Weshalb die Eurokrise noch lange nicht vorbei ist
«Whatever it takes.» Das waren die Worte, mit denen EZB-Chef Mario Draghi vor knapp dreizehn Monaten die Eurokrise entschärfte und die Finanzmärkte beruhigte (mehr Details dazu hier).
Wer allerdings glaubt, die seither verzeichnete relative Ruhe an den Finanzmärkten bedeute den Anfang vom Ende der Eurokrise, täuscht sich. Der irische Ökonom Kevin O’Rourke (hier haben wir ihn bereits einmal vorgestellt) hat zusammen mit Alan Taylor von der University of California (Davis) im aktuellen Journal of Economic Perspectives einen brillanten Aufsatz zu den grundlegenden, nach wie vor ungelösten Problemen der Eurozone geschrieben.
Wer ihn liest, muss zum Schluss kommen, dass wohl erst das Ende des Anfangs der Krise hinter uns liegt.
Hier der Link zum Originaldokument. Die Lektüre lohnt sich, das Papier ist in dichter, verständlicher Sprache geschrieben und bringt auf gut zwanzig Seiten die wichtigsten Probleme auf den Punkt.
Auf zwei Argumente gehen wir im Nachfolgenden etwas genauer ein.
Erstens kommen O’Rourke und Taylor zum ernüchternden Schluss, dass trotz zäher Rezession, Strukturreformen und Austeritätsprogrammen der Prozess der internen Abwertung in den Peripherieländern erst minimal fortgeschritten ist. (Zur Erinnerung: In den Boomjahren vor 2007 ist das Lohn- und Preisniveau in Peripheriestaaten wie Spanien und Irland übermässig gestiegen – unter anderem wegen der zu lockeren Geldpolitik der EZB. Mehr zu diesem «Dirty Little Secret» der Eurozone hier. Weil den Euro-Peripherieländern in der Krise der Weg zur Gesundung via externe Währungsabwertung verwehrt bleibt, wurden sie in den Pfad der internen Abwertung gedrückt, was bedeutet, dass sie eine Deflation ihres Lohn- und Preisniveaus erdulden müssen.)
Oft wurde in den vergangenen Monaten argumentiert, dieser Prozess der internen Abwertung funktioniere gut, weil die Lohnstückkosten in den Peripherieländern tatsächlich sinken. Dabei könnte es sich gemäss O’Rourke und Taylor allerdings um einen Trugschluss handeln. Werden die Niveaus der durchschnittlichen Nominallöhne betrachtet, hat nämlich vielerorts noch überhaupt keine Anpassung nach unten stattgefunden.
Hier die Daten für Spanien und Portugal:

Die rote Kurve zeigt das Niveau der Nominallöhne, indexiert auf 100 Anfang 2008. Die blaue Kurve zeigt die Beschäftigungsrate, ebenfalls indexiert. Es ist eindrücklich zu sehen, dass die Beschäftigung in Spanien seit 2008 zwar um fast 20 Prozent eingebrochen ist (d. h. die Arbeitslosenquote ist in die Höhe geschnellt), die Nominallöhne seither aber trotzdem weiter gestiegen sind. Von Deflation in den Löhnen keine Spur.
Und hier die Daten für Irland und Griechenland: Auch der oftmals zitierte Austeritäts-Musterknabe Irland hat es nicht geschafft, sein Lohnniveau zu senken.

Einzig in Griechenland ist das nominelle Lohnniveau seit 2008 um etwa 10 Prozent gesunken – «dank» einem massiven Einbruch in der Beschäftigung.
Hier der trockene Kommentar von O’Rourke und Taylor dazu:
The one important eurozone exception to the general conclusion that nominal wages are rigid downwards is Greece, where manufacturing wages declined by more than 10 percent in the three years starting in 2010. The impact of the depression on the fabric of Greek society has been particularly harsh: if this is what it takes to produce nominal wage declines, prudence might suggest alternative adjustment mechanisms, such as rising wages and prices in surplus countries.
