Die WM-Teilnehmer in 12 Charts

Weltweite Fussball-Manie: Panini-Fabrik in Sao Paulo (5.Mai2014). (Reuter/Paulo Whitaker)
Können wir bei Never Mind the Markets die Fussball-Weltmeisterschaft ignorieren? Natürlich nicht. Doch weil wir absolute Fussball-Agnostiker sind, massen wir uns nicht an, hier unseren Tipp abzugeben, wer dieses Jahr gewinnen wird. Wens interessiert: Die Kollegen von Five Thirty Eight haben hier basierend auf allen möglichen Statistiken die Erfolgswahrscheinlichkeiten der einzelnen Teams berechnet. Demnach wird Brasilien mit einer Wahrscheinlichkeit von 45 Prozent das Turnier gewinnen.
Wenn Sie Ihren eigenen Tipp abgeben möchten: Hier gehts zu unserer WM-Umfrage auf Fuw.ch.
In diesem Beitrag möchten wir lieber einige Trivia anschauen. Nichts weiter als etwas Food for Thought, nicht immer ganz ernst gemeint. Quelle aller Informationen und Charts ist der Zuger Investmentspezialist Alexander Ineichen von Ineichen Research and Management, der in der Branche immer wieder mit erfrischenden Querdenker-Qualitäten auf sich aufmerksam macht.
Zunächst einige Zahlen:
Seit 1930 wurden 19 Fussball-Weltmeisterschaften ausgetragen. 5 davon hat Brasilien gewonnen. Italien kommt auf 4, Deutschland auf 3 Siege. Je 2-mal haben Argentinien sowie Uruguay gewonnen, und je einen Sieg konnten Frankreich, England und Spanien verbuchen.
In sechs Turnieren (32 Prozent aller WM) hat die Mannschaft der Austragungsnation gewonnen. Italien und Deutschland haben jeweils nur gewonnen, wenn die WM auf europäischem Boden stattfand. Argentinien und Uruguay gewannen nur auf dem amerikanischen Kontinent.
Deutschland schaffte es ganze 11-mal unter die Top drei.
1950 durften Deutschland und Japan nicht an der Fussball-WM (sie fand in Brasilien statt) teilnehmen.
Für die aktuelle WM wurden in Brasilien rund 12 Milliarden Dollar investiert. Zum Vergleich: Für die diesjährigen Olympischen Winterspiele im russischen Sotschi wurden mehr als 50 Milliarden Dollar «investiert». Wie wir nachfolgend sehen werden, steht Russland in der Rangliste der korruptesten Nationen noch hinter Brasilien.
So, jetzt zu den Charts. Sie haben nur etwas gemeinsam: Es werden immer die 32 Länder abgebildet, die an der WM 2014 teilnehmen.
Beginnen wir mit etwas Leichtem. Die folgende Grafik zeigt den Bierkonsum in den 32 Ländern (Achtung: Die Einheit der Skala dient nur dem Grössenvergleich zwischen den einzelnen Ländern. Daten aus dem Jahr 2005):

Wenig überraschend stehen Deutschland, Belgien und das Vereinigte Königreich an der Spitze, während der Iran und Algerien das Schlusslicht bilden.
Die nächste Grafik zeigt das Median-Alter der Bevölkerung:

Die älteste Bevölkerung unter den WM-Teilnehmern lebt in Japan, Deutschland und Italien. Die jüngste in Nigeria.
Die nächste Grafik zeigt die «Erneuerungsrate» der 32 Länder. Konkret wird die Geburtenrate durch die Todesrate dividiert. Ein Minuswert bedeutet, dass im jeweiligen Land mehr Menschen sterben als geboren werden:

Zu den schrumpfenden Ländern zählen demnach Deutschland, Russland, Japan oder Italien. Am meisten Geburten relativ zu den Todesfällen zeigen Algerien und Honduras.
Mit der aktuellen Geburtenrate würde sich Deutschlands Bevölkerung innerhalb der nächsten 240 Jahre auf 41 Millionen halbieren.
Jetzt kommen wir zum Thema Religion.
Die nächste Grafik zeigt die «Irreligionsrate» der 32 Länder. Dazu wurde in einer Gallup-Umfrage die Bevölkerung gefragt, ob Religion eine wichtige Rolle im täglichen Leben spielt. Je höher der Wert auf der Skala, desto weniger religiös sind die Einwohner des Landes:

