Die Franken-Untergrenze wird zum Vorbild

Das grosse Geld regnets im Hintergrund: Eine Passantin unterstützt einen Strassenmusiker in Prag. (Bild: David W. Cerny/Reuters)
Während in der Schweiz einmal mehr darüber diskutiert wird, wann die Franken-Untergrenze gegenüber dem Euro fallen soll, hat sich in einem anderen europäischen Land eine Wechselkurs-Untergrenze gerade erst etabliert. Am 7. November 2013 gab die tschechische Nationalbank (CNB) bekannt, dass sie die Krone (CZK) mit Deviseninterventionen schwächen werde. Als neue Untergrenze gab sie 27 CZK pro Euro an. Der genaue Wortlaut der Erklärung lautete:
The CNB will intervene on the foreign exchange market to weaken the koruna so that the exchange rate of the koruna against the euro is close to CZK 27.
Auf der nachstehenden Grafik ist deutlich sichtbar, wie die CNB mit ihrer Erklärung eine schnelle Abwertung der Krone erreicht hat. Am Mittwoch, 6. November, lag der Wechselkurs noch deutlich unter 26 CZK pro Euro. Am Tag darauf, als die Erklärung gemacht wurde, erreichte er die Grenze von 27 CZK pro Euro und stieg seither noch etwas an. Die Operation hat kurzfristig Erfolg gehabt.

Vieles erinnert an die Ereignisse in der Schweiz im September 2011. In ihrer Erklärung macht die CNB klar, dass es sich hier um eine Untergrenze handelt, nicht um eine Wechselkursanbindung. Wie Teile der schweizerischen Bevölkerung haben offenbar auch viele tschechischen Beobachter die beiden Dinge vertauscht. So schreibt die CNB auf ihrer Webseite:
The decision to maintain the exchange rate close to CZK 27/EUR has generated a lively discussion among professionals and the general public. This public debate involves a number of myths to which the CNB must react.
Die Begründung ist fast exakt dieselbe, welche die Schweizerische Nationalbank vor zwei Jahren gab: Primär wird betont, dass die Wechselkursgrenze notwendig sei, um die Preisstabilität sicher zu stellen, wie es das Gesetz von der CNB verlangt. Auf der anderen Seite wird die Planungssicherheit betont.
Das Problem der tschechischen Nationalbank ist allerdings etwas anders geartet als dasjenige der SNB. Die tschechische Wirtschaft befindet sich seit 2012 in einer Rezession. Die CNB hat deshalb Angst davor, dass sich Deflationserwartungen dauerhaft einnisten. Die Zinsen hat sie längst auf Null gesenkt, aber die Inflationsrate sinkt immer wieder ins Negative. Über eine forcierte Abwertung versucht die CNB, das Wachstum anzukurbeln und Inflationserwartungen zu wecken.
Die folgende Grafik zeigt den Einbruch des Wachstums als Folge der Eurokrise (Quelle: Inflationsbericht der CNB, IV/2013). Während in der Schweiz die Binnenwirtschaft boomt, ist der private Konsum in der Tschechischen Republik seit längerem negativ.

Wird die Operation gelingen? Die CNB hat schon einmal vorsorglich angekündigt, dass sie die Untergrenze auf lange Zeit verteidigen werde. Lars Christensen, der die CNB seit längerem dazu ermuntert hat, die Wechselkurspolitik einzusetzen, ist skeptisch. Auf seinem Blog Market Monetarist empfiehlt er der CNB, notfalls die Untergrenze zu erhöhen, um die Inflationserwartungen zu beeinflussen.
Die Diskussion über die tschechische Geldpolitik ist für die Schweiz äusserst relevant. Es könnte durchaus das Szenario eintreten, dass sich das Wachstum abschwächt und die Inflation im Minus stecken bleibt. Zurzeit mögen die Konjunkturprognosen sehr optimistisch ausfallen. Aber es sind halt nur Prognosen.
49 Kommentare zu «Die Franken-Untergrenze wird zum Vorbild»
Die SNB hat sich nicht bemüht den Wert des Frankens zu korrigieren, obwohl der Franken gegenüber alle wichtige Währung seit letzten 4 Jahren permanent überbewertet ist. Die Japaner hat sich diesen Schritt gewagt und gesiegt, was hat die SNB bis heute unternommen, nur wenig(Untergrenze). Es könnte später herausstellen, dass die Schweiz in diesem internationalen Währung als Verlierer darstellt, weil die SNB sich nicht richtig bemüht hat, gegen das Ungleichgewicht im Devisenmarkt vorzugehen. Die SNB macht den gleichen Fehler wie in 2007, dass sie den Zinssatz vor der Krise erhöht hat, weil sie den Signal des Marktes nicht erkannte, bzw. die Analyse zum Teil falsch war.
Wie ich bereits in diesem Blog erläutet habe, dass der starkere Franken könnte später als fatalen Fehler herausstellen, wenn der Konjunktur sich beginnt abzukühlen.
*Die Japaner haben diesen Schritt gewagt und gesiegt*
Durch die Abwertung hat zwar die Exportfähigkeit zugenommen. Aber zu welchem Preis! Das Land mit vormals stark positiver Handelsbilanz ist nun ein von teuren Importen (Energie) gequälter Koloss mit negativer Handelsbilanz. Sieht mir eher nach Pyrrhussieg aus. Zu hoffen ist, dass die japanische Wirtschaft in den nächsten Jahren die Exporte zu steigern und die Importabhängigkeit zu verringern vermag.
Die Handelsbilanz war 2011 erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit negativ. Frühling 2011 geschah das Fukushima-Unglück, das dürfte wesentlichen Anteil haben an der negativen Handelsbilanz.
Kurz- bis mittelfristig funktioniert eine Obergrenze. Damit können Marktverwerfungen abgefedert werden.
Langfristig untergräbt eine fixe Obergrenze die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft.
Die Schweiz – vielleicht auch Tschechien – ist dabei, einen Fehler zu begehen: Sie setzt auf einen steigenden Euro. Die Euro-Zone ist angeschlagen und braucht einen schwachen Euro. Sie wird alles tun, um den Kurs zu schwächen.
Das könnte die Schweiz und Tschechien teuer zu stehen kommen.
