Der doppelte Fama

Eugene Fama. (Reuters)

Der eine hat den Nobelpreis verdient, der andere nicht: Ökonom Eugene Fama heute und früher. (Reuters)

Das Nobelkomitee der schwedischen Riksbank hat letzte Woche für Wirbel gesorgt: Der diesjährige Wirtschaftsnobelpreis geht mit Eugene Fama und Robert Shiller (nebst Lars Peter Hansen) an zwei Männer, die sich jahrzehntelang als Kontrahenten gegenübergestanden haben.

Der eine – Fama – ist der Hohepriester der effizienten Finanzmärkte, die von rationalen Erwartungen getrieben werden. Der andere – Shiller – kämpfte während seiner gesamten akademischen Karriere gegen diesen Irrglauben an; die Marktteilnehmer verhalten sich zeitweise höchst irrational, bewies Shiller, und daher seien die Finanzmärkte auch nicht immer effizient.

1987 sagte Shiller, die Hypothese der effizienten Finanzmärkte (Efficient Markets Hypothesis, EMH) sei der «bemerkenswerteste Fehler in der Geschichte der ökonomischen Theorie». Nun werden die beiden am 10. Dezember die Nobelmedaille zusammen erhalten.

Über Shiller ist in den vergangenen Tagen in den Medien viel geschrieben worden, daher wollen wir uns hier etwas vertiefter mit Eugene Fama befassen.

Meiner Meinung nach ist der Nobelpreis für Fama hochverdient. Und gleichzeitig absurd.

Wieso?

Das liegt im Phänomen des «Doppelten Fama». Der Kolumnist Barry Ritholz hat es in der «Washington Post» gut beschrieben; man muss unterscheiden zwischen Fama dem Jungen und Fama dem Alten. Ich gehe noch etwas weiter und finde, man muss unterscheiden zwischen dem, was Fama der Junge gesagt hat, und dem, was die Finanzwelt sowie Fama der Alte später daraus gemacht haben.

Doch der Reihe nach.

Eugene Fama, 1939 in Boston in eine italienische Immigrantenfamilie geboren, ist, was seine Laufbahn betrifft, ein «Chicago Boy». Seine höheren Studien in Ökonomie und Finanztheorie absolvierte er an der University of Chicago (sein Doktorvater war Merton Miller), wo er auch seine akademische Karriere verbrachte und noch heute lehrt.

Famas Dissertation im Jahr 1965 trug den Titel «The Behavior of Stock Market Prices», und er legte damit den Grundstein für seine Theorie. Er nahm darin das Gedankengut des französischen Mathematikers Louis Bachelier auf, der schon 1900 mit der «Theory of Speculation» das Preisgefüge an den Finanzmärkten untersucht hatte. Fama trat mit der Arbeit den Beweis an, dass die Kurse an den Aktienmärkten einem «Random Walk», also einem zufälligen Pfad folgen, und dass ihre kurzfristigen Bewegungen nicht vorhersehbar sind. Daraus leitete er – vereinfacht gesagt – ab, dass der Mechanismus des Marktes (der aus Hunderttausenden von Teilnehmern besteht) für seine Preisfindung stets alle verfügbaren Informationen korrekt einbezieht – der Markt also von rationalen Erwartungen getrieben wird und sich effizient verhält.

(Fama sagte übrigens nie, dass sich jeder einzelne Marktteilnehmer stets rational verhält. Aber er ging davon aus, dass sich alle Marktteilnehmer in ihrer Gesamtheit im Durchschnitt rational verhalten.)

Noch im selben Jahr seiner Dissertation legte Fama mit dem populärer geschriebenen Papier «Random Walks in Stock-Market Prices» nach, in dem er die These aufstellte, dass Investoren weder mit technischer noch mit fundamentaler Analyse in der Lage seien, den Gesamtmarkt dauerhaft zu schlagen.

1970 schliesslich legte er mit «Efficient Capital Markets: A Review of Theory and Empirical Work» nach, einem Fachartikel, in dem er drei Arten von informationeller Effizienz an den Finanzmärkten beschrieb (schwach, halb-stark und stark). Spätestens mit diesem Werk zementierte Fama für gut zwanzig Jahre den Zeitgeist in der modernen Finanztheorie.

Die Finanzmärkte sind effizient, sie inkorporieren stets alle verfügbaren Informationen, sie werden von rationalen Erwartungen getrieben. Punkt.

Die Hypothese hatte gewaltige Auswirkungen auf die Investorenwelt. Fama kann als Vater des indexbasierten (passiven) Anlegens bezeichnet werden. Jeder Anleger, der heute beispielsweise einen ETF (Exchange Traded Fund) auf dem Swiss-Market-Index kauft, kann Eugene Fama danken, dass er nichts Dümmeres gemacht hat.

So viel zu Fama dem Jungen. Er hat den Nobelpreis verdient.

Nun kommen wir zu Fama dem Alten, respektive zu dem, was die Finanzwelt mit der Arbeit von Fama dem Jungen angestellt hat.

1965 hatte Fama in seinem «Random Walk»-Papier zwar noch gewarnt:

It is unlikely that the random-walk hypothesis provides an exact description of the behaviour of stock market prices. For practical purposes, however, the model may be acceptable even though it does not fit the facts exactly.

Doch diese Einschränkung ging in der breiten Anwendung seiner Lehre rasch vergessen. Von der Hypothese Famas, die Finanzmärkte seien effizient, war es ein kurzer Weg bis zur Gewissheit, die Finanzmärkte seien immer effizient.

Und dieser Irrglaube führte ins Verderben.

