austeritätspolitik ist in Krisenzeiten schädlich.

      Trotzdem wird in der Euro-Zone keine Austeritätspolitik betrieben. Schauen Sie bitte hier:

      http://www.haushaltssteuerung.de/schuldenuhr-europa-eu-vergleich.html

      Die Neuverschuldung von Spanien und Griechenland liegt bei 6 % am BIP.
      Das ist eher keine Austerität.

      • ast sagt:

        Herr Bernstein, ein Grossteil der staatlichen Finanzkraft Spaniens über die Steuereinnahmen wird für die Abarbeitung der Schuldzinsen aufgebraucht. Ohne Austerizität wäre die Neuverschuldung noch viel grösser. Wenn das Verhältnis der Schuldzzinsen zum BIP eine gewisse Grenze überschreitet, ist man in der Sackgasse. Ohne EZB -Support würden die Zinsen Spaniens für die Neuverschuldung über Anleihen wieder steige.,Aber man beisst sich mit dieser Hilfe in den eigenen Schwanz, da die Realwirtschaft so langfristig unter Geldmangel und Deflation leidet, weil viel Geld in die Wertpapiermärkte gesogen wird (und nordische Immobilienmärkte) und nicht mehr in den Kreislauf der Realwirtschaft gelangt. Ab einer gewissen Höhe der Aktienindizies riskiert man schliesslich einen satten Finanzcrash.

        • Linus Huber sagt:

          @ ast

          „Aber man beisst sich mit dieser Hilfe in den eigenen Schwanz, da die Realwirtschaft so langfristig unter Geldmangel und Deflation leidet, weil viel Geld in die Wertpapiermärkte gesogen wird (und nordische Immobilienmärkte) und nicht mehr in den Kreislauf der Realwirtschaft gelangt.“

          Gut erkannt, warum sollen die Banken der Realwirtschaft Kredite erteilen, wenn sie risikolos Staatsanleihen kaufen können, warum sollen CEOs Investitionen in lokale Anlagen tätigen, wenn sie mit Aktienrückkäufen so viel Geld machen können? Es handelt sich um nicht sehr schwierig erkennbare Verhaltensänderungen, welche wohl die intellektuelle Kapazität einiger Ökonomen zu übersteigen scheint, da dies nicht ihrem Modell entspricht. Je höher die Hebel gesteigert werden, desto grösser die mögliche Fallhöhe, wobei auch diese Gefahr nicht erkannt wird.

      • seebueb sagt:

        Falls die Einnahmen um 9% sinken, die Ausgaben um 4% reduziert werden, dann steigt das jährliche Defizit von 2% auf 7%. Obwohl die Schulden rasant steigen, wird durchaus Austerität betrieben.

        Willkürlich gewählte Zahlen. Es geht mir nur darum aufzuzeigen, dass Austerität nicht gleichzusetzen ist mit positivem Saldo.

        • Walter Bernstein sagt:

          Seebueb, 13:37
          Sie haben völlig Recht.
          Dennoch haben sich fast alle EU-Länder im „Sixpack“ zur Einhaltung bestimmter Referenzgrössen verpflichtet.
          Zentrale Grösse ist das jährliche Haushaltsdefizit. Damit wurde das Vertrauen der Kapitalmärkte wiederhergestellt und eine Ausweitung der Schuldenkrise verhindert. Letztlich hat das – neben EZB und ESM – den Euro gerettet.

          Der SKS-Vertrag wurde nicht geschlossen, um Brüssel oder Berlin einen Gefallen zu tun, sondern um das Vertrauen der Investoren in Südeuropa zu stärken. Es liegt im ureigensten Interesse der Südländer, diese Grenzen einzuhalten.

          Solange die Obergrenzen eingehalten werden, können die Signatarstaaten ihre Haushalte völlig frei gestalten.
          Sinnvoll wäre natürlich, die Sozialausgaben zu steigern und Infrastrukturprogramme aufzulegen.
          Aber dafür fehlt eben das Geld, bzw. es würde zu einem weiteren Anstieg der (schon unzulässig hohen) Verschuldung kommen.

          Wenn jetzt der Fiskalpakt nicht eingehalten wird, wird er von den Investoren nur noch als Sonnenschein-Vertrag und Papiertiger wahrgenommen.
          Wenn jetzt die Dämme wieder geöffnet werden, kommt es zu einem neuen Aufflackern der Euro-Krise. Die Folgen wären verheerend.

          Verträge sind nunmal einzuhalten, und nicht nur dann, wenn es gerade ins Konzept passt.

          Ausserdem wird auch in den USA stark gespart.
          Mir wurde berichtet, dass in vielen Counties nachts keine einzige Polizeistreife mehr unterwegs ist, und dass viele öffentliche Gebäude nur noch durch Bürgerinitiativen betriebsbereit gehalten werden.

          • Anh Toan sagt:

            @Walter Bernstein: Ich schiess mal blind

            Ganz genau: Das wichtigste ist das Vertrauen. Die Investoren wollen Defizitspending, sie kenen die oekonomischen Theorien, die Konsumenten aber wollen Austerität, sie haben Angst vor Schulden. Werden mit Defizitspending die Konsumenten erschreckt, reduzieren diese den Konsum, und die Nachfragelücke bleibt gleich hoch. So entsteht der kleinste gemeinsame Nenner aller Interessen.

            Wichtiger vielleicht noch als Staatsausgaben zu steigern, wäre Erwerbseinkommen zu steigern. Erwerbseinkommen der unteren 2/3 werden nahezu vollständig konsumiert, die obersten können nicht mehr fressen. Und da stehen zuoberst eindeutig die Deutschen Löhne. Und Tschulödigung, liebe Italiener und Spanier und Griechen, ich hab da überall Freunde, Ihr müsst das von Deutschland verlangen, Frau Merkel oder der herr SChäuble werden es Euch nicht erzählen: Selber Schuld.

          • seebueb sagt:

            „Es liegt im ureigensten Interesse der Südländer, diese Grenzen einzuhalten. “

            Einverstanden. Das selbe trifft jedoch auch auf die Nordländer zu, und das galt auch schon die letzten 15 Jahre (Maastricht), wie auch die vorhergehenden 10-20-30 Jahre. Die Geschichte des Maastricht-Vertrags demonstriert aufs Trefflichste, was vom SKS-Vertrag zu erwarten ist.

            „Wenn jetzt der Fiskalpakt nicht eingehalten wird, wird er von den Investoren nur noch als Sonnenschein-Vertrag und Papiertiger wahrgenommen.“

            Gem. Wiki hätten 2013 2/3 der Teilnehmer die Obergrenze für das strukturelle Defizit überschritten, und mehr als die Hälfte die für das Budgetdefizit. Allein das zeigt, was von der Glaubwürdigkeit zu halten ist.

            Wesentlicher Faktor für das Ausmass der Finanz- wie auch der Eurokrise war das schwache Finanzsystem. Die amerikanischen Banken haben wenigsten wieder EK-Quoten (EK minus Goodwill) in den hohen einstelligen Prozentzahlen. Die Deutsche Bank hingegen, um nur ein bsp für EU zu nennen, hat auch heute noch weniger als 3%.

            Merkel, und in ihrem Fahrwasser die EU, macht nur das Allernötigste, die Ursachen werden nicht bekämpft.

            Wie Sie selbst schreiben, ging es lediglich darum, Vertrauen zu schaffen. Kicking the can down the road, nach mir die Sintflut.

      • Moebius sagt:

        Einwand: Austerität ist die Kürzung der Staatsausgaben (Sparabsicht), und die wird in ESP und GR sehr wohl betrieben. Dass die Kürzungspolitik keinen ausreichenden Sparerfolg erzielt, ist die Basis für Kritik an der Austerität.

        • Linus Huber sagt:

          @ Moebius

          Könnten Sie sich vorstellen, dass aufgrund von Fehlern, welche über die vergangenen Jahrzehnte gemacht wurden, sozusagen ein „Point of no return“ erreicht wurde, sodass heute Austerität nicht mehr in Abwesenheit eines Krieges gesellschaftsverträglich durchführbar ist. Das kriegsaufwiegelnde Verhalten der europäischen Politiker im Zusammenhang „Ukraine“ mag sehr wohl damit verbunden sein.

          • Moebius sagt:

            Ob Austerität gesellschaftsverträglich durchführbar ist, hängt vor allem von folgenden Punkten ab:
            – der aktuellen wirtschaftlichen Situation
            – dem Umfang des Staatshaushaltes
            – der Art der Kürzungen.
            Kürzungen der Staatsausgaben sind vor allem dann sinnvoll, wenn die Konjunktur gut läuft, der Staatshaushalt viele überflüssige Posten oder ineffiziente Programme enthält und die Kürzungen vor allem die betreffen, die Verluste leicht verschmerzen können, oder deren Arbeitsplätze und Betriebe ohne Subventionen schon zu Recht am Strukturwandel gestorben wären. Zwei offensichtliche Beispiele: Jobs in der freien Wirtschaft, für die man keine 1.000€ im Monat zahlen kann, ohne dass der Betrieb Pleite geht (also wenn dem Betrieb Preiserhöhungen nicht möglich sind und er nur knapp mehr als die Kosten erwirtschaftet), haben keine Existenzberechtigung und sollten nicht durch Aufstocken subeventioniert werden. Und der US-Haushalt könnte problemlos auf eine Menge an Militärausgaben verzichten.
            Austerität funktioniert nicht, wenn die konjunkturelle Lage schlecht ist, der Staat ohnehin schon deutlich verschlankt und man vor allem an den Ausgaben für die ärmeren Leute spart. Selbst der IWF hat das als Ergebnis seiner Studien festgehalten, es lässt sich leicht anhand volkswirtschaftlicher Prinzipien erklären, die Geschichte liefert genügend Beispiele.
            Also – nein, das Scheitern der Austerität liegt nicht daran, dass aufgrund vergangener Fehler ein Point of no Return erreicht ist. Ihr Scheitern liegt daran, dass sie zum falschen Zeitpunkt und auf eine ausgesprochen dumme Art umgesetzt wird, weil man dort spart, wo die Folgekosten hoch und der Nutzen niedrig ist, während man die Bereiche mit hohem Nutzen und niedrigen Folgekosten zu heiligen Kühen erklärt. Um es mit den Worten von Birgit Breuel zu sagen, die sich mit Fehlern nun wirklich gut auskannte: „Wenn man in die falsche Richtung läuft, hat es keinen Zweck, das Tempo zu erhöhen.“

          • Linus Huber sagt:

            „Kürzungen der Staatsausgaben sind vor allem dann sinnvoll, wenn die Konjunktur gut läuft“

            Aber genau dies ist ja der Fehler der Vergangenheit, dass man nicht dieses Prinzip anwandte.

            „Ihr Scheitern liegt daran, dass sie auf eine ausgesprochen dumme Art umgesetzt wird, weil man dort spart, wo die Folgekosten hoch und der Nutzen niedrig ist, während man die Bereiche mit hohem Nutzen und niedrigen Folgekosten zu heiligen Kühen erklärt.“

            Diese Aussage müssen Sie mit einigen konkreten Beispielen erläutern, damit eine wirkliche Diskussion möglich wird.