Interessant ist der Vergleich der Volkswirtschaften der Slowakei und von Tschechien. Heute sind die volkswirtschaftlichen Kennzahlen praktisch übereinstimmend. Man frägt sich heute, warum sich diese beiden Völker bei praktisch ähnlicher Landessprache getrennt haben? Die Slowakei ist in der Euro-Zone, Tschechien nicht. Beide Volkswirtschaften sind heute irgendwie verlängerte Werkbänke von Österreich und Bayern. Dazu muss man aber wissen, dass die Slowakei der deutlich ärmere Teil der alten Tschechoslowakei war und 1990 eigentlich viel schlechtere Aussichten hatte als Tschechien nach dem Untergang des Sowjet-Kommunismus. Die Investitionen unter den Kommunisten nach 1948 waren in der Slowakei vielfach weisse Elephanten, die sich nicht rechneten. Sicher ist es für Tschechien richtig ähnlich wie die SNB eine Untergrenze zum € festzusetzen. Wäre es aber nicht besser gewesen, Tschechien hätte den € eingeführt, vielleicht wäre dann der alte Abstand bei den Pro-Kopf-Einkommen geblieben. Übrigens bin ich froh, dass sich die Slowakei von Tschechien abgespalten hat, so hat unsere Eishockey Nati mehr Chancen, dass gleiche gilt etwas weniger für die Fussball-Nati.
Eigentlich kann ein kleines Land mit eigener Währung umgeben von grossen Währungsblöcken gar keine eigenständige Währungspolitik betreiben. Sie müssen immer auf die Leitwährungen schielen und dann deren Politik autonom nachvollziehen. Machen sie es nicht, schädigen sie die Wirtschaft. Für Tschechien ist die € Anbindung folgerichtig.
Der Titel ist falsch und irreführend. Nicht eine „Franken Untergrenze“ wird verteidigt, sondern eine Frankenobergrenze. Die Grenze von Fr 1.20 zum Euro soll verhindern, dass sich der Franken gegenüber dem Euro weiter aufwertet. Die SNB hält den Franken künstlich tief, um die Schweiz exportfähig zu erhalten. Das Wort Untergrenze vermittelt dagegen den falschen Eindruck, dass es sich beim SFR um eine schwache Währung handeln könnte. Natürlich weiss das auch der Autor, er sollte das aber auch bei der Wortwahl im Titel berücksichtigen.
Falsch. 1,20 ist und bleibt rechnerisch eine Untergrenze, schliesslich soll der Kurs über 1,20 liegen. Ob man mit einer rechnerischen Untergrenze die Währung künstlich schwach oder stark halten möchte, ist eine reine Frage der Notierung des Kurses. Man könnte umgekehrt auch 0,8333 als Obergrenze definieren…
Währungsentwertung und Geld drucken kann als Massnahme gegen eine drohende Deflation interpretiert werden. Sie will also nicht Wachstum kreiren, sondern Schrumpfung vermeiden. Es handelt sich inswoeit um eine zentralistische Massnahme als dass es alle Bürger betrifft, die mit der manipulierten Währung leben müssen, denn es wirkt sich als Umverteilung von Vermögen und als Anreizsystem aus.
Ich verstehe Ihre Auslegung. Die Fragen dazu.
1. Umverteilung von wem zu wem?
2. Anreiz zu welcher Verhaltensweise?
Es handelt sich um einen Wettstreit der Währungsentwertung, welche ursprünglich vom FED mit QE (quantative easing) in die Welt gerufen wurde. Das sich damit entwickelnde zunehmende System der Zentralplanung kann man am besten spüren, wenn das FED das Wort „tamper“ in den Mund nimmt und die Märkte zu zittern beginnen.
Die Idee, dass durch Geldentwertung (Geld „drucken“) Wachstum kreiert werden kann, hat sich zu einer unangefochtenen Doktrin entwickelt, wobei nicht erkannt wird, dass vorgezogener Konsum (auf Kredit basierend) eine nachfolgende Konsumschwäche zur Folge haben muss, wobei einzig die Frage darin liegt, wann.
Langsam erkennt die Bevölkerung, welch teuflisches Spiel hier abläuft.
Wenn alle das Gleiche tun ist es eh wertlos. Das Geld kommt nicht bei den Konsumenten an da eine kleine Elite beschlossen hat dass ihr die Gewinne und Lohnsteigerungen vorbehalten sind (wir haben dem bei der letzten Abstimmung zugestimmt). Eine spürbare Entwertung gibt es nicht da die Nachfrage schwach, die Einkommensteigerung nicht vorhanden und nicht mehr Kredite vergeben oder nachgefragt werden. Eigentlich könnten die grossen Währungsblöcke ein Agreement treffen, dass alle mit dem Abwerten aufhören da es sowieso zwecklos ist wenn es alle zugleich machen.
Die Märkte zittern, wenn die FED das Wort „taper“ in den Mund nimmt.
Vielleicht, weil viele Marktteilnehmer denken, dass viele Marktteilnehmer damit erschreckt werden, oder weil viele Marktteilnehmer denken, dass viele Marktteilnehmer so denken, und darum verkaufen sie, nicht weil sie von „taper“ in Angst und Schrecken versetzt werden.
Nachdem die FED das Wort „taper“ in den Mund genommen hat und anschliessend etwas relativiert, aber dies keineswegs zurückgenommen hat, haben die Kurse neue Höchststände erreicht. Die Aktienmärkte, während Gold und Staatsoblis 10yr note nahe an Tiefständen notieren.
Wenn Aktienmärkte steigen, Staatsoblis und Edelmetalle sinken, sind dann die Anleger erschreckt?
Warum muss vorgezogener Konsum nachfolgende Konsumschwäche zur Folge haben? Gehe ich 5 mal ins Kino diese Woche, hat der Kinobesitzer Einnahmen, damit kann er mich bezahlen, das Kino zu putzen, und ich kann nächste Woche wieder 5 mal ins Kino. Oder er kauft seiner Frau ein Kleid und der Verkäufer kann ins Kino.
@ Anh Toan
Der SP500 ist dieses Jahr bislang 27% angestiegen. Die Gewinne ca. 5%. Passt das zusammen?