Famas Lehre – und er als Person – lieferte ab den frühen Achtzigerjahren die Argumente für die grossen Deregulierungswellen an den Finanzmärkten. Staatliche Einschränkungen des Finanzsektors sind nicht nötig; es kann ja nichts Schlimmes geschehen, weil sich die Märkte in ihrer Gesamtheit effizient verhalten. Gefährliche Übertreibungen und Spekulationsblasen sind gar nicht möglich.

Mit diesem Gedankengut wurde in den USA ab 1982 das Trennbankensystem, das das riskante Investmentbanking von den Aktivitäten einen Geschäftsbank trennte, Schritt für Schritt geschleift, bis es 1999 ganz aufgehoben wurde.

Es war Famas Hypothese der effizienten Finanzmärkte, die im Jahr 2000 in Washington zum Commodity Futures Modernization Act führte, der den Derivatemarkt liberalisierte und es den Banken erlaubte, diesen rasch wachsenden Sektor fern der offiziellen Börsen zu entwickeln. Auch hier: Es kann ja nichts Schlimmes passieren, denn die Preise reflektieren immer alle vorhandenen Risiken.

Es war Famas Lehre, die die amerikanischen Notenbankchefs Alan Greenspan und Ben Bernanke zur Aussage bewog, Spekulationsblasen an den Finanzmärkten könnten gar nicht geschehen, kurz bevor im Jahr 2000 die grösste Aktienmarktblase und 2007 die grösste Immobilienblase aller Zeiten platzten.

Es war die Hypothese der effizienten Finanzmärkte, die Ben Bernanke im Jahr 2000 in seinem Buch «Essays on the Great Depression» zur Aussage brachte, ein exzessiver Schuldenaufbau in einer freien Volkswirtschaft sei gar nicht möglich, weil das irrationales Handeln seitens der Marktteilnehmer voraussetzen würde. Und das sei kaum vorstellbar.

Das war Fama der Alte: Spekulationsblasen, irrationale Übertreibungen an den Finanzmärkten können nicht entstehen, wenn die Preisfindung effizient ist und sich die Marktteilnehmer in ihrer Gesamtheit rational verhalten.

Fama der Alte, die viel zu extreme Auslegung der Lehre von Fama dem Jungen, liess unzählige Banken und Investoren blindlings in die letzte Finanzkrise rasen.

Ja, die Finanzmärkte sind oft effizient. Aber sie sind es nicht immer. In Extremphasen, im Boom wie in der Panik, nimmt die Massenpsychologie der Marktteilnehmer überhand.

Und dann wird es gefährlich.

Spätestens dann sollte man auf den Nobelpreisträger Shiller hören, nicht auf den Nobelpreisträger Fama.

In eigener Sache; wer sich für die Altmeister der Ökonomie interessiert: In einer losen Serie haben wir in der FuW in den letzten Wochen die wichtigsten Exponenten, die für das Verständnis der jüngsten Finanzkrise wichtig sind, eingehend vorgestellt. Unter diesen Links finden Sie John Maynard Keynes (von Markus Diem Meier), Friedrich August von Hayek (von Manfred Rösch), Joseph Schumpeter (von Tommaso Manzin), Hyman Minsky (von mir), Milton Friedman (von Tina Haldner) und John Kenneth Galbraith (von Andreas Neinhaus). Weitere folgen.

46 Kommentare zu «Der doppelte Fama»

  • Hans Ernst sagt:

    Vielleicht ist die Theorie der effizienten Märkte weniger falsch als man heute denkt. Die grossen Disbalancen in den Finanzmärkten der letzten Jahren sind nicht einfach eine Folge der Deregulierung, sondern sie sind auch eine Folge von den historische gesehen massivsten Eingriffen: Währungsbindung des Yuan an den Dollar, grosses Aufkaufen amerikanischer Schulden durch Japan und China, Tiefstzinspolitik und Aufkaufen des Obligationenmarkt durch die Zentralbanken usw. Das alles sind massive Eingriffe, die effizente Märkte verunmöglichen und ein paar schlaue Spekulanten begünstigen.

    Letztlich ist es wohl so, Märkte können sehr effizient sein, wenn die Regeln und Eingriffe angemessen sind. Dabei sind wohl insbesondere massive Eingriffe der Zentralbanken effizienten Märkten nicht dienlich, hingegen Regeln, die Banken stärken und solider machen, wie mehr Eigenkapital der Banken (das auch unsinnige Übertreibungen mässigt) fördern ein Gleichgewicht der Märkte.

    Eins sollte man sich zudem immer bewusst sein, komplexe Systeme, wie es die Finanzmärkte sind, sind zu komplex als dass man sie gezielt langfristig steuern kann. Jeder Eingriff wird längerfristig ganz andere (häufig gerade gegenteilige) Folgen haben als beabsichtigt und dient hauptsächlich ein paar Profiteueren, welche diese Eingriffe zu nutzen wissen. Die ganze Feinsteuerung der Finanzmärkte, wie sie heute Zentralbanken versuchen, ist deshalb viel kritischer zu hinterfragen als eine Theorie der effizienten Märkte.

    • ueli der knecht sagt:

      @Hans Ernst
      Deregulierung und „massive“ Eingriffe bedingen sich gegenseitig – das eine folgt aufs andere. Ihre Argumentation ist deswegen in etwa so sinnvoll – wie wenn sich ein Brandstifter darüber aufregt, dass die Feuerwehr sein brennendes Haus löscht und während der Aktion seinen gepflegten Rasen ruiniert.

      • Hans Ernst sagt:

        @Ueli der Knecht: Ich habe nicht der Deregulierung das Wort gesprochen. Ich habe vielmehr gesagt, dass effiziente Finanzmärkte die Grundlage sind, dass eine Wirtschaft überhaupt normal funktionnieren kann, weil ihre Feinsteuerung faktisch unmöglich ist und ausgenützt würde. Deshalb braucht man eine Regulierung, die effiziente Finanzmärkte begünstigt und das ist eine Regulierung, welche spekutlativen Geschäfte erschwert, z.B. durch viel höhere Eigenmittelanforderungen an die Banken.

