Wie ein deutscher Ökonom zum Star im Fernen Osten wurde

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Wenn man eine Liste mit den zwanzig einflussreichsten Ökonomiebüchern machen würde, dann müsste man wohl zwingend folgende fünf Werke auflisten:

  1. Adam Smith, The Wealth of Nations (1776)
  2. Karl Marx, Das Kapital, Band 1 (1867)
  3. John Maynard Keynes, General Theory of Employment, Interest and Money (1936)
  4. Paul A. Samuelson, Economics: An Introductory Analysis (1948)
  5. Milton Friedman/Anna J. Schwartz, A Monetary History of the United States, 1867-1960 (1963)

Aber dann wird’s schwierig. Welche weiteren Werke müsste man unbedingt erwähnen? Es gibt keine objektiven Kriterien. Je nach Interesse fällt die Auswahl ganz anders ein.

Mein Favorit ist ein Werk aus dem Jahre 1841: «Das nationale System der Politischen Ökonomie» vom deutschen Ökonomen Friedrich List (1789-1846). Darin argumentiert List, dass Länder, die sich wirtschaftlich entwickeln wollen, die einheimische Industrie in der Anfangsphase durch Protektionismus vom globalen Wettbewerb abschirmen müssen. Erst in einer fortgeschrittenen Phase sollten diese nachholenden Länder den Freihandel einführen. In der angelsächsischen Ökonomie figuriert die Idee unter dem Stichwort „infant industry argument“ (infant = Kleinkind).

Ob List damit recht hatte oder nicht, ist unerheblich. Wichtig ist, dass diese Idee ausserordentlich grosse Wirkung auf die praktische Wirtschaftspolitik hatte. Auch die Tatsache, dass zur Zeit kaum mehr jemand von List spricht, ist kein Argument. Der Einfluss von Marx ist heute auch viel kleiner als noch vor fünfzig Jahren. Dennoch ist seine historische Bedeutung unbestritten.

List entwickelte seine Theorie, als er sich im Exil in den Vereinigten Staaten befand (1825-34). Er sah, wie das junge Land seine Industrie seit der Unabhängigkeit gegen die englische Konkurrenz geschützt und ein schnelles Wachstum erzielt hatte. Zurück in Europa, setzte er sich für dieselbe Art der Wirtschaftspolitik ein. Sie stiess auf offene Ohren.

Deutschland setzte im 19. Jahrhundert öfters protektionistische Massnahmen ein, um die Exportindustrie zu fördern. Oft waren es nicht einmal so sehr die Zölle, sondern Exportsubventionen, billige Kredite oder garantierte staatliche Aufträge, die Kostenvorteile brachten. Natürlich lässt sich lange darüber streiten, ob diese Massnahmen tatsächlich die erhofften positiven Wirkungen brachten. Entscheidend war: Die Politiker glaubten daran und handelten entsprechend.

Von Deutschland aus verbreitete sich Lists Idee nach Japan, das nach demselben Muster vorging: zuerst Schutz, dann Freihandel. Nach 1945 wählten Südkorea und Taiwan dieselbe Strategie. Bis heute sind diese drei ostasiatischen Länder die einzigen ausserwestlichen Staaten, die es geschafft haben, durch Industrialisierung das Wohlstandsniveau Westeuropas und Nordamerikas zu erreichen.

Für Joe Studwell, einem Kenner der ostasiatischen Wirtschaftsgeschichte, steht ausser Zweifel, dass der selektive Protektionismus à la List von entscheidender Bedeutung war. In Bezug auf die südkoreanische Wirtschaftspolitik schreibt er:

Along the way, Korean bureaucrats were reading not the rising American stars of neo-liberal economics, or even Adam Smith, but instead Friedrich List. The Korea and Taiwan scholar Robert Wade observed when he was teaching in South Korea in the late 1970s that ‚whole shelves‘ of List’s books could be found in the university bookshops of Seoul. When he moved to the Massachussetts Institute of Technology (MIT), Wade found that a solitary copy of List’s main work had last been taken out of the library in 1966. Such are the different economics appropriate to different states of development.

 

 

101 Kommentare zu «Wie ein deutscher Ökonom zum Star im Fernen Osten wurde»

  • Logine sagt:

    Passt doch 🙂 Ja, man, bzw. frau fragt sich immer wieder, nach welchen Grundsätzen die Medien die Aufmerksamkeit der interessierten Bevölkerung auf x und nicht y lenken. Diesbezüglich hat Kirk Citron den Begriff der „Long news“, d.h. der Nachrichten, die tatsächlich langfristig Wirkung zeigen, geprägt. Dass durch behördliche / staatliche Lenkung und Eingriffe wider oder ohne besseres Wissen viel Ungemach verursacht wird wusste bereits Blaise Pascal: „Alles Unheil dieser Welt geht davon aus, daß die Menschen nicht still in ihrer Kammer sitzen können.“

    • Josef Anton sagt:

      Die Themenkontrolle ist von entscheidender Bedeutung in der Meinungsbildung und Bewusstseinsveränderung der Gesellschaft. Dies ist mitunter ein Grund, dass ich die auf dem Internet beruhende massive Erweiterung des Informationsaustausches, welche nicht kontrollierbar resp. steuerbar ist, als Beschleuniger der gegenwärtigen Bewusstseinsveränderung betrachte und dadurch wohl eher destabilisierend auf die bestehende Machtstruktur wirken dürfte.

      • urs lehmann sagt:

        „Erweiterung des Informationsaustausches, welche nicht kontrollierbar resp. steuerbar ist“
        Da liegen Sie falsch. Informieren Sie sich über die chinesische Zensur im Internet, das ist jederzeit und überall möglich.

        • Johnny Smith sagt:

          „chinesische Zensur im Internet“

          Ja, wir können auch die Türkei nehmen. Aber wir das sind zG bislang eher die Ausnahmen als die Regel.

          Ich teile deshalb die Meinung, dass das Internet die Möglichkeit bietet, sich einfacher und schneller ein ‚unabhängiges‘, oder vielleicht besser gesagt, ‚ausgewogeneres‘ Bild zu machen, als mit dem Lesen der Mainstream-Presse.

          • urs lehmann sagt:

            Aktuell ist das sicher so, vor allem die Meinungsvielfalt um ein Vielfaches breiter (was leider heisst, dass auch viel Schrott dabei ist). Trotzdem sind „nicht kontrollierbar“ und „nicht steuerbar“ falsch.

        • Josef Anton sagt:

          @ Urs

          Ich stimme mit Ihnen überein, dass die Gefahr einer Reaktion (Zensur und ähnliches) zu dieser inhaltlich freien Form der Kommunikation hoch ist, da es eben in der gegebenen Form äusserst schwierig ist, diesen Austausch von Ideen stark genug beeinflussen, resp. steuern zu können. Ein Vorwand wird sicherlich gefunden werden und Ansätze in diese Richtung bestehen. Es war bedeutend einfacher, die intellektuelle Ausrichtung von Chef-Redakteuren der Massenmedien, durch ein entsprechendes Auswahlverfahren, zu beeinflussen. Es ging mir in erster Linie um den Vergleich zu Zeiten vor dem Internet.

          • urs lehmann sagt:

            Und wieder einmal legen Sie anderen Worte in den Mund, Sie bestätigen den Vorwurf der selektiven Wahrnehmung erneut.

            Ich sage nichts über das Risiko.

          • Josef Anton sagt:

            Dann stimmt Ihre Aussage nicht, denn mit den heute bestehenden gesetzlichen Mitteln und Verordnungen (mit Ausnahmen bestimmter eher undemokratischer Staaten, wo diese entsprechend verändert wurden) ist die Möglichkeit der Kontrolle und Steuerung des Informationsaustausches in demokratischen Staaten faktisch nicht gegeben. Versuchen Sie sich nicht in Haarspalterei.

          • urs lehmann sagt:

            Unmöglich (Ihr „nicht steuerbar“) bzw möglich, erlaubt bzw verboten. Das erste Begriffspaar hat per se keinen Zusammenhang mit dem zweiten, offensichtlich sind sich nicht alle hier dessen bewusst. Bisweilen realisiert der Staat das Mögliche obwohl es illegal ist, sogar in der braven CH – Fichenaffäre lässt grüssen.

            Hierarchisch höherstehende Posts bilden idR den Kontext für Folgethreads. Dieser Teil-Thread hängt unter meinem Post mit dem China-Bsp. Seit wann ist China eine Demokratie? Falls dies nicht im Sinn Ihres Posts „15. Mai 2014 um 21:47“ war, hätten Sie’s halt sagen sollen.

            Meine Posts in diesem Thread sagen nichts zum Risiko von Einführung von Internet-Zensur im Westen. Ich bleibe dabei, ohne Haarspalterei zu betreiben, Sie legen mir Worte in den Mund. Hören Sie gefälligts auf damit!

          • Josef Anton sagt:

            Finde kein logisches Argument gegen Ihre Auslegung und daher ein Sorry an Sie.

  • Johnny Smith sagt:

    Danke für Ihren Link. Ich entnehme daraus, dass der Bericht am 16.4.2014 veröffentlicht wurde. Interessant, dass die Medien darüber kaum/nichts berichtet haben. Das wäre doch mal was für den Tagi 😉

  • Logine sagt:

    Der Bund (sic) kommt betr. Industriepolitik zu folgendem Schluss: „“Keine staatliche Behörde hat, verglichen mit privaten Unternehmern, eine überlegene Fähigkeit, die Zukunftschancen von Firmen oder gar von Branchen zu beurteilen.“ Quelle: http://www.news.admin.ch/NSBSubscriber/message/attachments/34528.pdf, S. 5

    • Johnny Smith sagt:

      Danke für Ihren Link. Ich entnehme daraus, dass der Bericht am 16.4.2014 veröffentlicht wurde. Interessant, dass die Medien darüber kaum/nichts berichtet haben. Das wäre doch mal was für den Tagi 😉

    • urs lehmann sagt:

      …und trotzdem werden regelmässig Branchen, Sektoren, massiv unterstützt. Die Euro-Untergrenze ist zwar nur das sprichwörtliche i-Tüpfelchen, gleichzeitig jedoch der Extremfall weil gleich die Währung als Ganzes aufs Spiel gesetzt und die SNB zum gigantischen Hedgefund gemacht wurde und wird.

    • Ha-Joon Chang, Professor für Ökonomie an der Universität von Cambridge, hat genügend reale Beweise für das Gegenteil der behördlichen Behauptung. So war es der Staat, der in Korea Industriepolitik bestimmt hat und letztlich dafür gesorgt hat, dass Korea der viertgrösste Exporteur für Stahl und einer der grössten Exporteure für Elektronik geworden ist. Die von Ihnen zitierte Aussage entspricht damit nicht ökonomischer Realität, sondern rein ideologischem Wunschdenken. In der zitierten Absolutheit ist die Aussage daher schlicht falsch.

      Korrekt wäre es, zu sagen, dass man immer erst hinterher wisse, ob der Staat oder private Unternehmen besser geeignet seien, die Zukunftschancen von Firmen oder Branchen zu beurteilen.

