Die bleibenden Schäden der Finanzkrise

Strukturelle Arbeitslosigkeit ist einer der Folgeschäden der Finanzkrise: Eine Schlange vor einem Arbeitsvermittlungsbüro in New York. Foto: Reuters
Die Höhepunkte der Finanzkrise sind seit bald sechs Jahren vorbei. Die Langzeitschäden werden immer deutlicher und sie sagen viel über die politischen Fehler der Vergangenheit aus .
Wenn die Ökonomen von«Hysterese» sprechen, dann meinen sie den anhaltenden schädlichen Effekt einer lang anhaltenden Krise auf die Leistung einer Volkswirtschaft. Ursprünglich bezieht sich der Begriff auf die Wirkungen der Arbeitslosigkeit:
Steigt diese als Folge eines Konjunktureinbruchs, das heisst einer zu geringen Gesamtnachfrage, dann kann sie in gewöhnlichen Zeiten durch eine angemessene Konjunkturpolitik relativ rasch behoben werden – etwa durch eine expansiven Geldpolitik wie das Sinken der Leitzinsen. Ist die Geldpolitik in ungewöhnlichen Zeiten wie seit der Finanzkrise dazu allerdings nur schlecht in der Lage – unter anderem weil die Leitzinsen schon auf ihren Tiefstwert gesunken sind, dann bleibt nur noch die Fiskalpolitik – also die Ausgaben des Staates.
Fehlt eine solche antizyklische Konjunkturpolitik und hält die Konjunkturkrise über längere Zeit an, dann wandelt sich zumindest ein Teil der konjunkturellen (das heisst nachfragebedingten) Arbeitslosigkeit in eine strukturelle: Anfänglich fehlt es den Arbeitslosen nicht an der nötigen Qualifikation, um sie bei steigender Nachfrage wieder beschäftigen zu können. Doch je länger sie dem Arbeitsmarkt unfreiwillig fernbleiben, desto stärker entwertet sich ihr Wissen, desto weniger produktiv werden sie und desto schwieriger wird es für sie deshalb auch, überhaupt wieder einen Job zu finden. Umso stärker sind sie wahrscheinlich in der Folge auch psychologisch beeinträchtigt, angesichts des Leidens, das eine lang anhaltende Arbeitslosigkeit gewöhnlich mit sich bringt.
Anders gesagt: Der Volkswirtschaft als Ganzes geht Fähigkeitskapital verloren. Ihr Schaden besteht nicht nur im Einbruch durch die Krise selbst, sondern auch in einem tieferen Produktionspotenzial in der Folge. Die Volkswirtschaft bleibt dann ärmer, als sie es ohne die Krise gewesen wäre.
Eine lang anhaltende Wirtschaftskrise schädigt das Produktionspotenzial einer Volkswirtschaft aber nicht nur über die Arbeitslosigkeit. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat im vierten Kapitel seines «World Economic Outlook» vom Oktober 2009 drei weitere Wirkungszusammenhänge aufgezeigt (der relativen Bedeutung dieser Faktoren für die Zeit seit der Krise in den USA geht der Ökonom Robert Hall in dieser Studie nach):
- Ein geringerer Kapitalstock: Im Zuge einer Wirtschaftskrise und je länger diese dauert, fallen neue Investitionen aus, da Unternehmen angesichts der gedrückten Absatzchancen einen geringeren Anreiz dafür haben und weil besonders nach Finanzkrisen die Kreditvergabe restriktiver ist. Tiefere Investitionen führen aber zu einem kleineren Kapitalstock, als er ohne die Krise aufgebaut worden wäre und damit ebenfalls zu einem tieferen Produktionspotenzial.
- Eine geringere Gesamtproduktivität («Total Factor Productivity») der Wirtschaft: Sie kann einerseits ein Ergebnis des geringeren Kapitalstocks sein, der verlorenen Qualifikation der Arbeitnehmer (entsprechend dem klassischen «Hysterese-Effekt») oder von weniger technologischen Innovationen in einer lange andauernden Krisenphase. Allerdings kann der Untergang der schwächeren Unternehmen in der Krise und das Überleben der stärkeren die Gesamtproduktivität für sich genommen steigern.
- Schliesslich kann eine lang anhaltende Krise dazu führen, dass die Beschäftigungsquote abnimmt (gemessen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter) , weil sich viele gleich gänzlich aus dem Arbeitsmarkt zurückziehen. Auch das ist mit einem Verlust an Produktionspotenzial verbunden.
Der US-Ökonom Laurence Ball hat in einer Studie konkret untersucht, wie gross die bleibenden Schäden der Finanzkrise in 23 ausgewählten Ländern der OECD sind. Berechnet hat Ball die Werte für die Produktionskapazitäten und ihren Wachstumspfad anhand von entsprechenden Berechnungen der OECD und des IWF vor und nach der Krise. Für alle betrachteten Länder zusammengenommen kommt er zum Schluss, dass deren Produktionskapazität im Jahr 2015 insgesamt gegenüber der Vorkrisenzeit um 8,2 Prozent gesunken ist. Weil die Deutsche Wirtschaft genau diesen Anteil an der Wirtschaftsleistung der betrachteten Länder hat, wäre das also so, wie wenn Deutschland wirtschaftlich von der Landkarte verschwunden wäre.
Die Gesamtzahl verdeckt allerdings ausgeprägte Unterschiede: Die Schweiz zum Beispiel trägt durch die Finanzkrise so gut wie keine Schäden davon und auch Deutschland ist weitgehend verschont geblieben, wie die folgenden beiden Grafiken aus der Studie von Ball zeigen:


Die Grüne Linie zeigt den Wachstumstrend des Produktionspotenzials wie es sich ohne Krise voraussichtlich weiter entwickelt hätte, die rote Linie den Verlauf des aktuellen geschätzten Produktionspotenzials und die schwarze Linie den tatsächlichen Wachstumsverlauf der Wirtschaftsleistung gemessen am erzielten Bruttoinlandprodukt (BIP). Die Abweichungen des neuen Pfads der Produktionskapazität (rote Linie) von jenem vor der Krise (grüne Linie), wie auch der Unterschied zwischen der tatsächlichen Auslastung der Kapazität (schwarze Line) und der Kapazität (rote Linie) sind in der Schweiz kaum erkennbar. Selbst in Deutschland ist die Wirtschaftsleistung nur unmittelbar in der Krise unter die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft gefallen.