        Ausserdem möchte ich bestreiten, dass die massiven Eingriffe eine Folge der Deregulierung und von Finanzkrisen waren. Die meisten Eingriffe wurde ganz gezielt von Staaten gemacht um sich Vorteile zu verschaffen, so die Bindung der chinesischen Währung an den Dollar oder auch die Tiefzinspolitik der USA ist die grösste Zeit keine Reaktion auf eine Krise, sondern man wollte sich und seiner Klientel bewusst Vorteile verschaffen. Auch aktuell braucht es wohl keine so tiefen Zinsen mehr, vielmehr profitieren gewisse Kreise vom billigen Geld und wehren sich mit Händen und Füssen dagegen, dass es teurer wird.

    • Josef Marti sagt:

      Nachfolgend ein interessantes kürzlich erschienenes statement von H. Flassbeck:

      http://www.flassbeck-economics.de/der-sogenannte-nobelpreis-fuer-wirtschaft/

  • Urs Lehmann sagt:

    Ok, jagen kann man als „planerisch“ kategorisieren. Ich fände es höchst interessant zu erfahren, was er zum Thema Vorratshaltung meint, oder ob sein Zeithorizont einfach nur bis zur Befriedigung seiner unmittelbaren Bedürfnisse reicht.

    • ueli der knecht sagt:

      @Urs Lehmann
      Der Zeithorizont eines Eichhörnchens ist sicher nicht grösser als der eines Eisbären. Das Eichhörnchen plant auch nicht wie ein Mensch, in dem es in seinem Köpfchen komplizierte buchhalterische Rechnungen für den nächsten Winter anstellt. Die Evolution segnete das Eichhörnchen mit einem Trieb, der es zum Nüsse sammeln anhält. Genau so wie die Biene ihren Nektar sammelt. Die Evolution hielt es offensichtlich nicht für notwendig dem Eisbären die selben Eigenschaften zu verleihen. Da der Eisbär bis jetzt überlebt hat – scheint Mutter Natur die „richtige Wahl“ getroffen zu haben.

      • ueli der knecht sagt:

        @Urs Lehmann
        Noch als Zusatzbemerkung: Eisbären haben einfach eine andere Strategie der „Vorratshaltung“ entwickelt – sie fressen sich während der kurzen Frühlingszeit die Hälfte ihres Körpergewichts an. Zuerst ernähren sie sich von Tieren, die es nicht über den Winter geschafft haben und welche durch das zurückweichende Packeis zum Vorschein kommen. Danach fressen Sie vorwiegend Robben (75% ihrer Nahrung) – im Schnitt 25 Stück. Im Winter verringert sich ihr Körpergewicht wieder um 50%.

  • Rolf Zach sagt:

    Ist der Markt nun eine Art biologisches Wesen, das wie wir von Sauerstoff (Geld) lebt und nur allein so gedeihen kann? Das einzige, was dieses Wesen braucht, ist eine genügende Luftzufuhr (Geldmenge) und es funktioniert von alleine. Den Staat mit seinen Regulierungen braucht es nicht, den die ganze Angelegent geht nach dem Spruch „Der Mensch denkt (Staat), Gott
    lenkt (ewiges Gesetz von Angebot und Nachfrage). Mit dieser Aussage können alle Wirtschaftshistoriker und Soziologen
    zusammenpacken und ihre Forschungsfelder verlassen. Die klugen Bücher von Braudel und Landes können wir verbrennen.
    Ein zutiefst apolitische, aber auch inhumane Ansicht, die die Bemühungen für eine Verbesserung der Situation des Menschen in einer Zivilisation verneint. Sie meint die Gesetze der Biologie richtig auf die menschliche Gemeinschaft zu übertragen, „Survival of Fittest“, nur wissen wir in der Zwischenzeit, dass die Biologie nicht so tickt. Viele Arten leben ganz gut, auch wenn sie nicht an der Spitze der Fress-Pyramide sind. Was ist vorzuziehen, die Existenz als Robbe oder Eisbär? Der Markt ohne eine Regulierung und ohne Aufsicht ist kein Markt, sondern ein anarchistischer Platz für Klassenkampf in einer Gesellschaft. Eine Politik, die das gestattet, verkennt ihre grundlegende Aufgabe. Auch eine Elite hat dafür zu sorgen, dass die ihnen dienenden Leute ein anständiges Leben haben. Der Eisbär frisst Robben, aber nicht alle, sonst verhungert er. Das gilt für Finanzmärkte mehr als
    für Warenmärkte.

    • Josef Marti sagt:

      Immerhin wurde bereits ein Korrektiv geschaffen: Im Gefängnis geht es vielen Leuten inzwischen viel besser als draussen „in der freien Wildbahn“. Die sog. Elite hat nicht daran gedacht, was sie sich mit der EMRK und solchen Sachen eingebrockt hat.

    • Urs Lehmann sagt:

      Auch die Mitglieder einer wie auch immer gearteten Elite sind in erster Linie Menschen und somit egoistisch. Darum geht den meisten das Wohlergehen ihrer Untergebene am Ar**h vorbei. Genau da braucht’s den Staat als Korrektiv.

      Dass „Mr Market“ in der Presse/Literatur als quasi-Lebewesen behandelt wird, deutet eher hin auf die Faulheit der Leser, des Schreibenden, oder beiden, wie auch die jeweilige Begründung, weshalb MarktXY am Tag Z 0,001% gewonnen bzw. verloren hat – die „Experten“ müssen ihre Autorität belegen indem sie eine Begründung liefern, egal welche. Dass sie oft bloss von Reuters/Telekurs/etc abschreiben interessiert keine Sau. Oft könnte die Begründung genauso sein, „….weil heute der Reissack nicht in China sondern in Indien umgefallen ist“.