Am wenigsten religiös sind das Vereinigte Königreich, Frankreich und Japan. Die religiöseste Bevölkerung zählen Nigeria, Ecuador und Ghana.
Die nächste Grafik stellt die Irreligionsrate (horizontale Achse) in Bezug zum Bruttoinlandprodukt pro Kopf (vertikale Achse). Die Grösse des Fussballs bildet die Einwohnerzahl ab:

Die Grafik zeigt eine deutliche positive Korrelation: Je weniger religiös die Einwohner, desto reicher sind sie. Wobei nicht geklärt ist, in welche Richtung die Kausalität spielt.
Grosser Ausreisser in dieser Grafik sind die USA: Reich und doch sehr religiös. Werden die USA ausgeklammert, erreicht das Verhältnis zwischen Reichtum und Religiosität in den 31 verbleibenden Staaten einen hohen Korrelationskoeffizienten von 0,85.
Die nächste Grafik zeigt die Häftlingsquote (Anzahl Häftlinge pro 100’000 Einwohner) der 32 Länder:

Wenn auch die USA mit Jürgen Klinsmann als Trainer die WM nicht gewinnen werden: Im Wegsperren der eigenen Bevölkerung sind sie unangefochten Weltmeister. Gefolgt von Russland.
Die nächste Grafik gibt ein Bild, wie es den Menschen in den 32 ausgewählten Ländern geht:

Die Balken bilden den Misery Index ab, der sich simpel aus der Arbeitslosenrate plus der Inflation berechnet. So gesehen dürfen sich die Schweizer und Südkoreaner am glücklichsten schätzen, während die Einwohner der Elfenbeinküste und Kamerun unter dem höchsten Misery Index leiden.
Ein weiterer Indikator für das soziale Gefüge in einem Land ist der Gini-Koeffizient, der die Ungleichheit in der Einkommensverteilung misst (je höher der Wert, desto ungleicher die Gesellschaft):

Deutschland, Belgien und die Schweiz führen die Gleichheitsrangliste an. Kolumbien und Honduras weisen die ungleichste Verteilung der Einkommen auf. Brasilien steht an viertletzter Stelle.
Die Deutschen und die Belgier sind nicht nur die fleissigsten Biertrinker, sie leben auch in der Gesellschaft mit der «gerechtesten» Verteilung und einem unterdurchschnittlichen Misery Index.
Die nächste Grafik zeigt den Grad der Verschuldung in den ausgewählten Ländern:

Der dunkelblaue Teil der Balken bildet die Staatsschulden in Prozenten des BIP ab, der hellblaue Teil die private Verschuldung. Verschuldungsweltmeister ist mit grossem Abstand Japan, gefolgt von Portugal und den USA. Die Gesamtverschuldung der Schweiz lässt sich mit 220 Prozent des BIP ebenfalls sehen, wobei der grösste Teil auf die Verschuldung der privaten Haushalte und Unternehmen fällt.
Hier sehen wir die korruptesten Staaten:

Die Balken zeigen den von Transparency International erhobenen Korruptionsindex im Jahr 2013 (je höher, desto korrupter ist das Land). Zum Vergleich ist mit der grünen Markierung noch der Korruptionsindex des Jahres 2006 eingefügt.
Die Schweiz und die Niederlande sind die am wenigsten korrupten Länder. Korruptionsweltmeister sind Kamerun und Ghana. Auffallend ist, wie Italien und Griechenland seit 2006 deutlich korrupter geworden sind. Italien ist in der Rangliste hinter Ghana, Kroatien und Costa Rica gefallen.
Zum Glück ist die Fifa kein Staat und erscheint daher nicht im Korruptionsindex von Transparency International…
Und hier eine Grafik, die das Verhältnis von Korruption und dem Index der Investitionsfreiheit (erhoben von der Heritage Foundation) zeigt:

Oben links sind die freiesten, am wenigsten korrupten Länder zu erkennen. Unten rechts die korrupten und für Investoren unfreien Staaten. Die Korrelation ist deutlich invers (je korrupter, desto unfreier), der Korrelationskoeffizient beträgt -0,81.
Und hier zum Schluss noch ein Amusement:

Die Grafik zeigt das BIP des Landes in Relation zum Börsenwert von Apple (540 Milliarden Dollar). Länder, die über der Trennlinie stehen, haben ein BIP von mehr als 540 Milliarden Dollar.
Die jährliche Wirtschaftsleistung des Iran beispielsweise entspricht fast genau dem Börsenwert von Apple. 17 der 32 WM-Teilnehmernationen sind gemäss diesem Massstab kleiner als Apple.
Hier noch zwei Links zu Themen in eigener Sache:
- Die Zinsen, die europäische Peripheriestaaten wie Italien und Spanien für ihre Anleihen bezahlen müssen, sind auf einen rekordtiefen Stand gefallen. Heisst das, die Eurokrise ist vorbei? Oder ist es bloss Ausdruck einer gefährlichen Übertreibung an den Finanzmärkten? Mein Redaktionskollege Alexander Trentin geht in diesem Beitrag auf die Suche nach Antworten.
- Und hier der vierte Teil unserer Serie über berühmte Theoreme aus der Ökonomie: Die Quantitätstheorie des Geldes.
12 Kommentare zu «Die WM-Teilnehmer in 12 Charts»
Alle haben Schulden, doch irgend einer muss ein Vermögen haben…
Stehlen wir die 500 Trillion $ von Rothschild (Google) und alle Schulden sind getilgt!
Lassen wir 1 Trillion $ an Rothschild, damit kann er leben…
Mich hat die Grafik, welche die starke Korrelation zwischen Irreligiositätsfaktor und BIP/Kopf zeigt, fasziniert, wenn auch nicht überrascht. Als Laien würde es mich interessieren, wie ein Ökonome vorgehen würde, um die Kausalität zu zeigen? Jetzt nicht detailliert, aber wie will man herausfinden, in welche Richtung diese Korrelation spielt?
„Die nächste Grafik stellt die Irreligionsrate (horizontale Achse) in Bezug zum Bruttoinlandprodukt pro Kopf (vertikale Achse). Die Grösse des Fussballs bildet die Einwohnerzahl ab“
Bei dieser Grafik wurde wohl das kaufkraftbereinigte BIP pro Kopf verwendet (PPP GDP), andernfalls wäre die USA wohl kaum top auf der Y-Skala.
Ein Schock für alle Ökonomen: Plötzlich kommt einem die Effizienzmarkthypothese doch irgendwie spanisch vor
Von Helge Peukert
Stolz sprach aus der Pressemitteilung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vom 12.07.2010 (http://www.diw.de/sixcms/detail.php?id=diw_01.c.358432.de):
„Fußball-Weltmeisterschaft: DIW-Prognose zum dritten Mal goldrichtig
DIW-Experten: Das muss Paul erstmal nachmachen
Mit seiner von Soziologie-Professor Jürgen Gerhards und dem Volkswirtschafts-Professor Gert G. Wagner erstellten WM-Prognose lag das DIW Berlin zum dritten Mal in Folge goldrichtig. Die beiden Forscher hatten den Marktwert aller 32 Mannschaften basierend auf dem Marktwert der einzelnen Spieler berechnet und prognostiziert, dass Spanien den Titel gewinnen wird. Das spanische Team bringt es auf einen Marktwert von 650 Millionen Euro und ist damit die teuerste Mannschaft des Turniers … Damit lag das DIW-Prognose-Team nach der WM 2006 und der EM 2008 zum dritten Mal richtig. „Das muss Paul, die Krake, erstmal nachmachen“ meint Gert Wagner. „Unsere Prognosen sind zwar methodisch-mathematisch sehr einfach, aber theoretisch bestens fundiert“.
Wagner und Gerhards vertreten hier schlicht und einfach die Effizienzmarkthypothese, für die kürzlich der Preis in Anlehnung an Alfred Nobel ausgegeben wurde: Da beim Transfer von Fußballern ein relativ vollkommener Markt existiert und rationale Akteure alle zugänglichen Informationen über Spieler einpreisen und somit die Preise der Spieler ihren fußballerischen Wert angemessen ausdrücken, müssen natürlich die Teams gewinnen, deren Marktwert am höchsten ist. Diese These ist in der einfach strukturierten Weltsicht v.a. heutiger Durchschnittsökonomen nicht überraschend.
An der allerdings letztlich doch nicht so berauschenden Korrelation zwischen Sieg und Marktwert sind natürlich andere schuld. „Der Soziologe Jürgen Gerhards argumentiert: Der relativ schwache Zusammenhang zwischen Mannschafts-Wert und Platzierung wurde auch durch die vielen Fehlentscheidungen der Schiedsrichter herbeigeführt. Wäre zum Beispiel das zweite Tor der Engländer im Spiel gegen die deutsche Mannschaft gegeben worden und England weitergekommen, wäre der Zusammenhang zwischen Marktwert und endgültiger Platzierung viel stärker gewesen.“