Radikal anders sieht das Bild aus, wenn die von der Krise am schlimmsten betroffenen Länder der Eurozone ins Blickfeld gerückt werden: Zum Beispiel Griechenland, Spanien oder Italien:



In allen drei Ländern ist die Produktionskapazität im Vergleich zur Zeit vor der Krise deutlich eingebrochen, wie der Unterschied der roten von der grünen Linie zeigt. Die tatsächlich erreichte Produktion (schwarze Linie) liegt zwar noch tiefer, ist aber nicht weit vom neuen Potenzial (rote Linie) entfernt, das sie ohne strukturelle Änderungen nicht mehr nachhaltig überschreiten kann.
Die folgende Balken-Grafik und die darauf folgende Tabelle anhand konkreter Zahlen liefern detaillierte Werte zum Kapazitätsverlust der betrachteten Länder durch die Krise:


Die Griechische Wirtschaft hat bis 2015 mit 35 Prozent mehr als einen Drittel ihrer Leistungsfähigkeit eingebüsst, die spanische mit 22 Prozent fast ein Viertel. Der Verlust Deutschlands dagegen liegt bei bloss 4,4 Prozent und die Schweiz konnte ihr Potenzial sogar um 0,9 Prozent steigern. Der Wert dieser Zahlen liegt nicht in ihrer Exaktheit, da sie auf Schätzungen beruhen. Doch ihr relatives Ausmass bestätigt ein weiteres Mal wesentliche Erkenntnisse über die nationale und internationale Konjunkturpolitik der letzten Jahre:
- Antiyklische Konjunkturpolitik ist entscheidend. Es muss alles getan werden, um eine lang anhaltende Krise zu verhindern. Am schlimmsten haben jene Länder abgeschnitten, die hier keine Möglichkeiten hatten und sogar noch zusätzlich auf die Sparbremse treten mussten – Austerität mitten in einer schweren Krise hat verheerende ökonomische Folgen. Sparmassnahmen können unter gewissen Umständen sogar in einer grösseren Verschuldung enden, wie das die Ökonomen Larry Summers und Bradford DeLong gezeigt haben (mehr dazu hier). Die von der Krise anfänglich hart getroffene USA kamen im internationalen Vergleich mit einem Potenzialverlust bis 2015 von 5,33 Prozent relativ harmlos davon, was ein Resultat ihrer vergleichsweise stärkeren konjunkturellen Stimulierungsmassnahmen war. Das zeigt auch die folgende Grafik, die gleich aufgebaut ist wie die obigen:

- Internationale Übertragungseffekte spielen eine entscheidende Rolle: Ein Beispiel dafür ist, dass die Schweizer Wirtschaft durch die Krise nicht nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen wurde: Das liegt zwar (vor allem im Zuge der Eurokrise) auch an der entschiedenen Reaktion der Schweizerischen Nationalbank. Aber unser Land hat indirekt von den Konjunkturmassnahmen anderer Länder profitiert, die damit einen Totalabsturz der für die von Exporten abhängige Schweiz besonders wichtigen Weltwirtschaft verhindert haben. Auch Deutschland verdankt seinen raschen Ausweg aus der Krise vor allem hohen Exportüberschüssen. Diese wären bei einem stärkeren Einbruch der Wirtschaft in den USA (also ohne die erwähnten Stimuli durch Notenbank und Staat dort) nicht möglich gewesen. Ausserdem hätte sich die Landeswährung angesichts dieser Überschüsse und des im Vergleich zum Ausland günstigeren Wirtschaftsverlaufs deutlich aufgewertet und damit das Exportwachstum gebremst. Doch diese Gefahr hat angesichts des Euro nicht gedroht und die Gemeinschaftswährung litt bekanntlich wegen der Krise in der Währungsunion. Damit zum dritten und letzten Punkt.
- Die Eurozone verteilt die Lasten und Gewinne aus strukturellen Gründen sehr ungleich. Die Untersuchung von Ball zeigt schonungslos: Die Peripherieländer der Eurozone haben nicht nur die schwerste Wirtschaftskrise durchlebt – sie tragen auch für die Zukunft die stärksten Schäden davon, während mit Deutschland eines ihrer Mitglieder fast schadlos davonkommt. Sowohl der Ursprung der Krise, wie auch die ungenügende Reaktion darauf und die Unmöglichkeit, rasch eine Besserung herbeizuführen, hat mit den mangelhaften Strukturen der Währungsunion zu tun, die hier schon oft Thema waren – vor allem mit dem Fehlen von Mechanismen und Institutionen, die auf die gesonderte Lage der betroffenen Länder eingehen und Fehlentwicklungen entgegenwirken können. Die Geldpolitik der EZB kann das allein nicht leisten. Immer ist zum Beispiel der Leitzins oder der Aussenwert des Euro für die einen zu hoch und schwächt dort die konjunkturelle Entwicklung (wie momentan für die Länder der Peripherie und zu Beginn des Jahrtausends für Deutschland), während diese Preise für andere zu tief sind und (im Fall des Zinses) gefährliche Preisblasen befördern (wie momentan in Deutschland und einst in der Peripherie). Eine angemessene Konjunkturpolitik für die Länder der Eurozone ist bisher unmöglich. Kleinere und schwächere Länder sind allerdings in jeder Konjunkturlage im Nachteil, weil sich die Europäische Zentralbank stets viel stärker an den grösseren und damit vor allem an Deutschland orientiert.
40 Kommentare zu «Die bleibenden Schäden der Finanzkrise»
Naja, sind eben nette Zahlenspielereien. Wie immer rein deskriptiver Natur, wie man es eben aus der VWL gewohnt ist, getreu dem Motto: Erklärbar ist alles, aber fragt uns bitte nicht nach Lösungen.
blödes Blog System, ich wollte etwas sagen, aber ich kann aus irgend einem Grund den gewünschten Text nicht absetzen. Da schreibt man mühevoll und benötigt auch viel Zeit -nur mit dem Ergebnis dass der Text vom Blog -System einfach weggekickt wird.