      Soweit wir wissen, kann ein Eisbär nicht planen, sonst würde sehr wahrscheinlich auch er auf Vorrat jagen, Gefriertruhe für den Vorrat hat er ja schon. Eichhörnchen z.B.sammeln viel mehr als sie selbst je konsumieren werden, die haben bloss Glück dass sie die Schei**nüsse nicht erst erschiessen müssen 🙂

      • ueli der knecht sagt:

        @Urs Lehmann
        Eisbären können sehr wohl planen. Nur erscheint es unseren Polarfreunden wohl einfach sinnlos den Akkumulationstrieb eines Kapitalisten nachzuahmen. Für den Eisbär ist nur dumm – dass wir als „freundlich-gesinnte“ Spezies dafür gerade sorgen, dass seine Jagd bald beendet sein wird, weil in absehbarer Zeit das Polarmeer permanent eisfrei sich darbietet. Die Eichhörnchen haben es da freilich besser mit uns erwischt und werden unsere Spezies wohl noch ein paar Millionen Jahre überleben.

  • Albert Baer sagt:

    Wenn Märkte effizient wären, wieso sind dann Firmen intern kommunistisch („Cooperations“) organisiert?
    Märkte sind nur unter der Annahme eines selbstsüchtigen homo ökonomikus (oder auch „homo homini lupus“) effizient.

  • Marcel Senn sagt:

    Das ist schon die Weltfremdheit der Oekonomen, die von einem immer rational agierenden Menschen ausgehen, und dass all Fakten schon eingepreist sind und zu effizienten Preisen führen.
    .
    Dabei wimmelt es doch nur so von unwissenden Menschen, Betrügern, panischen Menschen, Gierhälsen, Notverkäufern usw – dazu kommen noch ungebildete und eigeninteressengetriebene Politiker, unfähige oder korrupte Regulatoren usw usw — ich habe manchmal das Gefühl, die Oekonomen reduzieren die ganze Preisbildungstheorie auf den Schweinezyklus – wo nur sachkundige Bauern und Metzger mittun, und die Qualität und sonstige Marktverzerrungen keine Rolle spielen, sondern nur die Quantitäten der offerierten und nachgefragten Schweine.

    Die Welt ist halt doch einiges komplexer als die ökonomischen Modelle!

    • Antoni M. Stankiewicz sagt:

      Das Problem sind nicht die Modelle der Ökonomen – es sind eben nur Modelle, sondern was Praktikus und Politikus damit anfangen

    • Luisa Haltner sagt:

      @Senn: JOU! Das mit d.Modellen ist eben so eine Sache: Wir lernen in d.Schulen, linear zu denken. Denken in Prozessen oder gar systemisch zu denken, ist nicht. Vernetztes Denken stört nur… Und so ist es in d.Wissenschaft: in lebendigen Systemen sind d.Parameter zahlenmässig NIE korrekt zu erfassen. Folge: „Vernächlässigbare“, ausgeklammerte u./oder unkorrekt erfasste/gewichtete Faktoren verfälschen d.Modell-Resultate. Und da wir immer alles „doppelt unterstrichen“ haben wollen, fallen wir auf d.Nase…
      Oder anders gesagt: Die MODELLE d.Oekonomen SIND d.Problem, weil Oekonomen so auftreten, als seien d.Modellrechnungen nun mathematisch korrekte Resultate.
      VWL ist eine empirische Wissenschaft, sie tritt aber auf, als wäre sie exakt. Der Tunnelblick verstärkt d.Problematik. z.B.: Die Haushaltsproduktion +unbezahlte Arbeit, die ca. 40% -45% des BIP ausmacht, wird noch immer nicht im BIP aufgenommen. Oder: Nur Geldschulden werden bei Staaten mitgerechnet, nicht aber Umwelt-, soziale u.demografische „Schulden“. Es wird nicht einbezogen d.fälligen Ersatzinvestitionen in Infrastruktur, Ausbildungsniveau d.Bevölkerung usw.
      Oder d.andere Bilanzseite: z.B.: D hat Mia im Osten in Infrastruktur investiert. Dass diese nun langsam beginnen, Gewinn abzuwerfen, wird übersehen, bzw. nicht als „Aktiva“ bewertet.
      Vielleicht sollten Oekonomie-Nobelpreisträger mal einen Buchhaltungskurs machen..?! 😉

      • ueli der knecht sagt:

        @Luisa Haltner
        Die VWL ist nicht nur eine „empirische“ Wissenschaft – sondern genau so wie das bürgerliche Recht – Herrschaftswissen und Ideologie. Sie haben selber schöne Beispiele geliefert. Es ist doch kein Zufall, dass z.B. die unbezahlte Arbeit von der VWL gerne als „Hobby von gelangweilten Hausfrauen und Senioren“ dargestellt wird. Es ist eben ein gutes Stück bürgerliche Ideologie / Herrschaftspraxis, dass einerseits nur das etwas „zählt“ für das auch bezahlt wurde und andererseits ist man sich wohl auch im Elfenbeinturm unserer Ideologieproduzenten bewusst, dass man keine schlafenden Hunde wecken sollte – da die unbezahlte Arbeit das eigentliche Fundament dieser Gesellschaftsform bildet und dieses in Zukunft sogar noch mehr tragen muss, da bezahlte Arbeit in vielen Ländern zu einem Luxusartikel verkommen ist. Es ist grotesk, dass genau dann – wenn unsere Arbeitsgesellschaft in einer absoluten Krise steckt – gerade der „Arbeitswahn“ und „Arbeitskult“ sich noch verstärkt. Als könnte die Menschheit durch die reine Beschwörung des Fetischs – diesen gnädig stimmen – anstatt zu erkennen, dass unser sozioökonomisches System ab einem gewissen Zeitpunkt in den Leerlauf schaltet.