          • Moebius sagt:

            Meiner Ansicht nach reicht eine gut laufende Konjunktur nicht aus, um eine Begründung für Austerität zu liefern. Die beiden anderen Punkte sollten ebenfalls zumindest teilweise gegeben sein.
            Hohe Folgekosten und/oder niedriger Nutzen: Kürzungen an Bildung, Gesundheit, Aufrechterhaltung der Infrastruktur, Sozialausgaben für die Ärmsten. Die Sozialausgaben für die Ärmsten zu kürzen schlägt direkt auf den Konsum durch, was die Steuereinnahmen wiederum verringert -> niedriger Nutzen, z.T. hohe gesellschaftliche Folgekosten. Sparen an der Aufrechterhaltung der Infrastruktur, an Bildung und an Gesundheit -> hohe Folgekosten, da die Volkswirtschaft an Sach- und Humankapital verliert.
            Schlachten heiliger Kühe, die einiges bringen und geringe Folgekosten verursachen würden: In Deutschland Abschaffung von Ehegattensplitting, Verzicht auf Subventionen zur Ansiedelung von Standorten ohnehin wohlhabender Unternehmen, Wiedereinführung der Vermögensteuer, Rücknahme diverser Steuerreformen, die zu starken Mindereinnahmen des Staates führten, Abschaffung der Befreiung von Unternehmen von der Ökosteuer etc., Abschaffung von Ausnahmeregelungen zur Erbschaftssteuer. Man kann bei einigen dieser Punkte natürlich diskutieren, ob es sich um reine Steuererhöhungen oder die Rücknahme von Subventionen handelt, aber ich halte Steuersenkungen für z.B. Kapitalerträge nicht weniger für Geschenke als Erhöhung von Sozialausgaben.

    • Eduardo sagt:

      Schulden sollten in wirtschaftlich guten Zeiten sofort wieder abgebaut werden. Das geschieht aber nicht, weil die Wähler in demokratischen Systemen nun mal von allen Parteien permanent bestochen werden müssen (in Form vor allem von Ausgaben für angebliche „soziale Gerechtigkeit“). Der konjunkturfördernde Effekt neuer Schulden in schlechten Zeiten verpufft deshalb inzwischen wirkungslos.

      • Walter Bernstein sagt:

        Eduardo:
        Sie haben Recht!
        Schulden sollten nur für Instrastrukturprojekte gemacht werden, um die nachfolgenden Generationen angemessen zu beteiligen (z. B. am Bau eines neuen Alpentunnels). Diese Schulden müssen mit einem klaren Tilgungsplan versehen sein.

        Schulden für den Konsum sind meistens nicht sinnvoll – weder privat noch staatlich.
        In wirtschaftlichen Krisenzeiten kann Deficit Spending Sinn machen, aber dafür sollte in guten Zeiten schon eine „Konjunkturausgleichsrücklage“ angespart worden sein. Ist diese mangels Disziplin nicht vorhanden (das ist der Regelfall), war das eben Pech. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ ist auch heute noch top-aktuell.

      • Moebius sagt:

        „Schulden sollten in wirtschaftlich guten Zeiten sofort wieder abgebaut werden.“
        Diese Aussage gilt für Unternehmen, aber nicht für Staaten – für Staaten gilt sie nur dann, wenn die beiden anderen Sektoren (Unternehmen und Haushalte) in der Summe Schulden machen wollen. Schulden und Vermögen bilden sich in einer Volkswirtschaft schließlich immer spiegelbildlich aus: http://oekonomiefuereinsteiger.wordpress.com/2014/04/23/schulden-teil-1-zusammenhang-schulden-vermogen/

        Von der permanenten Bestechung der Wähler und dem angeblich andauernden Ausbau des Sozialstaates merkt man in Deutschland übrigens in den letzten 20 Jahren gar nichts. Die Realität widerlegt da Ihre These – genau wie auch die These, dass Konjunkturpakete wirklungslos verpuffen: Deutschland ist auch wegen des 2008 aufgelegten Konjunkturpakets gut durch die Krise gekommen.

        • Linus Huber sagt:

          @ Moebius

          Könnten Sie sich vorstellen, dass die permanente Verschuldung von Staaten mitunter eine Ursache für die gegenwärtige Misere darstellen könnte? Könnte die spiegelbildliche Bildung von Schulden und Vermögen eine untergeordnete Rolle spielen, sondern deren Ausmass im Verhältnis zum BIP bedeutungsvoll sein?

        • Johnny Smith sagt:

          „“Schulden sollten in wirtschaftlich guten Zeiten sofort wieder abgebaut werden.” Diese Aussage gilt für Unternehmen, aber nicht für Staaten“

          Habe ich etwas verpasst, oder ist darin die Aussage impliziert, dass der Staat immer Defizite (Neuschulden) machen soll? und die Schulden nie abbauen soll? oder soll Ihrer Meinung nach der Staat in wirtschaftlich schlechten Zeiten Schulden abbauen?

  • Vinzenz Bieri sagt:

    In unseren Städten leben bereits 30 Prozent der Bevölkerung dauerhaft von der Sozialhilfe, seit Jahren! Das Prozent der Hilfsbedürftigen steigt unaufhörlich, langsam, aber konstant. Für diese Leute haben wir die Volksküchen, aber in wenigen Jahren werden 50 Prozent der Bevölkerung Sozialhilfe, Prämienverbilligungen und Wohnhilfen brauchen und dann kippt das heutige System, weil die anderen 50 Prozent geschröpft werden und dadurch ebenfalls langsam aber sicher verarmen werden. Die Bullen an der Börse werden schon bald Hemd und Hosen verlieren, die Notenpresse wird im Akkord Geldscheine drucken und 20 Zigaretten werden Fr. 20 kosten d.h. jede Zigi einen Franken. Eine Zinswende würde mit Sicherheit zu einer Depression mit vielen Bankrotten, gleichbleibende tiefe Zinsen zu weiteren Schulden führen, zu einer Art lethargischer Stagflation. Die Drosselung der staatlichen Sozialausgaben kann einzig und allein durch einen politischen Wechsel bei Wahlen erfolgen, wenn auch spät, aber immerhin.

    • Ueli sagt:

      @Vinzenz Bieri
      Ihre Logik ist also: Bald werden „50 Prozent“ der Bevölkerung von Sozialhilfe leben (ich glaube kaum, dass dann überhaupt noch ein kapitalistisches System funktionieren könnte) – also müssen konsequenterweise die Sozialausgaben massiv gedrosselt werden?“ Wer soll denn als erster über die Klippe springen – opfern Sie sich freiwillig Herr Bieri oder sollen wir dies dem Zufall überlassen? „Homo homini lupus“ – fällt mir dazu ein…

    • @Vinzenz Bieri sagt:

      Die 30 Prozent sind etwas gar hoch gegriffen allein für die Sozialhilfe (s. hierzu die aktuellen Berichte über die Stadt Biel). Wenn wir aber alle Personen einrechnen, welche vom Staat leben (Arbeitslose, Rentner, Staatsangestellte etc.), dann sind die 50% bald überschritten. Wie fallen wohl Abstimmungen über Steuererhöhungen oder AHV-Reformen aus, wenn die Mehrheit der Bevölkerung vom System/Staat lebt?

    • ast sagt:

      „Die Drosselung der staatlichen Sozialausgaben“
      Sie haben wohl noch nie etwas von Revisionen bei der IV/AHV/EO/ gehört?

      Weitere Drosselung der Sozialausgaben gehört ins Kapitel Austerizität, was wie wir gehört haben die Kaufkraft der Gesamtbevölkerung belastet und somit Rezession und Deflation fördert.
      Ebenfalls verursachten Sparprogramme bei den Ärmsten in der Geschichte gelegentlich Faschismus und Revolutionen, auf jeden Fall bedroht man damit die Demokratie.

      Wer von wem lebt müsste vielleicht mal etwas genauer in diesem Blog aufgezeigt werden, sofern man das überhaupt heute noch wagen darf auzuzeichnen (betreffend dem politischen Umfeld bei Schwarzgeld, Steuerhinterziehung und Ausbeutung von Arbeitskräften in Afrika, Asien, Südamerika usw.)

  • leimgruber sagt:

    Diese Tiefzinsen sind nur möglich durch das billige Geld aus der Druckerpresse, eine Wertschöpfung ist nicht dahinter. Lange kann das nicht mehr gut gehen.

    • Walter Bernstein sagt:

      Leimgruber, 9:44
      Es wird nicht mehr lange gutgehen, denn die Tiefstzinsen sind längst kein angemessener Preis für das geliehene Geld mehr. Weder für den Zeitraum (eine Bundesanleihe läuft 10 Jahre), noch für das Risiko, noch für die künftige Inflationserwartung.
      Diese Zinsen sind politisch gewollt und werden von der EZB per finanzieller Repression durchgesetzt. Dieser Begriff sagt eigentlich schon alles.

      Durch die niedrigen Zinsen hat sich die Inflation in Wahrheit enorm erhöht, denn die Kosten für die Altersvorsorge sind drastisch gestiegen (der Zinseszinseffekt ist kaum noch vorhanden). Wenn man sich nicht nur auf die Verbraucherpreise konzentriert, sondern auch die Vermögenspreise und den Preis für eine angemessene Altersvorsorge einbezieht, kann man schon fast von galoppierender Inflation sprechen. Dazu kommt, dass wichtige Ausgabeposten – wie z. B. Mieten – durch staatliche Vorgaben gedeckelt sind und die Inflation dadurch künstlich niedrig bleibt. Im Gegenzug investieren die Vermieter kaum noch in die Instandhaltung.

      • Moebius sagt:

        Die Tiefzinsen sind der verzweifelte Versuch, wirtschaftliche Akteure zu kreditfinanzierten Investitionen zu bekommen. Nur will grade partout niemand Schuldner sein und das Geld, das andere sparen wollen, absorbieren (Ersparnisse und Schulden sind in unserem Geldsystem definitionsgemäß immer gleich groß). Und ein „angemessener Preis“ für Geld ist das, was die Leute dafür zahlen, vulgo: zu welchen Konditionen sie Kredite aufzunehmen bereit sind: Das ist Markwirtschaft, schlicht und einfach.
        Inflation ist ein dauerhafter Anstieg des Preisniveaus; Altersvorsorge ist kein Produkt mit festgelegtem Preis. Ebenso wenig kann man Zinsen einer bestimmten Höhe erwarten, da Zinsen letzlich durch wirtschaftliche Tätigkeit auf Basis des geliehenen Geldes aufgebracht werden müssen. Wenn niemand Geld leihen/Schulden machen will, gibt’s auch keine Zinsen.
        Vermögenspreise werden bei der Inflationsberechnung völlig zu Recht ignoriert, denn es geht um DAUERHAFTEN Anstieg des Preisniveaus. Da Vermögensanlagen oft stark schwankende Preise zeigen (Aktien, Immobilien, Gold, Fremdwährungen, Kunst…), die auch längst nicht immer realisiert werden, sondern reine Buchpreise sind, haben sie in der Inflationsberechnung nichts zu suchen: Man nennt so etwas nicht „galoppierende Inflation“ sondern „Spekulationsblase“ oder genauer „asset price bubble“. Wieviel Sammler X für Gemälde Y ausgibt oder zu welchen Mondpreisen Immobilien in der Tokioter Innenstadt 1989 gehandelt wurden, sagt wenig über die faktische Wirtschaftsentwicklung aus.

        • Linus Huber sagt:

          @ Moebius

          Könnten Sie sich vorstellen, dass die massive Ausweitung der Bilanz einer Zentralbank nicht unbedingt als Marktwirtschaft sondern eher als Planwirtschaft eingestuft werden könnte? Besteht die Möglichkeit, dass aufgrund der zwar angeblichen Preisstabilität, welche durch Zentralbanken verfolgt wird, was jedoch in Tat und Wahrheit aufgrund einer dauerhaften positiven Inflationsrate einer schleichenden Entwertung der Währung entspricht, mitunter Ursache des heutigen Dilemmas sein könnte, indem über Jahrzehnte das übermäßige Kreditmengenwachstum und damit der Hebel zur Ausnützung des Wertverfalls der Währungen gefördert wurde?