„Die Langzeitschäden werden immer deutlicher und sie sagen viel über die politischen Fehler der Vergangenheit aus.“
Wenn „die Politik“ Fehler gemacht hat, dann war der Fehler, auf die Liberalen zu hören. Immerhin ist zu bedenken, dass wir alles gemacht hatten, was Liberale und Ökonomen verlangt hatten: wir haben Staatsbetriebe privatisiert, Steuern für Unternehmen und Reiche gesenkt, Finanzmärkte liberalisiert oder gar nicht erst reguliert (Derivate), Märkte trotz natürlicher Monopole geöffnet usw, und die Krise kam trotzdem. Viele kritische Ökonomen können sogar überzeugende Hinweise vorlegen, dass die Krise nicht nur trotz, sondern gerade wegen der Liberalisierungen passiert war.
Die Liberalen entwickeln sich immer mehr zu Talibanen des Marktes, mit denselben schädlichen Auswirkungen auf den Zusammenhalt des Volkes, aber vor allem auch auf die Wirtschaft selbst. Gegenwärtig wird der Steuerabzug von Bussen als Geschäftskosten im Nationalrat debattiert, und der Tiefpunkt der Argumentation kam natürlich von einem Liberalen (Notter): Wenn Firmen die Bussen nicht steuerlich abziehen können, hätten sie weinger Geld für Investitionen. Dass Firmen einfach auf kriminelle Aktivitäten verzichten und Bussen somit vermeiden könnten, kam dem guten Liberalen offenbar nicht in den Sinn. Wer wählt solche Leute?
Ja, ich habe das Trauerspiel im Nationalrat auch gehört. Notter hat noch ein weiteres Argument in die Waagschale geworfen: Wenn die CS für die Busse keinen Steuerabzug machen könne, könne sie weniger Steuern entrichten. Ein schlagendes Argument: Die Grossbanken bezahlen in Zürich seit Jahren und auf Jahre hinaus keine Steuern. Es fragt sich schon, weshalb solche neoliberalen Adlaten des Grosskapitals vom Souverän gewählt werden. Der Kleinbürger hat immer noch nicht gemerkt, dass diese Herren nur in die eigene Schatulle wirtschaften. Weltweit haben die neoliberalen Rezepte von mehr Markt, Wettbewerb, Privatisierung, weniger Steuern für Unternehmen und Superreiche ein eigentliches Schlamassel angerichtet. Die ganze Markt- und Wettbewerbsideologie ist Schall und Rauch. Die Globalisierung dient vornehmlich dazu, sich in den höchsten Wirtschaftskreisen unverschämt im finanziellen Bereich zu bedienen. Die hohen Löhne und Boni werden immer mit dem globalen Markt begründet. Ansonsten erinnert man sich mit Vorliebe an nationale Seilschaften, betreibt Protektionismus und stellt sich (Wirtschaftskapitäne) unter Heimatschutz. Die Verluderung ist allgegenwärtig. Schulden machen ist zum Volkssport geworden. Wieso auch nicht, es wird einem von den Märkten geradezu aufgezwungen. Eines ist sichert: Diese entartete Form des Kapitalismus hat keine Zukunft. Die Frage ist nur noch, wann das System explodiert und implodiert.
@Hofstetter Christian
Es gibt keine „entartete Form des Kapitalismus“ – es gibt nur „den Kapitalismus“ und dieser ist als System sowieso nicht an so hehren Sachen wie „Gerechtigkeit“ und „Chancengleichheit“ interessiert. Die Vorstellung, dass man das Kapital einfach so „zivilisieren“ könne – wurde gerade durch die jüngste Vergangenheit ein weiteres mal widerlegt. Während gewaltige Kapitalströme in Millisekunden um den Erdball schiessen – feiert ein engstirniger und engherziger Nationalismus im „Vereinigten Europa des Kapitals“ Urständ…
Die grossen Gewinner, der durch zwielichtige spekulative Aktivitäten der Banken verursachten Finanzkrise, waren leider die Banken, dank einer massiven „quantitative easing“ (QE) Politik der diversen Zentralbanken, sowie den von Regierungen erhaltenen Milliarden aus Steuergeldern. Nur so lässt sich der rasante Auftrieb an den Börsen der letzten Jahre erklären.
Auf den Chefetagen der grösseren Unternehmen herscht mit astronomisch steigenden Gehältern natürlich Euphorie. Die Konsequenzen der Finanzkrise mögen in den Statistiken der Wirtschaftsforscher für Länder wie Deutschland und der Schweiz in Ordung sein, verdecken aber nur die neue harte Realität einer schnell schwindenden Mittelklasse und stagnierenden Gehältern des durchschnittlichen Arbeitnehmers. Der neue feudalistische Kapitalismus mit seinen knallharten Regeln hat den ehemaligen, sozial gerechteren Kapitalismus vollständig ersetzt. Die Globalisation kennt keine Gnade. Zudem hat sich der Hauptbestandteil der globalen Wirtschaft sich vom ehemaligen Standort USA und Europa ganz markant nach Asien verlagert, viele Produktions Abläufe sind automatisiert. Eher schlecht für hiesige Arbeitnehmer auf der Suche nach gut bezahlten Jobs.
In Deutschland, dem Exportweltmeister, sind angeblich 25% der Bevölkerung von der Armut betroffen (viele „working poor“), und der Unterschied zwischen arm und reich wird immer grösser. Die Westllichen Regierungen haben durch ihre Unterstützung der (zum Teil maroden) Banken mit Steuergeldern bewusst den grossen Teil der Bevölkerung vernachlässigt: viele einfache Bürger wissen schlicht nicht wie es weiter gehen soll.
Offizielle Zahlen in bezug auf die Arbeitslosigkeit werden systematisch verschönert, auch in der doch angeblich so florierenden Schweiz: die Tatsache das hier viele gut qualifizierte und erfahrene Arbeitsuchende über Alter 45-50 wegen billigeren EU-Einwanderern keinen Job mehr finden wird in Bern einfach unter den Teppich gekehrt.
Wie heisst es doch immer so schön: es trifft immer die kleinen. Für die Arbeitnehmer ist die Krise noch lange nicht vorbei.