  • Josef Marti sagt:

    Frage an die Blogger: Was sind denn eigentlich die Argumente, dass Herdentriebe oder verzögerte Schneeballsysteme effizient sein sollen? Bei Rohstoffspekulation werden ja rechtfertigende Argumente immer wieder vorgebracht; weiss jemand mehr?

    • Urs Lehmann sagt:

      Schneeballsysteme und Herdentrieb-Phänomene werden erst im Nachhinein als solche erkennbar.

      Unter der EMH könnte argumentiert werden, dass bei Schneeballsystemen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht alle relevanten Fakten bekannt waren (die Betrüger werden sie wohlweislich zurückhalten). Dadurch entsteht Fehlbewertung, welche aber erst dann erkennbar wird wenn der Betrug aufgedeckt wird.

      Keine Ahnung wie bzw. ob Herdentrieb-Phänomene und Blasen unter der EMT überhhaupt diskutiert werden. Schliesslich widersprechen sie dem Konzept des Homo Oeconomicus weil hier nicht-rationale Entscheide impliziert werden.

      • Josef Marti sagt:

        Danke für die Info. Bei Schneeballsystemen muss man wahrscheinlich unterschieden zwischen legalen wie jenen die zB. zu den Bankenpleiten wie Lehman geführt haben, und auf der anderen Seite die illegalen bzw. primitiven Schneeballsysteme à la Madoff.

        • Urs Lehmann sagt:

          Solange zum Zeitpunkt einer Transaktion dem Geldwert ein entsprechender Gegenwert (Marktwert) gegenübersteht, ist sie Ok. Falls sich der (vermeintliche) Gegenwert später als nicht werthaltig herausstellt, käme allenfalls Betrug in Betracht, was nach meinem Verständnis aber nix zu tun hat mit Schneeballsystem. Oder höchstens in Ausnahmefällen, z.B. falls Madoff die Gegenpartei wäre.

          Die ganzen, später toxischen, Produkte (ABS, MBS, RMBS etc) hatten zum Zeitpunkt der Transaktion einen Marktwert. Und für das nächste Produkt wurden nicht dieselben Sicherheiten verwendet, sondern eben andere. Ich denke, der ganze xBS-Markt ist ganz einfach zu stürmisch gewachsen, und je länger der Boom dauerte desto unvorsichtiger wurde man indem z.B. je länger desto weniger Eigenmittel hinterlegt wurden. Analog dazu die LTCM-Krise, wie auch der Junk Bond Boom-Bust in den 70er/80er-Jahren. Und sehr sehr viele mehr.

          Das Problem ist, dass man immer erst im Nachhinein klüger ist. Auch die Fusionen SBG+SBV zur UBS, SKA+SVB zur CS z.B. wären besser untersagt worden, dann hätten wir wenigstens noch 4 Grossbanken.

          Was man sagen kann, ist, dass früher wenigstens die „fehlbaren“ tatsächlich untergegangen sind. Gleichzeitig wurde jedoch nichts unternommen gegen die ständig steigende Konzentration auf immer weniger, immer mächtigere zentrale Marktteilnehmer wie Brokerhäuser, Investmentfirmen, Banken, etc. Solange das nicht geschieht, ist die nächste, noch schwerere Krise wohl nur eine Zeitfrage.

          • Rolf Zach sagt:

            Fama erwähnt in seinen Theorien mit keinem Wort die Einkommens- und Vermögensverteilung. Auch für Friedman ist das eine „Quantité négligeable“. Ist das Lohneinkommen einigermassen gerecht verteilt und das Kapitaleinkommen
            wachstumsfördernd optimal am Volkseinkommen beteiligt, ist nach meinen dafürhalten, die Gefahr von Blasen kleiner,
            gerade auch in einer modernen kapitalistischen Gesellschaft mit einem ausgeprägtem Hang zur Spekulation. Gerade weil wir sehr reiche Leute und und grosse Finanzkonzerne hatten, nahm die Spekulation ein derartiges Ausmass an. Die Interventionen der Zentralbanken war 2008/2009 richtig, aber ohne sie wären viele Reiche und Finanzkonzerne ver-schwunden, die heute mit ihrem abgesicherten Reichtum naseweis ihre Weisheiten verkünden und nichts zur Stabilität beitragen wollen. Wirtschaftswissenschafter, die dies mit der Malfarbe „Ökonometrie“ und der Tabernakel der Theorie verschleiern wollen, sind nichts anderes als die Hofnarren der Reichen und Mächtigen, denen sie aber mit ihren apolitischen Ratschlägen nicht zu einer langfristigen Stabilität verhelfen. Hat die Deregulierung die politische Stellung der Weltmacht USA verstärkt. Hat der auf Einflüsterung der Banken-Lobby handelnde Bundesrat mit der Installierung der Kuschel-Behörde FINMA mit ihren stumpfen Klauen dem Finanzplatz geholfen? Gab es dadurch für die Leute mehr Arbeit?

          • Josef Marti sagt:

            Zach: Die Intervention sollte also das zockende Establishment retten, wieso war sie dann richtig? Immerhin ergibt das ja eine Umbuchung aufs Konto Staatsverschuldung also zulasten Kleinbürger, der ja als „Staatsbürger“ bekanntlich für die Staatsschuld bürgt.