Weil das 2013 ja eher zufällig gewählt ist, nehmen wir deshalb besser einen langfristigen Schnitt der Gewinne (zB PE10/Shiller PE/CAPE oder auch anderes langfrist-PE, oder Kurs Sales, oder…): Resultat: die Märkte wären noch mehr überteuert.
Die Märkte diskontieren ja aber die Zukunft. Erwarten Sie ein US-Wachstum von sagen wir 5% real p.a.(am besten ohne Inflation)? Das wäre eine Möglichkeit, dass die Gewinne den Kursen nachrennen und diese wieder einholen (andere Möglichkeit wäre zB. ein Währungsschnitt, wovon wir aber lieber nicht reden wollen).
„Die Märkte diskontieren ja aber die Zukunft“
Zum Diskontieren gehört ein Diskontsatz (damit meine ich nicht den offiziellen). Sinkende die Zinsen haben i.d.R. einen tieferen Diskontsatz (Fortschreibung der aktuellen Entwicklung in die Zukunft) zur Folge, somit steigt der Gegenwartswert und somit (theoretisch zumindest, oft nur mit Verzögerung) der aktuelle Preis.
Die einen erwarten steigende Inflation, andere befürchten Deflation. Wir werden sehen wer Recht bekommt, Tatsache ist dass KPI-Inflation kein Problem ist obwohl seit 4-5 Jahren in sehr vielen Ländern die Geldschleusen weit geöffnet sind.
Vielleicht ist dieses Mal tatsächlich einiges anders – zumindest für lange Zeit. Weshalb hat z.B. Japan trotz Schulden von 250 BIP-Prozent wenn schon ein Deflationsproblem, aber sicher keines wegen zuviel Inflation? Und das obwohl die Zinsen seit 20 Jahren bei 1% liegen, und die Staatsschuld ebenfalls seit 20 Jahren über 100 BIP-Prozent beträgt?
Der bekannte deutsche Ökonom Prof. Hankel hat beides prognostiziert, also Inflation und Deflation gleichzeitig, wobei letztere für Südeuropa. Wenn man auf GR schaut hat er demanch teilweise schon richtig getippt.
@ urs lehmann
Sie haben recht darin, dass die Prognose Inflation/Deflation sehr kontrovers/schwierig ist. Mein Kommentar bez. Märkte diskontieren Zukunft war auf die Aktienmärkte gemünzt, also im besten Fall ohne gross Inflation (also im Sweet spot ohne die Probleme von Deflation/Inflation) bräuchten wir mehrere Jahre von Realwachstum in der Grössenordnung von +5% um bei den genannten Bewertungsmodellen (Shiller PE für US Aktienmarkt) auf durchschnittlich zurückzukommen. Wer weiss, vielleicht kommt das ja. Ich bezweifle das. Gerade das von Ihnen genannte Beispiel Japan hat anderes vorgemacht.
@Johnny Smith: Wenn die Zinsen langfristig auf einem Niveau ähnlich des aktuellen verharren, ist ein P/E von mindestens 30 angemessen, solange die Gewinne der Unternehmen nicht sinken.
Märkte reflektieren den richtigen Preis in Sinne von Angebot und Nachfrage, heute und jetzt. Um zu urteilen, dass dieser Preis falsch sei, brauche ich entweder Insiderwissen oder Zukunftskenntnis. Ich habe weder noch, Sie vermutlich genauso wenig.
Und wenn der Preis falsch ist (heute zu teuer), und alles düstere geschieht, was die Skeptiker vorhersagen, kann es dennoch sein, dass die Preise nicht fallen, weil noch etwas anderes geschehen. An der Börse behält man manchmal recht mit seiner Prophezeitung zu was kommt, aber wenn es kommt, werden die Kurse von etwas anderem bewegt. Manchmal erzielt man Verluste, obwohl alles so kommt, wie erwartet, manchmal Gewinne aus einem anderen Grund als dem erwarteten.
Auf Hoher See, vor Gericht und an Märkten ist gewiss nur die Ungewissheit.
@ urs lehmann
Ihr Hinweis auf einen tieferen Diskontierungssatz ist richtig und dürfte für etwas höhere Aktienpreise sprechen, danke. Aber nochmals Japan. Die Gewinne dürften sich dann auch nicht so positiv entwickeln. Aber immerhin, ein Grund, weshalb die von Shiller-PE angezeigten Überbewertungen vielleicht etwas weniger hoch sind.
@ Anh Toan
Ich bin etwas enttäuscht von Ihrer Argumentation. Sie bleiben etwas gar stark im Allgemeinen, zwar meist Richtigen aber auch Unverbindlichen oder zumindest Unkonkreten. Einerseits meinen Sie die Zinsen/Diskontierungssatz vorhersagen zu können. Andererseits kommen Sie zur Aussage, dass man Preise/Bewertungen/’Prophezeiungen‘ nicht erkennen könne. Ja, was denn nun?
Vielleicht ist das ja so, dass man Folgereturns (zB Rendite für die nächsten 10 Jahre) nicht vorhersagen kann. Das würde auch heissen, dass wir keine Möglichkeiten hätten, Aktienprognosen mit einer anständigen Trefferquote zu machen. Shiller hat etwas anderes gezeigt. Aber vielleicht war das nur Glück oder ist künftig nicht mehr möglich?
Zeigen Sie mir ein Modell, das bessere Prognosefähigkeiten hatte.
@johnny smith: Ich meine nicht, Zinsen vorhersagen zu können, ich sage wenn es so ist, und nicht ob es so ist.
Ich habe wenig Meinung zu Aktien, weder insgesamt, noch zu einzelnen Titel, Dinge wie Analyse persönlicher Risiko Fähigkeit, Liquiditätsplanung, Risikoabsicherung in erster Linie mittels Diversifikation, Rebalancing usw usw halte ich für wichtig. Meine unfundierte Meinung zu Aktien oder einzelnen Titel führt allenfalls zu einer leichten Über- bzw. Untergewichtung, Vielleicht ist dies etwas besser als würfeln, deutlich besser als würfeln gibt es nicht („There is no free lunch“ muss verstanden, nicht zitiert werden)
Ein Marktprofi hat mir auf eine mit Ihrer vergleichbaren Argumentation, der S&P hätte viel mehr zugelegt als die Gewinne, schlicht geantwortet: Na und, das weiss doch jeder, also warum sollte es nicht eingepreist sein?