Ich schicke voraus, ich habe die Studie nicht gelesen. Dennoch scheint mir der Nutzen eher fraglich: Man nehme (siehe Charts oben) das Produktionspotential einiger Länder (notabene geschätzt, da viele Annahmen getroffen werden müssen, einige Details zB wikipedia), extrapoliere den Trend aus kurzen 10/12 Jahren mehr oder weniger linear, schätze das aktuelle Produktionspotential etwa fünf mickrige Jahre später und extrapoliere dann die Differenz ein paar Jahre in die Zukunft. Aber ok, sofern methodisch sauber gemacht, evt. interessant, ganz sicher aber enormer Streuung (und eben auch anderen Faktoren als ’nur‘ der Finanzkrise) unterlegen.
Nicht nur fraglich, sondern äusserst bedenklich ist es, wenn dann aufgrund einer solchen Studie eine Schlussfolgerung als gesichert behauptet wird (sogar fett gedruckt): „Antiyklische Konjunkturpolitik ist entscheidend.“ Das kann schon sein, ist aber sicher nicht mit einer solchen Kurzfrist-Studie begründet. 1. Es sind nur Schätzungen. 2. MDM (die Studie?) unterschlägt nicht überraschend folgendes komplett: Könnte es sein, dass vielleicht das Potentialwachstum in den Jahren 1995-2007 massiv aufgebläht war zB durch viel zu hohe, niemals nachhaltige Staatsdefizite? durch viel zu hohes Kreditwachstum auch im privaten Bereich? durch für GR, Sp, … zu tiefe Zinsen?
„Die Grüne Linie zeigt den Wachstumstrend des Produktionspotenzials wie es sich ohne Krise voraussichtlich weiter entwickelt hätte, die rote Linie den Verlauf des aktuellen geschätzten Produktionspotenzials und die schwarze Linie den tatsächlichen Wachstumsverlauf der Wirtschaftsleistung gemessen am erzielten Bruttoinlandprodukt (BIP).“
Die tiefen Zinsen haben seit Beginn dieser Graphiken die Wirtschaft insbesondere in Europas Süden befeuert. Keine der Graphiken zeigt jedoch ein Wirtschaftswachstum über dem Potentialwachstum. Diese Überhitzung insbesondere in Griechenland und Spanien wird dann bis 2015 in die Zukunft als „normal“ extrapoliert:
Hätte Spaniens und Griechenlands Wirtschaft sich tatsächlich dauerhaft so entwickeln können, wie es die Extrapolation der grünen Kurve darstellt? Ich schätze, in 50-100 Jahren hätte dann Griechenlands GDP dasjenige von Deutschland übertroffen (nicht pro Kopf sondern absolut), wenn es sich wie von 1995 bis 2007 weiter entwickelt hätte.
Da kann ich nur zustimmen.
GR bspw, reales Wachstum: 1977-1987 10%, 1987-1997 22%, 1997-2007 48% (nominal 1997-2007: 100%)
Parallel zum Wachstum stieg die Schuldenquote 1997-2007 von 109% auf 125%. Das Wachstum war mit einem schönen Teil mit Schulden erkauft.
@urs lehmann
Welches Land hat sein Wachstum in den letzten 30-40 Jahren nicht mit Schulden (Privat und Staat) erkauft? Man schaue sich nur mal den Schuldenstand der USA in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts an und vergleiche ihn mit heute.
Es kann zum Problem werden, wenn das Schuldenwachstum schneller ist als das Wirtschaftswachstum und damit die BIP Verschuldungsquote wächst. Die Japaner leben damit allerdings sehr gut solange die Arbeitslosigkeit im Vergleich zu Europa sehr tief ist.
Tatsächlich ist aber Wachstum ohne Schulden gar nicht möglich, das gilt auch umgekehrt und ergibt sich zwingend aus dem Schuldgeld- und Zinssystem. Das Prinzip: Zinsen – Tilgung – Sicherheit gilt nämlich nur für den einzelnen Renditesklaven also va. für Mieter und Häuslebesitzer, nicht aber für die Volkswirtschaft und die einzelne Unternehmung.
Ein nennenswerter volkswirtschaftlicher Kapitalstock und damit erhöhte Produktivität kann nur aufgebaut werden, wenn Kapital zum Einsatz kommt. Dies ist aber wiederum nur dann der Fall wenn Zins und Rendite in Aussicht stehen. Daraus leitet sich das marktwirtschaftliche Prinzip der Rendite des Kapitals ab, welches die Gesellschaft umfassend beherrscht.
Der Rendite- und Zinseszinsdruck erzwingt das Wachstum; damit müssen aber auch zwingend die Schulden mitwachsen bzw . dürfen unter keinen Umständen reduziert werden, denn sonst wird das oberste marktwirtschaftliche Prinzip der Maximierung der EK-Rendite (Hebeleffekt) aufs Gröbste verletzt solange die Gesamtkapitalrendite höher ist als der Fremdkapitalzins; letzteres ist bei erfolgreichen Unternehmen immer der Fall.
Wer Schulden abbaut und zurückzahlt schmälert deshalb seine eigene Rendite und behindert zudem das Wachstum indem er potentiellen Anlegern potentielle Zinserträge verwehrt. Dass der einzelne Gläubiger zwischendurch immer wieder mal eine Rückzahlung bekommt ändert daran nichts, denn per Saldo über die Zeitachse gesehen müssen die Schulden der Unternehmen und der Volkswirtschaften durch Umschuldung und weitere Neuverschuldung immer zwingend wachsen; für die Volkswirtschaft bleibt bei entsprechendem genügendem Wachstum die BIP Verschuldungsquote trotz Schuldenwachstum ja konstant.
Das ist auch der Grund weshalb es in einer Subsistenzwirtschaft kein Wachstum sprich keine Wohlfahrtsgewinne und Produktivitätszuwächse geben kann, weil mangels Geld und Zins kein bewegliches Vermögenssurrogat existiert für dessen Vermehrung sich jemand krummlegen würde.