          • ueli der knecht sagt:

            @Josef Marti
            Die Intervention hätte man an viel mehr handfeste Bedingungen knüpfen müssen. Auf der linken Seite (von den „Bürgerlichen“ will ich mal gar nicht erst anfangen) hat man es mal wieder total verpennt – obwohl die Verhandlungssituation nach 2008 extrem gut war. Man hätte nur den Verrückten, der zu allem bereit ist, spielen müssen (so a la „Tea-Party“). Was hat man gemacht? Genau das Gegenteil – man hatte selbst noch mehr die Hosen voll als die Herrschaften, die um ihr Kapital bangten und kam völlig unnötig als Bittsteller daher – welcher höflich anfragte wie viele Billionen es denn dieses mal sein dürfen und wie viele soziale Leistungen deshalb gekürzt werden müssen. Eine weitere Chance verpasst – aber was erwartet man auch von unseren Champagner-Genossen? Immerhin haben sie ja in der Schweiz schon mal ihre 1:12 Initiative lanciert – aber wenn man genauer hinschaut ist auch diese nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver und ein „Trostpflästerchen“ für verpasste Chancen. Linker Populismus ist eben auch nur eine Spielart der „Teile-und Herrsche-Taktik“ und ein Anzeichen dafür, dass man sich seinen „angeblichen Feinden“ annähert.

          • Urs Lehmann sagt:

            @Zach
            Ihr Einwand ist natürlich richtig. Doch die Frage scheint mir allgemein gedacht zu sein, weniger mit Fokus auf Fama/EMH.

            @Marti
            Ich denke, er meinte dass die Rettung der Reichen ein Effekt war, nicht so sehr Zweck.

            @ueli
            Für mich ist die SP zu weiten Teilen ähnlich reaktionär wie die SVP, sie fixiert sich darauf das Erreichte zu erhalten, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen, z.B. für die Jungen (z.B. Umwandlungssatz 2 Säule).

            @all
            So weit, den Verrückten zu spielen, hätte man gar nicht gehen brauchen. Es hätte gereicht, das OR anzuwenden als die SNB die UBS rettete.

            Das UBS-Aktienkapital wäre abgeschrieben worden. Konsequenterweise hätten auch Verwaltungsrat und Geschäftsleitung als Verursacher der Misere (weitgehend) ausgewechselt gehört. Da hätte ich auch nichts dagegen gehabt dass die SNB der UBS insgesamt 60Mrd zur Verfügung stellt, weil bei einem späteren Verkauf auch eine vernünftige Rendite aufs Risikokapital möglich gewesen wäre.

            Und vor dem erneuten Gang an die Börse hätte man sie auch gleich rekapitalisieren und aufspalten können, wie es für die CH-Ökonomie angemessen ist. Das wäre auch der Hebel gewesen, um bei der CS ähnliches in die Wege zu leiten und die ZKB in die Schranken bzw. Kantonsgrenzen zu weisen.

            Ich frage mich, ob ex-BR Villiger auch ohne die Finanzkrise UBS-VR-Präsi geworden wäre. Und ob die SNB ohne ihn als VRP gleich gehandelt hätte. Sauhäfeli, Saudeckeli? Vermutete die UBS schon im Frühling, dass es heikel wird?

  • Antoni M. Stankiewicz sagt:

    Noch viel schlimmer ist, was Black und Scholes aus der Efficient Market Hypothesis angestellt haben: sie sind mit ihrem Optionsmodell und dem blinden Glauben des Investment Banking an eben diese quantitativen Methoden für das Ausmass der Auswirkungen von spekulativen Blasen verantwortlich, weil sie keine asymmetrischen Verhaltensmuster in Grenzsituationen der Märkte zu quantifizieren vermögen. Was es nicht geben darf, kann es nicht geben! Wenn jemand Nobelpreise zurückgeben sollte, dann diese beiden Herren, um die und deren Modell es zu Recht etwas still geworden ist; und trotzdem basieren Investment Banken ihren verderblichen Eigenhandel und ihre dazu nötigen Risikokontrollen immer noch darauf!

  • Joli sagt:

    Für Psychologen ein Musterbeispiel dafür, wie d.“blinde Fleck“ und Wunschdenken zu sogenannten „rationalen Schlüssen“ führen – und damit zum Gegenteil dessen, was angestrebt wäre – nämlich zur (sachlich) richtigen Klärung einer Frage.
    Nachdem aber d.meisten keine Ahnung davon haben, was d.Voraussetzungen wissenschaftlicher Resultate wären – offenlegen d.Arbeitsmethoden, intersubjektive Nachprüfbarkeit und bei empirischen Resultaten: Bwährung – genügt es meist, wenn einer im Brustton der Ueberzeugung etwas vertritt, das oberflächlich gesehen, einleuchten könnte. Und schon rennen „alle“ hinterher und falsifizieren gerade dadurch die These, dass Massenirrtümer nicht möglich seien…!
    Ein Wissenschafter, der davon ausgeht, dass viele Subjekte „nicht irren können“, aber vom 2.Weltkrieg Kenntnis hatte, beweist, dass er durch seinen fachlichen Tunnelblick denkunfähig ist. Es GIBT Massenbewegungen v.menschl. Individuen u.somit Irrtümer der Massen! – Dies wird sich in Zukunft – dank moderner Massenkommunikation – noch in verstärktem Masse zeigen.
    Dies in einem Markt nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen, ist einfach nur dumm + überheblich.

    • Urs Lehmann sagt:

      Einerseits implizieren Sie, zu wissen was wissenschaftlichem Vorgehen entspricht, andererseits werfen Sie mit unfundierten Behauptungen („wird sich in Zukunft [..] zeigen“) und Kurzschlüssen („Es GIBT Massenbewegungen [..] u.somit Irrtümer der Massen“) nur so um sich, noch dazu ohne Angabe der nicht zwingend objektiven Prämissen bezüglich 2.WK (Moral z.B. ist mMn subjektiv, wäre sie objektiv so würde sie sich nicht mit der Zeit ändern).
      .
      Wie war das nochmal mit dem Balken im Auge?