      Vor dem Hintergrund der eben erst verebbenden Finanzkrise ist es geradezu pathologisch, zu behaupten, private Firmen, zB Banken, hätten eine überlegene Fähigkeit, die Zukunftschancen zB der Immobilienbranche zu beurteilen. Wieviele Dutzende Milliarden in den Sand gesetzter Immobilien- und Subprime-Kredite könnten Sie vom Gegenteil überzeugen?

      • Josef Anton sagt:

        private Firmen, zB Banken

        Banken sind vom Staat subventionierte „Firmen“

      • urs lehmann sagt:

        Das Zitat sagt nicht, dass der Staat schlechter wär, sondern dass er keinen besonderen Vorteil hat. Nicht im Fördern, sondern im Beurteilen (Aussichten abschätzen). Mit „Korrekt wäre….“ sagen Sie im Wesentlichen dasselbe.

        Koinzidenz oder Korrelation?
        Der Erfolg von Korea, Singapur, und anderen (eher) zentralistischen, gesteuerten, (Süd)Ostasiatischen Staaten sagt per se noch gar nichts über „zentrale Steuerung“ – wäre dies das entscheidende Kriterium, so wäre heute nicht der ehemalige Ostblock kapitalistisch. Zudem stellt sich die Frage, weshalb nur die vier Tigerstaaten erfolgreich sind, während andere weiterhin an Ort strampeln.

      • Josef Anton sagt:

        Eine interessante Abhandlung „Investionslenkung als Mittel der Wirtschaftspolitik?“ von Hans G. Nutzinger (1978), in welchem er verschiedene Aspekte beleuchtet:

        http://kobra.bibliothek.uni-kassel.de/bitstream/urn:nbn:de:hebis:34-2009083129750/1/NutzingerInvestitionslenkung.pdf

  • Josef Anton sagt:

    „Our infrastructure projects — the roads we pave, the tracks we lay down, the bridges we build — they bring out the best of us as a country. We build big things. It’s our history.

    That happened because our Administration took steps to expedite the permitting process for these kinds of projects. And today, we announced that we’re doing the same thing for 11 more accelerated projects — from Boston’s South Station to the Pensacola Bay Bridge.“ – email von Joe Biden

    Gut zu wissen Joe, dass diese Projekte der Erlaubnis der Zentralregierung unterliegen. Schaufeln Sie mal fleissig weiter.

  • ast sagt:

    Für mich ist Karl Marx mit Abstand der gewichtigste historische Autor, China zog aus der Literatur seine eigenen Schlüsse.
    Gewichtig deshalb, weil er den Kapitalismus als Ballast für die Menschheit entlarvte -aber bereits davor warnte voreilige Schlüsse zu ziehen -der Kapitalismus könne nur überwunden werden wenn die technischen Möglichkeiten dazu bestehen würden. Der Kapitalismus als Übergangslösung in eine weltweite Wohlfahrtsgesellschaft ohne Geld, aus meiner Sicht nach wie vor ein anzustrebendes Ziel. Aber bevor an so etwas gearbeitet werden kann, müssen die technischen Möglichkeiten gegeben sein. Bis anhin begünstigten die neuen Technologie zusammen mit der Bevölkerungsexplosion eher die weitere Verbreitung des Kapitalismus

  • Anh Toan sagt:

    @Josef Anton der Du bist in diesem Blog

    Du wachest und behütest uns vor Indoktrination und Infantilisierung
    Du erklärst uns, was unsere Gedanken bedeuten
    was die Kommentare sagen und warum wir diese falsch verstehen
    und was wir meinen, mit dem was wir sagen
    und so führst Du uns auf dem richtigen Weg
    durch die dunklen Täler der Versuchungen der Bürokratie
    der Abgabe unserer verantwortung an eine zentralplanerische Macht
    Du heisst uns willkommen in diesem Blog
    und führst uns zu Deinem Licht
    Du weisst, was die Welt im Innersten zusammenhält
    Dir sei das Eigentum, die Freiheit, die Erkenntnis
    in langfristiger Nachhaltigkeit und in Deinen Arsch

  • Josef Anton sagt:

    Das Gedankengut dieses Artikels passt sehr gut in das Ablaufschema

    – Währungskrieg in der Form des „competitive Devaluation“
    – Handelskrieg
    – bewaffnete Auseinandersetzungen

    Und alles um den Status-Quo zu verteidigen.

  • Logine sagt:

    Der Staat ist ein Monopolist bzw. begünstigt Monopole. Zentralismus. Dagegen gilt es anzukämpfen. Monopole neigen zu Gigantismus. S. Schweizer Banken mit ihrem Systemrisiko, dem man wiederum begegnet durch massive Regulierung, welche es kleinen Mitbewerbern immer schwerer machen, sich zu etablieren, geschweige denn, sich zu entfalten. S. das Gesundheitswesen mit Versicherungszwang im Klüngel mit Big Pharma. Alles zu Ungunsten des Konsumenten. Einzig im Wettbewerb besteht eine Chance, permanente Machtansammlung zu unterbinden. Natürlich werden immer wieder Akteure obenauf schwingen, weil sie die besseren Produkte haben, den besseren Riecher, aus Zufall und Notwendigkeit, gepaart mit dem Quentchen Glück. Aber dank stetem Nachwachsen neuer Mitbewerber nicht auf Dauer. Um nochmals auf die Computerei zurückzukommen: Man erinnere sich an IBM 1990, an Olivetti, an Compuserve. Man beobachte den Markt heute.

    • J. Kuehni sagt:

      @Longine. Sie glauben ohne Staat gäbe es keine Monopolbildung?

      Mich dünkt, Sie beschreiben durchaus eine heutige Realität: Ein aus dem Gleichgewicht geworfenes System (z.B. ein vormals demokratisch legitimierter, aber lokaler Staat), dessen wirtschaftliche Elite sich in die „Globalität“ verabschiedet und dabei die Institutionen des Staates für ihre Partikularinteressen monopolisiert hat. Deswegen zahlt man „oben“ mittlerweile keine Steuern mehr, muss sich auch nicht mehr mit lästigen Regulierungen herumschlagen und selbst für die grösste Sozialisierung von privaten Schulden in der Geschichte der Menschheit (ab 2008) ist noch kein grosses Tier hinter Gitter gewandert: Regeln gelten in dieser Situation eben nur noch für „kleine“ Leute.

      Muss man also den Staat, der dazu tendiert, von mächtigen Privatinteressen unterwandert zu werden, gleich abschaffen? Aber ohne Staat mit Gewaltmonopol können Sie nicht einmal den kleinsten Vertrag abschliessen, es sei denn, Sie verfügen über ihre eigene Privatpolizei zur Eintreibung der Pflichten ihrer Vertragspartner. Und wenn Sie dann nach vielen kleinen und grossen Bandenkriegen mit ähnlichen „Organisationen“ endlich über die grösste „Polizei“ verfügen, ist es doch wieder bloss ein Gewaltmonopol und eine „permanente Machtansammlung“.

      Nö danke. Dann doch lieber der Versuch zur Re-Balancierung von Demokratie und Rechtstaat, notabene auf einer anderen Ebene als die zu klein gewordenen, überholten Entitäten. Lieber Steuern zahlen als Schutzgelder…

    • Josef Anton sagt:

      @ Logine

      Willkommen im Blog.

      Wenn ich Ihre Aussagen richtig einschätze, erkennen Sie die Notwendigkeit, dass man sich wieder stärker an gewissen Prinzipien orientiert anstatt ein marodes System mit allen Mitteln und unter Vernachlässigung des Prinzips der Nachhaltigkeit zu verteidigen. Das bedeutet selbstverständlich nicht, in Schwarz-Weiss-Dimensionen zu denken, sondern die bestehende Richtung der Entwicklung zu betrachten. Die Regierung eines Staat hat sehr wohl seine Funktion, allerdings nicht die Funktion, das Resultat der zu einhaltenden Regeln zu beeinflussen, sondern die prinzipielle Regeln durchzusetzen und basta, damit jeder wieder der Schied seines eigenen Glückes werden kann, anstatt wie ein bevormundeter, gemassregelter, kontrollierter und überwachter Idiot, dessen Hauptaufgabe darin besteht, seinen Vormund (Regierungsbürokratie) zu finanzieren, behandelt zu werden.

      Wenn Sie die neuen Technologien ansprechen, funktionierte dort das Systems des Wettbewerbs sehr gut, genau aus dem Grunde, weil sie neu waren und die Regulierung noch nicht alles korrumpierte. Allerdings sind die jetzigen Grossunternehmen stark engagiert, dies zu ändern, womit sich dies in Zukunft ebenfalls ändern dürfte.

    • Josef Marti sagt:

      Egal ob Sie den Staat abschaffen oder dann in irgendwelchen Sippen, Clan und Oligarchendiktaturen leben, es bleibt immer das Problem, dass derjenige der „oben aufschwingt“ seine Position zulasten des Schwächeren mit unfairen MItteln ausnutzt um seinen Einfluss und Gewinn noch mehr zu mehren. Ansonsten hätten wir bisher gar nie irgendwelche Regulierungen nötig gehabt. Was Ihnen vorschwebt sind Illusionen aus dem Jenseits oder irgendein Paradies auf Erden.

    • Manfred Grieshaber sagt:

      Das sind sie aber im Irrtum.Gerade im IT-Markt ist Größe der alles entscheidende Parameter. Es geht schließlich nicht nur um Qualität sondern darum zig-Millionen Konsumenten mit immer leistungsfähigeren Geräten bei gleichzeitig sinkenden Preisen zu versorgen. IBM und Olivetti hatten damals den Trend hin zum Massenkonsum verschlafen. Cleverer waren da Microsoft und vor allem Intel. Der Chip-Hersteller hat mittlerweile eine derartige Marktmacht das er aktiv seine Konkurrenten unterstützt um nicht wegen der Anti-Trust-Gesetze in den USA zerschlagen zu werden. Oder die Kfz-Industrie: bei den vielen Extras die heute jeder Mittelklasse-Wagen hat müssten diese Fahrzeuge eigentlich wesentlich teurer sein. Das sie es nicht sind liegt an Systemen wie Catia. Damit werden Konzerne und Zulieferer ganz eng aneinandergekettet sodass ein Zulieferer eigentlich nur noch eine ausgelagerte Werkbank des Kfz-Konzerns ist. Und wozu das alles ? Damit der geneigte Konsument sich alle paar Jahre ein neues Auto bei moderater Preissteigerung aber wesentlich mehr Eigenschaften kaufen kann. Da müssten sie zuerst eine Art neuen Gesellschaftsvertrag schließen der alle verpflichtet zuerst auf Nachhaltigkeit und erst erst dann auf die eigenen Wünsche zu achten.

      • Josef Anton sagt:

        „Gerade im IT-Markt ist Größe der alles entscheidende Parameter.“

        Immer mehr, da Grossunternehmen immer stärker Einfluss auf die in diesem Bereiche zunehmende Regulierung nehmen, mit dem Ziel eine monopolähnliche Position zu erreichen. Der Fall Intel dürfte evtl. einer Gegenargumentation zu meiner Darstellung dienen.

      • urs lehmann sagt:

        Analoges (Unterstützung der Konkurrenz) galt vor 15 oder so Jahren für Microsoft/Apple im Desktop-Bereich.