Ein Anderer hat vor langer Zeit auf meine „Club of Rome“ Argumente gesagt: Sag mir, wann wenn Du mir was erzählen willst! (Solange man nicht sagt, bis wann ein Versprechen spätestens erfüllt wird, ist es keines, man sagt einfach später)
Und Ihr dürft jetzt auf mich einhauen als Freund zynischer Heuschrecken, aber ich habe gedacht, die Marktprofis wissen da mehr von als ich und mir machen diese Antworten Sinn, weil sie auf die meiner unfundierten Meinung gemässen wirklich für Märkte relevanten Fragen hinweisen:
Wann passiert etwas und was ist bereits in den Preisen drin.
Darauf kenne ich keine Antworten, auch nicht nach dem Lesen Ihres Kommentars.
@ Anh Toan
„Na und, das weiss doch jeder, also warum sollte es nicht eingepreist sein? “ Etwas andere Formulierung für strenge Form des effizienten Marktes à la Fama der Ältere. Zum einen führt das zum (für mich, zugegeben im Nachhinein bei den Tulpen) fragwürdigen Schluss, dass man Tulpen auf der Höhe der Tulpenmanie kauft ebenso wie Internetaktien auf der Höhe des Internetbubbles. Und zum anderen, Shiller hat mittlerweile aufgezeigt, dass mit Bewertungsmodellen eine Einschätzung für langfrist-Aktienrenditen möglich war (ist?). Vielleicht hatte er mit dem Timing der Finanzkrise bzw.mit seinen Aussagen zu hohen Bewertungen davor – also real time Aussagen, nicht erst im Nachhinein – Glück, aber zumindest für ex post Analysen ist sein Modell über immerhin mehrere Jahrzehnte ziemlich hilfreich gewesen. Vielleicht ist es ex ante nicht hilfreich? Deshalb die Frage nach besseren Modellen.
Langer Rede kurzer Sinn: ich glaube nicht an die strenge Form des effizienten Marktes und denke deshalb, dass (wie Sie sagen kleine) Über-/Untergewichtungen hilfreich sein dürften. Mit dieser Prämisse muss/sollte man sich auch Gedanken machen, wie man die aktuellen Preise zu erklären sucht. Ob die Erklärungen richtig sind oder nicht, ist wieder eine andere Frage, welche sich aber vermutlich in der Zukunft zeigen wird.
Sie glauben offensichtlich an die strenge Form des effizienten Marktes, womit Sie sich keine Gedanken über Bewertungen, Realwirtschaftliche Prognosen, etc machen müssen in Bezug auf Anlagen. Es bleiben die von Ihnen genannten Punkte („persönlicher Risiko Fähigkeit, Liquiditätsplanung, Risikoabsicherung in erster Linie mittels Diversifikation, Rebalancing“) und Kostenoptimierung, Gebühren.
@ Anh Toan
„Wann passiert etwas und was ist bereits in den Preisen drin. “
Das ist effektiv für Anlagen die relevante Frage bzw. Fragen.
Was ist in den Preisen drin? siehe oben meine Meinung, denke, dass Shiller (und manche andere, heute zB einige der mMn fundiertesten Analysen kommen von Hussman) aufzeigen konnte, dass langfristige Disziplin mit seinem Modell sich auszahlte.
Wann? Kurzfristig sind diese Modelle nutzlos, längerfristig (10 Jahre?) aber erstaunlich treffsicher (gewesen). Das mag paradox erscheinen, muss es aber nicht sein: Machen Sie eine Prognose, wann jemand von der Arbeit nach Hause geht. Wenn Sie die Situation ‚analysieren‘, werden Sie vermutlich gewisse Zeitmuster für den Zeitpunkt erkennen. Machen Sie um 16 Uhr eine Prognose: zB in den nächsten 10 Minuten (Trefferquote vermutlich im 0.x% Bereich), in den nächsten 3 Stunden (hohe Trefferquote),… vielleicht aber ausgerechnet an diesem einen Prognosetag nicht.
Wenn man dann noch liest, dass die Gewinnmargen unüblich hoch sind, habe ich meine Bedenken zu obigen Erklärungsansätzen für die hohen Aktienkurse. Der Ansatz, dass die Explosion der Monetary Base zu diesen starken Anstiegen beigetragen hat, erscheint mir wesentlich plausibler. Nicht, dass ein es kausal oder gar mechanistisch so sein MUSS, es kann durchaus sein, dass es nur so ist, weil alle denken, dass die anderen dies denken.
Aber es wäre ja noch vor 10 Jahren undenkbar gewesen: das Q3 hat ein Wachstum von +3.5% gezeigt, die anderen davor zwar tiefer und aber auch dort ein (mageres) Wachstum. Und die FED druckt Geld wie wenn wir in einer Depression wären. Wieso nicht gleich das Doppelte drucken, wenn das Wachstum nicht wenigstens +5% erreicht?
@Johnny Smith: „Resultat: die Märkte wären noch mehr überteuert“
Die Märkte könnten ja vorher auch viel zu billig gewesen sein?
Wer auf komplexe Fragen einfache Antworten weiss, irrt immer.
„…irrt immer“
Wer auf komplexe Fragen einfache Antworten weiss, irrt immer. Auch hier? 😉
Überzeugen Sie mich davon, dass die Märkte zu billig waren, aber bitte mit Argumenten. Ich habe wenigstens ein paar Erklärungsversuche dafür, dass die Märkte zu teuer sind, gebracht.
apropos zu billig, überteuert:
Die Aussage war, dass die angesprochenen Modelle sagen, der US Markt sei überteuert, nicht ich sage die Märkte seien überteuert. Sie haben zB. zwei Möglichkeiten dagegen: erstens aufzuzeigen, dass das Modell aus diesem oder anderem Grund fehlerhaft ist/war, oder dass die Umstände (FED?) sich so geändert haben, dass die hohen Modellbewertungen irrelevant seien. Zeigen Sie mir Alternative Modelle, welche anzeigen, dass der US Markt günstig ist. This time is different.
@Johnny Smith
Der andere Thread ist mittlerweile etwas lang, unübersichtlich, darum antworte ich Ihnen hier.