          • Moebius sagt:

            Kreditmengenwachstum allein reicht nicht aus, um eine Inflation auszulösen (zur Entstehung von Inflation: http://oekonomiefuereinsteiger.wordpress.com/2012/11/21/schreckgespenst-inflation-teil-2-wie-entsteht-inflation/). Die Quantitätstheorie des Geldes halte ich für empirisch widerlegt.
            Eine dauerhafte leichte Inflation halte ich für wünschenswert, da sie a) der Deflation vorbeugt, die deutlich problematischer ist, b) kreditfinanzierte Investitionen gegenüber passivem Geldbesitz bevorzugt und c) einen Ausgleichsmechanismus für wirtschaftliche Schwankungen in unterschiedlichen darstellen kann. Dass Geld dabei nach und nach an Wert verliert, halte ich für unproblematisch – Geld ist schließlich dazu da, den Austausch von Gütern zu fördern, und solange der relative Wert der Güter untereinander sich dadurch nicht ändert und die Inflation nicht schnell genug wird, dass das Vermeiden von Inflationseffekten lohnender ist als produktive Tätigkeit, ist es mir ausgesprochen egal, wie groß die Zahlen auf den Geldscheinen sind.
            Eine Bilanzverlängerung der Zentralbank ist etwas deutlich anderes als eine zentrale Steuerung von Produktionabläufen – es als Planwirtschaft einzustufen, halte ich für massiv übertrieben. Davon abgesehen bin ich Anhänger von Minskys Theorie von der Instabilität der Finanzmärkte – daher ist an dieser Stelle m.E. eine Beeinflussung durch die Zentralbank wünschenswert.
            Gegenfrage: Könnten Sie sich vorstellen, dass man ein Wirtschaftssystem mit so vielen Oligopolen und Riesenkonzernen nicht mehr als funktionierende Marktwirtschaft betrachtet – selbst wenn sie durch Marktkräfte entstanden ist? Und wenn ja, was sind die Schlussfolgerungen daraus?
            Zweite Gegenfrage: Verzerrt das Vererben großer Vermögen nicht eine Marktwirtschaft und ist somit leistungsfeindlich? Und wenn ja, was sind die Schlussfolgerungen daraus?

          • Linus Huber sagt:

            Die zweite Frage haben Sie nicht beantwortet, sondern einzig Ihre persönliche Ansicht bekundet, indem Sie das Schlagwort „Deflation“ in die Waagschale warfen. Gelegentliche Deflation mag für Profiteure der Inflation ein wenig problematischer und unbequemer sein als eine lineare Entwertung von Währungen, aber sie beinhaltet als gelegentliche Gegenbewegung zu inflationären Phasen den wertvollen Kern, dass das System an Nachhaltigkeit gewinnt, die Risikoträger gelegentlich zur Rechenschaft zu ziehen, Ungleichgewichte zu korrigieren, die Institutionalisierung von Umverteilung und „Moral Hazard“ zu verhindern. Allerdings wird solch ein Vorgehen immer schwieriger, je länger man es mit allen Mitteln vereitelt, da das Aufheben entstandener massiver Ungleichgewichte enorme soziale Kosten produzieren dürfte. Oder in anderen Worten, das langfristig erfolgreiche Verteufeln von Deflation macht es wirklich erst zum Monster.

            Als Anhänger Minskys Theorie zur Instabilität der Finanzmärkte sollten Sie eigentlich erkennen können, dass es genau die von ihm erklärten Blasen (Ponzi Schemes) sind, welche aufgrund der Flucht aus dem Geld gefördert werden, indem eben, wie schon erklärt, ein immer höherer Hebel zur „Erwirtschaftung“ von Gewinn aufgrund der garantierten Geldentwertung angewandt wird.

            Übrigens verstand Minsky die Funktion „des Lenders of last Resort“ ähnlich wie Bagehot, indem Banken in Liquiditätsschwierigkeiten keineswegs dieses Problem durch günstig angebotene Kredite gegen die Hinterlegung erstklassiger Kreditinstrumente erhalten, sondern dass die Konditionen strafend zu wirken haben um sie zu vorsichtiger Geschäftsführung zu motivieren.

            „Könnten Sie sich vorstellen, dass man ein Wirtschaftssystem mit so vielen Oligopolen und Riesenkonzernen nicht mehr als funktionierende Marktwirtschaft betrachtet“ – Genau, es handelt sich um Crony Capitalismus, in welchem Regierungen aufgrund von Lobbying die Regeln zugunsten dieser Oligarchen machen.

            „Verzerrt das Vererben großer Vermögen nicht eine Marktwirtschaft und ist somit leistungsfeindlich?“ – Das ist ebenfalls eine politische Frage, welche in einem direktdemokratischen Staat eigentlich von der Bevölkerung zu beantworten wäre, wobei die Themenkontrolle durch die Betuchten wohl ein Hindernis darstellt.

          • Moebius sagt:

            Ich bitte um Entschuldigung – ich hatte Ihre Frage so verstanden, dass Sie lediglich nach meiner Meinung zu dauerhafter positiver Inflationsrate fragen, und diese Meinung hatte ich dargelegt. Um Ihre Frage direkt zu beantworten: Diese Möglichkeit besteht dann, wenn meine Sichtweise fehlerhaft ist. Von meinem Standpunkt aus besteht diese Möglichkeit tatsächlich nicht, ich sehe keinen wesentlichen Zusammenhang zwischen einer dauerhaften, niedrigen Inflation und den aktuellen Krisen.
            Zur Deflation: Meines Erachtens gibt es zwei Arten der Deflation:
            1) Eine von selbst verschwindende, leichte Deflation, die durch eine abrupte Verbesserung der Produktionsweise und -bedingungen und in Folge ein Sinken der Produktionskosten auf breiter Front bedingt ist, wie sie in Teilen der Goldenen Zwanziger zu beobachten war. Ehrlich gesagt fällt mir kein anderes Beispiel dafür ein.
            2) Eine sich selbst verstärkende Deflation, wie sie in einer starken Absatzkrise auftritt, in der Regel nach dem Platzen einer Spekulationsblase (meine Sichtweise zu dem Mechanismus findet sich unter http://oekonomiefuereinsteiger.wordpress.com/2013/06/15/die-deflationsfalle/), wie es in der Great Depression und der Great Recession der Fall war – und in Japan nach 1990 der Fall gewesen wäre, hätte der Staat nicht gegengelenkt und zumindest die Selbstverstärkung der Deflation verhindert. Auch so hatte Japan lange Zeit mit leichter Deflation zu kämpfen, was übrigens sehr schön zeigt, dass Inflation nicht mit rein geldpolitischen Mitteln erzeugt werden kann.
            In Fall 2 kann die Deflation gar nicht anders, als zum Monster zu werden. Und in wirtschaftlich stabilen Phasen tritt eine Deflation einfach nicht auf (abgesehen von Phasen während der Roaring Twenties).
            Über welche Mechanismen Deflation den von Ihnen postulierten Nutzen bringt, „dass das System an Nachhaltigkeit gewinnt, die Risikoträger gelegentlich zur Rechenschaft zu ziehen, Ungleichgewichte zu korrigieren, die Institutionalisierung von Umverteilung und “Moral Hazard” zu verhindern“ ist mir nicht klar. Die Deflation tritt erfahrungsgemäß erst ein, wenn die Fehler schon längst begangen wurden die Risikoträger bereits stark gestraft sind, und die Gefahr akut ist, dass die Wirtschaft völlig den Boden unter den Füßen verliert. In diesem Moment behandle ich nicht die Diabetes, sondern den Herzinfarkt. Man muss die Spekulation bremsen, wenn alle gerade Party machen wollen.
            Darüber hinaus ist es m.E. nicht die Geldentwertung, sondern die Suche nach möglichst hohen Renditen, die Blasen befeuert.
            Ansonsten halte ich es für wünschenswert, wenn die strafenden Bedingungen für die Kreditinstitute nicht das Institut selbst schädigen, sondern die Individuen innerhalb des Instituts, die verantwortungslos waren. Man darf nicht den Fehler begehen, Unternehmen als monolithische Strukturen anzusehen.
            Ihrer Einschätzung, dass wir es vielerorts mit Crony Capitalism zu tun haben, stimme ich voll und ganz zu. Dito zur Themenkontrolle durch die Betuchten.

          • Linus Huber sagt:

            1) Ich stimme Ihnen grundsätzlich zu, dass es sich hierbei um eine als positiv zu betrachtende Deflation handelt und eigentlich ganz normal sein sollte, denn wenn aufgrund von Produktivitätssteigerungen günstiger produziert werden kann, darf das allgemeine Preisniveau problemlos sinken und sollte aus meiner Sicht keinesfalls verhindert werden. Das 19. Jh. zeigte lange Phasen dieses Trends.

            2) Im 2. Fall, welchen Sie ansprechen, erkennen Sie den Ursprung dieser Spekulationsblasen nicht, welcher nämlich in der vorhergehenden massiven Kreditausweitung liegt, sodass z.B. die USA die Währung, welche damals ans Gold gekoppelt war, mit einem Schritt um 50% entwertete. Die Idee, dass Deflation in einer wirtschaftlich stabilen Situation nicht auftritt ist nicht korrekt, sondern es ist ein Merkmal von Produktivitätssteigerungen und technologischem Fortschritt. Den Mechanismus zur Gewinnung von Nachhaltigkeit zu verstehen, bedingt das Verhalten der Marktakteure in verschiedenen Szenarios zu studieren. Wenn Sie garantiert darauf zählen können, dass sich die Währung entwertet, verhalten Sie sich anders als wenn dies nicht der Fall wäre. Springen Sie vom Ursprung (Geldentwertung) nicht gleich zur Krise, sondern fokussieren Sie sich auf den Aufbau der Ungleichgewichte (Spekulationsblasen) und auf die Motivation der Akteure. Ja, diese wollen Rendite aber auch Sicherheit. Wenn die Währung keine Sicherheit (Wertverlust) bietet, motiviert dies sich derer zu entledigen und es stellt sich ein Trend ein, in welchem man sich gezwungenermassen nach Alternativen umsehen muss, was die Bildung von Blasen provoziert. Wenn der Spekulant zulasten des sich vorsichtig und nachhaltig verhaltenden Akteurs bevorteilt wird, muss man sich nicht wundern, wenn sich eine Aura der kurzfristigen Bereicherung verbreitet.

            „Ansonsten halte ich es für wünschenswert, wenn die strafenden Bedingungen für die Kreditinstitute nicht das Institut selbst schädigen, sondern die Individuen innerhalb des Instituts, die verantwortungslos waren.“

            Hierbei stimme ich Ihnen 100% bei. Die Idee, der anonymen Aktiengesellschaft, in welchen einerseits die „Verantwortlichen“ faktisch Immunität geniessen und andererseits die Firma vor dem Gesetz der natürlichen Person gleichgestellt wird, ladet zur kurzfristig orientierten Gewinnmaximierung durch Anwendung eines immer höheren Hebels ein, denn wenn es gut geht, kassieren die „Verantwortlichen“ ab, wenn nicht, suchen sie sich eine neue Firma. Verantwortung heisst, dass man die Folgen seiner Entscheidungen auch auf persönlicher Ebene spüren muss, was heute immer weniger der Fall ist.

  • Johnny Smith sagt:

    Sehr guter Artikel, Beschreibung der wirtschaftlichen Entwicklung von Europa von Anfang bis zum zweitletzen Abschnitt. Ich teile die Einschätzung, dass die tiefen Zinsen leider nichts Positives sind („(rekordtiefe Zinsen) Tolle Nachrichten, nicht wahr? Leider nein.“). Ich bin einverstanden mit der Diagnose, dass es Europa wirtschaftlich nicht so gut geht, wie das in den letzten Jahrzehnten gewöhnlich der Fall war. Vielleicht müssen auch die Ansprüche etwas reduziert werden (siehe obiger Kommentar von Joe Amberg zum ‚ewigen Wachstum‘).