      • urs lehmann sagt:

        Grösse ist vor allem im Software-Bereich entscheidend – ob ich von meiner Software 1000 oder 1’000’000 Kopien herstelle, verursacht heutzutage unwesentlich mehr Aufwand. Die grossen Kosten stecken in der Entwicklung.

  • Marcel Senn sagt:

    Ist ja spannend — die Schweiz versucht jetzt den umgekehrten Weg — von einem wohlhabenden und entwickelten Land sich immer mehr in Isolationismus und vermutlich dann auch Protektionismus zurückzuentwickeln – mal schauen was uns der umgekehrte List dereinst bringen wird.
    Ein Vorgschmäckli haben wir ja schon in den 90er Jahren nach dem EWR-Nein bekommen mit Rekordarbeitslosigkeit, weit unterdurchschnittlichem Exportwachstum, kaum Wirtschaftswachstum — und jetzt Versuch No 2 mit der neuen Anti-EU schlagkräftigen Kampftruppe – vermutlich werden wir uns mit dieser Strategie mittelfristig automatisch dem tieferen EU Wohlstandsniveau anpassen…(obwohl ja eigentlich das Gegenteil angestrebt wird)
    .
    Jä nu denn – jedes Volk ist seines Glückes Schmid!

    • Josef Anton sagt:

      Sie verwechseln Isolationismus mit Unabhängigkeit und Freiheit. Und ja, die Verteidigung der Freiheit verlangt manchmal seine Opfer, jedoch langfristig betrachtet werden diese mehr als aufgewogen durch die gewonnenen Vorteile. Wer seine Freiheit aufgibt, gibt ebenfalls die Verantwortung seines eigenen Wohlbefindens in andere Hände, welche wohl nie das gleiche Interesse an unserem Wohl haben werden, wie wir selber.

      • Rolf Zach sagt:

        Wenn wir von Freiheit und Unabhängigkeit sprechen, so sprechen wir nicht nur von der Willensnation Schweiz, ebenso
        so müssen wir von ihren tonangebenden Eliten und den Bürgern dieses Landes sprechen. Zuerst muss ich gestehen, dass ich
        ein Anhänger der Elite-Theorie im Aufbau der Gesellschaft bin, für mich kommt Pluralismus nur an zweiter Stelle. Die EWR-Abstimmung hätte trotz Blocher nicht eine Niederlage einkassiert, wenn die Grünen und die neo-liberalen Ideologen der NZZ, wie ein Herr Schwarz nicht dagegen gewesen wären. Die Grünen fürchteten die Umwelt-Standards der EU seien gegenüber derjenigen der Schweiz ein Papier-Tiger, heute wissen wir, es ist eher umgekehrt. Bei den strengen Markt-Ideologen waren sehr sauer über die Europäische Sozial-Charta, die mit der Annahme des EWR hätte akzeptiert werden müssen. Die träumten effektiv man könne den Sozialstaat nach dem Untergang der Sowjetunion auf den Misthaufen der Geschichte werfen und unter diesem Aspekt betrachteten sie die EU noch heute. Wer behauptet eine EU-Mitgliedschaft sei eine Aufgabe der Unabhängigkeit und der Freiheit eines Landes erzählt unlogisches Zeug. Der Vormarsch der Rechtsparteien ist nicht so sehr gegen die EU als Institution, sondern sie ist ihnen zu liberal, zu kapitalistisch und vermindert die Sozial-Bezüge. So haut man nicht nur die eigene Regierung, die nichts für die Einkommen tut und sich angeblich mit dieser Politik Brüssel unterwirft. Der griechische Beamte will seinen Posten behalten, den er durch Vetterliwirtschaft bekommen hat, gleichzeitig ist er für den EURO, den er weiss genau, dass seine Ersparnisse in Drachmen vernichtet werden. Eine gängige Tatsache ihrer Währungs-Geschichte..
        Unser Protektionismus beruhte in den vergangen 70 Jahren nicht auf dem List-Prinzip der wirtschaftlichen Entwicklung, sondern war schlicht ein Schutzwall für Privilegien. Mit unserem Agrar-Protektionismus haben wir mit Ausnahmen unsere landwirtschaftlichen Produkte keinen Marken-Artikel Bonus verschafft und die Bauern sind nicht Unternehmer, sondern Bettler.
        Oder das Uhren-Statut, dieser Unsinn führte beinahe zur Vernichtung unserer Uhrenindustrie. Was war mit den qualitativ hochstehenden Saurer-Lastwagen? Sobald die Zollschranken fielen, musste die Firma den Verkauf jedes einzelnen Lastwagen subventionieren. Zu diesen goldenen Zeiten der Marktabschottung 1933 bis 1960 führte bei vielen Schweizer Fabriken
        zu einem Management, dass den zukünftigen Herausforderungen des wieder geöffneten Weltmarktes nicht gewachsten war. Gute Beispiele sind Bally, Saurer und von Roll. Später waren dies sogar Sulzer und Oerlikon-Bührle.

        • Josef Anton sagt:

          Noch kurz ein Wort zu Griechenland.

          Zu einem grossen Anteil entstanden die heutigen Probleme genau aufgrund der Tatsache, dass GR sich der gemeinsamen Währung anschloss. Die Rolle, welche unser geliebter EZB Chef Mario in diesem Theaterstück spielte (damals bei GS zuständig für Europa), sollte langsam allgemein bekannt sein.

        • Josef Marti sagt:

          Das ist in der EU genau dasselbe einfach in grösserem Rahmen. Oder kennt die EU keinen Agrarprotektionismus? Eliten dürfen niemals allein die Macht erhalten, weil sie sich sonst nur für die eigene persönliche Bereicherung und Verschaffung von Privilegien einsetzen was zwingend zur Etablierung einer Korruptionsbürokratie und Vetterliwirtschaft führt, daran geht kein Weg vorbei; deshalb geht es nicht ohne permanente Rechtfertigung und Geradestehen vor den Wählern. Natürlich ist auch das CH System mangelhaft solange die Parteienfinanzierung nicht gnadenlos offengelegt wird.
          Es ist aber schon interessant und bemerkenswert, wenn ausgerechnet einer wie Prof. Hans Werner Sinn eine Art Konföderation nach Schweizer Vorbild für die EU propagiert.

        • urs lehmann sagt:

          Spätestens mit der Ratifizierung von TTIP wird die Souveränität der EU-Staaten auf jeden Fall tangiert.

          Zunächst mal kommt mir nur ein Grund in den Sinn, weshalb die TTIP-Verhandlungen und -Vertragsentwürfe geheim sind – man will die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen stellen um „Probleme“ (Wiederstand) während den Verhandlungen von vornherein auszuschalten.

          Des weiteren ist festzustellen, dass TTIP als völkerrechtlicheer Vertrag geplant ist und damit höherrangig sein wird als nationales Recht, mit eigener Gerichtsbarkeit (Schiedsgericht – wer bestimtm die Zusammensetzung???) welche gegenüber niederrangigem (nationalem) Recht Immunität geniessen soll.

          Zusätzlich soll jede Firma vor obigem Gericht auf „entgangenen Gewinn“ klagen dürfen. Das führt automatisch zu einer Nivellierung nach unten, sowohl in Bezug auf Arbeiterrechte, Produktequalität, Produktionsbedingungen, usw usf. So wies aussieht, wäre bspw der Atomenergie-Ausstieg auf entgangenen Gewinn einklagbar – Gratis-Firmengewinne auf Kosten des Steuerzahlers. Analoges gilt für jedwede weitere Verschärfung von nationalen Anforderungen in jedwedem Bereich, falls sie denn überhaupt legal wären.

          Wie beisszahm die EU im Fall von Konflikten reagiert, zeigt Angelas Reaktion im Späh-Streit vor wenigen Wochen – weil die Thematisierung das Gesprächsklima verschlechtern könnte, wird das Ganze totgeschwiegen. Auch der Streit um USA-Exportvergünstigungen (foreign sales corporations zur Umgehung von US-Exportsteuern): WTO-Gericht erlaubte Sanktionen von mehreren Mrd€, aber die wurden mW nie umgesetzt und verlief letztlich im Sand.

          Und das alles für €545 Zusatzeinkommen p.a. (offizielle Schätzung) für eine 4köpfige Familie.

      • Josef Anton sagt:

        Sofern ich Sie richtig verstehe, wollen Sie die aus Ihrer Sicht bestehenden lokalen Missstände durch den Einsatz einer hierarchisch höher liegenden Entscheidungsebene (EU) beheben oder teilweise korrigieren. Ich bezweifle, dass dies zum erwünschten Erfolg führen wird.

        1. Haben Sie schon einmal untersucht, wer den grössten Einfluss auf die EU-Institutionen ausübt? (Schwerlich der einfache Bürger)

        2. Die Nähe der Entscheidungsträger zur Bevölkerung ist aus meiner Sicht mit von Bedeutung, da dadurch die gesellschaftliche Stimmungslage einen stärkeren Einfluss auf Entscheide ausweisen dürfte.

        3. Wie in einem Familienstreit, mag der Zuzug einer neutralen Person zu dessen Beilegung sicherlich hilfreich sein, jedoch erstens ist eine EU-Institution nicht neutral und zweitens nistet sie sich gleich im Gästezimmer ein.

        Dies bedeutet natürlich nicht, dass man die gegenwärtige schweizerische Machtstruktur nicht kritisieren soll, sondern genau das Gegenteil. Und ob Sie es wahr haben wollen oder nicht, der Anschluss an die EU beinhaltet eine graduelle Aufgabe der nationalen Souveränität.

        • J. Kuehni sagt:

          @ J. Anton

          Genau dieselben Behauptungen hätten Sie vor 200 Jahren im Bezug auf die postnapoleonische Schweiz und ihre Bemühungen, einen funktionierenden Bundesstaat einzurichten, machen können: Untergräbt die Souveränität der Kantone, zentralistisch & bürokratisch, undemokratisch, weil zu weit vom Bürger entfernt!!! usw.

          Und Sie hätten überall unrecht gehabt:

          > Die Souveränität der Kantone wurde nicht vom Bundesstaat untergraben, sondern war schon seit spätestens Napoleon „inexistent“. Die Restauration rekonstruierte bloss einen Pufferstaat rund um den Gotthardpass, von Grossmacht’s Gnaden. Wäre es dabei geblieben, wäre die Schweiz heute ein zweites Belgien. Bestenfalls.

          > Der Bundesstaat brachte keinen Demokratieverlust. Im Gegenteil: demokratische Abstimmungen auf Kantonsebene, deren Beschlüsse nachher mangels „Souveränität“ nicht umgesetzt werden können, sind das Papier nicht wert, auf denen die Kreuzchen gemacht werden (MAI, anyone?). Auf Bundesebene konnte hingegen eine für die damalige Zeit (und Technologie) angemessene Währungs-, Aussen-, Militär- und Wirtschaftspolitik gemacht werden.

          > Nicht zu vergessen: Als Konzession an die Verlierer des Sonderbundskrieges wurde im jungen Bundesstaat die direkte Demokratie eingeführt! Resultat: Die Kantone konnten bis heute (!) einen Teil ihrer vormaligen Souveränität bewahren, anstatt gar nichts. Und die Bürger haben sogar demokratische Rechte hinzugewonnen.