Den japanischen Aktienmarkt verfolge ich nur am Rande, ohne gesundes Fundament (Staatsfinanzen!) ist mir das Risiko zu hoch. Langfristig gesehen, hatte Japan eine Immobilien- plus Aktienmarkt-Blase. Ich meine mich zu erinnern, dass auf dem Höhepunkt Ende der 80er eine Aktien-P/E von 100 als fair angesehen wurde, und dass allein die Liegenschaft Kaiserpalast (0,11 km2) so viel wert war wie ganz Kalifornien. Nach dem Platzen hatten die Banken, z.T. auch Nicht-Banken, ein Bilanzproblem und mussten Schulden abbauen. Hört sich irgendwie bekannt an, nicht?
Nach der Jahrtausendwende kam dann das Problem mit der überalternden Gesellschaft zum Tragen. Abgesehen vom Gesundheitswesen dürfte es kaum einen Bereich geben, der von positiven Rahmenbedingungen profitiert. Ich mag mich täuschen, aber dementsprechend düster werden wohl allgemeinen die Ausichten beurteilt. Keine Ahnung wie die aktuelle Markt-P/E ist, aber mit düsteren Wirtschaftsaussichten werden wohl die meisten potentiellen Käufer aussichtsreichere Märkte finden. Und auch hier dürfte zutreffen: La baisse amène la baisse.
Aus Sicht Aktionär wirken sinkende Zinsen i.d.R. auf mindestens vier Ebenen (steigende Zinsen natürlich gegengleich):
– Sinkende Unternehmens-Zinslast => mehr Gewinn
– Höhere Obli-P/E => höhere Aktien-P/E zulässig (siehe unten)
– Allgemein freundliches Wirtschaftswetter => steigende Umsätze, Gewinne
– Allgemein freundliches Börsenwetter => la hausse amène la hausse
Allenfalls zusätzlich:
Sinkende Zinslast der öffentlichen Hand => Steuerreduktion
Je nach Rahmenbedingungen bzw. Auslöser der Zinssenkungen kommt oft eine sinkende/steigende Währung hinzu
Obli-P/E:
Die P/E einer Obligation beträgt Kurswert/Verfallsrendite. Aktien sind riskanter, darum wird ein Risikozuschlag als sinnvoll erachtet. Traditionell (vor der Krise) wurde gegenüber 10jährigen Bundesobli für stabile gestandene Unternehmen typischerweise 2% Risikoprämie als sinnvoll erachtet, aber heutzutage ist die Dividendenrendite klar höher, weshalb ein Teil dieser 2% bereits durch die Dividende „bezahtl“ wird, mir scheint 1% eher angemessen (auch für 0% kann argumentiert werden).
10j Bundesobli rentieren aktuell 1,8%, plus 2% Risikozuschlag entspricht P/E 26, 1% Risikozuschlag gibt P/E 35 (das dürfte auch der Grund sein, weshalb Ahn Toan P/E von mindestens 30 als angemessen bezeichnet). Ob diese Parameter nachhaltig sind, wird sich zeigen. Ich tendiere je länger desto mehr zu einem „Ja“. Mit Anwendung des Shiller-Modells gehen sie im Grunde von einem „Reversal to the mean“ aus. Auch dafür gibt’s natürlich gute Gründe.
@ urs lehmann
Vielen Dank für Ihre Antwort. War gestern anderweitig beschäftigt und bin deshalb erst heute dazu gekommen Ihre Antwort zu lesen.
Ich bin mit vielem einverstanden. Ein tiefer Diskontierungssatz dürfte die plausiblen Bewertungen sicher anheben. Es gibt aber auch empirische Daten, welche zeigen, dass es (leider/zum Glück?) nicht so einfach ist. ZB. in Japan haben wir heute noch tiefere Zinsen als auf dem Peak der Euphorie, die PEs sind dennoch deutlich tiefer. Sprich es gibt ‚übertiebene‘ Bewertungen / Bubbles, wo das FED-Modell (Gewinnrenditen vs. Zinsen) versagt. Auch in den USA hat sich das FED Modell zwar als nicht schlecht erwiesen, aber doch als deutlich weniger prognosefähig als zB. das Shiller-Modell. Eine sehr gute kurze Auslegeordnung macht Hussman ( zB. http://www.hussmanfunds.com/wmc/wmc130318.htm). Ob das künftig auch so sein wird, weiss ich natürlich auch nicht, suche deshalb nach Gründen, wieso das diesmal nicht so sein sollte.
@johnny smith: Was @Urs Lehmann schreibt, ist die präzise Version meiner über den Daumen Peilung.
Ich sage Ihnen aber auch noch, wie meine Meinung zu Märkten entsteht, vor allem Aktienmärkten:
(ich lese keine Bilanzen, mich interessieren keine Berechnungen anhand irgendwelcher Theorien, die ohnehin der Markt kennt, mich interessiert die Stimmung der Marktteilnehmer, glaube aber nicht, diese den Fieberkurven der Vergangenheit entnehmen zu können)
Was Kostolani seine Taxifahrer waren, sind mir die Kommentatoren und die Daumenclicker:
Sehen (fast) alle den Weltuntergang kommen, ist es Zeit, überdurchschnittlich Risiken einzugehen (mehr Aktien, zuerst Aktien mit tiefem Risiko, diese werden zuerst von den zittrigen Händen wieder angefasst, und darum auch von den ruhigen, die ihre Hausaufgaben (rebalancing) machen). Sehen alle nur noch Friede, Freude, Eierkuchen, ist es Zeit für eine Untergewichtung.
Dies strategisch, dazu taktisch, „the trend is your friend“ und das gleiche sagend „never catch a falling knive“ oder französisch wie von @Urs Lehmann zitiert.
Also kein absolutes, sofortiges Rebalancing, Gewinne laufen lassen, allenfalls langsam Gewinne mitnehmen, wenn das rebalancing beginnt, weil die Kurse fallen, dieses mit Verkäufen unterstützen, mindestens bis das Depot wieder entsprechend der Strategie aufgestellt ist, vielleicht sogar weiter langsam in die fallenden Kurse verkaufen, das „missbalancing“ mit kleinen Verkäufen in die fallenden Kurse verstärken, bis die Kurse das rebalancing beginnen und dann dieses mit Zukäufen unterstützen.