    Was nun die richtigen Reaktionen auf dieses tiefe Wachstum sind? Die aktuelle Geldpolitik hat das Problem einerseits in die Zukunft verschoben und andererseits auch verstärkt und zu den rekordtiefen Zinsen beigetragen. Geldpolitik löst die Probleme nicht. MD spricht diesen Aspekt nicht an, ich nehme an, genau mit der Überlegung, dass Geldpolitik nicht die Lösung ist. Die Fiskalpolitik ist ein/der Schlüssel zur Lösung des schwachen Wachstums.

    Diese Fiskalpolitik spricht er deshalb zu Recht im letzten Abschnitt an. Leider mit etwas fahrig und unargumentierten ‚Schlussfolgerungen‘ (bzw. nur verlinkten ‚Argumenten‘). Vielleicht ist ja ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende?

    • Ueli sagt:

      Welche „richtige“ Fiskalpolitik soll denn das Wachstum aus dem Hut zaubern? Auch interessant, dass wenns fürs Kapital brenzlig wird, da kein Wachstum mehr vorhanden, direkt von der gewöhnlichen Bevölkerung verlangt wird ihre „Ansprüche“ herunterzuschrauben. Gehen Sie doch mal nach Spanien, Italien, gewisse Bundesländer von Deutschland (auch bekannt als „Hartz 4 Land“ / „Alleinerziehnend-Mutter-Land“ / „Prekariat-Land“ / „Aufstocker-Land“ / „Altersarmut-Land“) und sagen Sie der Bevölkerung, dass Sie leider auf zu grossem Fuss lebt und dies negative Konsequenzen fürs Kapital zeitigt. Falls Sie nicht geteert und gefedert zurückkomen – schenke ich Ihnen einen Früchtekorb.

      • Johnny Smith sagt:

        Danke für Ihr Angebot des Früchtekorbs. Es hat niemand gesagt, dass ein Zurückschrauben der Ansprüche eine angenehme Nachricht ist. Aber inhatlich sehe ich es umgekehrt wie Sie: das „auf zu grossem Fuss Leben“ hat positive Konsequenzen fürs Kapital gezeigt, nicht aber – wie Sie im gleichen Post richtigerweise sagen – für die Bevölkerung.

        • Ueli sagt:

          @Johnny Smith
          Falls das Kapital also seine Profitrate steigern will – muss es einfach den Arbeitnehmern höhere Löhne zahlen, Zeitarbeit abschaffen, das Heer von Arbeitslosen wieder anstellen und dem Staat mehr Steuern bezahlen, dass dieser mehr soziale Dienste leisten kann (vielleicht sogar Gratisessen in der Schulkantine?)? Ich glaube Sie haben das kapitalistische System von a-z begriffen Herr Smith.

          • Johnny Smith sagt:

            Inwiefern ist das eine Erwiderung auf meine Aussage „das “auf zu grossem Fuss Leben” hat positive Konsequenzen fürs Kapital gezeigt, nicht aber … für die Bevölkerung.“?

          • Ueli sagt:

            @Johnny Smith
            Wer lebt denn nach Ihnen auf „zu grossem Fuss“? Das Kapital, der gewöhnliche Bürger, der Staat oder einfach alle? Dummerweise haben nicht alle das gleiche Interesse – Sie müssen sich deswegen schon für eine Partei entscheiden – falls Sie nicht einfach nur Propaganda für die Kapitalseite betreiben und tatsächlich behaupten wollen, dass wir alle im gleichen Boot sitzen.

          • Johnny Smith sagt:

            Sie sagen am 29. August 2014 um 10:08, das ‚auf zu grossem Fuss Leben‘ der Bevölkerung habe negative Auswirkungen auf das ‚Kapital‘. Ich sage, das Gegenteil: vom ‚auf zu grossem Fuss leben‘ (Bevölkerung und auch Staat) hat das ‚Kapital‘ wie Sie es nennen, profitiert. Das ‚Kapital‘ scheut eine Reduktion der Verschuldungen wie der Teufel das Weihwasser.

          • Ueli sagt:

            @Johnny Smith
            1. Ist es ein spezielles Kapital, welches eine „Reduktion der Verschuldung wie der Teufel das Weihwasser“ meidet (Finanzkapital).
            2. Das Kapital allgemein kann nur auf Kosten der produktiven (Mehrwert fürs Kapital generierenden) Arbeitnehmer (Staatsangestellte und alle anderen „unproduktiven Arbeitnehmer“ ausgenommen) seine Profitrate steigern.
            3. Alles weitere folgt aus dieser simplen Logik.

          • Ueli sagt:

            @Johnny Smith
            4. Freilich basiert heute das Kapital (allgemein) auf dem Finanzkapital – da es sonst seine Profitrate überhaupt nicht mehr aufrecht erhalten könnte. Dies heisst aber nix anderes als das der Kapitalismus als solcher sowieso nur noch durch die virtuelle Simulation seines Überlebensgesetzes (Wachstum auf Teufel komm raus) existieren kann.

          • Linus Huber sagt:

            @ Ueli

            Ihre Antworten widerlegen Johnnys Aussage nicht.

            In Bezug auf grossem Fuss; z.B. haben Sie kürzlich die durchschnittliche Wohnfläche zu derjenigen von vor 60 Jahren verglichen?

          • Moebius sagt:

            @Linus Huber: Kennen Sie viele Leute, die leben wollen wie vor 60 Jahren? Und ist ein Vergleich über so lange Zeiträume nicht irrelevant, wenn wir wissen wollen, ob jemand in den letzten 20 Jahren auf großem Fuß gelebt hat?

            @Johnny Smith: Sie haben Recht, das Kapital scheut einen Rückgang der Verschuldung – denn dann schwinden auch die Zinszahlungen und damit die Gewinne. Vor allem aber bedeutet weniger Schulden auch automatisch weniger Vermögen (ausführlich unter http://oekonomiefuereinsteiger.wordpress.com/2014/04/23/schulden-teil-1-zusammenhang-schulden-vermogen/). Aber: Zu einem „auf großem Fuß lebenden“ Schuldner gehört auch ein unvorsichtiger Kreditgeber – und das waren die jetzigen Zombiebanken, die einfach noch mehr Zinsen kassieren wollten. Die Banken – vor allem die Investmentbanken – haben definitiv auf zu großem Fuß gelebt.

            Ob eine Volkswirtschaft als Ganzes auf zu großem Fuß lebt, lässt sich übrigens an seiner Import/Export-Bilanz über einen längeren Zeitraum sehen. Wenn eine Volkswirtschaft über längere Zeit mehr importiert als exportiert, stimmt irgendwo was nicht. Wenn eine Volkswirtschaft über längere Zeit eine ausgeglichene Bilanz hat oder mehr exportiert als importiert, die Masse der Leute aber trotzdem Schulden machen muss, wenn sie ihren Lebensstandard halten will, haben wir ein Verteilungsproblem. Wir können jetzt ausgiebig diskutieren, was vor der Finanzkrise wo der Fall war und welcher Teil welcher Volkswirtschaft über seine Verhältnisse gelebt hat. Meine Sichtweise lässt sich nach der Lektüre von http://oekonomiefuereinsteiger.wordpress.com/2013/11/21/wie-hoch-sollten-lohne-sein/ leicht erraten 🙂

          • Linus Huber sagt:

            „Kennen Sie viele Leute, die leben wollen wie vor 60 Jahren?“

            Erstens handelt es sich wohl weniger darum, ob man dies will oder nicht, sondern ob man sich nachhaltig und verantwortungsvoll anstatt kurzfristig orientiert verhaltet. Dies ist auch nicht gleichzustellen mit Leben wie vor 60 Jahren, denn die technologischen Errungenschaften basieren nicht darauf, dass man auf grossem Fuss lebt.

          • Moebius sagt:

            Nachhaltigkeit ist in diesem Zusammenhang m.E. eher eine ökologische als eine ökonomische Kategorie – ein Zeitraum von 60 Jahren ist für eine ökonomische Betrachtungsweise extrem lang, um es vorsichtig auszudrücken. Sehen Sie den Wohnraum pro Person als eine geeignete Größe an, um die fiskalische Nachhaltigkeit in einer Volkswirtschaft zu bestimmen? Wenn ja, warum?
            Technologische Errungenschaften führen übrigens i.d.R. dazu, dass man auf größerem Fuß lebt.

          • Linus Huber sagt:

            @ Moebius

            Ausgezeichnet, darum erleben wir keine Finanzkrisen.

          • Johnny Smith sagt:

            @ Ueli

            Wie Linus Huber schon angemerkt hat: Sie widerlegen meine Aussage damit nicht. In Punkt 1 scheinen Sie mir sogar zuzustimmen (zumindest für Ihr ‚Finanzkapital‘). Und in Punkt 4 erweitern Sie Ihr ‚Finanzkapital‘ auf ‚Kapital allgemein‘.

          • Johnny Smith sagt:

            @ Moebius

            Sie haben recht mit Ihrer Ergänzung, dass auch unvorsichtige Kreditgeber dazugehören (wobei auch der Staat da öfters mitspielt, Versprechen verhilft zu Wahlerfolgen). Meine Aussage, dass das Kapital vom ‚über den Verhältnissen Leben‘ profitiert hat, ist ja nicht als elaborierte Aussage entstanden, sondern als Entgegnung zu Uelis gegenteiliger Aussage.

          • Moebius sagt:

            @ Linus Huber: Ja, genau wie die neoklassische Theorie es vorhersagt… oder worauf wollten Sie hinaus?
            Ansonsten würde mich eine Antwort auf die Äußerungen in meinem Posting interessieren, deswegen frage ich nochmals: Sehen Sie den Wohnraum pro Person als eine geeignete Größe an, um die fiskalische Nachhaltigkeit in einer Volkswirtschaft zu bestimmen? Wenn ja, warum?

            @Johnny Smith: Sie haben völlig Recht, meine Aussage war auch nur als Ergänzung zu Ihrer gedacht. Und ich stimme auch zu, dass der Staat durch die Aussagen der Staatsführung einen Einfluss auf die Stimmung und damit auf die Tendenz zu vorsichtigem oder unvorsichtigem Geldverleihen hat.

          • Linus Huber sagt:

            „Sehen Sie den Wohnraum pro Person als eine geeignete Größe an, um die fiskalische Nachhaltigkeit in einer Volkswirtschaft zu bestimmen? Wenn ja, warum?“

            Wenn aufgrund geldentwertender Politik unterstützt durch eine Legislative mit wohneigentumsfördernden Programmen, der Akt sich zu verschulden (mit möglichst hohem Hebel) sich als profitabel erweist, wirkt dies motivierend für die Wahl einer höher dimensionierten Wohnfläche, denn es winkte durch die geldmässige Wertsteigerung langfristig betrachtet ein garantierter Gewinn. Oder anders ausgedrückt, Blasen, welche sich in verschiedenen Segmenten der Volkswirtschaften unter dem Dach der langfristig angelegten weltweiten Kreditblase bilden, beinhalten die Eigenschaft an irgend einem nicht voraussehbaren Zeitpunkt in der Zukunft zu platzen, ein Umstand, welcher das Prinzip der langfristigen Nachhaltigkeit auf verschiedenen Ebenen (inkl. fiskalische Nachhaltigkeit) verletzt. Z.B. sind in den USA nach 2008 viele Kinder aus finanziellen Gründen wieder ins Elternhaus zurückgekehrt, sodass sicherlich ein gewisser Zusammenhang bestehen dürfte, wobei es sich einzig um einen einer grossen Anzahl von möglichen Indikatoren handeln mag.

            Meine diesbezügliche Antwort bezog sich allerdings auf Uelis Aussage, wer denn auf zu grossem Fuss lebt. Ich denke, dass es sich um ein allgemeines Phänomen handelt und bin ebenfalls der Ansicht, dass dadurch die Wohlbetuchten, aufgrund ihrer Fähigkeit mit höherem Hebel zu arbeiten, einen überproportional grossen Vorteil verbuchen.