      • Joli sagt:

        Tja, Hr.Lehmann, 1. ist es in d.Soziologie ein Gemeinplatz, dass sich Geschichte wiederholt, bloss in anderer Form als gehabt.
        2.Wenn Sie das Phänomen d.Massenbewegung nicht kennen, heisst es nicht, dass es nicht existiert. Dass es Irrtümer d.Massen gibt, habe ich belegt (2.Weltkrieg – oder war das ev.Ihrer Meinung nach ein „Sieg d.Vernunft“?!)
        3.Wie kommen Sie auf Moral im Zusammenhang mit Oekonomie und/oder 2.WK?!
        4.Im Uebrigen ist Subjektivität nicht vernachlässigbar im Zusammenhang mit Massenphänomenen, da diese vielfach eine Frage d.Wahrnehmung ist, d.h. durch äussere Beeinflussung (auch) geprägt.
        5.Die Zeiten, in denen Objektivität (die wissenschaftlich nicht einmal mehr in d.Mathematik) absolut (Die Frage der Fragestellung..!) u.Subjektivität als vernachlässigbar gilt, sind vorbei! (Wissenschaftstheorie)
        6.Objektivität hat mit der (möglichen/eventuellen) Veränderbarkeit eines Gegenstandes nichts zu tun, sonst gäbe es gar keine Wissenschaften ausserh.d.math.Axiome mehr, da Forschung u.Wissenschaft sich in d.Materie bewegt u.diese IMMER Veränderungen unterworfen ist. (Dieser log.Ausrutscher war wohl ein Kurzschluss, Hr.Lehmann.)
        7.Im Uebrigen ist Wirtschaftswissenschaft keine sog.exakte Wissenschaft, was sie nicht minder bedeutend macht. Sie operiert wie Psychologie und Nuklearphysik mit Modellen – die – offensichtlich nicht ganz so gut funktionieren wie bei den beiden anderen…
        Ist Ihr Splitter nun etwas kleiner? 😉

        • Urs Lehmann sagt:

          1) Hört sich gut an, aber deswegen ist er noch lange nicht wahr. Aus Ihrem 1. Post „…genügt es meist, wenn einer im Brustton der Ueberzeugung etwas vertritt, das oberflächlich gesehen, einleuchten könnte“. Ich freue mich auf Ihre Beweisführung.
          2) Das hängt von den Prämissen ab, was zu einer fundierten Begründung gehört. Auch hier schweigen bzw. versagen Sie.
          3) Eine Annahme in Ermangelung einer konkreten Aussage Ihrerseits für die Behauptung, dass der 2.WK ein Irrtum war. Siehe 3)
          4) „Im Übrigen ist Subjektivität [..] eine Frage der Wahrnehmung“. Jedweder Kommentar erübrigt sich.
          5, 6) wie schön dass Sie mir zustimmen
          7) Noch so eine Platitüde. Nennen Sie mir auch nur eine Wissenschaft, die ohne Modelle arbeitet.

  • Was der Autor zu erwähnen versäumt hat: auch die Idee des „shareholder value“ basiert auf der EMH, bzw. die Tatsache, dass das Optimieren des Aktienkurses immer die beste Firmenstrategie ist. Denn wenn Gott (Markt) immer und unfehlbar eine Aktie korrekt bewertet, dann muss jede Aktion, die den Aktienkurs steigen lässt, immer und unfehlbar positiv für die Firma sein (ein netter Nebeneffekt ist, dass die Optionen des Kaders im Wert steigen). Natürlich ist das vollkommener Unsinn, denn mit der gleichen Logik müsste man schönes Wetter machen können, indem man ein Feuerzeug unter ein Thermometer hält, denn eine steigende Temperatur ist doch ein untrügliches Zeichen für schönes Wetter, oder nicht?

    Ich glaube es war Joseph Stiglitz, der einmal gesagt hat, dass die Ökonomie die einzige Disziplin sei, in der sich zwei Leute einen Nobelpreis teilen können, deren Theorien sich gegenseitig widersprechen. Da hat wohl einmal mehr die Wirklichkeit den Wahnsinn eingeholt. Wie sagt man: Kinder und Narren haben keinen Sinn für Ironie. Ökonomen auch nicht, aber ich wiederhole mich.

    • Urs Lehmann sagt:

      Mhh, bin mir nicht wirklich sicher, aber ich denke Sie verwechseln da was. Meiner Meinung nach ist der Shareholder, und daraus abgeleitet der Shareholder Value, ein Konzept der Betriebswirtschaft, weil Shareholder nur eine von vielen Gruppen von Stakeholdern (Mitarbeiter, Lieferanten, Staat, Kreditoren, etc.) sind.

      • ueli der knecht sagt:

        Shareholder sind nicht „nur eine von vielen Gruppen von Stakeholdern – sondern die Eigentümer eines Unternehmens. Die meisten Shareholder von grösseren Unternehmen sind heute reine Geldkapitalisten – sprich sie haben mit dem operativen Geschäft rein gar nichts mehr zu tun. Sie leihen der Firma Geld (Kapital) und erwarten nicht nur eine anständige Dividende, sondern vor allem einen maximalen Kursgewinn. Wird dieser nicht geliefert – investiert man halt dort wo diese Philosophie noch beherzigt wird. Auf gut Deutsch: Die Konkurrenz der Firmen um Investorengelder erzeugt automatisch das Ziel der ganzen Übung „Max Profit for the owners“.

        • Urs Lehmann sagt:

          Dass die Aktienbesitzer die Eigentümer des Unternehmens sind, ist unbestritten, zielt allerdings an meiner Kritik vorbei. Auch für die Gewinnmaximierung braucht’s keine EMH, das lässt sich problemlos mit dem ganz normalen Egoismus erklären der in jedem von uns steckt.

          Worin besteht nun die Verbindung zur EMH?