Korrekte Analyse! Dies ist exakt die Problematik, die Binswanger bereits in den 80er Jahren erkannt und beschrieben hatte. Adäquate Renditeerwartungen funktionieren aber nur bei stabilen Inflationserwartungen. Bei einer Inflation nahe Null wird Geld zu einem eigenständigen Asset und aus der Wachstumsspirale wird eine destruktive Rezessionsspirale wie 1929. Ich hoffe, der geldpolitische Paradigmenwechsel kommt vor dem Zusammenbruch. Meine Befürchtungen gehen hinsichtlich der Zeitdimension allerdings Richtung kopernikanische Wende. Da mussten auch erst einige Scheiterhaufen brennen.
„Tatsächlich ist aber Wachstum ohne Schulden gar nicht möglich“
Teil der fehlerhaften Doktrin, welche die geldentwertende Politik begründet.
„Das ist auch der Grund weshalb es in einer Subsistenzwirtschaft kein Wachstum sprich keine Wohlfahrtsgewinne und Produktivitätszuwächse geben kann, weil mangels Geld und Zins“
Dies wird ebenfalls gepredigt, ohne andere Aspekte (z.B. Rechtsstaatlichkeit, Einfluss ausländischer Grossfirmen, Korruption, politische Kultur, Bildungswesen etc.) zu berücksichtigten.
Weder Wachstum noch Konsum muss man nicht fördern, sondern das sind Aspekte der menschlichen Natur, welche wohl in gewissen Breitengraden aufgrund klimatischer und vieler von mir nicht erkannten Bedingungen stärker ausgebildet sein mögen.
@ Urs
Na ja, Sie liegen richtig, dass dies den statistischen Wachstum zu einem gewissen Grade förderte. Aber die Meinung zu vertreten, dass ohne immer mehr Schulden sich kein zumindest qualitatives Wachstum einstellt (z.B. technologische Fortschritte, Produktivitätssteigerungen etc.) ist geradezu grotesk. Ist das nominale Wachstum wirklich so wichtig? Ich fürchte, wir verwenden hierbei einen Massstab, welche eine limitierte Aussagekraft besitzt. Wohlstand gründet auf der Fähigkeit einer Volkswirtschaft, mit möglichst kleinstem Aufwand das bestmögliche Resultat in der Form der Bereitstellung von von der Gesellschaft gewünschten Güter und Dienstleistungen zu produzieren. Dies muss sich nicht automatisch im BIP ausdrücken. Der Einsatz eines zunehmenden Kreditvolumens aufgrund der inflationären Geldpolitik erzeugt einen künstlichen Boom und führt dadurch und der damit ins Leben gerufenen staatlichen Programme zu einer fragwürdigen Erwartungshaltung der Gesellschaft, welche nachträglich in mühsamer „Kleinarbeit“ wieder zurückgestutzt werden muss.
Sie können hineininterpretieren was und soviel sie wollen, das heisst jedoch nicht, dass Sie richtig liegen. Das mit den Unterstellungen hatten wir ja schon öfters.
Sorry, war Richtung Ueli gemeint.
Das wäre dann wohl soviel wie ein Beweis, dass AT richtig vermutet.
„Die Grüne Linie zeigt den Wachstumstrend des Produktionspotenzials wie es sich ohne Krise voraussichtlich weiter entwickelt hätte, die rote Linie den Verlauf des aktuellen geschätzten Produktionspotenzials und die schwarze Linie den tatsächlichen Wachstumsverlauf der Wirtschaftsleistung gemessen am erzielten Bruttoinlandprodukt (BIP).“
Die tiefen Zinsen haben seit Beginn dieser Graphiken die Wirtschaft insbesondere in Europas Süden befeuert. Keine der Graphiken zeigt jedoch ein Wirtschaftswachstum über dem Potentialwachstum. Diese èberhitzung insbesondere in Griechenland und Spanien wird dann bis 2015 in die Zukunft als „normal“ extrapoliert:
Hätte Spaniens und Griechenlands Wirtschaft sich tatsächlich dauerhaft so entwickeln können, wie es die Extrapolation der grünen Kurve darstellt? Ich schätze, in 50-100 Jahren hätte dann Griechenlands GDP dasjenige von Deutschland übertroffen (nicht pro Kopf sondern absolut), wenn es sich wie von 1995 bis 2007 weiter entwickelt hätte.
Flassbeck schreibt 2014:
Die Erklärung für diesen „erfolgreichen Netto-Exportkanal“ der Lohnmoderation ist, dass sich Lohnmoderation nach und nach in Preismoderation niederschlägt, d.h. die Preise folgen dem verlangsamten Wachstum der Löhne bzw. der Lohnstückkosten (= Nominallohnwachstum abzüglich Produktivitätswachstum). Geschieht das auf gesamtwirtschaftlicher Ebene über mehrere Jahre, dann nimmt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen des Landes gegenüber der ausländischen Konkurrenz laufend zu, vorausgesetzt erstens, die preisliche Überlegenheit gegenüber den Handelspartnerländern geht nicht durch eine Aufwertung der Landeswährung wieder verloren, und zweitens, die Handelspartnerländer verhalten sich nicht genau so, betreiben also nicht ihrerseits ebenfalls Lohnmoderation.
Beide Voraussetzungen waren für Deutschland gegeben: Die EWU-Partnerländer können wegen gemeinsamer Währung nicht abwerten (denn einen nominalen Wechselkurs für jedes Land gibt es nicht mehr) und sie hielten jahrelang still (Frankreich) bzw. übertrieben sogar bei den Lohnabschlüssen (Südeuropa). Dadurch gelangte Deutschland aber nicht nur zu Handelsvorteilen gegenüber den Währungspartnerländern, sondern sogar gegenüber dem Rest der Welt. Denn die gemeinsame Währung wirkt wie ein Schutzschild: Sie wertet nicht im gleichen Maße auf, wie das Land wettbewerbsfähiger wird, weil hinter ihr auch noch die anderen Währungspartnerländer stehen, deren Wettbewerbsfähigkeit spiegelbildlich abgenommen hat. Folglich verschuldet sich das Ausland gegenüber Deutschland laufend. Während jedoch gegenüber fremden Währungen ein Wechselkursrisiko besteht und damit ein – wenn auch nicht kostenloser – Ausweg aus den Wettbewerbsungleichgewichten, steht dieser Weg der nominalen Abwertung den Währungspartnerländern nicht offen. Deren auf Dauer unhaltbare Auslandsverschuldung hat in der Eurokrise ihren Niederschlag gefunden.