Wie ist es möglich, dass die Lohnstückkosten in Ländern wie Spanien zwar sinken, das nominelle Lohnniveau aber sogar noch weiter steigt? Dieses Paradox wurde schon vor zwei Jahren von O’Rourke und anderen Ökonomen wie Paul Krugman diskutiert. Sogar Irlands Zentralbank kam damals in einer Untersuchung zum Schluss, dass die sinkenden Lohnstückkosten eine statistische Täuschung sein könnten: Als die Arbeitslosenrate in den Peripherieländern anschwoll, verloren zuerst die vergleichsweise unproduktiven Arbeitskräfte ihre Stelle. In Irland und Spanien beispielsweise wurden Zehntausende von Bauarbeitern arbeitslos, während Softwareingenieure oder Mitarbeiter der irischen Pharmaindustrie ihre Stelle behielten.
Die Beschäftigung in diesen Ländern ist deutlich überproportional zum Einbruch der Wirtschaftsleistung gesunken; das heisst, die jeweilige Volkswirtschaft ist durch diesen Effekt «produktiver» geworden und die Lohnstückkosten sind tiefer. Der wichtige Punkt ist aber, dass das Absenken der Lohnstückkosten nicht durch ein niedrigeres Lohnniveau oder echte Produktivitätsfortschritte erreicht wurde, sondern durch das Ausscheiden der unproduktivsten Arbeitskräfte aus dem Markt. Dieser Effekt ist temporär und führt nicht zu einer dauerhaften internen Abwertung.
Im zweiten Teil ihres Aufsatzes zeigen O’Rourke und Taylor anhand mehrerer Parameter (u. a. die Mobilität der Arbeitskräfte) auf, dass die Eurozone nicht annähernd einem optimalen Währungsraum entspricht. Ein wichtiges Kriterium für einen optimalen Währungsraum ist, dass die Wirtschaftszyklen in den einzelnen Ländern und Regionen der Währungsunion einigermassen synchron sind. Das war in der Eurozone seit 1999 fast nie der Fall, was die EZB in ihrer Zinspolitik vor ein unlösbares Dilemma stellte.
Die folgende Grafik zeigt, weshalb:

Die hellblaue Kurve zeigt, wie hoch die Leitzinsen in den Peripherieländern, berechnet nach der Taylor-Regel, sein sollten. Die dunkelblaue Kurve zeigt den nach der Taylor-Regel errechneten anstrebenswerten Leitzins in den Kernländern wie Deutschland. Die perforierte Kurve schliesslich zeigt die tatsächliche Entwicklung der von der EZB festgelegten Leitzinsen. In den Boomjahren von 1999 bis 2007 überhitzten Peripherieländer wie Spanien und Irland; sie hätten deutlich höhere Zinsen gebraucht. Die EZB folgte mit ihrer Geldpolitik aber den Bedürfnissen Deutschlands.
Seit Ausbruch der Eurokrise divergieren die hell- und die dunkelblaue Kurve wieder stark. Die Peripherieländer bräuchten eine noch expansivere Geldpolitik, während die Kernländer schon heute deutlich höhere Zinsen benötigten.
Die nächste Grafik von O’Rourke und Taylor zeigt, dass die Wirtschaftsdynamik in der Währungsunion USA deutlich synchroner verläuft, was es der US-Notenbank ermöglicht, eine kohärente Zinspolitik zu betreiben:

Die nach der Taylor-Regel berechneten Zinsen für die US-Regionen Nordost, Süd, Mittelwest und West divergieren nicht allzu stark, und der effektiv von der US-Notenbank festgelegte Leitzins (perforierte Kurve) folgt diesem vorgegebenen Zielband recht genau (schön zu sehen übrigens, wie die Fed-Leitzinsen nach 2002 zu lange zu niedrig blieben).
Am Schluss ihres Papiers kommen O’Rourke und Taylor zu einem ernüchternden Fazit:
So where the eurozone needs to go in the long run, we argue, is towards a genuine banking union; a eurozone-wide safe bond to break the sovereign-bank doom loop; a central bank that is more flexible and willing to act as a true lender of last resort against such bonds and other assets as necessary; and a fiscal union at least sufficient to support the above. But the short-run problems facing countries in the periphery of Europe are now so great that politicians may never get a chance to solve these long-run problems because the eurozone may well have collapsed in the meantime.