  • Michael Berger sagt:

    Die Überzeugung der nordeuropäischen Classe politique könnte daher rühren, dass es den Nordeuropäischen Staaten wirtschaftlich vergleichsweise gut geht. Möglicherweise auch wegen verhältnismässig gesunden Staatsfinanzen (wie übrigens auch in der Schweiz). Die Wirtschaftlichen Problemländer sind umgekehrt diejenigen mit den schlechten Staatsfinanzen (was natürlich ein Teufelskreis ist) .

    Dass in diesem Blog meist die Eurozone oder gar die EU als Einheit betrachtet wird ist ein Witz. Die wirtschaftlichen, politischen, sozialen usw. Unterschiede unter den Mitgliedstaaten sind so enorm, dass kaum irgendwelche gemeinsamen Schlüsse auf die beste Politik daraus abgeleitet werden können.

    • Walter Bernstein sagt:

      Michael Berger:
      Richtig, jeder sieht die Welt aus seiner Perspektive, und blendet die anderen aus.

      Wenn Südeuropa weiter Schulden macht, geschieht das in der – von Hollande offen ausgesprochenen – Absicht einer künftigen Schuldenunion.

      Wenn aber eine Gruppe von Ländern glaubt, von anderen ständig zur Kasse gebeten zu werden (oder – aus südeuropäischer Sicht – von anderen beherrscht zu werden), ist der Gemeinschaftssinn bald weg. Und damit die entscheidende Grundlage der EU.
      Transferunionen funktionieren nur innerhalb von gefestigten Nationalstaaten: In Italien bezahlt der Norden klaglos für den Süden, und in der Schweiz der Kanton Zug – etwas weniger klaglos – für den Kanton Bern.

      Denn das, was sich in der Weltgeschichte am stabilsten erwiesen hat, ist der Nationalstaat. Bündnisse und Föderationen entstehen und zerbrechen. Wenn sich die EU-Transferunion verstetigt und der Süden dafür ständig Auflagen des Nordens umsetzen soll, wird die EU auseinanderbrechen, weil sie nicht mehr vom Willen der Völker getragen wird.

      Davon sind nicht nur wir betroffen, sondern auch unsere Kinder. Dann gibt es keine Reisefreiheit mehr, keinen gemeinsamen Arbeitsmarkt und auch keine guten wirtschaftlichen Perspektiven, und die Musik spielt endgültig in Asien.
      Vielleicht wären sogar Kriege in Europa denkbar. In der Ukraine hätte man das bis vor kurzem auch nicht geglaubt.

      • Anh Toan sagt:

        @Walter Bernstein: „Denn das, was sich in der Weltgeschichte am stabilsten erwiesen hat, ist der Nationalstaat. “

        Wie bitte? Welcher Nationalstaat war denn stabil? Nationalstaaten gibts etwa solange wie die USA und die sind ziemlich stabil seither, zweite ist die Schweiz, der spreche ich aber Nationalstaatscharakter ab (CHF Armee uind AHV machen keine Nation), und dann waren 2 Welt und ein paar andere Kriege, Faschismus und Nordirland auch nicht grad Ausdruck von Stabilität. Also wenn Stabilität das Kriterium ist, empfehle ich die katholische Kirche, danach die Monarchie, die ist stabil, solange der König lebt (L’Etat c’est moi hat De Gaulle in Nordafrika gesagt und darum hat die Grande „Nation“ nicht verloren).

        Der Nationalstaat ist ein vorübergehender Irrtum der Geschichte, er basiert wie alle Religionen auf Lügen.

        • Walter Bernstein sagt:

          Anh Toan:
          Schon im Altertum bildeten sich klare Nationalstaaten heraus.
          Diese bestehen z. T. heute noch (denken Sie an das Volk Israel, Persien/Iran, …), oder Griechenland.
          Die chinesische Geschichte reicht noch weiter zurück.
          Zu römischen Zeiten wurde Deutschland schon als Germania bezeichnet, und Frankreich als Gallia. Die nationalen Identitäten dieser beiden Völker waren auch im gemeinsamen Frankenreich vorhanden. Die Reichsteilung von 843 (Vertrag von Verdun) folgte im wesentlichen diesen nationalen Linien.
          Ein erstes, noch nicht sehr ausgeprägtes nationales Bewusstsein entstand in Deutschland nach der Varus-Schlacht.
          Die Schotten sind ebenfalls eine sehr alte Nation. Am 18.9. stellen sie vielleicht die historische Unabhängigkeit wieder her.

          • Anh Toan sagt:

            Nehmen wir mal Griechenland:

            Waren denn die alten Kreten und die Spartaner (wie heissen die?) keine Griechen.

            Der Nationalstaat braucht einen Staat und eine Nation, wie das Wort sagt.

            Germania und Franca waren keine Staaten, es gab doch das heilige römische reich deutscher Nation, da gehörten die Polen und Ungarn und Italiener und Spanier und Kroaten und Urner dazu: 1 Nation, klar docd

            Bevor man sagt, etwas sei ein Nationalstaat, sollte man defininieren, was ein Nationalstaat ist: Die Nation macht den Staat, nicht der Kaiser: Der chinesische Kaiser hätte Sie wegen Hochverrat geköpft, wenn sie gesagt hätten, nicht er, sondern das chinesische Volk (auch Tibeter Mongolen, Uguiren und die anderen 200 Völker) machen den Staat aus.

          • Anh Toan sagt:

            Fragen Sie mal einen Iren oder einen Waliser ob die zur englischen Nation gehören, aber dann müssen Sie ganz schnell laufen…..

            Gibt es eine Australische Nation?

            Wie kann es die Schweiz, Belgien, Hollan, Österreich geben, wenn die deutsche Nation in einem deutschen, die französische in einem französischen und die italienische in einem italienischen Nationalstaat leben?

            Gäbe es einen deutschen Nationalstaat, dürfte es kein Holland, kein Belgien, keine Schweiz, kein Österreich geben, entweder der deutsche Nationalstaat ist eine Lüge oder der Österreichische etc., aber wissen Sie was, alle Nationalstaaten sind Lügen.

            Macht braucht einen äusseren feind, um sich mit Schutz vor diesem zu rechtfertigen. Damit man den Feind überhaupt abgrenzen kann (der muss ja Nahe sein, ein Feind am anderen Ende der Welt ist nicht bedrohlich), muss ein wir definiert werden, damit ein die anderen definiert werden kann. Und dann sagt man, die anderen sind die Bösen (die fressen Kinder) und ich beschütze Euch vor den Bösen und die Leutre im Staat sind froh, dass sie nicht zu den Bösen gezählt werden.

            Nicht die EU ist ein Konstrukt, Nationalstaaten sind Konstrukte, Lügengebilde.

          • Anh Toan sagt:

            Ganz typisch die Schweiz: keine gemeinsame Konfession, Sprache Kultur, die grössten Unterschiede in Europa, Romanen und Gremanen, Katholen und Protestanten laufen mitten hindurch: Die Lüge der Nation ist so offensichtlich, dass man den Ausdruck „Willensnation“ erfinden musste, also: Klar, keine Nation, alle wesentlicvhen Kritererien sprechen dagegen, dann brauchen wir ein neues Kriterium, den Willen, und dann ist es auch Nation.

            Ausserdem: Es war Napoleon’s Willen, der die Schweiz immerhin zu einem Staat, aber nicht einer Nation machte, zuvor war die Schweiz mit der NATO vergleichbar. Viele „Schweizer“ wollten zuerst gar nicht (Sonderbundskrieg.)
            Wer von Willensnation redet, sollte fragen, wessen Willen.

    • Mark Dittli sagt:

      Sie stellen absolut richtig fest, dass die Mitglieder der Eurozone enorme wirtschaftliche, politische, soziale Unterschiede aufweisen. Kurzum: Alles andere als ein optimaler Währungsraum. Nur haben sich diese Staaten leider eben genau in einer Währungsunion aneinandergefesselt.

      • Walter Bernstein sagt:

        Mark Dittli, 10:01
        Das ist völlig richtig.
        Trotzdem funktionieren ähnliche Währungsräume (aktuelle und historische) recht gut.
        Zum Beispiel die USA:
        Der finanzielle Ausgleich zwischen den Bundesstaaten ist geringer als oft gedacht; z. B. kommen Zuschüsse für die Interstates aus Washington.
        Aber das Arbeitslosengeld, Lebensmittelmarken, Sozialhilfe, Schulen, Polizei, der Grossteil der Infrastruktur usw. werden von den einzelnen Bundesstaaten finanziert. Zum grössten Teil sogar von den Kommunen. Gleiches gilt für die Krankenversicherung, die meist an den einzelnen Arbeitgeber geknüpft ist.
        Dennoch befinden sich Mississippi und Massachusetts seit Jahrhunderten in einem einzigen Währungsraum.
        Es gibt in den USA zwar eine Art Bankenunion (die es in der Euro-Zone inzwischen auch gibt), aber es gibt viele verschiedene Zuständigkeiten, und auch die einzelnen Bundesstaaten haben Bankenaufseher. International gilt das US-Bankenaufsichtssystem als zersplittert, zu dezentral und nicht immer effizient. Aber es funktioniert.
        Insbesondere entspricht es genau dem von James Madison institutionalisierten System der Checks and Balances. In Europa entspricht es der Souveränität der Nationalstaaten und ihren historisch gewachsenen Rechtssystemen. Beides ist sinnvoll und von den meisten Völkern auch so gewollt.

        Bei der Gründung der EWWU wussten ALLE, worauf sie sich einliessen. Die Vorteile hat man – auch im Süden – sehr gerne ausgenützt. Vorteile bringen aber auch Verantwortung mit sich.
        Es kann nicht sein, dass in Europa ständig völkerrechtlich verbindliche Vereinbarungen missachtet und hintertrieben werden.
        Heute werden Defizit-Grenzen missachtet und Bürger ausspioniert. Und morgen?

        Ich persönlich bin übrigens der Meinung, dass der Euro den Nordeuropäern mehr schadet als nützt, denn er untergräbt ihre Wettbewerbsfähigkeit. Von der kommenden Transferunion ganz abgesehen.

        • Walter Bernstein sagt:

          Mark Dittli, 10:01
          Die meisten südeuropäischen Politiker haben verstanden, dass sie etwas ändern müssen.
          Hollande bezeichnet sich jetzt als Sozialdemokrat, und nicht mehr als Sozialist. Er hat die wichtigsten Verweigerer entmachtet.
          Matteo Renzi bezeichnet sich selbst als „Il Rottamatore“ (Der Verschrotter der alten Eliten) und will jeden Monat eine wichtige Reform umsetzen.
          Portugiesen, Spanier und Iren fordern von Frankreich und Italien Reformen. Sie selbst haben die Vorgaben von IWF, EU und EZB umgesetzt und sehen erste Erfolge. Das Wachstum von Irland liegt deutlich über dem von GB, und in Spanien sinkt die Arbeitslosigkeit.
          Frankreich und Italien sind grosse Volkswirtschaften. Aber das gewährt ihnen keine Sonderrechte.

        • ast sagt:

          „Trotzdem funktionieren ähnliche Währungsräume (aktuelle und historische) recht gut. Zum Beispiel die USA:“

          Das ist eine gelungene Illusion. In Wirklichkeit funktioniert das Währungssystem in den USA nur deshalb noch, weil sich die USA dank seiner Weltleitwährung praktisch unendlich gegen Aussen verschulden kann. Ein intelligentes Köpfchen hatte vor vielen Jahren die Probleme die nun für die USA kommen im Voraus erkannt und wollte eine überstaatliche Weltleitwährung. Da Nixon und Co aber in den 70(80ern Kriege führen wollten und man den kalten Krieg gewinnen wollte, hat man sich gegen Voraussicht und Weisheit entschieden. Seither muss die USA den Sheriff spielen -oder dann seine Schulden bezahlen. Mit einer Währung in der Dimension von US$ und Euro muss man eine grosse Verantwortung übernehmen. Europa fehlt es nicht nur an Homogenität, sondern auch an militärischer Stärke und gleicher Sprache.