          > Das Ganze hat rund 150 Jahre relativ gut funktioniert. Bis in der Gegenwart die wirtschaftlichen, technologischen und geopolitischen Fundamentverschiebungen auch dem „Erfolgsmodell Schweiz“ den Boden zu entziehen beginnen (z.B. siehe nochmals MAI ;-).

          Ich weiss schon: Sie werden jegliche Ähnlichkeit der damaligen Verhältnisse mit der heutigen Situation in Europa abstreiten, oder dann darauf bestehen, dass die EU inhärent unreformierbar und in alle Zukunft so schlecht sein wird, wie es heute erscheint. Ihre „Alternative“ ist eine schwammige Vorstellung einer irgendwie realisierbaren, unbürokratischen, organisch funktionierenden und nachhaltigen(!) Dezentralisierung, die aber trotzdem alle grenzüberschreitenden Probleme quasi magisch lösen kann, da inhärent „gut“. Natürlich werden auch für ihre Vision Opfer zu erbringen sein, aber die kann man ja in gutösterreichischer Art den Fehlern der „anderen“ anlasten.

          Sorry, überzeugt mich nicht.

          • Josef Marti sagt:

            Ich bin zwar auch eher auf der Linie von Herrn Anton. Was aber die Österreicher anbelangt, frage ich mich auch immer wie die sich ihre dezentralen Paradiese und deren Verteidigung vorstellen. Ich vermute mal, einen potenziellen bösen Feind würden sie ins Auditorium locken und mit einem 12 stündigen Monolog über die bösen Staatsgrenzen und Zentralbanken in die Flucht schlagen.

          • Josef Anton sagt:

            Lach, ein Punkt für Sie!

            Der Verzicht auf Gewalt/Zwang (ausser in der Verteidigung klar definierter Rechte) basiert eher auf dem liberalen Gedankengut als demjenigen der Österreicher, wobei eine gewisse Ähnlichkeit zwischen diesen Denkschulen nicht zu verneinen ist.

            Wenn sich solch eine Idee in einem Staat je verwirklichen sollte, fragt es sich, ob die Bevölkerungen anderer Staaten nicht ebenfalls die gleichen Freiheiten/Rechte einfordern sondern sich mit der Kriegs- und Kontrolllust der Elite abfinden würden.

        • Josef Anton sagt:

          @ J. Kuehni

          Zuerst auf meine Punkte zurückkommend:

          1. Die Einflussmöglichkeiten des einfachen Bürgers wurde damals aufgrund der Direkten Demokratie erhöht nicht reduziert und
          2. die Nähe der Entscheidungsträger zur Bevölkerung durch diesen Umstand erzwungen.
          3. Der Vermittler in diesem Zusammenhang war daran interessiert, einen Streit grundlegend zu bereinigen um sich in Ruhe wichtigeren Aufgaben zuzuwenden.

          Ich streite die Ähnlichkeiten nicht ab, sondern versuche zu verstehen, wo die Differenzen liegen und weswegen die EU in Schwierigkeiten steckt.

          Die Motivation zur weiteren Integration Europas wurde zwar als Friedensprojekt verkauft aber das undemokratische Gebilde kam wohl einzig aufgrund der vorherrschenden friedlichen Stimmung in Europa überhaupt zustande. Die EU entstand nicht aus dem Grunde etwelche gegenwärtigen Streitereien zu bereinigen/befrieden, sondern deren Gründung beruht eher auf der Eitelkeit gewisser Politiker in die Geschichtsschreibung einzugehen. Die friedliche Stimmung und der fehlende Grund erlaubte es ein Konstrukt zu kreieren, welches den Vorstellung einer Gruppe von Bürokraten entsprach, ohne je einem wirklichem und notwendigem Dialog mit oppositionellen Kräften ausgesetzt zu sein. Erst das Aufeinanderprallen von verschiedenen Ideen variierender Standpunkte erzeugt ein von der Gesellschaft getragenes nachhaltiges System. Der Kontext ist in solchen Angelegenheiten von hoher Bedeutung.

          Weltweit erkennen wir ein zunehmendes Misstrauen gegenüber der zunehmenden Machtkonzentration und deren Bürokratie. Selbst in den USA melden sich immer mehr Stimmen, welche die Zentralregierung und deren anmassenden Einfluss in Frage stellen. Es handelt sich hierbei um eine schrittweise Bewusstseinsveränderung der Gesellschaft, welche in der allgemeinen Unzufriedenheit mit den heutigen Machtverhältnissen ihren Ausdruck findet. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, ist die Schweiz mit ihrer Abstimmung zur MEI wohl einzig ein kleiner Teil einer sich abzeichnenden weltweiten Entwicklung.

          Wenn ich Dezentralisierung als möglichen Weg zu erkennen glaube, beruht dies auch auf dem Verständnis, dass die Unterdrückung dieser Tendenzen durch die entsprechenden Machteliten wohl zu negativen Konsequenzen für uns alle führen dürfte. Die Auseinandersetzungen werden dadurch verschärft und gefährlicher.

          Übrigens bin ich zu wenig mit den Details und Umständen vertraut, welche zur heutigen Form unserer Direkten Demokratie führten, um hier qualitativ gute Aussagen machen zu können. Verzeihen Sie meine Ignoranz und korrigieren Sie mich bitte, sollten etwelche Annahmen falsch liegen.

  • Sacha Meier sagt:

    Die Theorie lässt sich am Besten am Beispiel der Schweiz testen. Die Marktabschottung mittels Kartellen und Oligopolen ist ja genau die Ursache unserer Hochpreisinsel. Nach dem Postulat des Artikels müsste das schnelles Wachstum bewirken. Die Realität sieht eher so aus, dass zehntausende von früher innovativ-produktiven KMU eingegangen sind. Dafür haben wir eine wirtschaftliche Monokultur des zuwandernden Konsums, eine dauerüberhitzte Bauindustrie, sowie eine stetig steigende Staatsquote. Das bei sinkenden Reallöhnen, da die Teuerung mit einem sorgsam zusammenmanipulierten Warenkorb auf null gesetzt wurde. Gemäss den Erhebungen des KOF beträgt das Wirtschaftswachstum pro Prozent Bevölkerungswachstum bloss 0.75%. Damit haben wir ein Schneeeballsystem. Dafür können sich die Konzerne in den Bereichen Banken, Bauern, Generalimporteure und Grossverteiler die Hände reiben und ihrem Leitspruch frönen: Konkurrenz begräbt das Geschäft.

    • urs lehmann sagt:

      List bzw der Artikel thematisieren unterentwickelte Länder.

      • …und alle entwickelten Länder, einschliesslich derjenigen, die jetzt globalisierten Frei-Handel fordern, hatten ihren ursprünglichen Wohlstand mit Hilfe eines protektionischen Schutzes einheimischer Industrie erreicht. Das wird meines Wissens von niemandem bestritten. Auch hier wird also wieder einmal Wasser gepredigt, nachdem die eigenen Bäuche mit Wein gefüllt worden waren.

  • Michael Schwarz sagt:

    Die Globalisierung der Wirtschaft in letzten 20 Jahren bracht für viele internationale Konzern gigantisches Wachstum auf Kosten der KMU und Arbeitnehmenden. Protektionismus ist eine Wirkungsvolle Massnahme zum Schutz eigner Industrie. Das macht sowohl die USA, auch die Schweiz(Verbände). Vor allem ein Importverbot der billigen Produkte mit schlechter Qualität wäre ein notwendiger Schritt zum Schutz schweizerisches Lebensstandardes – es geht nicht um Quantität, sondern Qualität.

    Das ist der Grund warum die USA so verschuldet ist, weil sie nur auf Quantität nocht auf Qualität geachtet hat – Preis ist alles, Geiz ist Geil. Wo steht die USA wirtschaftlich heute? Die asiatischen billigen Produkte haben die US-Wirtschaft von Grund aus ruiniert – ein absoluter freie Markt gibt es nicht.

  • Herzlichen Glückwunsch an den Autor, List wieder aus der Versenkung zu holen. Entwicklungsökonomie wird durch seine Ansätze sehr gut erklärt. Man müsste nur mal verstehen oder sich damit abfinden, dass die Industrieländer „entwickelt“ sind, während Schwellen- und Entwicklungsländer noch Aufholbedarf haben. Marktöffnung „hilft“ nur den großen Teilnehmern bei der Beibehaltung des Status-quo. Durch Skalenvorteile der Großen haben kleinere Marktteilnehmer nicht den Hauch einer Chance, ernsthaft Fuß zu fassen. Das gilt auf Länderebene wie auch generell auf Unternehmerebene.

  • Ich tu mich mit der Wirkung von Geldtheorien, Systemen und Lehren von Ökonom schwer, denn ich glaube nicht, dass dies die entscheidenden Erfolgsfaktoren sind. Es sind nach meiner Meinung vielmehr die Naturelle und Charakteristiken von bestimmten Völkern, die in Bereichen wie Produktivität, Lernbereitschaft, Disziplin, Arbeitsmoral und mehr entscheidend sind. Schaut man sich in Systemen derart unterschiedlich wirtschaftlich erfolgreiche Länder wie China, Schweiz, Deutschland, Schweden oder Japan an, so sind es Länder, welche die beschriebenen Charakteristiken haben, sich in den ökonomischen Systemen aber nur wenig bis nichts gemeinsam haben.

  • Auf Vorschlag von Edgar Salin wurde ich Vorsitzender der deutschen List Gesellschaft und blieb es über mehr als 25 Jahre.

    Die Geschichte der Bundesrepublik Deutschlabnd ab 1949 ist ein Beleg für List. Als 1949 Sterling gegenüber Dollar um mehr als 30% abwertete, ging die DM von 3,33 bis auf 4,20 mit. Das gab den Impetus für die Exportentwicklung bis 1969. Dann begann Karl Schiller die Aufwertung, die bis zu 200% führte. Nach weiteren 20 Jahren befand sich der deutsche Bürger mit seinem pro-Kopf-Einkommen in der Weltspitze – mit einigen anderen natürlich, aber immerhin.

    Seit 1990 ist die Kaufkraft des deutschen Bürgers gesunken.

    • Ich würde den Beginn des deutschen Wirtschaftswunders auf den Sie anspielen wenige Jahre nach hinten verlegen. Denn auch wenn die Abwertung der DM auf 4,20 DM/$ einen Exportschub nahelegen würde zeigte sich in der deutschen Entwicklung erst mal eine Zahlungsbilanzkrise, die von einem Importboom getragen war, was nahelegt, daß irgendwie die Abwertung der DM nicht verhindert hat, daß es zu einem Leistungsbilanzdifizit Anfang der 50er Jahre kam.

      Und hier kommt F. List ins Spiel, denn die Reaktion der deutschen Wirtschaftspolitik bestand im wesentlichen daraus, die zuvor eingeführte Importliberalisierung umgehend wieder zu suspendieren – und zwar nach guter alter merkantilistischer Art. Diese Politik beinhaltete nebenbei auch einen gewissen Schutz der deutschen Industrie, von der Hauptsache war sie jedoch davon getragen nicht in eine Schuldenfalle hineinzuschlittern. Und ganz nebenbei hilft eine derartige Politik auch dabei die „importierte Inflation“ im Zaume zu halten, indem gerade Importe unter Genehmigungsvorbehalt standen.