WARTEN ist das Wichtigste, wenig kleine Anpassungen, ich halte es für besser als Altmeister Kostolanis: Aktien kaufen, wenn die Kanonen donnern, und dann schlafen, lange schlafen. Nicht schlafen, sondern warten wie der Fluss geht, und dann mit ihm schwimmen, denn „we’re only in it for the money“, ob wir gewinnen oder nicht verlieren wollen.
Zur Zeit entnehme ich dem „Daumen hoch oder runter Bild“ Kommentaren usw, es gibt noch viele Skeptiker, aber einiges mehr an Optimisten, Herr Faber und Herr Roubini sind nicht mehr gefragt, aber ich sehe noch weit und breit keine Euphorie, Risiken werden höher gewichtet als Chancen, also Ich meine, jetzt ist es Zet in riskantere Titel zu wechseln, die ruhigen Hände haben ihr Rebalancing zuerst mit defensiven Titeln gemacht, die zittrigen Hände fangen erst an, die defensiven Titel zu kaufen, sie hätten lieber Staatsoblis mit Zinsen, aber das ist nicht zu haben. ich sehe in der aktuellen „Schwäche“ eine Konsolidierung, nicht eine Trendumkehr. Bisher war die Hausse zumindest auch wesentlich von den defensiven Titeln getrieben, langsam geht es zu den offensiveren, einzig die Banken will man nicht anfassen, da gibt es keine Gewinnvisibilität.
@ Anh Toan
Danke auch für Ihre Antwort. Auch hier bin ich mit fast allem einig. Einzig bei der aktuellen Einschätzung, wie weit wir bereits im Zyklus sind, habe ich den Eindruck, dass schon viel gelaufen ist. Viele Sentiment Indikatoren stehen so hoch wie schon seit Jahren nicht mehr, teilweise höher als vor der Finanzkrise oder auch Internetbubble. Auch die Margin Debts sind so hoch wie noch kaum je. Aber rein vom ‚Taxifahrer‘ her ist es schon so: die ‚Putzfrauen-Euphorie‘ ist noch nicht so weit wie sie mal war. Leider ist das eine sehr subjektive Einschätzung, welche man nicht gegen die Vergangenheit testen kann bzw. mit anderen Worten, wie stark lasse ich persönliche Eindrücke in die Gesamtbeurteilung einfliessen.
Summa summarum habe ich den Eindruck, dass die vermutlich lange noch sehr tiefen Zinsen einen Teil der extrem hohen Bewertungen rechtfertigen, dass aber ein mind. ebenso grosser Teil auf Euphorie/Unvorsichtigkeit der Anleger aufgrund des FED-Puts/QE Garantie zurückzuführen ist.
Ich wollte keineswegs behaupten, dass das Erwähnte vollständig sei, dazu ist das Leben zu komplex 😉
Genausowenig wollte ich ausdrücken, dass dies dir RICHTIGE Betrachtungsweise sei, im Gegenteil. Es ging mir lediglich darum, aufzuzeigen dass basierend auf den tiefen Zinsen die aktuellen Bewertungen problemlos gerechtfertigt werden können, ohne Anspruch darauf dass dies tatsächlich korrekt ist, weil die Grundlage (das Zinsniveau) von vielen als ungerechtfertigt tief erachtet wird.
Der Vergleich der heutigen Bewertungen in Japan mit denjenigen während der Blase halte ich für falsch, weil sich im Nachhinein gezeigt hat, dass die damaligen Bewertungen viel zu hoch waren. Das ist, als würde ein ungedopter Velorennfahrer mit Lance Armstrong verglichen werden.
Vielleicht müssen die Sentiment-Indikatoren regional unterschieden werden zwischen USA und Europa. Für mich sind die Aktienquoten der Pensionskassen für die CH am aussagekräftigsten:
Aufgrund der bestehnden Regulierung der Pensionskassen wird zum Einen prozyklisches Anlegen gefördert. Zum Anderen führt die potentielle Haftpflicht der Mitglieder des Stiftungsrats zu einer prozyklischen Grundhaltung der Entscheidungsträger – wer mit dem Strom schwimmt, geht viel weniger persönliches Risiko ein als wer gegen den Strom schwimmt. Kommt hinzu, dass die Pensionskassen insgesamt allemal genügend gross sind um die Börsenindizes in der CH zu bewegen – weniger in manipulativer Absicht, sondern einfach als Folge ihrer Ver-/Käufe.
Ausserdem werden die Zahlen vernünftig häufig publiziert, sind verlässlich weil tatsächliche Anlagen und nicht nur Absichtserklärungen, und es kann mMn davon ausgegangen werden, dass die Zahlen nicht manipuliert sind (Libor lässt grüssen).
Ich lasse mich gerne von den Jahreszeiten beeinflussen: Herbst und Winter oft voll investiert, und im Laufe der CH-Dividendensaison Aktien reduzieren bzw. für die warme Jahreszeit teilweise absichern. Ausserdem berücksichtigen, dass typischerweise alle 3-4 Jahre ein kräftiger Taucher (20-30%) auftritt.
Danke für den Hussman-Link. Viel Gedankenfutter.
Es ist weniger wichtig, wie hoch Zinsen liegen, sondern die Veränderung „steigend“ oder „fallend“ ist mindestens ebenso wichtig. 10 year T-Note rate Ende April etwa 1,7%, heute 2,85%. Immerhin eine Steigerung von 60% und dies trotz QE oder vielleicht wegen QE. Die Komplexität der Zusammenhänge ist definitiv zu hoch, um darauf zu zählen, dass ein paar PHDs, welche anhand von etwelchen Modellen ihre Delusionen ausleben, wirklich wissen, welche Folgen sich mittel- bis langfristig daraus ergeben. Aber das Vertrauen in diese Entscheidungsträger ist noch enorm gross.
@Urs Lehmann: Das mit den Pensionskassen ist gut für den SMI, Danke!
Betreffend dem mit dem Strom schwimmen bzw. prozyklischem Verhalten: Ich stimme Ihnen zu, meine strategische Ausrichtung (feste Aktienquote auf Basis von Risikofähigkeit festgelegt) hat einen „contrarian“ Effekt. Dies durchzuhalten ist aber (mir) psychologisch sehr schwierig, darum erlaube ich mir eine taktische Abweichung (+/- 10%) mit prozyklischem Effekt.