          • Peter Burkhard sagt:

            Der Unterschied zwischen EU und den USA ist viel banaler. In den USA sprechen alle die gleiche Sprache 🙂
            Wenn es in einem Staat schlecht geht, dann zieht ein relativ grosser Teil einfach in den Staat in dem es besser geht (Detroit ist heute fast menschenleer). Das passiert in Europa nicht. Die Spanier hocken (fast) alle noch in Spanien obschon sie völlig legal und ohne Probleme nach Deutschland ziehen könnten.

          • winston sagt:

            @Burkhard

            Es gibt noch ein viel banalerer Grund.
            Die USA ist ein Nationalstaat, die Eurozone nicht.

            Fragen Sie mal ein Deutscher ob er sich mehr mit Deutschland oder der Eurozone bzw. EU identifiziert, die gleiche Frage können Sie einem Italiener, Franzose, Spanier stellen und dann stellen Sie die gleiche Fragen einem US- Amerikaner.

          • Anh Toan sagt:

            @winston: „Sie USA sind ein Nationalstaat“

            Sind die das? Waren die das schon seit der Gründung?

            Genausogut kann man sagen, die USA seien ein Staat der sich aus den unterschiedlichsten Nationen zusammensetzt, von Iren, Italienern, Deutschen, Afrikaner, Latinos usw.

            Auch die USA werden als Willensnation bezeichnet, und auch hier: Der Willen der Nordstaaten zu einer Nation, musste den Südstaaten eingeprügelt werden, und einige wehren sich noch immer dagegen (Tea Party, NRA sind vor allem im Süden, da wo dieser weiss ist, der USA stark).

        • Moebius sagt:

          Der Euro UNTERGRÄBT die Wettbewerbsfähigkeit der Nordeuropäer? Auf welchem vermuteten Mechanismus basiert diese Aussage?
          Die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes gründet meines Wissens auf dem Preis-/Leistungs-Verhältnis der Produkte des Landes, und der Preis wird wesentlich durch die Wechselkurse mitbestimmt: Wertet die Währung auf, werden die Produkte auf dem Weltmarkt teurer. Bei flexiblen Wechselkursen gilt dabei: Exportüberschüsse führen zu Aufwertungsdruck, Importüberschüsse zu Abwertungsdruck. Die nordeuropäischen Staaten haben deutlich mehr Überschüsse als die südeuropäischen, letztere weisen z.T. Importüberschüsse auf, d.h. sie schwächen den Aufwertungsdruck für die gemeinsame Währung ab. Ohne die südeuropäischen Staaten wäre der Eurokurs höher, damit die Produkte teurer, damit die Wettberwerbsfähigkeit geringer. Also STÄRKT (um nicht zu sagt: dopt) der Euro die Wettbewerbsfähigkeit der Nordeuropäer. Oder hab ich da was übersehen?

        • Josef Marti sagt:

          Sie vergessen, dass in den USA im Gegensatz zum Euroraum keine nicht fällig stellbaren Targetsalden der Notenbanken toleriert werden. Solche Verrechnungssalden sind zwischen den Staaten zwar möglich und üblich, müssen in den USA aber mit Gold oder erstklassigen Wertpapieren besichert werden.

          • Moebius sagt:

            Werter Herr Marti, was, mit Verlaub, hat die Nichtbesicherung von Target-Salden mit Wettbewerbsfähigkeit zu tun? Target-2-Salden bilden allenfalls Zahlungsströme ab, aus denen man auf die relative Wettbewerbsfähigkeit (eigentlich ein unnötiges Adjektiv: Wettbewerbsfähigkeit kann nur in Relation zu einem anderen Akteur betrachtet werden) der beiden Länder schließen kann.
            Target-2-Salden sind eine reine Buchungsgröße ohne realwirtschaftliche Auswirkungen: Sie geben an, wieviel Geld eine Zentralbank (also eine EZB-Filiale) wegen einer Zahlungsanweisung aus dem Ausland aus dem Nichts geschaffen und ausgezahlt hat (führt zu Target-2-Forderungen) bzw. für eine Zahlungsanweisung ins Ausland erhalten und dabei vernichtet hat (führt zu Target-2-Verbindlichkeiten). Das Ergebnis der Transaktionen, die zu Target-2-Salden führen, ist immer: Mehr Zentralbankgeld im Umlauf im Empfängerland, weniger Zentralbankgeld im Umlauf im Senderland, wobei das Geld im Empfängerland im Unterschied zur normalen Geldschöpfung ohne neue Schulden in gleicher Höhe entsteht (und zugleich werden im Senderland durch die Einzahlung bei der Zentralbank auch keine Schulden bei der Zentralbank vernichtet).
            Falls das für irgendeinen Leser kryptisch klingt: Es wird verständlich, sobald man sich mit dem Aufbau unseres Geldsystems befasst und nachvollzieht, wie Zentralbankgeld erschaffen wird (z.B. unter https://oekonomiefuereinsteiger.wordpress.com/2012/07/31/woher-kommt-unser-geld-teil-2-wie-geld-entsteht/). Falls danach zu den Target-2-Salden etwas unklar sein sollte, einfach eine Antwort hier ins Forum oder einen Kommentar in den Blog schreiben, dann liefere ich eine detailliertere Erklärung.

          • Josef Marti sagt:

            Moebius:
            Das ändert an meiner Aussage gar nichts. Sind die Salden nicht fällig stellbar und ohne Sicherheit, müssen sie abgeschrieben werden und die geplanten Ausschüttungen an Kommunen und Länder bleiben aus, bzw. notfalls muss die Bundesbank von letzteren sogar mit Zuschüssen saniert werden, so zumindest behauptet das Prof. Sinn. Sie können ja gerne mit H.W.Sinn vom Ifo Institut darüber debattieren.

      • Micahel Berger sagt:

        Es spricht nichts dagegen, die Wirtschaftsentwicklung der Währungsunion als Ganze zu betrachten. Es kann ja einen interessanten Überblick verschaffen. Doch bei der Analyse der Ursachen dafür ist aufgrund der Unterschiede innerhalb der Währungsunion grösste Vorsicht geboten. Es kann keine einzelne Ursache (allein) für völlig verschiedene Wirtschaftsentwicklungen verantwortlich sein. Die ziemlich niedrigen Renditen sind eine Gemeinsamkeit der vieler Europäischer Länder, auch ausserhalb der EU, und bspw. auch der USA. Die Rendite bei zehnjährige Anleihen ist zur Zeit für Italien fast gleich wie für die USA. Was können wir daraus folgern hinsichtlich der Bedeutung der Renditen für die stark divergierende Wirtschaftsentwicklung? Eben nicht viel.

  • Walter Bernstein sagt:

    Im politischen (nicht geografischen!) Südeuropa hat die Dauerkrise Gründe, die sich mit neuen Schulden nicht mehr kaschieren lassen:
    1. Massive Strukturschwächen, die sich über Jahrzehnte verschärft haben (mangelnde Wettbewerbsfähigkeit, niedrige Produktivität, überzogene Steuern & Abgaben, paralysierte Regierungen, unberechenbare & ineffektive Bürokratien und Gerichtsverfahren, verkrustete Arbeitsmärkte und Sozialsysteme).
    2. Der Ukraine-Konflikt. Inzwischen kann man von einem offenen Krieg sprechen.
    3. Verringerung des Potenzialwachstums durch die demographische Entwicklung, Ausbildungsmängel usw..

    Für Nordeuropa trifft v. a. Grund 2. zu, aber das genügt – aus psychologischen Gründen – für eine Wachstumsdelle.

    Eine „Bereinigung“ dieser Gründe durch neue Schulden ist brandgefährlich, denn die Voraussetzung für grosszügige Staatsausgaben ist, dass noch genügend Reserven vorhanden sind. Dazu muss die spätere Tilgung sichergestellt sein.
    In besseren Zeiten haben fast alle Euro-Staaten kräftig Schulden aufgetürmt. Jetzt gibt es – realistisch betrachtet – keine Manövriermasse mehr. Die meisten Länder (und vor allem auch Japan) haben schon lange jedes vernünftige Schulden-Mass überschritten. Das gilt selbst für einzelne deutsche Bundesländer wie Saarland und Bremen, die bereits innerdeutsche Sozialfälle sind.
    In den USA mag das anders sein, da dort die Zahl der Einwohner und damit der Verbraucher und Wirtschaftsakteure weiter wächst.

    Der Teufelskreis ist fast geschlossen. Wenn noch mehr Schulden aufgehäuft werden und die Zinssätze wieder steigen, haben wir die Zukunft der nächsten 2-3 Generationen gründlich zerstört.
    Zum Glück ahnt kein 16-jähriger, dass er nur noch arbeiten wird, um unsere Konsumorgien abzubezahlen.

    Es gibt das Bild des Grippe-Kranken, den man nicht ins Fitness-Studio schicken soll. Aber wenn dieser Grippe-Kranke seine Medis nicht nimmt, und raucht und Whisky trinkt (im Falle Südeuropas also seine Reformen nicht umsetzt), ist dem Patienten mit noch so vielen Schulden nicht mehr zu helfen.

  • Joe Amberg sagt:

    Leider basiert der ganze Artikel – und die ganze Ökonomie dahinter – auf dem Grundirrtum des notwendigen und realisierbaren ewigen Wachstums. Das hat es nie gegeben und wird es nie geben, und ist auf einem Planeten der partout nicht wachsen will reiner Schwachsinn. Was deshalb auch hier wieder in den Zeitreihen systematisch ausgeblendet wurde: alle Kriege, insbesondere WW1 und WW2. Der abstrus Ansatz des ewigen Wachstums war vordergründig immer möglich durch Jahre Wachstum – dann alles zusammenschlagen durch einen grossen Krieg – und dann Jahre des Wachstum. Dummerweise funktioniert das ohne den grossen Reset durch einen grossen Krieg garantiert nicht. Ohne grossen Krieg werden wir zwangsläufig in ein „quantatives Wachstum gegen 0“ Zeitalter eintreten. Exemplarisch zu sehen In Japan. Führt bei den aktuellen Fehlansätzen der Ökonomie zu einer gigantischen Staatsverschuldung (Japan: bereits 200% des BIP). Also ist die brisante Frage: wie findet der nächste grosse Reset statt?

    • Raess Rolf sagt:

      Darum versucht uns die USA, resp. deren Finanzhaie und Rüstungslobby via NATO in einen Krieg mit Russland hinein zu ziehen. Weil sie wissen, wie dumm wir Europäer sind.

    • Sandra sagt:

      Vlt. Verstehen Sie auch gewisse Kernkonzepte der Oekonomie nicht? Bei 25% Arbeitslosen in Spanien sehe ich persönlich gewaltiges Wachstumspotenzial…diese Leute könnten Arbeiten, damit Services oder Güter produzieren und diese würden sie dank höherem Einkommen als in der Arbeitslosigkeit auch konsumieren…

      Wachstum heisst nicht zwingend, dass mehr verbraucht oder konsumiert wird, sondern es kann auch die Produktivität von gewissen Sektoren verbessert werden, z.b. durch Robotik, oder es gibt ganz neue Produkte und Dienstleistungen, wie sie bspw. Google anbietet…

      Vlt. Sollten Sie Mal das eine oder andere Buch zur Thematik lesen, dann können Sie mitdiskutieren…

      • Peter sagt:

        @ Sandra: Haben Sie auch Beispiele von Produktivitätssteigerungen, die nicht weit mehr Arbeitsplätze vernichten, als sie schaffen – Beispiel Robotik?

      • Walter Bernstein sagt:

        Sandra:
        Schon zu absoluten Boom-Zeiten lag die spanische Arbeitslosigkeit meist über 10 %. Das deutet viel eher auf strukturelle Probleme hin, als auf konjunkturelle.