      Was ich eher erstaunlich finde ist, daß China in der Liste der Länder mit merkantilistischer Ausrichtung hier nicht vorkommt. Man kann zwar argumentieren, daß die Ostasien-Krise die Warnung für China war Entwicklung nicht ohne größere Dollarreserven anzustreben. Dennoch halte ich die chinesische Währungspolitik, die sich zweifellos an F. List orientiert und nicht an irgendwelchen „Freihandel“-Vorstellungen, für den wesentlichen Faktor, der viel eher zu einer binnenwirtschaftlichen Entwicklung führt, als alle kreditfinanzierten „Entwicklungsprogramme“ zusammengenommen.

      • Herr Menendez, ich stimme Ihnen zu. Aber: Ende Juni 1950 brach der Korea-Krieg aus. Das führte zu einer überraschenden Erhöhung deutscher Importe. So legte Ludwig Erhard der deutschen Stahlindustrie nahe, in großem Umfang US-Kohle auf eigene Rechnung zu importieren (Mehrkosten nach damaligen Stand gewaltig), weil er die heimische Kohle zum gestoppten Preis (bis 31.3.1956) für den heimischen Markt haben wollte.

  • Lists Erfolg in Asien dürfte Mit dem Moment der Rezeption der westlichen Nationalökonomie in Japan zusammenhängen. Nachdem die amerikanischen Kanonenboote 1853 den japanischen Markt gewaltsam öffneten, war Adam Smith den Japanern wohl kaum schmackhaft, und es muss den Japanern ein Theorie-Angebot wie dasjenige Lists von 1841 sehr entsprochen haben. List wird wohl mit der japnischen Hegemonie seinen Weg nach Südkorea gefunden haben.

    • Rolf Zach sagt:

      Japan hatte bereits vor der von Admiral Perry erzwungenen Öffnung eine kapitalistische Wirtschafts-Ordnung wegen der Schogun-Regierung in Tokio, trotz den Überbleibsel der Samurai-Kultur. Sehr schön nachzulesen bei Braudel. Während der Opium-Krieg von England gegen China 1842 nur zum blutigsten Bürgerkrieg der Geschichte, nämlich dem Tai-Ping Aufstand führte, der aber keinen Aufbruch wie in Japan verursachte. Es ist einfach zu unterstreichen, eine Gesellschaft, die keine Ansätze für den Kapitalismus und den internationalen Handel aufweist, kann die Rezepte von List überhaupt nicht übernehmen. Welche Voraussetzungen dafür braucht es. Die wichtigsten sind sicher Bildung, eine nicht allzu schiefe Verteilung des Volksvermögens, ein gewisse Grösse des Binnenmarktes, keine rigorose Abwehr der anderen Teilnehmer des Weltmarktes, eine Differentialrente der Exportprodukte, Rechtssicherheit und nicht eine Korruption, die sich in Grenzen hält und nicht allzu zerstörerisch wirkt. Ich erlaube mir einige Länder gegenüber zu stellen. Südafrika-Korea, Japan-Türkei, Russland (Sowjetunion)-China, Brasilien-Nigeria, Indien-Ägypten. Wäre hätte 1945 gedacht, dass Süd-Korea 35 Jahre später als Land ohne nennenswerte Rohstoffe Südafrika überholt. Auch Nordkorea mit bedeutenden Rohstoffreserven war noch 1960 reicher als Süd-Korea. Zu den Theorien von List sollte man die Theorien von Max Weber dazufügen.
      .

  • Leo Klaus sagt:

    Was ist da neu? Alle Laender versuchen die einheimische Industrie mit protektionistiche Massnahmen zu schuetzen. Teilweise ist es weil sie dich der Gefahr einer vollen Marktoeffnung bewusst sind. Meistens ist es allerdings dank Seilschaften zwischen Industrie und Politik. Das Parallelimportverbot oder die Milchkontingentierung in der Schweiz sind Beispiele dafuer.

    Jedes Land weiss, dass eine unkontrollierte Marktoeffnung die heimische Industrie zerstoert. Deswegen zwingt man den anderen ihre Maerkte zu oeffnen, waehrend man die eigenen Maerkte mit kuenstlichen Tricks schuetzt. Der freie Markt ist nur gut wenn man andere anschwaerzen will, die unsere Industrie Schranken im Weg legen.

    Ist aber logisch: Am Ende muss jedes Land das richtige Gleichgewicht zwischen Freihandel und Abschottung finden, sonst werden Menschen arbeitslos und es kommt zu Unruhen, ein Faktor den man in neoliberalen akademischen Analysen zu wenig Gewicht beimisst.

  • Anh Toan sagt:

    Mir erscheint diese Theorie ziemlich infantil:

    Mein Bauchgefühl hält es für offensichtlich nützlich, die eigene Produktion (Warum nur Industrie?, Warum nur für Schwellenländer?) zu schützen, die Frage ist doch, ob man dies kann, ohne die Exportmärkte zu gefährden (Retorsionsmassnahmen)

    Das Wichtige an Freihandelsabkommen ist, was davon ausgenommen ist, wie weit der Freihandel tatsächlich eingeschränkt werden darf, sonst wären diese viel kürzer.

    • urs lehmann sagt:

      Dürfte davon abhängen, was Sie wohin exportieren wollen. Je mehr Schützenswertes im Zielland betroffen ist, desto höher die Schranken. Darum ist bspw Elektronik bei uns billig, landwirtschaftliches hingegen teuer.

      • Anh Toan sagt:

        @urs lehmann: „davon abhängen“

        Es hängt von so vielem ab.

        Volkswirtschaftlich interessant ist der Widerspruch zwischen der freien Markt Logik (Die Protektion stützt eh nur, was nicht marktfähig ist, und ist damit in sich schädlich, verhindert nur die konstruzktive Zerstörung) und dem hier vorgestellten List, der doch eher den tatsächlichen Erfahrungen entspricht (bevor ein Produkt marktfähig ist, braucht es ein „geschütztes“ Umfeld. in welchem es den Konsumentenanforderungen angepasst wird, in welchem es marktfähig wird: Geschützt kann ein Heimmarkt werden, geschützt kann werden, indem auf Rentabilität verzichtet wird (Problem des Dumpingvorwurfs der Konkurrenten), mit Subventionen usw usw.)

        Und die Gefahr besteht, dass sich die Produzenten dann darauf konzentrieren, den Schutz zu erhalten, statt das Produkt zu verbessern, und deswegen sagt seppetoni nein, aber ich sage, dann müssen wir halt verhindern, dass die das machen, Subventionen degressiv festlegen, beim Verhandeln über Zölle über deren Abbau verhandeln usw.

        Ich halte die Theorie von List nicht für „infantil“ im Sinne von falsch, sondern im Sinne von das erkennt ja ein Kind, und es Bedarf einiges an Studium neoliberaler Verklärungsliteratur, um dies nicht mehr zu erkennen.

        • urs lehmann sagt:

          Natürlich meine ich das sowas wie das vorherige Statement nicht im absoluten Sinn, bin ja nicht Anton. Sondern als ein Faktor unter vielen, allerdings oft wirkend und idR mit grossem Gewicht – Kern-Faktor oder so.

          Ich stimme Ihnen zu mit Ausnahme von Folgendem:
          Schumpeter sehe ich nicht im Widerspruch zu List, sondern im Gegenteil bestätigen die beiden einander: Falls die lokale Produktion „schwach“ ist, braucht sie Schutz (List), sonst wird sie durch die auswärtige Konkurrenz verdrängt/zerstört (Schumpeter).

          Die Wertung (Protektionismus ist schädlich) hängt ab vom Masstab, und auch wie von Ihnen beschreiben wie man den gewonnen Aufschub verwendet. Gesamt-/weltwirtschaftlich gesehen mag man Arbeitsplatzerhalt als schädlich werten, aber die Arbeitsplätze in Indien sind den CH nunmal herzlich egal sobald CH-Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen.

          Bei der Betrachtung Schumpeter/List fehlt die Variante „keine lokale Produktion vorhanden“, und da kommt mein vorheriges Statement ins Spiel (dasselbe Bild, dieselbe Logik, bloss einen anderen Aspekt beleuchtend): Werden Zölle in erster Linie zur wirtschaftlichen Steuerung eingesetzt (ich weiss, es gibt auch andere Gründe), gibt es ohne Vorhandensein von lokaler Produktion keinen Grund für hohe Zölle. Also werden Importe nur unwesentlich verteuert – bspw (Konsum-)Elektronik.

      • J. Kuehni sagt:

        @Anh Toan:
        Ein vielseitiges Beispiel wäre diesbezüglich das Gesetz zur EEG-Einspeisevergütung des dt. Bundestages irgendwann zur Jahrtausendwende. Es ist argumentiert worden, dass dieses Gesetz weltweit zum preislichen Durchbruch der neuen erneuerbaren (Solar und Wind) geführt hat, mit dem Resultat, dass nun den alten, „zentralistischen“ Kern- und Gaskraftwerken an sonnigen und windigen Tagen das Geschäft mit der Spitzenenergie vermiest wird, weswegen die nun wiederum „Wettbewerbsverzerrung“ schreien, aber nur, weil sie weiterhin die externalisierten Kosten von AKW’s und fossilen Brennstoffen ignorieren dürfen. Der Protektionismus wäre in dem Fall ein willkommenes Mittel gewesen, um den Widerstand von etablierten Partikularinteressen aufzubrechen.

    • J. Kuehni sagt:

      Interessant ist es auch, den Begriff „Protektionismus“ im Zusammenhang mit den laufenden TTIP/TAFTA-Verhandlungen zu sehen. Gemäss Krugman geht es bei denen nicht mehr so sehr um offensichtliche Schutzzölle (sind eh schon fast alle weg), sondern um die „Angleichung“ von arbeits- und umweltrechtlichen Standards – natürlich auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner – plus der Verankerung von irgendwelchen dubiosen Klagerechten, mit denen Multis lokale Regierungen auf „entgangenen Gewinn“ einklagen könnten. Definitiv ein Fall für eine Protektionismus-Rehabilitation.

      Vielleicht sollten wir die EU (mitsamt Schweiz) offiziell auf Schwellenland-Niveau zurückstufen? Dann könnte wir uns wieder ungestraft auf List berufen…

      • Nur kurz: Liberale behaupten, mit einem gesetzlichen Mindestlohn drohe der Untergang der westlichen Zivilisation, und mit dem TTIP wird ein einklagbares Recht auf Profit festgeschrieben, für das der Steuerzahler — also der Mittelstand — geradestehen muss, denn Unternehmen sollen ja keine Steuern zahlen.

        Wieder ein Indiz dafür, dass Liberale die Totengräber des Mittelstands sind.

  • Josef Anton sagt:

    Es existiert ein guter Artikel von Michael E. Porter und Hirotaka Tekeuchi mit dem Titel „Fixing What Really Ails Japan.“ vom Mai/Juni 1999. Die Autoren kamen zum Schluss, dass die erfolgreichen Industrien hauptsächlich jene waren, welche keine Unterstützung der Regierung genossen, während jene, denen geholfen wurde, eher versagten.