Was folgt aus dieser Kombination von theoretischer Erklärung und ihrer empirischen Untermauerung für die Wirtschaftspolitik? Es folgt vor allem, dass der deutsche Weg – ganz anders als das die eingangs geschilderte, oberflächliche Betrachtung der Empirie nahelegt – gerade nicht als Rezept gegen die europäische Massenarbeitslosigkeit taugt. Eine Bekämpfung der Eurokrise mit der Flexibilisierung der Arbeitsmärkte, sprich: Lohnmoderation nach deutschem Vorbild führt immer tiefer in die Krise hinein.
Flassbeck hat mit seiner Analyse Recht, sein Lösungsvorschlag (allgemeine hohe Lohnsteigerungen in D) ist aber leider nicht zielführend. Warum: Der Matthäus-Effekt (vulgo: Der Teufel schei… immer auf den größten Haufen) gilt nicht nur für Regionen/Länder und Personen, sondern eben auch für Unternehmen. Die Deutschen Unternehmen sind zwar inzwischen Nettosparer, aber eben nicht alle. Daher könnten manche höhere Löhne locker stemmen, andere aber nicht. Die Grundproblematik hat Prof. Bontrup treffend analysiert. Betriebswirtschaftliche Logik kollidiert mit volkswirtschaftlicher Saldenmechanik. Schuld hieran ist ein parasitärer internationaler Steuersenkungswettbewerb, den wir so schnell nicht korrigieren können. Es gibt ein zweites Problem, auf das der Sankt Gallener Emeritus Prof. Binswanger aufmerksam gemacht hatte: Mindestrenditeerwartungen der Unternehmen in gesättigten Märkten. Sind diese zu niedrig (wegen geringer Lohnerhöhungen fehlt ja die Nachfrage und damit der Renditespielraum), fließt Geld nicht mehr in die Realwirtschaft sondern für eine gewisse Zeit in die selbstreferenzielle Finanzwirtschaft bis der Minsky-Moment zuschlägt. Ich sehe die Lösung nur in einem zentralbankfinanzierten Bürgergeld, das gedanklich sehr nahe bei den Ideen von Binswanger liegt. Parallel dazu bedarf es einer Anpassung der Steuersysteme (Erbschaftssteuer sowie Weiterführung der Steuerprogression Richtung 70 Prozent). Details dazu finden Sie, wenn Sie meinem Namen folgen.
@Michael Stöcker
Wahnsinn: Die Herren Professoren haben also im Jahre 2014 des Herrn schon begriffen, dass im Kapitalismus – dummerweise immer mehr Betriebswirtschaftliche Logik mit volkswirtschaftlicher „Saldenmechanik“ kollidiert. Entschuldigen Sie meinen Sarkasmus – aber der gute alte Marx wusste dies schon vor über 150 Jahren…alles nachzulesen in einem Buch mit dem Namen: Das Kapital. Die Mühlen der modernen „Akademie“ mahlen offensichtlich recht langsam. – Die „Rezepte“ unserer „bezahlten Problemlöser“ sind wiederum, wie nicht anders zu erwarten war, eine Mischung aus Wunschdenken und „Verständnis“ fürs Kapital, welches es auch freilich nicht allzu „leicht“ hat – die „Renditeerwartungen“ der Eigentümer zu erfüllen…Seufz.
Ja, es ist ein Trauerspiel. Nicht so sehr für Bontrup, denn der predigt dies schon seit langem, zählt aber auch nicht zum Mainstream.
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Hier ein weiteres Beispiel für verloren gegangenes Wissen zum Thema Sparen, Investieren und Geldschöpfung: https://archive.org/stream/cu31924030178663#page/n83/mode/2up
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Die Deutsche Bundesbank hatte diese alte Erkenntnis erst wieder im Jahre 2008 (!) für sich entdeckt, während sie zuvor zwischen aktiver und passiver Geldschöpfung unterschieden hatte und den Geldschöpfungsmultiplikator bemühte. Dies führt bis dato dazu, dass die meisten Ökonomen immer noch glauben, dass die Ersparnis der Investition vorausgehen müsse. Dabei ist es genau anders herum! Dies ist ein paradigmatisches Dilemma. Ist noch in dieser alten Ausgabe der Bundesbank aus dem Jahre 2007 nachzulesen: http://zinsfehler.wordpress.com/2014/05/16/studentenaufruf-vom-16-05-2014/comment-page-1/#comment-75
@Michael Stöcker
Nun – Glauben macht bekanntermassen selig und die meisten Ökonomen scheinen von einander lieber Bullshit abschreiben zu wollen – als mal das eigene Hirn zu bemühen (würde ja vielleicht auch ein paar unangenehme Erkenntnisse zu Tage fördern). Danke für Ihre weiteren Beispiele… – wie Sie richtig bemerken: Ein Trauerspiel.
Das sehe ich auch so, insbesondere die verheerenden Auswirkungen der Steuersenkungsorgien.
Wenn ich das richtig verstanden habe, war gemäss der konservativ neoklassischen Agenda 2010 angedacht, dass mit Lohnzurückhaltung die Beschäftigung erhöht würde, und dies deshalb weil nach dieser Theorie die Unternehmen bei tieferen Löhnen wieder vermehrt arbeitsintensiv produzieren würden und weniger kaptitalintensiv bzw. die Rationalisierungen zurückgefahren würden und dafür mehr Leute beschäftigt würden, sodass auch die Produktivität nicht gesteigert würde. Das ist die typische neoklassische Modellwelt in der unterstellt wird dass die Unternehmen praktisch auf potentiell mögliche Gewinne verzichten, was Unsinn ist.
Es passierte deshalb in der Realität genau das Gegenteil, D wie auch F haben ihre Produktivitäten deutlich gesteigert; gleichzeitig ist jedoch die Nachfrage in der D-Binnenwirtschaft stehen geblieben bei stagnierenden und sinkenden Reallöhnen. Dafür verbesserte sich die D Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Süden, der Effekt ist letztlich nichts anderes als dass auf diese Weise mit merkantilistischer Beggar thy neighbour Politik Arbeitslosigkeit in den Süden exportiert wurde. Merkel/Schäuble verkaufen dies als erfolgreiche Politk die angeblich bewiesen hat, dass D alles richtig gemacht habe, während Südeuropa am deutschen Wesen zu genesen habe.