        Können denn die spanischen Arbeitslosen genau das produzieren, was die Weltwirtschaft will?
        Viele sind ungelernte Bauarbeiter, die schnelles Geld wollten und keine richtige Lehre haben.
        Viele haben auch heute noch überzogene Lohn-Ansprüche und wollen 4000-EUR-Saläre.
        Viele haben eine Qualifikation, die auf den internationalen Märkten nicht gefragt ist, und sprechen keine Fremdsprachen.

        Das reicht nicht, um es mit China aufzunehmen. Da müsste man schon Zollschranken um Europa herum errichten.
        Wenn TTIP kommt, werden die spanischen Arbeitslosen bald mit den mexikanischen konkurrieren.

        • Rolf Zach sagt:

          Herr Bernstein. Gegenwärtig exportiert Spanien leicht mehr Waren als sie importiert. Man kann dies auf die Rezession
          zurückführen, aber sicher sind auch ihre Waren auf dem Weltmarkt gefragt, was ja die Tomaten von Almeria beweisen. Spanien ist heute auch ein bedeutender Exporteur von Autos und Maschinen. Die Infrastruktur gilt als erstklassig.
          Wir haben hier das Problem von Arbeitslosigkeit und Wirtschaftswachstum. Wirtschaftswachstum bedeutet nicht unbedingt eine Abnahme der Arbeitslosigkeit. Wie werden diese beiden Grössen durch die lokale und die globale Wirtschaft beeinflusst. Wie hat die Container-Revolution die Entwicklung der Inflation und der regionalen Industrie beeinflusst.? Wie kann lokales Wachstum durch äussere Faktoren verstärkt werden? Sie wie ich wissen, es gibt keine monokausalen Gründe für die Entwicklung einer Volkswirtschaft, aber welche sind wichtig und welche weniger? Es gab mal 1980 ein Japan über alles, heute haben wir China über alles, was kommt in 20 Jahren?

          • Linus Huber sagt:

            @ Rolf

            Können Sie mir den Link zu Ihren Zahlen offerieren?

            Gemäss meinen Informationen ist die Handelsbilanz Spaniens wie folgt:

            Erstes Semester 2013 Handelsbilanzdefizit EURO 5.824 Mia.
            Erstes Semester 2014 Handelsbilanzdefizit EURO 11.882 Mia.

          • Rolf Zach sagt:

            Linus Huber.Ich habe mich auf Economy of Spain im Wikipedia bezogen. Hier wurden die Expotzahlen von 2011 und Importzahlen von 2009 publiziert. Zugegeben die Daten sind veraltet. Ihre neuen Zahlen sind sicher richtig. Möchte aber einfügen, dass die Ertragsbilanz von Spanien sich wieder im Gleichgewicht befindet und die spanische Wirtschaft wie die japanische einen riesigen Land-„Bubble“ durchlebt hat. Schlussendlich ist die Ertragsbilanz aussagekräftiger als die Handelsbilanz, obwohl ich der Ansicht bin, die Ertragsbilanz der gesamten EURO-Staaten ist entscheidender als diejenige eines einzelnen Landes. Abgesehen davon, wer will bestreiten, dass Japan ein hochmodernes Land ist und
            Spanien viel Fortschritte dahin seit demTod von Franco gemacht hat.

    • Ueli sagt:

      @Joe Amberg
      Ohne Wachstum kein Kapitalismus.

      • alexander sagt:

        @ueli
        Ohne Wachstum = Deflation im Kreditgeldsystem. Mit Kapitalismus hat das staatliche Geldmonopol nichts zu tun; vielmehr mit den Ideen von Marx aus seinem Manifest §5.

        • Ueli sagt:

          @alexander
          Ja klar – nach der verqueren Logik von unseren ultraliberalen Freunden befinden wir uns schon im kommunistischen Paradies, da der Staat heute keine Nachtwächterrolle einnimmt. Sie haben den Vogel für heute abgeschossen – danke für den Lachanfall.

          • alexander sagt:

            @ueli
            Hat da jemand seinen Marx nicht verstanden. Staatskapitalismus nannte der Meister die heutige Wirtschaftsform und folgerte zurecht was uns jetzt widerfährt.
            Offen von einer zweiten Depression zu schreiben ist so mutig wie Finanzen und Wirtschaft lesenswert!

          • Ueli sagt:

            @alexander
            Der „Meister“ namens Marx lebte im 19. Jahrhundert und hat vor allem unterschätzt wie sehr Kaptial und Staat eine Einheit bilden können. Trotzdem: Marx begriff die fundamentale Funktionsweise des Kapitals – aber überschätzte die Revolutionäre Rolle des Proletariats. Heute ist klar: Eine potentielle Revolution wird nur noch dann stattfinden falls die Simulation des „ewigen Wachstums“ dem globalen Kapital nicht mehr gelingt. Bis dann kann aber die Menschheit „froh sein“, dass sie sich nicht in einem globalen Bürgerkrieg jegliche Form von Menschlichkeit vernichtet.

          • Anh Toan sagt:

            @Ueli 18:29

            Mann, das ist verdammt gut.

          • Linus Huber sagt:

            @ Alexander

            Das marxistische Gedankengut, welches dem staatlichen Geldsystem zugrunde liegt, darf nicht wahr sein und muss mit jedem zur Verfügung stehenden Schlagwort erschlagen werden.

        • Ueli sagt:

          @Anh Toan
          Manchmal wünscht man sich, dass man nicht Recht behält. Good luck Menschheit – wir sind ganz schön geliefert. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt…

          • Rolf Zach sagt:

            Mit Marx kann man es halten wie man will, aber er war wie Darwin in der Biologie in seinem Fach der Soziologie
            bahnbrechend. Er hat auch Darwin sehr bewundert. Marx ist nützlich um eine Kultur und eine Gesellschaft zu verstehen,
            wahrscheinlich war Max Weber hier noch einiges besser. Marx war bekanntlich Jude und als solcher war in ihm die Eschatologie stärker als die empirische Wissenschaft. So erschuf er sich das irdische Paradies. Für mich wird es immer in der Geschichte der Menschheit Elite-Gesellschaften geben, die andere bösartig oder wohlwollend kujonieren und mehr bekommen als ihre Untergebenen und ihre Belohnung ist nicht an Leistung gebunden, sondern an Privilegien.
            Aber es ist anzumerken, das Gläubige länger und besser leben, besonders diejenigen, die an die himmlische Erlösung glauben. Mit den irdischen Paradiesen ist es eine sehr wacklige Sache.

    • Anh Toan sagt:

      Joe Amberg: „Leider basiert der ganze Artikel – und die ganze Ökonomie dahinter – auf dem Grundirrtum des notwendigen und realisierbaren ewigen Wachstums. Das hat es nie gegeben und wird es nie geben, und ist auf einem Planeten der partout nicht wachsen will reiner Schwachsinn. “

      Ich glaube Ihnen nicht, dass alle anderen komplette Trottel sind.

      • Linus Huber sagt:

        Sicherlich nicht alle, jedoch sicherlich jene, welche sich als Trottel ein gutes Leben organisieren können.

  • Jakob Sperling sagt:

    Frage: Geht es den Japanern jetzt, nach dieser ’20jährigen Lethargie‘, denn schlecht? Die Leute, die ich kenne, und die dort waren, hatten eher nicht diesen Eindruck. Lässt sich diese Situation irgendwie mit Zahlen ausdrücken?

    • Ueli sagt:

      @Jakob Sperling
      GDP: Auf gleichem Stand wie vor 20 Jahren.
      Nikkei: -75% in 20 Jahren
      Real Estate: -75% in 20 Jahren
      Tax-Rev.: Auf gleichem Stand wie vor 20 Jahren.
      25% der Steuern gehen für Zinsen drauf.
      Japanische Staatsschulden = 25 X Steuereinnahmen
      Ausgaben des Staates = 2 X Steuereinnahmen
      10 Finanzminister in 5 Jahren
      Mehr Menschen gehen in Rente als Jobeinsteiger
      35% der Bevölkerung über 60 Jahre alt
      Es werden schon jetzt mehr Erwachsenenwindeln verkauft als Babywindeln. Der demographische Wandel geht weiter.
      Any questions?

      • D.Fenner sagt:

        Der Nikkei hat 1989 beinahe einen Punktstand von 40‘000 erreicht.
        Anfangs der 70er Jahre stand er noch bei 2‘000. Angesichts dessen ist
        die Korrektur in den letzten 20 Jahren nicht verwunderlich.

        • Ueli sagt:

          @D.Fenner
          Dies kann man nur im Vergleich mit anderen Indizes beurteilen. Schauen Sie sich die Entwicklung des Dow-Jones, des Dax oder des SMI an. Diese erlebten in den 80er Jahren auch eine stürmische Entwicklung (freilich getrieben durchs spekulative Finanzkapital) – auch diese Indizes sind Ende der 80er Jahre zusammengebrochen und eine Periode der Stagnation folgte. Aber – die Party ging sowohl in Europa, als auch in Amerika in den 90er und 00er Jahren weiter – während Japan in einem Deflationsstrudel versank und nicht mehr aus dem Sumpf (den bald auch die anderen kennenlernen dürften) herauskam.

          • Marcel Senn sagt:

            Ueli: Wie krank alles in Japan war so um 1990 rum veranschaulicht folgender Vergleich — Auf dem Höhepunkt der Blase war der Park des Kaiserpalastes im Zentrum von Tokio nach Schätzungen genauso viel wert wie alles Land in Kalifornien zusammen, und fast zwei Drittel des gesamten Weltimmobilienwertes war in der Tokyoter City konzentriert.
            .
            Wenn Sie da von solch weltfremden Spitzenwerten runterrechnen, dann ist das doch eine etwas selektive Datensicht…
            .
            Mit der demographischen Entwicklung aber haben Sie recht – sowas könnte der CH auch noch blühen, wenn wir Ecoflop und ähnliche kurzsichtige Initiativen annehmen — der Altersklimax wird uns so im Jahre 2036 erreichen, wenn wir nicht entweder die Geburtenraten steigern oder eine Zuwanderung um die 40- 50’000 netto p.a. weiterhin zulassen.

    • Linus Huber sagt:

      Na ja, die mangelnde Lebensfreude, die Unfähigkeit zu verbindlichen Beziehungen wie der fehlende Enthusiasmus der Jugend fuer eine bessere Zukunft dürften wohl eher negativ auf die Lebensqualität wirken.

      • Rolf Zach sagt:

        Wo ist die Selbstmordrate höher, in der Schweiz oder in Japan?

        • Linus Huber sagt:

          Gemäss dieser Statistik ist sie in Japan etwa doppelt so hoch wie in der Schweiz.

          http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_countries_by_suicide_rate#List

          Allerdings muss ich mich selbst auch ein wenig kritisieren, denn die Anerkennung einer aussichtslosen Situation mag eine befreiende Wirkung erzeugen und die Bevölkerung eines Landes ebenfalls in der Form einer Schicksalsgemeinschaft zusammenschweissen; aber vielleicht besteht noch immer die Phase der Verdrängung.

  • Thomas Meier sagt:

    Wer „Classe Politique“ schreibt, zeigt doch eindeutig, wes Geistes Kind er ist. Mit dieser Wortwahl geht es nicht mehr um sachliche Analysen, sondern nur noch um Polemik. Ausserdem ist natürlich klar, dass niedrige Zinsen im Fall von Euro-Ländern ein Krisenzeichen ist, wohingehend die niedrigen Zinsen in der Schweiz ein Zeichen für Stabilität ist.