Dem können wir nur zustimmen.
Hier noch einige Links in eigener Sache:
- Die Emerging Markets leiden derzeit unter heftigen Kapitalabflüssen. Ereignet sich dort bald die Mutter aller «Sudden Stops»? In diesem Beitrag im Momentum-Blog der FuW mehr dazu.
- Eine Computerpanne legte am Donnerstag die US-Technologiebörse Nasdaq während drei Stunden lahm. Hier ein sehr lesenswerter Hintergrundbericht meines Kollegen in New York, Christoph Gisiger, über die Risiken des Hochgeschwindigkeitshandels. Und hier sein Interview mit dem Börsenexperten Joe Saluzzi, der warnt, ein Flash Crash könne jederzeit eintreten.
- Falls Sie den letzten Blogbeitrag meines Kollegen Markus Diem Meier zu Milton Friedman verpasst haben. Ich kann ihn allerwärmstens empfehlen.
- Hier mein Kommentar in der FuW, weshalb die Rettung der UBS für die Schweizerische Nationalbank kein «gutes Geschäft» war (wie in den vergangenen Wochen vielerorts geschrieben wurde).
- Hier ein sehr überlegter Kommentar von Aymo Brunetti zum Sinn und Unsinn – vor allem bezüglich des Zeitpunkts – der europäischen Austeritätspolitik.
105 Kommentare zu «Weshalb die Eurokrise noch lange nicht vorbei ist»
Die Eurokrise ist noch lange nicht vorbei weil wir eine globale Wertschöpfungskrise haben. Die von Banken in einer Woche auf den Markt geworfenen Wertpapiere übertreffen das Welt-BIP eines ganzen Jahres. Die in die Emerging Markets exportierte Inflation wird in den Westen zurückschlagen, was dann dem südlichen Europa wohl den fiskalischen Todesstoss versetzen wird. Frau Lagard hat in Jackson Hole vor dem finanziellen Kollaps der Welt lautstark gewarnt, ihre Medizin wird aber nicht helfen -noch mehr Geld soll IWF und die Notenbanken ausspuken -gleichzeitig aber den Anker zum Ausstieg aus QE auswerfen. Wie das gehen soll weiss Frau Lagarde nicht. Da scheint mir der Investor Soros eher auf dem richtigen Pfad, er wettet jetzt gegen den S&P 500, mit einem viertel seiner ganzen Finanzkraft. Das kann auch als Beginn des Endes der Börsen Hausse gesehen werden, vermutlich aber auch als Zeitenwende -der Beginn von grossen sozialen Unruhen Weltweit, etwa in Ländern die bereits jetzt unter hoher Inflation leiden. Es ist nicht nur Europa das unter den Wirren des Finanzsystems kollabieren wird, der Dammbruch in den Abgrund hat nun begonnen….
… nebenbei erwähnt, die Lösung der Schuldenkrise in Griechenland wurde nur durch Zeit freigekauft, auf Kosten weiterer noch höherer Verschuldung und auf Risiko der Allgemeinheit der Steuerzahler -gerettet wurden Banken und ansonsten wenig. Das bedeutet eine hohe Dynamik in der Neuverschuldung, denn die Zinsen für die Schulden fressen weiter an der Substanz des Landes. Die Vermeidung des Schuldenschnittes generiert stündlich dem Land weitere Millionenverluste -summa summarum muss das Land sage und schreibe 321,362 Milliarden Euro Schulden stemmen, einfach zu viel für das kleine Land.
Die Denkweise, welche die Handlungen der EZB an den Auswirkungen auf einzelne Mitgliedsländer untersucht, ist Mumpitz. Zu untersuchen ist, wie sich die Handlungen der EZB auf die gesamte europäische Wirtschaft auswirken.
Kein Mensch schreibt über eine USD Krise, weil Detroit pleite ist (und Kalifornien und was weiss ich noch in den USA). Kein Mensch schreibt darüber, dass die Währungspolitik Russlands für Yakutien verheehrend ist, und es darum eine Rubelkrise gebe.