Der DIW-Ökonom und Auchfußballexperte Gert G. Wagner tritt demgegenüber für eine Hardlinerversion, eine sogenannte strenge Effizienzmarkthypothese ein: „Aufgrund der verbesserten Trainingsmethoden und insbesondere der Taktik-Schulung leisten sich die so trainierten Spitzenteams kaum noch Ausrutscher. Die Spieldisziplin hat ja auch zum Endspielsieg der Spanier wesentlich beigetragen. Das freut die Fans der Siegermannschaften, ist aber nicht gut für den Fußball. Es bleibt nur spannend, wenn durch Zufall und Fehlentscheidungen oft genug die Favoriten stolpern. Darum: Hände weg vom Videobeweis.“
So legt sich jeder seine Effizienzmarkthypothese zurecht und bereichert die Fußballwelt mit Vorschlägen und Erklärungen. Zu hoffen bleibt nur, dass die beiden Fußballexperten nicht allzu sehr an ihre These glaubten und auf das entsprechende Endspiel in Brasilien, nämlich Spanien gegen Deutschland (mit dem zweithöchsten Marktwert) mit Geldeinsatz spekulierten.
Für heterodoxe Zeitgenossen, in deren Herzen auch ein Rest fußballerischen Nationalstolzes ruht, tut sich hier natürlich ein gewisser Abgrund auf, da man als Kritiker der Effizienzmarkthypothese wünschen muss, dass Deutschland nicht im Endspiel steht. Aber letztlich dürfte es v.a. darauf ankommen, dass mit nicht unbedingt realitätsaffinen Konzepten wie der Effizienzmarkthypothese Ökonomen z.B. zu Fragen der Finanzmarktregulierung auf die Menschheit losgelassen werden und die Zeche hieraus resultierender wirtschaftspolitischer Fehlberatung zumeist der Durchschnittsbürger und Steuerzahler zahlt.
Interessanter wäre eine Untersuchung, weswegen sich Regierungen dafür einsetzen, die WM in ihrem Lande abzuhalten. Ausser einem verbleibenden Berg von Schulden, kann ich wenig von einem längerfristigem Vorteil für die jeweilige Bevölkerung erkennen. Bei den Konditionen der FIFA, müsste ich in der Rolle eines wahren Volksvertreters dieses korrupte Gebilde mit grosser Überzeugung fern halten wollen.
Geiler Sieg der Schweiz! Der Slogan des Nationalismus lautet: Together alone!
Wow- nach so viel ge b a l l tem Wissen fehlt doch nur noch die Tabelle wo es wieviel zu verdienen gibt 😉
http://www.fussballportal.de/wm-2014/wettquoten
P.S…würden doch bloss alle Besserwisser mal auf „Ihr“ Team setzten und dann die Klappe halten…bis zum Final Portugal-Uruguay 🙂
Die Skala für den Bierkonsum hat wohl Korrekturbedarf, gemäss dem schweizer Brauerei-Verband (bier.ch) betrug 2005 der Bierkonsum in der CH 54,8 lt pro Kopf, für DE waren es über 100lt. Das Verhältinis sieht (zumindest bei diesen beiden) Ok aus, aber die absolute Zahl ist unplausibel.
Whiskey Trinker Nation No 1 der Welt ist Uruguay mit 2.4 Liter Whiskey pro Einwohner pro Jahr, Kuhnation auch Uruguay mit 3.5 Kühen pro Einwohner und weltweit am meisten Titel der Nationalmannschaften hat auch Uruguay mit 20 Titeln (2, resp. 4 WM-Titel(inkl 1924 und 1928)), 15 Copa Americas und 1 Mundialito, die effizienteste Fussballnation der Welt ist auch Uruguay (siehe auch Datenblog) mit 20 Titeln aus 58 Turnierteilnahmen, kleinstes Land der Welt das jemals Fussballweltmeister wurde ist auch Uruguay mit 3.3 Mio Einwohner auf nur 176’000 km2!
.
Vamos arriba la Celeste – vamos cumplir!!!
.
„Die nächste Grafik zeigt die «Erneuerungsrate» der 32 Länder. Konkret wird die Geburtenrate durch die Todesrate dividiert.“ – da ist wohl eher die Differenz gemeint, nicht die Division, bitte korrigieren.
Die Formel zur Berechnung der dargestellten „Erneuerungsrate“ lautet: birth/death-1. Hier am Beispiel von Deutschland erklärt: Das Land zählt aktuell 8,42 Geburten pro 1000 Einwohner pro Jahr, respektive 11,29 Todesfälle pro 1000 Einwohner pro Jahr. Die Rechnung: 8,42/11,29-1 = -0,254.
Gut, mit dem -1 macht es wieder Sinn. Rein von der Division her wären ja keine negativen Werte möglich.