    • Joe Amberg sagt:

      …der grosse Knall kommt in Japan demnächst; Japan hat bereits die höchste Staatsverschuldung der Welt (> 200% BIP)

      • Rolf Zach sagt:

        Was ist wichtiger in einer Volkswirtschaft, die Gesamtverschuldung einer Volkswirtschaft im Verhältnis zum Volkseinkommen oder nur die Staatverschuldung davon? Die Japaner sind persönlich sehr wenig verschuldet im Gegensatz zu uns Schweizern dafür haben sie persönlich einen schönen Batzen mündelsichere Staatspapiere anstatt zu konsumieren und zu investieren. So kann der japanische Staat seine Verschuldung nicht so abbauen wie er möchte, denn ein Staat bringt seine Verschuldung nur runter wenn eine Volkswirtschaft sehr aktiv ist und die Steuereinnahmen reichlich sprudeln. Was hindert mehr die Aktivität einer Volkswirtschaft, hohe Mietzinsen wegen einer exzessiven Hypothekar-Verschuldung oder eine hohe Staatsverschuldung? Die Verteufelung einer Staatsverschuldung ist unlogisch und gelinde gesagt dumm. Was zählt ist in welcher Währung dieser Staat sich verschuldet hat, in der eigenen oder in einer fremden. Japan hat sich in der eigenen Währung verschuldet im Gegensatz zu Argentinien. Ein Riesen-Unterschied! Übrigens wer denkt nicht an die Schweizerfranken-Privat-Hypotheken in Ungarn. Das gleiche Desaster wie die argentinischen $-Schulden. Gesamtverschuldung zählt und wie viel Prozent des Volkseinkommens muss dafür aufgewendet werden und nichts anderes!

        • Ueli sagt:

          @Rolf Zach
          Die maroden japanischen Banken und Pensionsfonds halten den grossen Batzen an japanischen Bonds, da diese im Gegensatz zu Immobilien und Aktien in den letzten 20 Jahren immerhin keinen Cent verloren haben (Perpetuum mobile?). Desweiteren: Wenn ein Staat 25% des Steuersubstrats für Schuldzinsen aus dem Fenster schmeissen muss und mehr als das doppelte des Steuersubstrats ausgibt – scheint mir dies nicht eine allzu „gesunde“ Finanzpolitik darzustellen…

          • Rolf Zach sagt:

            Geschätzter Ueli, es sind 10 % Ausgaben für die Zinsen und nicht 25 %, die restlichen 15 % sind die Zurückzahlung alter Schulden, die haben aber ein Roll-Over Effekt (Budget 2014). Natürlich hat Japan die höchsten Staatsschulden im Verhältnis zum Volkseinkommen aller Staaten, aber die sind alle in einheimischer Währung. Vergessen wir auch nicht das schlimme Erdbeben mit Tsunami 2011. Abgesehen davon hat sich das amerikanische Defizit in gleicher Höhe bewegt bei einer wesentlich schlechteren Ertragsbilanz. Wenn auch die Ertragsbilanz von Japan gegenwärtig im Defizit ist, so ist sie in ihrer Struktur gesund, besser als die USA. Wie war das mit dem Kaiserpalast in Tokyo, der Grundstückswert war höher als derjenige von ganz Kalifornien. Man kann sich also vorstellen, was die für ein „Bubble“ gehabt haben. Dazu noch eine Währung, die sich gegenüber dem $ mehr aufgewertet hat als alle anderen. Diesen Rang hat heute der Schweizerfranken. Die japanischen Sparer hätten die Regierung zusammengeschlagen, hätte diese es gewagt ihre Spar-Büchlein zu entwerten.

        • Josef Marti sagt:

          Sie sagen es. Dieses Lamento über die tiefen Zinsen der Staatsanleihen ist nicht nachvollziehbar. Auf lange Sicht ist empirisch erwiesen, dass die Notenbank den Zins bestimmt und sonst niemand; die Krise dauert eben schon Jahre lang und die Nullzinspolitik muss sich logischerweise irgendwann auswirken. Bei der CH sagt ja noch niemand, dass wir Depression haben. Nachfolgend ein Vergleich der 3 erfolgreichsten Länder, wo das Wort Depression trotz Tiefstzinsen komplett daneben ist.

          Zu Japan:
          Die hohe BIP Verschuldung mit 250% betrifft die internationalen Kapitalmärkte überhaupt nicht. Japan hat zwar ein notorisches hohes Haushaltsdefizit, ist jedoch gleichzeitig ein Nettokapitalexporteur aufgrund seiner bisherigen Leistungsbilanz- und Exportüberschüsse. Nettogläubiger des japanischen Staates sind allein die japanischen Bürger, sie sind bereit den Staat ständig auszufinanzieren und geben sich dabei mit einer extrem niedrigen Verzinsung zufrieden. Die Japaner ziehen also einen Weg vor, mit tiefer Staatsquote und sehr tiefer Steuerquote bewusst hohe Haushaltsdefizite in Kauf zu nehmen, diese dafür dank Exportüberschüssen und hoher interner Ersparnis mit niedrigstverzinslicher Ausleihung an das eigene Land auszufinanzieren; daneben reicht es sogar aus, zusätzlich hohe Auslandsaktiva zu erwerben. Das Japanische System funktioniert erstaunlich gut, die Arbeitslosigkeit ist im Vergleich zu Europa gering und die schon 20 jährige leichte Deflation nützt den Sparern.

          Zu Schweden:
          Ganz anders Schweden, welches traditionell auf einen starken Staat mit hoher Abgabenbelastung und ausgeprägter Umverteilung setzt. Es verlangt und erhält von seinen Bürgern aber so viele Abgaben, dass das Land normalerweise Haushaltsüberschüsse erzielt. So gelang es, die bis in die 90er Jahre aufgelaufene hohe Staatsverschuldung deutlich abzubauen. Schweden hat einen BIP Schuldenstand von 42%, 1999 waren es noch 64%! Wie Japan, D und die CH ist auch Schweden ein erfolgreicher Exportjunkie und damit Nettogläubiger in der Welt; zudem ist sein Wirtschaftswachstum unerklärlich stark und war bisher mehrheitlich sogar höher als dasjenige Deutschlands. Schweden ist der klare Beweis, dass all die Thesen von den bürgerlich liberalen Blindgängern wonach Wachstum und Exporterfolg nur mit tiefen Steuern möglich sei auf den Kompostmüll der Geschichte gehören; darüber ärgern sich diese Krawattenbubis täglich grün und blau.

          Zur CH:
          Die Schuldenentwicklung in Schweden gilt ähnlich auch für die CH, sie hat auch ca 40% BIP Schuldenquote gegenüber noch 52% im Jahre 2000. Dagegen setzt die CH auf tiefe Staats- und Steuerquoten und die Eigenvorsorge und Eigenverantwortung seiner Bürger, so dass Haushaltsdefizite trotz tiefer Abgaben selten sind. Ob langfristig die Steuerdumpingpolitik und damit Abhängigkeit und Geiselhaft von den nomadisierenden Multis, insbes. Rohstoffmultis ein Erfolgsrezept bleiben wird sich noch zeigen müssen, nämlich spätestens dann, wenn Abstriche im Bildungswesen zu einer Erosion von Humankapital und volkswirtschaftlichem Kapitalstock führen; gegenwärtig schiebt man dieses Problem vor sich her mittels Massenimport von im Ausland generiertem Humankapital.

          • Linus Huber sagt:

            @ Josef

            Seien Sie sich nicht zu sicher mit Ihren Überlegungen. Ich will hier einzig auf den Fall Japan eingehen.

            Die von Ihnen angesprochenen Leistungsbilanz- und Exportüberschüsse sind seit geraumer Zeit ausgesprochen wackelig oder sogar negativ, was beim sich intensivierenden Konkurrenzdruck der umlegenden Länder auch nicht weiter verwunderlich ist. Ebenfalls offeriert die geopolitische Lage keineswegs Grund zur Freude.

            http://www.tradingeconomics.com/japan/balance-of-trade
            http://www.tradingeconomics.com/japan/current-account
            http://www.tradingeconomics.com/japan/capital-flows

            Und jetzt lesen Sie bitte diesen Artikel:

            http://finance.yahoo.com/news/japan-household-spending-slumps-output-003826963.html

            Die Konsumentenpreise sind im Juni um 3,4% gegenüber dem Vorjahr gestiegen (teilweise aufgrund der VAT, bei uns Mwst). Ohne VAT-Erhöhung und unter Ausschluss schwankungsanfälliger Preise für frische Lebensmittel, lag die Inflationsrate gleich wie im Juni bei 1,3%.

            Die BoJ ist heute im folgenden Dilemma. Einerseits ist es ihr mit ihrem massiven „QE“ gelungen, die andauernde Deflation im Bereiche der Konsumentenpreise zu beheben, was ihr zuvor seit vielen Jahren nicht gelang; andererseits sind die Löhne nicht im gleichen Rahmen gestiegen, womit der durchschnittliche Arbeiter an Kaufkraft verliert. Die BoJ glaubt, dass eine noch höhere Inflation im Bereiche der Konsumentenpreise notwendig ist (Ziel 2%), um die Zeit deflationärer Tendenzen in diesem Bereiche endgültig begraben zu können, wobei die Gefahr hoch ist, dass dies die Kaufkraft der Lohnempfänger weiter reduziert. Aus obigen Artikel von Yahoo dürfte wohl erkennbar sein, dass die Bevölkerung zunehmend unter reduzierter Kaufkraft leidet und die Wirtschaft trotz finanzieller Repression nicht an Fahrt gewinnt.

            Also feiern Sie bitte nicht zu früh „mission accomplished“ wie George Bush am 1. Mai 2003. Keine der Geschichten sind fertig geschrieben bis eine auf Nachhaltigkeit beruhende und gesellschaftsverträgliche Lösung gefunden wurde.

          • Josef Marti sagt:

            Wer weiss schon was morgen und übermorgen ist?
            Die Japaner befolgen genau die österreichischen Ideale und Rezepte (die Notenbank und Zentralregierung natürlich nicht); sie sind die einzigen, die das Schuldgeld- und Zinssystem seit 20 Jahren ernsthaft bestreiken, weil sie Weltmeister im Horten und Tresornutzung sind und gleichzeitig zum Ärger der eigenen Regierung den vielgepriesenen österreichischen Konsumverzicht üben. Trotz der dadurch bewirkten 20 jährigen Deflation scheint sich aber das österreichische Erfolgsrezept der deflatorischen Produktivitäts- und Beschäftigungssteigerung dank Kapitalgüterakkumulation noch nicht richtig eingestellt zu haben.

          • Linus Huber sagt:

            Lach, eine neue Auslegung ökonomischer Doktrin. Interessant, dass schlussendlich anscheinend immer die Bevölkerung, welche sich einzig nach eigenem Ermessen manchmal langsamer, manchmal schneller den Massnahmen der Regierung anpasst, Schuld sein soll, wenn die Manipulation nicht das erwünschte Resultat erzielt. Bei dieser Ausweitung der Staatsverschuldung und Geldmenge von einem österreichischen Rezept zu sprechen ist wohl der herzlichste Lacher der Woche. – Danke, Lachen ist bekanntlich gesund.

          • Josef Marti sagt:

            Beruhigen Sie sich Herr Huber, ich habe Notenbank und Regierung explizit ausgeklammert, diese sind ja schliesslich in einem österreichischen Modell sowieso inexistent.

          • Linus Huber sagt:

            Sie verwechseln hier etwas grundlegend. Menschen folgen keiner Doktrin, sondern verhalten sich ganz einfach so, wie sie es für sich persönlich betrachtet als vorteilhaft empfinden. Es sind einzig Regierungen und ähnlich gelagerte Organisationen, welche sich makroökonomischer Theorien und Modelle bedienen und zwangsmässig durchsetzen.

          • Moebius sagt:

            @ Linus Huber: Volle Zustimmung! Dass manche ökonomischen Theorien voraussetzen, dass die Menschen die Welt durch die Brille eben jener Theorien sehen und entsprechend handeln, sagt m.E. nichts Gutes über diese Theorien aus.

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