Die Schuldenproblematik ist keineswegs euroexklusiv, im Gegenteil ist in den USA oder UK die Verschuldung gemessen am BIP mindestens so hoch wie in der Eurozone, in Japan rund doppelt so hoch: Gerade Japan zeigt doch, dass die Verschuldung ziemlich irrelevant für die Währung sein kann.
Würde die Eurountergrenze aufgehoben, der CHF auf über 1 zu USD in EUR steigen, in der schweizer Volkswirtschaft die Lichter ausgehen, die Arbeitslosigkeit auf 50% steigen, die Immobilienpreise um 10% pro Jahr sinken, die Banken zusammenbrechen, bzw. verstaatlicht werden, Unruhen und bürgerkriegsähnliche Zustände ausbrechen, wäre es noch immer falsch, von einer CHF Krise zu reden.
Im Euro-Wirtschaftsraum gibt es Probleme, vergleichbar mit denen in anderen Wirtschaftsräumen, deswegen von einer Eurokrise zu reden, ist dennoch Humbug.
Mindestens genauso richtig, wie hier gesagt wird, die Politik der EZB sei bezogen auf einzelne Länder falsch, zu wenig angepasst, wäre zu sagen, die Politik der EZB sei auf einzelne Branchen bezogen falsch: ZB: Die Politik der EZB ist verheerend für die Automobilproduzenten, welche nur mit einer schwachen Währung insbesondere mit der südkoreanischen Konkrrenz mithalten können, während die Luxusgüterkonzerne (LVMH L’Oreal) damit keine Probleme haben.
@ Anh Toan
Ich stimme Ihnen grundsaetzlich zu.
Der Grund, warum die Krise als „EURO-Krise“ bezeichnet sein mag, liegt darin, dass es sich um eine Waehrung handelt, welche nicht durch ein gegebenes Machtzentrum beliebig manipulierbar ist, sondern von der Zustimmung einzelner nationaler Staaten abhaengt. Der Verhaben der Machtkonzentration wird durch demokratische Strukturen der meisten Laender in diesem Verbund behindert.
Ich kann mir gut vorstellen, dass versucht wird, diese Behinderung der Machtkonzentration anhand der naechsten Krise in einer neuen Verpackung von Argumenten aus der Welt zu schaffen (natuerlich immer zum Wohle der Gesellschaft). Ob solch ein Vorhaben gelingen wird, ist fraglich.
Aber wie Sie richtig erkennen, sind die grundlegenden Probleme andernorts nicht kleiner.
Mich kneifft langsam der Affe. Immer wieder diese Fluechtigkeitsfehler.
Der Verhaben der Machtkonzentration wird durch demokratische Strukturen der meisten Laender in diesem Verbund behindert.
Korrektur: Das Vorhaben ….
„So where the eurozone needs to go in the long run, we argue, is towards a genuine banking union; a eurozone-wide safe bond to break the sovereign-bank doom loop; a central bank that is more flexible and willing to act as a true lender of last resort against such bonds and other assets as necessary; and a fiscal union at least sufficient to support the above.“
Das gewohnte Rezept ein Problem auf die naechst hoehere Entscheidungsebene zu heben. Dies beinhaltet die weiter verstaerkte Anonymisierung der Verantwortlichkeiten, die Zentralisierung von Macht, die Reduktion von persoenlicher Verantwortung, die Auslieferung der Bevoelkerung an willkuerliche Entscheide des Machtzentrums etc. etc.
Wenn der Author sagt: „Dem können wir nur zustimmen.“ muss ich meine Hand aufstrecken und erklaeren, dass ich meine Person nicht als Teil des „wir“ verstanden wissen will. Mein Rezept beruht auf dem genau gegenteiligen Vorgehen erhoehter klarer Verantwortlichkeiten, Loesung von Problemen auf der tiefst moeglichen Entscheidungsebene, Reduktion der Machtkonzentration und des Einflusses der machtgeilen und durch Immunitaet geschuetzten und daher verantwortungslosen Elite etc. etc.
Wenn wir diesen fragwuerdigen Vorstellungen einer Loesung bis zur letzten Konsequenz durchdenken, enden wir in einer Situation, in welcher die Machtkonzentration schlussendlich bei jenem seinen Schlusspunkt findet, welcher das ausgebauteste Gewaltmonopol besitzt, und damit zukuenftig ueber unser Wohl entscheiden wird. Kann jemand die Worte „Barack Hussein Obama“ aussprechen?