@Johnny smith: Tulpenzwiebel
Meine Strategie hätte dazu geführt, dass ich schon ein paar Tulpenzwiebeln im Depot hatte, bevor diese Höchstände erreicht hätten, hätte ich schon viele verkauft (Rebalancing), zwar noch immer eine aus meiner taktischen Abweichung resultierende Übergewichtung im Depot, deren Totalverlust jedoch kleiner wäre, als die vorher bereits realisierten Gewinne. Aber selbst, wenn ich auf dem Höhepunkt in Tulpenzwiebel einsteige, ich einen verkraftbaren Verlust erziele, denn ganz klar beruht meine Strategie vor allem auf Diversifikation.
@johnny smith: „Das würde auch heissen, dass wir keine Möglichkeiten hätten, Aktienprognosen mit einer anständigen Trefferquote zu machen.“
Ja, ich halte dies für unmöglich. Ich behaupte, Sie selbst glauben Ihrem Herrn Schiller nicht, sind nicht voll exponiert auf die Prophezeihungen seiner Erkenntnisse, reich wenn es richtig ist und pleite, wenn sich die Realität anders entwickelt. Aber selbst wenn es möglich wäre, ich sehe die schlauesten Leute bei den Banken und Hedgefonds dies versuchen, mit Supercompuetrn und komplexester Mathe, aber nicht können, da erscheint es mir aussichtlos, dies selber zu versuchen. Ja, ich behaupte gar, diese Leute seien letztlich dennoch dumm, gerade weil sie offensichtlich Unmögliches (die Zukunft vorher zu sagen) versuchen.
Anlegen ist für mich Management von Ungewissheit, nicht Suchen von Gewissheit.
Viel einfacher als das Vorhersehen einer Marktentwicklung erscheint mir das Vorhersehen des Ergebisses eines Fussballspiels. Aus Mannschaftsaufstellung, Tagesform, Schiedsrichter, Tabellenstand, Heimvorteil. spielt der FC Hilterdorf gegen den FC Basel im Joggeli, na ja, dass der FCB gewinnen wird ist weitgehend vorhersehbar, jedoch die Wahrscheinlichkeit eines anderen Ergebnisses nicht berechenbar. (Forfaitniederlage wegen Fan Ausschreitungen, oder gar: Extrem kämpferisches Auftreten des FC Hilterdorf (was sollen die sonst tun) provoziert die FCB Spieler, 3 rote Karten, kaum Spiel in der ersten Halbzeit (1/0), in der zweiten 8 FCB Spieler auf dem Platz, der letzte Innenverteidiger kann nicht mehr laufen, lebt alleine noch von seinem Stellungspiel, ist bei einem langen Ball aus der Verteidigung viel zu langsam, Notbremse des Goalie, 4 rote Karte, gegen den Feldspieler im Tor ist das Versenken des Penaltys kein Kunststück 1/1, Verlängerung 1/1 trotz zwei roten Karten für FC Hilterdorf, die zweite n der 121 Minute, Penaltyschiessen gegen einen Feldspieler im Tor des FCB ….). Nur ein dämliches Fussballspiel in einem Stadiion mit 2*11(14) + 1 Hauptprotagonisten und ein paar Nebenprotagonisten, aber versuchen Sie mal, Wahrscheinlichkeiten zu berechnen.
@ Anh Toan
Wow, der Thread wird langsam lang, schon die Suche nach dem Antwort-Knopf wird langsam schwierig 😉
Ihr Ansatz mit Rebalancing ist ein Weg (kein neuer), den ich für gut halte. Auch gegen eine vernünftige Diversifikation werden nur wenige etwas einzuwenden haben. Ich kritisiere also den Ansatz des eher passiven Investierens überhaupt nicht, zumal er neben günstigeren Gebühren auch den Vorteil des geringeren Aufwands hat. Aber es gibt oft ja viele (weitere) Wege, die nach Rom führen.
Shiller ist nicht ‚mein‘ Herr Shiller, er ist einfach der bekannteste (wohl auch schon vor dem Nobelpreis) Vertreter, der aufzeigen konnte, dass die strenge Form der Markteffizient nicht zutrifft bzw. zutraf. Wenn Sie die Zeit dazu finden, nehmen Sie sich dazu unbedingt einmal meinen obigen Hussman-Link vor. Sie werden auch andere Ansätze dort finden. Sie haben aber recht, dass ich weder Shiller- noch andere Modelle unbesehen und unkritisch übernehme und gerade deshalb nach Schwächen und Gegenargumenten suche.
@ Anh Toan
In einem Punkt bin ich etwas anderer Meinung. Die hochdotierten HedgeFund-Manager oder Handelsabteilungen der Banken: kaum jemand hat dort einen langfristigen Zeithorizont. Wer nicht nach ein paar Monaten Erfolg hat, ist seinen Job los. Auch im Beratergeschäft verliert man Kunden, wenn man 3 Jahre gegen den Strom schwimmt und falsch liegt. Jeremy Grantham wird zitiert mit der etwas pointierten Aussage, der Kunde habe 3.0 Jahre Geduld. All dies, zusammen mit Keynes ‚besser falsch in der Menge, als allein richtig‘ führen zu prozyklischen Phänomenen.
Der wichtigste Aspekt wird unterlassen, in den Begründungen zu erwähnen. Ein einziger Mann nimmt das Wort „taper“ in den Mund und die ganze Welt erzittert, während gewisse Leute noch immer von „Freiem Markt“ lamentieren. Es übersteigt meine Vorstellungskraft, wie diese Menschen die Fähigkeit besitzen, solch eine Intensität von Planwirtschaft mit einem Freien Markt zu verwechseln. Wenn die Qualität von Blut in einem Körper abnimmt, führt man diesem Organismus zusätzliches Blut zu und glaubt damit das Problem gelöst zu haben????