@Josef Marti
Ihre Analyse trifft den Nagel auf den Kopf. Die Frage ist nur: Wann wird der deutsche Michel endlich verstehen, dass „verbesserte Wettbewerbsfähigkeit“ erkauft durch Lohnverzicht nicht automatisch heisst, dass es IHM nun „besser“ geht?
@ Michael
Nur schon der erste Punkt Ihrer Empfehlungen ist fragwürdig:
„Verfassungsrechtliche Verankerung eines Inflationsziels von 2 %.“
Was definieren Sie als Inflation? Kennen Sie die Funktion des Preises in der Marktwirtschaft (Zins ist ebenfalls ein Preis)? Warum unterliegt alles auf dieser Welt dem Zerfall (an den Haaren herangezogene Logik, alles unterliegt Zerfall und neuer Kreation).
Sie liegen eindeutig auf der Linie der Inflationisten, welche glauben, dass Geld drucken Wohlstand erzeugt (ich verneine dabei nicht, dass kurzfristig dies künstlich dieses Gefühl erwecken und auch einen gewissen stimulierenden Effekt erzeugen mag, aber die Inflationierung der Geldmenge führte genau zur Krise und hat die heutige Erwartungshaltung der Gesellschaft geschaffen). Nachdem die Planer der Zentralbanken und Politiker so kläglich versagten, wollen Sie ihnen noch mehr Kompetenzen und Kontrolle geben?
Danke, dass Sie sich meinen 10 Punkteplan durchgelesen haben. Zwei Aspekte habe ich aufgrund der Diskussion modifiziert. Die verfassungsrechtliche Verankerung des Inflationsziels gehört dazu. Siehe hierzu auch die Kritik von „veblen“ sowie meine Replik hierauf: http://zinsfehler.wordpress.com/2013/10/13/neun-masnahmen-fur-ein-europa-in-frieden-freiheit-und-wohlstand/comment-page-1/#comment-30
Die aktuelle Diskussion mit veblen et al. können Sie hier verfolgen: http://blog.zeit.de/herdentrieb/2014/06/14/bundesbank-und-ezb-ueberschaetzen-inflation_7467/comment-page-20#comment-123019
@Michael Stöcker: Ich bin Ihrem Link gefolgt und habe die Theorie von Binswanger auf Ihrer Page gelesen: Es scheint dass der Schlüsselpunkt bzw. die Ursache wirtsch. Probleme gemäss Binswanger die sog. ‚gesättigten Märkte‘ sind, und meines Erachtens liegt genau da der Fehler, denn wo sind oder waren die Märkte jemals gesättigt? Wo sind diese gesättigten Märkte, wenn doch einige Milliarden Menschen mehr haben wollen als sie jetzt haben und diese schliesslich auch genau das Potenzial der Nachfrage sowie der Arbeitsleistung sind?
Die gesättigten Märkte sind die Ursache für zu geringe Renditeerwartungen, da in gesättigten Märkten die Gewinnchancen sinken. Als Folge wird nicht mehr (im Inland) investiert: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/dax-konzerne-schaffen-mehr-jobs-im-ausland-als-in-deutschland-a-964939.html Das ist der zentrale Punkt bei Binswanger, bei dem aus der Wachstumsspirale eine destruktive Abwärtsspirale wird. Verstärkt wird das Problem durch die zu geringe Besteuerung der erfolgreichen Unternehmen, die zudem den parasitären internationalen Steuersenkungswettbewerb nutzen. (Double Irish With a Dutch Sandwich).
Ihre anderen Milliarden Menschen leben weitegehend in archaisch-despotischen Strukturen und sind somit (leider) für diese Problematik irrelevant.
@Josef Anton: Ziel der Inflation als wichtiges volkswirtsch. Werkzeug um die Wirtschaft relativ ins Gleichgewicht zu bringen, ist nicht ‚den Konsum künstlich zu stimulieren‘, sondern die Überschüsse von Produkten zu konsumieren; Inflation soll Druck gegenüber den Geld-Sparer erzeugen, damit diese das konsumieren was sie produziert haben, schliesslich bedeutet ‚Sparen‘ weniger konsumieren als produzieren, doch irgendjemand muss doch diese Überschüsse kaufen & konsumieren.
Noch als Präzisierung: schliesslich bedeutet ‘GELDSparen’ weniger konsumieren als produzieren.
@Nardone. Haben sie mal darüber nachgedacht, ob die von ihnen erwähnten Millionen von Menschen genug Geld haben, um überhaupt konsumieren zu können? Die Superreichen werden immer reicher, investieren nicht in die Realwirtschaft und schaffen somit auch keine Arbeitsplätze. Der so genannte Mittelstand wird mehr und mehr schrumpfen und nicht mehr volle Tröge haben. Somit kann der normale Konsument weniger konsumieren und die Wirtschaften wachsen langsamer.
@Hofstetter Christian:
„Haben sie mal darüber nachgedacht, ob die von ihnen erwähnten Millionen von Menschen genug Geld haben, um überhaupt konsumieren zu können? …“
Ja habe ich, und darüber auch einige Kommentare verfasst in diesem Blog was gerade die Ursachen des relativen Schwunds der Mittelschicht betrifft. Ein neo-klassisches Experiment in der Wirtschafts-Politik führte dazu, dass Produktivitäts-Steigerungen nicht mehr in gleicher Höhe über die Löhne verteilt wurden sowie Steuersenkungen für Unternehmen.
Die Nullzinspolitik der EZB animiert ja die Pleitestaaten noch zu mehr Schulden machen. Lange kann das nicht mehr funktionieren .
Die Zinspoliik und vor allem die erweiterten Massnahmen der Notenbanken führt in eine Sackgasse. Es reicht den Notenbanken ja nicht mehr im Anleihemarkt mitzumischen. Inzwischen stürzen sich fast alle Notenbanken auf Aktien wie die Ratten auf Käse. Es sind inzwischen billionenschwere Kaufprogramme im Gang. Man schätzt dass alleine die Chinesen schon für über 2 Billionen US$ Aktien gekauft haben, auch unsere SNB mischt mit.