          • ueli der knecht sagt:

            @Urs Lehmann
            Die EMH ist sowieso eine Hypothese, welche man sich schenken kann. Ein weiterer Versuch der Mainstreamökonomie den Status quo zu rechtfertigen. „Effizient“ wird vor allem das Konto von gewissen Herrschaften (vor allem denen, die schon mit viel Kapital gesegnet sind) sich füllen. Die Gewinnmaximierung ist systemimmanent und muss mit „Egoismus“ überhaupt nicht mehr „erzwungen“ werden.

          • Urs Lehmann sagt:

            Auch das lässt die eigentliche Frage unbeantwortet

          • ueli der knecht sagt:

            @Urs Lehmann
            Kommt wohl auch darauf an – was man für eine „Antwort“ erwartet. Gewisse Fragen sind vielleicht auch einfach falsch gestellt und deshalb erübrigt sich eine Antwort.

      • „Shareholder Value“ ist ein Markenname und steht für einen Paradigmenwechsel in der Beurteilung von Aktien, und dieser basiert durchaus auf den Ideen von Fama, insbesondere seine EMH. Kurz gesagt hat man „früher“, also bevor supply side zur vorherrschenden Ideologie geworden ist, mit Aktien eine Beteiligung am Eigentum und via Dividenden am Gewinn von Firmen gekauft. Der Wert einer Aktie ergab sich aus dem Wert der (künftigen) Dividenden. Es gab also eine direkte Relation zw. Erfolg einer Firma und deren Aktienkurs: Hat sie gut geschäftet, durfte man auf höhere Dividenden hoffen und war bereit, mehr für Aktien zu bezahlen.

        „Heute“ kauft man Kasino-Chips, mit denen man auf steigende oder fallende Kurse wettet (im Durchschnitt werden Aktien nur noch 22 Sekunden gehalten). Diese Neu-Interpretation von Aktien wurde durch die EMH ermöglicht, denn da gemäss EMH Gott (Markt) immer und zu jeder Zeit den korrekten Wert einer Firma kennt, und diesen vie Börsenkurse offenbart, schaut man nur noch auf die Kurse. Die Beziehung zwischen Erfolg und Kurs ist also nur noch indirekt: Die Leistung bestimmt die Zahl auf dem Chip, aber Gott (Markt) entscheidet über den Kursverlauf. Da Gott (Markt) immer den wahren Wert einer Firma kennt, reicht es auch vollkommen, darauf zu achten, wie Gott (Markt) auf Firmen-Entscheide reagiert, statt etwa auf Konsumenten oder das Personal.

        Zum Glück wurde die EMH aber durch Famas Mit-Nobelpreisträger widerlegt.

        • ueli der knecht sagt:

          @Ralph Sommerer
          Der „Markt“ sind hundsgemeine Beziehungen zwischen Menschen und trotzdem führt er ein apartes Eigenleben – als wäre er ein omnipotentes allwissendes Wesen, welches durch unendlich viele Spiegel unsere Lebensäusserungen und Aktionen zurückreflektiert, sodass wir wiederum überhaupt „Entscheidungen“ treffen können. Offensichtlich leiden wir alle an einer milden Form von chronischer Schizophrenie – wir und unsere Aktionen sind im wahrsten Sinne des Wortes: Gespalten.

  • Hans Gerber sagt:

    Die einzig ernst zu nehmenden Nobel-Preise werden in den Naturwissenschaften vergeben. Wirtschaft, Frieden und Literatur Nobelpreise hingegen unterliegen Modeströmungen und sagen mehr über das. Befinden der westlichen Gesellschaft aus , als über einen nachhaltigen Effekt.

  • Volker Birk sagt:

    Dass die Finanzmärkte eben nicht effizient sind, sondern dass Glaube in der Spekulation die wichtigste Rolle spielt, sollte inzwischen jedem klar sein. Trotzdem Danke für den Artikel! Wem übrigens nicht, der kann ja mal überlegen, weshalb ausgerechnet diejenigen, die ständig über die “effizienten Märkte” fabulieren, dann mit Impetus davor warnen, man solle bloss “die Märkte” nicht “nervös” machen, “Vertrauen” wäre hier das wichtigste!

    Die ganze Theorie vom “homo oeconomicus” ist absurd und weltfremd.

    Absurd (aber nicht weltfremd) ist übrigens auch ein Nobelpreiskomittee, das Fama und Shiller gleichzeitig auszeichnet.

  • J.A. VonBerg sagt:

    Fama behauptet nicht, dass Finanzmärkte „immer effizient“ sind, (diese Hypothe wäre nach K. Popper sichlich widerlegt), ein kurzer Review seiner Arbeiten hätte dies gezeigt, seine These ist viel einfacher, den Markt zu schlagen, ist schwierig, sehr schwierig wie underperformance der (vieler) Funds belegt.

    • J. Kuehni sagt:

      @von Berg: Der obige Artikel argumentiert ja auch genau in dieser Linie: Problematisch war weniger Famas ursprüngliche Theorie, als vielmehr die (bereitwillig) selektive Interpretation durch Finanzwirtschaft und Regulationsbehörden (und Fama dem älteren). Ich glaube, ähnliches könnte man wohl von allen anderen ökonomischen Theorien behaupten, die das Pech hatten, vom Mainstream „umgesetzt“ zu werden: Immerhin behaupten Marxisten bis heute, das Scheitern des real existierenden Sozialismus sei bloss der mangelhaften Umsetzung einer ansonsten „reinen“ Theorie anzulasten.

      Apropos unbeabsichtigte Nebenwirkungen: Ich bin ziemlich sicher, Friedrich Dürrenmatt würde seine klassische Tragikomödie heutzutage nicht mehr über „Die Physiker“ sondern über „Die Ökonomen“ schreiben;-)

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