    “Our studies thus conclude that the government model played little if any role in the successful industries, with scarcely any intervention, few cartels, and scant cooperative R&D. Among the failures, the government model prevailed, with numerous cartels, widespread cooperation, and rampant intervention in competition. If anything, the Japanese government model is a cause of failure, not of success.”

    http://www.foreignaffairs.com/articles/55012/michael-e-porter-and-hirotaka-takeuchi/fixing-what-really-ails-japan

    Diese Gegendarstellung bezweckt dahin zu wirken, obigen Artikel mit gegebener Vorsicht zu geniessen. Viel zu viele verschiedene Faktoren sind hierbei im Spiel um zu einer allgemein gültigen Aussage zu gelangen. Der Schutz von „infant industries“ führt keineswegs zwingend zum Erfolg, sondern deren Erfolg mag sehr wohl von anderen Faktoren als diesem staatlichen Schutze abhängig sein.

  • Josef Marti sagt:

    Die genannten Länder waren meistens in der Lage ohne übermässige Auslandsverschuldung sich sozusagen aus eigener Kraft einen bachtlichen Kapitalstock aufzubauen. Ist man heutzutage als Schwellenland zu sehr auf fremde Hilfe angewiesen, sprich abhängig vom IWF kann man das vergessen. Diese Länder werden zu einem gefundenen Fressen und Spielball der Spekulanten. Geld vom IWF gibt’s nämlich nur wenn man auf eine eigenständige Geld- und Wirtschaftspolitik verzichtet, alles liberalisiert und freien Kapitalverkehr verspricht.

  • Logine sagt:

    Die Computerbranche ist ein gutes Gegenbeispiel das zeigt, dass nicht nur Flora und Fauna sich spontan entwickeln und keinen vorgegebenen Marschbefehlen gehorchen. Auch menschliches Handeln trägt in sich die Samen des Erfolgs oder des Misserfolges, die keine Obrigkeit und keine Kommission auf Dauer austricksen kann. Das Neue blubbert aus der Ursuppe hoch, besteht, mutiert, geht unter. Nix da von Plan, Schutzengel, und ähnlich religiösem Voodoo. Evolution eben, nicht Kreationsimus.

    • Reto Stadelman sagt:

      Die Wahrheit Herr oder Frau Lohine, liegt wie immer in der Mitte. Totaler Liberalismus wirkt zerstörerisch und lässt neben dem Kampf um Marktanteile keinen Raum für Weiterentwicklungen. Man nennt das auch Verdränungs- oder Schädigungswettbewerb. Auf der anderen Seite sind total geschütze Märkte genau so wenig sinnvoll und bremsen das Wachstum und die Innovation. Warum aber die Neoliberalen immer noch glauben, der Mensch erziehle die beste Leistung wenn er um sein Leben kämpfen muss, ist mir schleierhaft. Gerade in hochentwickelten Staaten macht das kaum Sinn. Kreativität und Innovation entsteht nicht (nur) aus Angst.
      Es ist nicht so sexy wie Neoliberalismus oder Sozialismus, aber ich predige es dennoch immer weiter: Das Beste für uns, liegt wie immer in der Mitte. Und der Westen könnte etwas mehr Schutz seiner noch bestehnden Industrie etc. gut gebrauchen.

      • Logine sagt:

        Den Wahrheitsbegriff möchte ich selbst nicht bemühen, ist diese oft bloss das Produkt nachträglicher Rechtfertigungen (R. Rorty) ist. Die Misere ist vor unser aller Auge, wohin Protektionismus führt, ob nun im Anfangs- oder Reifestadium scheint mir wenig erheblich. Wer entscheidet was vor wem zu schützen sei? Wer besitzt die Glaskugel? Besitzstandswahrung kann nicht die Losung sein. Momentan ist in ZH eine Initiative zur Abschaffung der Kirchensteuer für Firmen.Vielleicht sollte sie ausgedehnt werden auf Trennung von Staat und Wirtschaft tout court? Was für den Einzelnen gelten mag, nämlich den Exzess zu meiden (v.a. längerfristig) muss nicht auch auf makroskopischer Ebene stichhaltig sein. Die Mitte ist nicht per se „gut“, es kommt auf die gemitteten Pole an. Zumal die Politik ja den Entwicklungen meist hinterherhinkt. Die Frage ist ja nicht nur, was geschützt wird sondern auch, was aufgrund dieses Schutzes an Neuem verhindert wird.

        • Josef Marti sagt:

          Die angesprochene Initiative kann höchstens als kindlicher Profilierungsversuch von irgendwelchen gelangweilten Krawattenbubis von der Goldküste gewertet werden. Wenn man schon den Nationalstaat endlich ganz abschaffen will, dann muss logischerweise auch die Landwirtschaft komplett liberalisiert und dem globalisierten Markt ausgesetzt werden; ebenso ist das Militär ganz abzuschaffen, weil das mobile internationale Kapital keinen bewaffneten Schutz benötigt und gar keine Staatsgrenzen mehr existieren. Für das vollständige Paradies der Österreicherfraktion wären dann zusätzlich noch die staatlichen Geldmonopole und Zentralbanken abzuschaffen. Erst dann ist alle Besitzstandswahrung beseitigt.

          • Logine sagt:

            Sie sagen es. Das sollte die Richtung sein. Bei den aktuellen und stetig wachsenden Staatsquoten wird die Entwicklung – leider – weiterhin zu mehr Regulierung, Protektionismus und Verschuldung gehen. Der Mensch ist ein ökonomisches Wesen und keiner beisst die Hand, die ihn füttert. Zum Glück gibt es junge Menschen, dereb Klarsicht noch nicht durch irgendwelche Opportunitätsüberlegungen getrübt ist und die es wagen, am Bestehenden zu rütteln.

          • Reto Stadelman sagt:

            @Login
            Sie befürworten also die totale Abschaffung des Staatswesen und die vollkomene Liberalisierung. Habe ich das richtig verstanden? Ihnen ist wohl einfach nicht klar, dass es so was wie „keine Besitzstandswahrung“ gar nicht geben kann. Jede und ich betone JEDE Form des Zusammenlebens strebt nach Besitzstandswahrung der Mittel- oder zumindest Oberschicht. In einer komplett liberalisierten Welt würde der Neufeudalismus so hart zuschlagen, dass Ihnen für eine Antwort die Luft wegbleiben würde und zwar wortwörtlich.
            Ich kann nicht nachvollziehen, warum sie diese Gefahr ignorieren. Ich halte nicht viel von Überregulierung, aber es ist leider eine Tatsache dass wir in unserer immer komplexer werdenden Welt um viele dieser Regulierungen nicht herum kommen. Gerade die Energiewende (Stichwort Wasserstoffwirtschaft) oder der Umweltschutz sind solche Punkte wo es ohne Regulierung nicht funktionieren wird.
            Die soziale Marktwirtschaft wird es richten. Mit ihr kann langfristig kein Neofeudalismus oder Sozialismus mithalten, es sei denn natürlich auf Kosten eines besseren Systems…

          • Josef Anton sagt:

            @ Reto

            Logine redet nicht von Totaler Abschaffung des Staatswesens, sondern von einem Staatswesen, welches sich verstärkt wieder auf die grundsätzlichen Aufgaben beschränkt. Ich glaube Sie haben sie in dieser Hinsicht missverstanden.

            Das Recht auf Eigentum ist schwerlich davon im Sinne wie Sie dies hier darstellen betroffen, jedoch soll nicht künstlich durch entsprechende staatliche Manipulationen vermeintliches finanzielles Vermögen und versprochene Ansprüche der Wohlbetuchten erhalten bleiben, was unter dem Strich einfach die Verlagerung der Problematik fehlender Nachhaltigkeit in die Zukunft verschiebt und somit auf unsere Kinder. Der Neufeudalismus (Superreiche), wie Sie das nennen, fuhr z.B. 2008/09 den anteil- wie verhältnismässig grössten Einbruch ihres Einkommens ein und unter Vernachlässigung staatlicher Eingriffe hätte sich die Einkommens- und Vermögensschere stark reduziert. Sie sollten die Lage einmal aus der Sicht der heutigen Jugend betrachten. Wie in aller Welt werden sie je die an sie gestellte Aufgabe erfüllen können, all die staatlichen Versprechungen je zu meistern ohne jegliche persönliche Wunschvorstellungen eines angenehmen Lebens vollkommen aufzugeben. Es ist wohl einzigartig in der Geschichte, dass eine Generation seiner nachfolgenden versucht solch einen Haufen an Verpflichtungen unterzujubeln. Jedoch glaube ich nicht, dass die nächste Generation diesen Umstand einfach akzeptieren wird.

            Was schwafeln Sie von sozialer Marktwirtschaft? Wir haben ein System, in welchem die 0,1% sich risikofrei bereichern und die Regulierung, Kontrolle und Überwachung der Gesellschaft mithilfe einer weltweit wachsenden und sich ein gutes Leben einrichtende Bürokratie weiter ausbauen. Das ist Feudalismus und Vetternwirtschaft des feinsten. Glauben Sie wirklich, dass die Politiker übermenschliche Stärken besitzen und einzig zum Wohle der Bevölkerung agieren?

          • Josef Anton sagt:

            @ Reto

            Ebenfalls unterliegen Sie aufgrund der jahrzehntelangen Konditionierung der fehlerhaften Meinung, dass fast alles einzig der Staat organisieren kann. Wir organisieren unsere Jass-Vereine, unsere Gruppen-Ausflüge, unsere Gesangsvereine etc. etc. bestens ohne etwelche uns gegebenen Regeln auf freiwilliger Basis bestens. Viele Aspekte der z.Z. von Regierungen mit den Kosten des bürokratischen Reibungsverlustes versehenen und auf Zwang ausgerichteten gesellschaftlichen Funktionen können auch auf freiwilliger Basis und ohne staatlichen Zwang organisiert werden. Wer will, macht mit, wer nicht, soll das Recht haben, sich zu dispensieren resp. fernzubleiben.

            Wenn wir als begrenzter Bezirk uns als klar umgrenzte Gruppe dazu entschliessen, innerhalb unseres klar umgrenzten Gebietes uns nach anderen als den allgemein anerkannten und Gewaltandrohung durchgesetzten Normen organisieren zu wollen, sollte dies wohl nicht der Zustimmung der Regierung oder der Diktatur der Mehrheit unterliegen, solange dadurch keine Grenzen überschreitende Verletzungen der Eigentumsrechte (im weitesten Sinne des Wortes) entstehen.

          • Reto Stadelman sagt:

            @Anton
            Ich habe ihre beiden Texte mit Interesse gelesen. Uch habe einen entscheidenden Schwachpunkt entdeckt und der lässt sich in einer einzigen Frage formulieren: Was sind die wesentlichen Aufgaben des Staates?
            Beschränken sich diese auf Polizeidienste und juristische Aufgaben? Was ist mit der Umwelt? Was ist mit dem nötigen sozialen Ausgleich der eine Demokratie am Leben erhält? In einer primitiven Volkswirtschaft mag das funktionieren, zumindest was die Umwelt angeht. Aber bei einer hoch entwickelten Volkswirtschaft? Ich sehe kaum Möglichkeiten vernünftigen Umweltschutz und einen halbwegs funktionierenden Sozialstaat zu erhalten ohne staatliches eingreifen. Der Staat den man in der Badewanne ertränken kann ist fast so ilusorisch wie Kommunismus.