Wenn ich Artikel wie diesen lese kommen mir die Priester des Freien Marktes (Ökonomen) immer mehr wie die Medizinmänner, Schamanen und Regenmacher der vergangenen Zeiten vor, die wie die ersteren trotz ihres kontinuierlichen Scheiterns ihre Vormachtsstellung zu halten suchen. Sie haben eigentlich keine Ahnung, was vor sich geht, ihre Rezepte funktionieren nicht (und hatten überhaupt nie funktioniert, nur wussten das die Massen nicht), und nun torkeln sie von einem Desaster ins nächste.
Eigentlich müsste ein tiefer Zins doch zu mehr Investitionen führen, denn das haben wir unseren Schülern während der letzten 30 Jahren gepredigt, und nun ist er bei 0%, die Geldschleusen sind offen, und statt Inflation, wie der Hohepriester Milton Friedmann gepredigt hatte, besteht Deflationsgefahr! Natürlich könnte man den Geldfluss statt via Banken in Aktienmärkte zu pumpen (wo Inflation tatsächlich stattfindet, aber dort heisst sie Kursfeuerwerk), via Volk in die Wirtschaft fliessen lassen, aber Gott (Markt) verbietet natürlich alles, was den 99% nützt, denn er ist ein zorniger Gott der 1%, der Staatseingriffe wie Mindestlöhne aufs schärfste verbietet.
Und während die Priester des Freien Marktes wie betrunkene Irre durch die dunkeln Strassen torkeln und alles über den haufen werfen, wo sie in ihrem blinden Wahn hinein wanken, gehorchen wir wie Schafe ihren Massregeln und fragen sie weiterhin um Rat.
„Ich möchte, und dies sei der letzte und der sehnlichste meiner Wünsche, (..) dass der letzte der Könige erwürgt werde mit den Gedärmen des letzten Priesters.“ Jean Meslier
@Ralph Sommerer
Ich stimme Ihnen zu, dass die Medizinmänner des „freien Marktes“ langsam aber sicher am Ende ihres Lateins sind. Aber Ihre Vorstellung, dass man sich irgendwo auf der Teppichetage darauf geeinigt hätte, dass nur die „1%“ (wer das auch immer sein mag) profitieren sollen – scheint mir dann doch ein wenig weit hergeholt. Die Kapitaleigner würden noch so gerne alle möglichen und unmöglichen Geldflüsse dem „Volk“ zur Verfügung stellen, sodass auch noch die sattesten Schweine sich noch mal an den Trog stellen könnten. Aber irgendwie kommen da alle möglichen Gesetze der Profitabilität des Kapitals in Konflikt miteinander. Arbeit und Kapital bedingen sich gegenseitig – und stehen sich gleichzeitig im Weg. Hier liegt der Hund begraben.
Eines der Grundsätzlichen Probleme auf die Herr Sommer uns aufmerksam machen will, ist, dass das viel gepriesene System des Homo oekonomikus, auf dem viele Annahmen unserer Ökonomen basieren schlicht weder wissenschaftlich noch in der Praxis haltbar ist. Es braucht neue Ansätze die zwar auch falsch sein können, aber schlussendlich etwas bewegt (wenn auch nur in den Köpfen der Ökonomen.)
Die Ökonomen behaupten nicht (weder „linke“ noch „rechte“) dass es ein generelles Rezept gibt für die Überwindung einer Liquiditätsfalle gibt. Die Kursuntergrenze macht Sinn, im Gegensatz zu einer Anbindung, bei welcher die künftige eigene Geldpolitik vollkommen aufgegeben und die Zinspolitik der EZB nur noch nachvollzogen wird (wie das zB die Österreicher vor dem Eurobeitritt 2002 machten).
@Josef Marti
Es ging dem Herr Sommerer glaube ich auch nicht darum, dass die Ökonomen fälschlicherweise behaupten würden, dass sie ein „generelles Rezept für die Überwindung einer Liquiditätsfalle“ besässen, sondern dass die Nationalbanken (grosse wie kleine) sich wie „Getriebene“ verhalten, welche ihre schwere Munition zwar schon längstens verschossen haben – aber trotzdem so tun müssen als ob sie alles im Griff hätten – sodass keine Panik auf den Märkten ausbricht.
Geldpolitik ohne Einkommenspolitik bringt eine Volkswirtschaft schwerlich auf Wachstumskurs. Da können die Zentralbanken sich noch so sehr Mühe geben. Diesen Prozess sieht man jetzt auch in den USA, wo die Konjunkturerholung mühselig und stotternd ist. Die Regierung Obama versucht zwar die Geldpolitik der FED mit ihrer Einkommenspolitik zu kombinieren, aber im Kongress ist nicht nur die Tea-Party gegen eine solche Politik.
Die hier verbreiteten Ideen hört man häufig, sind aber irreführend. Das zusätzliche Geld kriegt ja niemand geschenkt, sondern muss es sich leihen (nebenbei: man könnte damit natürlich wie anderswo auch Staatsfinanzierung betreiben, aber das wäre Diebstahl). Dass beim heutigen Schulden- und Vermögensstand in der Schweiz netto niemand Bedarf hat, noch mehr Schulden zu machen, ist ja wohl klar. Leider passiert es dennoch im Immobilienbereich. Dabei ist es ein historisch guter Moment, um Hypotheken mit PK-Guthaben glattzustellen.
Auch weshalb in der Schweiz fallende Preise schlecht sein sollen, ist mir bis heute völlig schleierhaft. Denn im hiesigen Fall sind sie ja nicht Ausdruck eines Schuldenkollapses, sondern Ausdruck von Produktivitätsgewinnen, die über diesen Weg an die gesamte Bevölkerung verteilt würden. Mit der heutigen Wechselkurspolitik bringt man die Leute um die Früchte ihrer Arbeit und parkiert die entsprechende Summe in risikoreichen Papieren.
Das Gegenteil ist der Fall. Nur wenn der Produktivitätsfortschritt systematisch und konsequent oben abgeschöpft und eben gerade nicht an die Bevölkerung verteilt wird entstehen dauerhaft fallende Preise. Vorläufig sind wir in der CH erst am Anfang dieser Entwicklung.
Wie kommen Sie darauf, dass die Notebanker „Priester des freien Marktes“ sind? Das sind Bürokraten. Die Steuerung der Wirtschaft durch die Notenbanken hat nicht mehr viel mit einer freien Marktwirtschaft zu tun.