Die Konsequenz davon wird sein dass die Notenbanken irreversible Schäden bei Marktbewertungen anrichten und stark sinkende Kurse bei Aktien nicht mehr zugelassen werden können. Aktien entwickeln sich zu einer Art Suchtmittel für Notenbanker, an deren Schicksal inzwischen die weltweten Volkswirtschaften hängen wie die Fliegen am Honig.
Das kann nicht gut rauskommen – und um es mit Merkels schrägen Worten auszudrücken- Notenbanken die Aktien kaufen, das geht doch gar nicht!
Wieder einmal wird von der wahren Ursache der Krise mit allzu abenteuerlichen Theorien abgelenkt. Es entspricht nicht der Tatsache dass die Krisenländer nicht versucht haben ihre marode Wirtschaft zu stützen, im Gegenteil es wurde nichts anderes als das unternommen. Weder Griechenland noch ein anderes Land haben ihre Staatsausgaben zurückgefahren, es werden heute mehr denn je die politisch vernetzen Unternehmungen mit Staatsaufträgen und Subventionen bedacht. Im Gegenzug sehen wir eine Implosion der realen, kompeditiven Wirtschaftssektoren. Die Krise kann nur beendet werden wenn kein Kapital mehr gelenkt durch die politischen Entscheidungsträger in die gescheiterten Unternehmen fliesst. Stattdessen hat der freie Markt die Kapitalverteilung zu übernehmen. Firmen welche wirtschaftlich keine Überlebenchancen haben müssen untergehen können um neuen Firmen mit tragfähigen Konzepten und kompetenen Firmenleitungen Platz zu machen!
Ich stimme Ihnen grundsätzlich zu und habe mir die Veränderung der Besteuerung in der Krise angesehen.
Einige Staaten versuchten durch offensive Maßnahmen während der Krise die Steuern und Abgaben etwas zu senken um mehr Dynamik zu bewirken. z.B. Dänemark, Island, Großbritannien, die baltischen Staaten, Spanien, Schweden und die Schweiz. (Durchschnitt der Steuerquote war in der Schweiz zwischen 2005-2010 28%, 2015 wird eine Steuerquote von 27,5% erwartet)
Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Japan, Luxemburg, Österreich und Portugal erhöhten die Steuer- & Abgabenquote während der Krise um ein signifikantes Maß.
In Deutschland, Irland, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Tschechien und USA wurde die Abgaben- und Steuerquote während der Krise kaum verändert.
Aber in einem Punkt widerspreche ich ihnen. Viele Staaten nutzen die Krise nicht um Reformen durchzuführen. Es wurde weiterhin in den Krisenstaaten oft viel Geld in ineffiziente und rein verkonsumierende Bereiche ohne nachhaltige Investitionswirkung gepumpt und vergleichsweise wenig echte anti-zyklische Investitionen (Infrastruktur, Bildungsausbau, Strukturbereinigung, …) getätigt.
Ich vermute mal Sie sprechen das Thema Wettbewerbsverzerrung, rent seeking Gesellschaft und marktbeherrschende Strukturen an. Dazu aus einem Vortrag von Prof. Bontrup folgendes Zitat:
„Das beschriebene Problem der doppelten Umverteilung ist auch das Ergebnis einer neoliberal
gewollten internationalen Liberalisierung der Märkte (Globalisierung), die zu einer durch Fusionen oder Unternehmensaufkäufen sich zunehmend konzentrierenden Wirtschaft (Oligopolisierung) führt, in der die marktbeherrschenden Unternehmen ihre Produktivitätsfortschritte nicht über Preissenkungen an die Nachfrager weitergeben (müssen) und so zusätzlich für einen Kaufkraftverlust sorgen. Außerdem hat zur kurzfristigen Profitmaximierung, zur Erhöhung der Eigenkapitalrentabilität nach Steuern, der Druck auf alle unternehmensbezogenen Stakeholder (Beschäftigte, Kunden und Lieferanten sowie den Staat) durch eine ausschließlich kapitalmarkt- und eigentümerorientierte Steuerung in den Großunternehmen nach dem Shareholder value-Prinzip stark zugenommen und Wachstumsprozesse behindert.
Für die Beschäftigten bedeutet dies weniger Einkommen aus der Wertschöpfung und verschlechterte Arbeitsbedingungen bei gleichzeitig weniger Mitbestimmung. Die Kunden zahlen höhere Preise bei verringerten Leistungen und die Lieferanten werden durch Nachfragemacht der Großunternehmen ausgebeutet. Und nicht zuletzt verlangen die Shareholder vom Staat weniger Steuern und Abgaben. Insgesamt wird damit die Wertschöpfung der Großunternehmen zu Lasten der mittelständischen Wirtschaft gesteigert und gleichzeitig eine Umverteilung zu den Kapitaleinkünften (Gewinn, Zinsen, Miete und Pacht) nach Steuern herbeigeführt.“
In D ist die staatliche Abgabenbelastung der Arbeitseinkommen in den letzten 30 Jahren von 28% auf 36% gestiegen, gleichzeitig senkte sich diese Belastung bei den Besitzeinkommen von 19% auf 12% (jeweils vom Bruttoeinkommen).
@Josef Marti
Nun – auch die Kapitalbesitzer wollen „leben“…da müssen halt die anderen sich ein bisschen zurückhalten mit ihren Wünschen.
Ich frage mich schon wie man zur aussage kommt, dass die ch praktisch keinen schaden genommen hat? Schon mal einen job gesucht vor und nach der krise? Vermutlich nicht. Da liegen 10 universen dazwischen. Arbeitlosigkeir richtig gerechnet (offizielle, ausgesteuerte, versteckte)? Wie wurde produktivitaet in den einzelnen branchen gemessen? Wurden risiken ausreichend mitgerechnet? Und tausend weitere punkte. Ich glaub der oekonomie nicht mehr viel. Sie hat 2008 bewiesen, dass direkt unter ihrem hintern ein monster entsteht – aber man hats nicht gesehen. Vermutlich war der dschungel vor lauter halbpatzigen kennzahlen doch zu dunkel geworden. Sie versuchen sich zu rehabilitieren. Aber es hat was peinliches an sich.