          • Josef Anton sagt:

            @ Reto

            Ich gehe mit Ihnen einig, dass es sich nicht um eine einfache Angelegenheit handelt und man sich zwar schon auf die grundlegenden Aspekte berufen kann, indem man dem Staat resp. der Regierung einfach die Aufgabe des Schutzes des Rechtes auf Freiheit, Individualität und Eigentum zuteilt. Wir sind schon so stark in Richtung Ausbau einer alles regulierenden Bürokratie gewandert, dass solch eine Idee wohl selbst bei der nicht in der Bürokratie tätigen Bevölkerung noch nicht ankommen kann. Trotzdem erkenne ich zunehmend zentrifugale Kräfte, denn die fehlende Nachhaltigkeit der gegenwärtigen Entwicklung (Wohlfahrtsstaat, durch die Bürokratie assistierte zunehmende Machtkonzentration) zeigt immer offensichtlichere Risse z.B. „Geld drucken“ bis zum umfallen, Unfähigkeit Schulden je zu tilgen, eine hohes Ausmass an Versprechungen, welche nie erfüllt werden können, denn die Intuition des Menschen kann langfristig nicht getäuscht werden. Es wird fast alles unternommen um den Status Quo zu verteidigen. Die Geschichte offeriert viele Beispiele, wie sich solche Situationen schlussendlich in nicht sonderlich appetitlicher Form bereinigen.

            Jedes System tendiert dazu am Systemmanager Menschen anlässlich seiner inhärenten Attribute zu scheitert.

            Die Verletzung der Umwelt beeinträchtigt das Eigentumsrecht wie die Freiheit von Dritten und ist dadurch nicht ausgeschlossen von staatlicher Einflussnahme. Auch geht es nicht darum den Staat in der Badewanne zu ertränken.

            Einerseits besteht ein offensichtliches Bedürfnis nach Rechtsstaatlichkeit (Rechtssicherheit ist essentiell für den wirtschaftlichen Erfolg), andererseits erkennen wir, dass dieses dichte Netz von Bestimmungen eben auch durch entsprechende Beeinflussung (Lobbying) eine Klasse von sich selbst ungerechtfertigterweise risikolos bereichernden „Reichen“ hervorbrachte (moral hazard), welche mit rechtsstaatlichen Mitteln kaum mehr belangt werden kann. Meine intellektuellen Fähigkeiten sind wohl zu begrenzt, darauf eine alle Probleme lösende Antwort zu finden. Natürlich könnte man z.B. einen Teil der Rechtsprechung durch Geschworenengerichte korrigieren, was „moral hazard“ zu einem gewissen Grade ausmerzen würde. Dagegen sprechen hingegen wieder die Mobilität dieser Klasse und damit das wirtschaftliche Wohlergehen der Schweiz, sowie der damit einhergehende Verlust der Berechenbarkeit der Rechtsprechung, welcher eher negative wirken dürfte. Kurzum, es ist sehr komplex.

            Andererseits führt uns der eingeschlagene Weg Richtung Machtkonzentration, zunehmende Bevormundung der Bevölkerung durch alles regulierende Gutmenschen bestimmt auch nicht zum Ziel. Deshalb vertrete ich die Ansicht, Macht dezentralisierende Mittel als einen möglichen Weg zu erkennen. Veränderungen dieser Art sind destabilisierend, wogegen sich der Mensch immer wehrt, denn es verursacht aufgrund der damit verbundenen Ungewissheit Ängste. Wir dürften uns wohl diesen Satz ein wenig zu Herzen nehmen „Stability breeds Instability“, oder in anderen Worten, je stärker wir eine vermeintliche Stabilität anstreben, desto stärker dürfte die nachfolgende Instabilität ausfallen. Sämtliche Prinzipien (z.B. die notwendige Verbindung zwischen Risiko und Gewinn) zur Erreichung vermeintlicher Stabilität über Board zu werfen, dürfte aus meiner Sicht nicht mit Erfolg gekrönt werden.

          • J. Kuehni sagt:

            @J.Anton.
            Wenn ich Sie (zusammengefasst) richtig verstehe, suchen Sie das Heil also in kleinen, überschaubaren Strukturen, da diese nur begrenzten Schaden anrichten können. Zurück ins Mittelalter? Oder weiter? Nach einem nächstens fälligen, globalen Zivilisationskollaps dürfte sich ihr Wunsch ja durchaus erfüllen. Hoffe bloss, es bleibt überhaupt etwas übrig und wir landen nicht gleich wieder in der Steinzeit…

          • Josef Anton sagt:

            „Zurück ins Mittelalter?“

            Verwechseln Sie hier nicht die gesellschaftliche Struktur mit dem technologischen Fortschritt? Glauben Sie das eine ist zwingend an das andere gebunden?

            „überschaubaren Strukturen, da diese nur begrenzten Schaden anrichten können“

            Diversität ist Teil der Begründung, jedoch erhöht sich zusätzlich die Flexibilität, reduziert sich die systematische Anonymität, liegt eine höhere Nähe zwischen Entscheidungsträgern und Bevölkerung vor, was das Bewusstsein der gegenseitigen Abhängigkeit fördert, etc. etc. Wenn wir Ihre Vorstellung der zunehmenden Machtkonzentration in immer weniger Händen in aller Konsequenz nachvollziehen, entscheidet irgendwann z.B. ein Obama über ihre persönliches Wohlbefinden; hey, ist dies ihre Vorstellung der Zukunft?

            Anstatt aufgrund fehlender Nachhaltigkeit einen Kollaps abzuwarten, wäre es aus meiner Sicht sinnvoll, mögliche Alternativen zur linearen Entwicklung der Zentralisierung zu überlegen.

          • Josef Marti sagt:

            J. Kühni: Mittelalter oder wohl eher Subsistenzwirtschaft. Jeder Produktivitätsfortschritt führt unweigerlich zum Verteilungskampf zwischen Lohn- und Besitzeinkommen und auch unter den Besitzeinkommen. Das hat auch Von Clausewitz (1780-1831) erkannt, Zitat: „Der Krieg ist nichts anderes als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“.

          • Anh Toan sagt:

            „…Veränderungen dieser Art sind destabilisierend, …“

            Nein, Veränderungen jeder Art sind destabilisierend.

            Veränderungen sind verändernd, insbesondere Veränderungen dieser Art, aber auch das verhindern von Veränderung ist Veränderungen brütend (Stability breeds instability), auf alle Fälle ist ex komplex mit den Veränderungen und der Stabilität und dem Status Quo, und darum machen wir am besten nichts.

            Und alle die nämlich was machen, ändern oder am Status Quo festhalten, sind gutmenschliche Bürokraten, zentralistische und so, jawoll.

            Und wichtig ist, das darf nie vergessen werden, böse sind nicht die obersten 10 Prozent, auch nicht die obersten 1 Prozent, nein die obersten 0.1 Prozent und die Bürokraten sind böse. Böse sind die Anderen, die sind schuld.

          • urs lehmann sagt:

            @Marti
            Ich denke Verteilungskämpfe finden vor allem bei schrumpfendem, allenfalls gleichbleibendem, Wohlstand statt. Wer selbst etwas mehr erhält, ist viel eher bereit den riesigen Zugewinn des Nachbarn zu akzeptieren, als wenn einem etwas weggenommen und dem Nachbarn gegeben wird.

            Revolutionen, die Extremvariante von Verteilungskämpfen, passieren wenn längere Zeit gravierende Missstände bestehen, die Leute allenfalls wörtlich am Verhungern sind. In dieser je länger desto explosiveren Situation genügt dann allenfalls ein eigentlich unbedeutender Funke um die Umwälzung auszulösen.

            Kennen Sie ein Beispiel einer Revolution, die während einem Wirtschaftsaufschwung stattgefunden hat?

          • J. Kuehni sagt:

            @J.Anton

            „Verwechseln Sie hier nicht die gesellschaftliche Struktur mit dem technologischen Fortschritt? Glauben Sie das eine ist zwingend an das andere gebunden?“

            Nö, Verwechsle ich nicht. Und ja, ich glaube das eine ist an das andere gebunden: Grösse, Komplexität und Reichweite gesellschaftlicher Strukturen sind logischerweise an technologische Faktoren gebunden. Hingegen würde ich nie technische Weiterentwicklung mit Evolution der menschlichen Natur gleichsetzen. Höchstens mit einer temporären, mentalen Kondition: das Mittelalter war in jeder Hinsicht „beschränkter“ als das römische Reich.

            Ihre Dichotomie „böse Zentralisierung gegen gute Regionalisierung“ halte ich jedenfalls für falsch. Immerhin ist die dunkle Seite der regionalen Selbstbestimmung die ständig drohende Balkanisierung. Die Schweiz als Kleinstaat ist auch kein gutes Beispiel. Wie sehr wir als Nischenplayer von grossen, überregionalen Strukturen abhängig sind (zu denen wir aber nichts beitragen wollen, weil zentralistische (!) Machtansammlung), wird bei uns gewaltig unterschätzt.

            „I’ve got mine, and you can go to hell“ ist das Wesen des Provinzialismus und das Gegenteil von nachhaltig.

          • Josef Anton sagt:

            „Nein, Veränderungen jeder Art sind destabilisierend.“

            Wenn ich z.B. jedem ein gesichertes Einkommen im Alter verspreche, erkenne ich keine grosse destabilisierende Gefahr.

            „böse“

            Es geht doch nicht um böse oder gut, sondern darum, dass wir alle Menschen sind und dementsprechend menschliche Attribute in uns tragen.

            „Grösse, Komplexität und Reichweite gesellschaftlicher Strukturen sind logischerweise an technologische Faktoren gebunden.“

            Ja, jedoch nicht zwingend in Richtung Zentralisierung.

            „Kennen Sie ein Beispiel einer Revolution, die während einem Wirtschaftsaufschwung stattgefunden hat?“

            Sehe ich auch so. Also stellt sich die Frage, ob der seit Jahrzehnten dauernde Wirtschaftsaufschwung in höhere Gefilde schwingen wird, oder ob sich evtl. mögliche langfristige negative Konsequenzen vergangener Entscheide melden und ein Aufschwung fernbleibt.

            „als Nischenplayer von grossen, überregionalen Strukturen abhängig“

            Gegenseitige Abhängigkeit besteht in jeder Beziehung, wobei sich die Abhängigkeit des kleineren Partners mit der Aufgabe der eigenen Freiheit und Selbstbestimmung schwerlich reduziert.

            „die dunkle Seite der regionalen Selbstbestimmung die ständig drohende Balkanisierung“

            Es besteht aus meiner Sicht tatsächlich diese Gefahr, wobei das Schlagwort Balkanisierung natürlich mit einer negativen Konnotation belegt ist. Sezessionen müssen nicht zwangsläufig mit mit Chaos, Gewalt, Rückständigkeit und Brutalität gleichgesetzt sein. Solch eine mögliche Entwicklung ist ja nicht rein zufällig und läuft nicht in Isolation ab, sondern läuft innerhalb eines Kontextes ab, welcher diese Tendenz fördert. Welche Faktoren innerhalb dieses Kontextes mögen diese Tendenz fördern?

            „Hingegen würde ich nie technische Weiterentwicklung mit Evolution der menschlichen Natur gleichsetzen.“

            Einigkeit herrscht.

          • Josef Anton sagt:

            „Ihre Dichotomie “böse Zentralisierung gegen gute Regionalisierung” halte ich jedenfalls für falsch.“

            Wie schon erklärt, geht es nicht um bös oder gut, sondern eher um eine Reaktion.

            Wenn Sie sich in der Welt ein wenig umsehen, erkennen Sie sicherlich, dass die zentrifugalen Kräfte an Gewicht gewinnen. Die Frage ist, ob man diese mit allen zur Verfügung stehenden Mittel zu unterdrücken versucht und somit ein unkontrollierbare Entwicklung erzeugt, oder ob man diese Kräfte ernst nimmt und die Machtkonzentration in einer kontrollier- und fruchtbaren Weise reduziert. Der erste Weg dürfte tatsächlich zu Mord, Todschlag und Chaos führen.

  • Max Meister sagt:

    John Maynard Keynes fehlt natürlich nicht in der Liste, dafür hat man Ludwig von Mises ignoriert. Passt zur heutigen Kynesianischen Wirtschafts und Geldpolitik.

    • Josef Marti sagt:

      Wie kommen Sie denn darauf? Ausser vor kurzem in Japan gab es seit 1975 keine keynesianische Politik mehr.

      • Johnny Smith sagt:

        @ Josef Marti

        Es gibt kaum ein Land, welches die Verschuldungsquote nicht massiv nach oben gefahren hat und das während Jahrzehnten. Der erste Teil von Keynesianischer Wirtschaftspolitik (antizyklische Konjunkturankurbelung zu Lasten Schulden in schwierigen Zeiten) ist also fast überall erfüllt. Wie üblich fehlt der schwierigere Teil: in guten Zeiten wieder antizyklsich die Schulden zurückzufahren.

        • Hjoburg27 sagt:

          @Jonny Smith
          Sie machen es sich aber schon sehr einfach. Verschuldung an sich alleine ist nicht das Problem, sondern für was diese Schulden gemacht werden. Hätte zum Beispiel Deutschland nach dem Zusammenbruch keine Schulden gemacht, würden wir heute noch die Trümmer nicht weggeräumt, und die Infrastruktur nicht annähernd so gut ausgebaut wie heute. Schulden die man gemacht hat, um die Finanzindustrie, und erst hier explodierten die Schulden diverser Länder zu retten, hat die Schulden stärker steigen lassen. Besser wäre es gewesen, man hätte die Banken verstaatlich, bis die Banken den Schaden bezahlt hätten. Statt diese zu retten, und somit das Geld der Realwirtschaft nicht mehr zur Verfügung stand. Schulden per se sind nicht schlechtes, solange es für Investitionen in die Infrastruktur etc. gemacht wird. Denn damit hinterlässt man zukünftigen Generationen auch noch eine Zukunft und Vermögen. Aber mittlerweile ist der Investitionsstau so groß in Deutschland geworden, dass wir uns eher an die zukünftigen Generationen versündigen, weil umso länger Deutschland mit der Auflösung des Investitionsstau wartet, um so teurer und schwieriger wird es für zukünftige Generationen diesen aufzulösen.

    • Johnny Smith sagt:

      oder auch Hayek oder Minsky

      Finde den Artikel aber – wie oft von Tobias Straumann recht ‚bodenständig‘ und interessant.

    • Herr Straumann schreibt „einflussreichste“ Bücher. Dass Mises darin nicht vorkommt (oder Minsky), zeigt nur, dass er entweder nur eine Rand-Erscheinung war (Mises) oder aktiv unterdrückt wurde, weil seine Thesen dem mainstream missfielen (Minsky). Die Liste ist keine Schönheitskonkurrenz.

      Zu Keynes: Ich wiederhole mich ungern, aber Keynes ist lehr-ökonomisch betrachtet tot. An den Hochschulen und Wirtschafts-Beraterzirkeln gilt die Neoklassik bzw der Neo-Keynesianismus, wobei letzterer einfach „intelligente“ Neoklassik ist, in dem Sinne, dass er etwas weniger falsch ist als erstere. Die aktuelle Wirtschaftspolitik (den Markt-und Krisen-Liberalismus) Keynes anzulasten, ist daher ökonomie-historisch schlicht falsch.

      Ich sage immer, dass Keynes, der angeblich nicht funktioniert, höchstens dann hervorgeholt wird, um die Krisen der Neoklassik zu mildern, die dieser angeblich gar nicht hervorrufen kann.

      • Johnny Smith sagt:

        „Die aktuelle Wirtschaftspolitik … Keynes anzulasten, ist daher ökonomie-historisch schlicht falsch.“

        Da bin ich einverstanden, deshalb habe ich Keynes Vorschläge auch etappiert. Es fehlt die zweite Etappe, die Keynes eben auch vorsah, das Reduzieren der Schulden in guten Zeiten. Dies wurde nie gemacht, zumindest nicht im Jahrzehntetrend praktisch aller grosser Staaten.

        „nur eine Rand-Erscheinung war (Mises)“

        Naja, so eine Randerscheinung scheint mir Mises, Hayek et al. nun doch nicht zu sein. Weniger Einfluss, durchaus, das war ja die Eingangsfeststellung/kritik von Max Meister.

        • Josef Marti sagt:

          Reduzieren der Schulden in guten Zeiten. Das ist ja wohl ein Witz; die letzten 30 Jahre haben die bürgerlichen Monetaristen prozyklische Schuldenwirtschaft par excellence betrieben mit einer Steuersenkungsrunde nach der anderen.

          • Herr Smith hat grundsätzlich recht. Keyes „Rezept“ zur Zähmung des Konjunkturzyklus bestand darin, in Krisenzeiten die Nachfrage anzukurbeln und in Boomphasen mittels Austerität die Konjunktur zu drosseln. Dass die Politik den zweiten Teil ignoriert, ist Keynes ja wohl nicht anzulasten.

        • „Weniger Einfluss“ ist wohl der Grund, weshalb Mises et al. in der Liste einfluss-reicher Autoren nicht vorkommt… 😉

        • J. Kuehni sagt:

          @Smith

          In unserer angeblich „postideologischen“ Ära müssten ja eigentlich sämtliche theoretischen Gedankengebäude kritisch beäugt werden, egal ob einflussreich oder nicht. Marx, Keynes, die Aust(e)rians, usw. haben alle dasselbe Problem: Die gewaltige Diskrepanz zwischen ihren eleganten Theoriegebäuden und der „korrumpierten“ Umsetzung in der Realität. Postideologisch wäre insofern die Einsicht, dass kein – auch noch so perfektes – System jemals die Chance hat, in der nötigen Reinheit installiert zu werden um wie vorgesehen (und nachhaltig 😉 zu funktionieren.

          Ich warte immer noch darauf, dass auch die Österreicher-Fraktion hinsichtlich ihrer Idole zum selben Schluss gelangt. Die halte ich übrigens durchaus für einflussreich: Via Milton Friedman und den Chicagoer-Sweetwater-Ökonomen dominieren gewisse „österreichische“ Ideen seit 30+ Jahren die real existierende Wirtschaftspolitik der westlichen Länder. Wenn ich an all die Sonntagsreden von der unsichtbaren Hand und dem freien, deregulierten Markt denke, wird mir übel…

          „We wanted free markets and Ronny Reagan was what we got“…

          ’nuff said.

          • Josef Anton sagt:

            @ Kuehni

            Völlige Übereinstimmung in Bezug auf die Aussage, dass jedes System aufgrund des System-Managers Mensch zum Versagen verurteilt ist, wenn ich Sie richtig verstehe. Es liegt nicht daran, dass die System-Manager schlechte Menschen wären, sondern einfach am Fakt, dass sie Menschen sind und damit den menschlichen Attributen unterworfen. Deshalb vertrete ich den Standpunkt, die Anzahl und den Einfluss der System-Manager (Bürokraten) zu reduzieren.

          • Josef Anton sagt:

            Ein kleines Beispiel der korrupten Bürokratie:

            Joe Bidens Sohn tritt dem Verwaltungsrat des grössten ukrainischen Gasproduzenten bei.

            http://burisma.com/hunter-biden-joins-the-team-of-burisma-holdings/

          • Josef Anton sagt:

            Übrigens mehren sich die Anzahl von Ereignissen, welche genau diese Dezentralisierung anstreben.

            http://bazonline.ch/schweiz/standard/Romanshorn-folgt-dem-Beispiel-Rorschachs/story/31294448

          • urs lehmann sagt:

            Ohne Kenntnis der Hintergründe wäre es verlogen, verleumderisch, im Fall Burisma Korruptionsvorwürfe zu erheben. Was führt Sie zum Schluss, dass hier Korroption im Spiel ist?

          • Johnny Smith sagt:

            @ Josef Anton

            „Es liegt nicht daran, dass die System-Manager schlechte Menschen wären, sondern einfach am Fakt, dass sie Menschen sind… Deshalb vertrete ich den Standpunkt, die Anzahl und den Einfluss der System-Manager (Bürokraten) zu reduzieren.“

            Treffend formuliert und gut geschlussfolgert.

          • Josef Anton sagt:

            Na ja, Urs

            Der Sohn des US Vize Präsidenten wurde sicherlich aufgrund seiner persönlichen Qualifikationen und keineswegs aufgrund seiner Beziehungen zur Regierung via seines Vater für diesen Job auserkoren. Vetternwirtschaft hat nichts mit Korruption zu tun, schliesslich wurden ja keine Gesetze verletzt.

          • urs lehmann sagt:

            Ok bez. Vetternwirtschaft/Korruption. Trotzdem sind es haltlose Unterstellungen.

          • Rolf Zach sagt:

            Habe gestern Arte geschaut wegen Tagebücher vom Ersten Weltkrieg. Diese hochtrabenden politischen und militärischen Eliten waren vollkommen hilflos die Logistik eines modernen Krieges zu beherrschen. Österreich-Ungarn war trotz einer niedrigeren Analphabeten-Rate als Russland und Italien in der Kriegswirtschaft noch ein grösseres Desaster als die genannten beiden Staaten. Das hinderte die Vertreter der österreichischen Schulen nicht, ihr katastrophales Versagen im Ersten Weltkrieg in der Praxis irgendwie zu rechtfertigen. Wie ein Papagei wiederholten sie ihre Theorien und auch nach dem Krieg beglückten sie damit ihre amerikanischen Studenten. Für den grosse Management-Theoretiker Drucker war Keynes der Grund allen Übels und List und solche Sachen haben ich bei ihm nie gelesen. Dagegen hat Keynes hart arbeitend in beiden Weltkriegen für Grossbritannien die effizienteste Kriegswirtschaft eingerichtet,

      • Josef Anton sagt:

        Die Idee, dass Regierungen um die Wirtschaft zu stimulieren Konsum anzukurbeln haben, verbunden mit einem mangelndem Respekt für den Sparer, stammt von Keynes und deren praktische Anwendung (in schlechten wie leider auch in guten Zeiten) wurde während der letzten Jahrzehnte nicht grundlegend verändert.

    • Josef Anton sagt:

      Dieser Artikel mag diesen Umstand erklären.

      http://www.garynorth.com/public/12439.cfm

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