„…enden wir in einer Situation, in welcher die Machtkonzentration schlussendlich bei jenem seinen Schlusspunkt findet, welcher das ausgebauteste Gewaltmonopol besitzt…“
Dieser Gedankengang ist hier zu Ende gedacht, und es wird auch die einzig denkbare Lösung aufgezeigt,…
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/02/halbwegs-glucklich.html
…die Voraussetzung für den Abbau des Staates ist:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/12/der-abbau-des-staates.html
Wer irgendetwas anderes für „denkbar“ hält, ist – unabhängig von „Glaube“ oder „Unglaube“ – noch immer religiös:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2011/07/die-ruckkehr-ins-paradies.html
Es gibt kein „bestausgebautes“ Gewaltmonopol:
Gewaltmonopol des Staates besagt, dass alleine dieser (vorbehalten weniger Ausnahmen wie Notwehr/Notstand) berechtigt ist, Gewalt anzuwenden. Auch um berechtigte Interessen durchzusetzen ist dies Privaten oder anderen Organisationen verboten, diese müssen sich an den Staat wenden, und diesen bitten, ihre Interessen mit Gewalt durchzusetzen.
Dieses Gewaltmonopol ist wie jedes Monopol absolut, es besser oder schlechter auszubauen geht nicht.
Übrigens hat in Europa die „höhere Ebene“ (um mich auch Ihren Trivialjargon einzulassen) gerade kein Gewaltmonopol, dieses haben nach wie vor die einzelnen Euromitgliedsstaaten.
Ich labbere, also bin ich!
Danke Anh Toan, gut erkannt.
Das Wort Monopol waere wohl mit Potential zu ersetzen.
@ Stefan
Wie gesagt, versuchen Sie den Inhalt in Ihrem Link besser zu verstehen, sodass Sie mit konkreten Aussagen und Argumenten hier auftreten koennen und nicht einfach Ihren Link als Gegenargument verwenden zu muessen.
Wer aufgrund kurzfristiger persoenlicher Vorteile den Wert der Freiheit nicht erkennen kann und aufgrund dieser Ueberlegung seine persoenliche Freiheit fuer vermeintliche Sicherheit sowie sein momentanes Wohlbefinden eintauscht, der verdient es, versklavt zu werden.
Das ist genau,was so frappierend häufig passiert in der Beurteilung der Eurokrise und ich nicht verstehe. Warum wird die höhere Ebene immer als alternativlos und besser hingestellt? Auch von Wissenschaftlern oder hier auch wieder vom Journalisten?. Wenn es schon auf der tieferen Stufe Probleme gibt, ist die nächsthöhere oft/meist noch mehr ueberfordert. Die weiter oben erwähnten Machtgelueste sind zumindest bei den Politikern wohl ein wichtiger Faktor.
Das Umverteilen der Kosten des Risikos
Die Diskussion fokusiert sich oft auf die Zinshoehe und inwiefern diese durch die Zentralbanken manipuliert, respektive tief gehalten wird. Zins, wie jeder andere Preis, hat die Funktion, dem Markt zu signalisieren, welche Investitionen Profit versprechen und welche Investitionen eher ein Verlustgeschaeft sein duerften, indem aufgrund der Fragwuerdigkeit der Rueckzahlungsfaehigkeit des entsprechenden Schuldners, der Preis fuer Kredit dementsprechend hoeher angesetzt wird. Es handelt sich um den Teil des Zinses, welcher als die sogenannte Risikopraemie bezeichnet wird.
Die Manipulation der Zinsen will diese Risikopraemie eliminieren, wobei man sich bewusst sein muss, dass Risiko und dessen Kosten zwar umverteilt werden koennen, jedoch nicht eliminiert werden. Es handelt sozusagen eine Umverteilung der Kosten des Risikos vom eigentlichen Risikotraeger (dem urspruenglichen Kreditgeber) via entsprechender Entwertung der Waehrung auf die Allgemeinheit. Dieser Vorgang ist nicht unbedingt leicht nachvollziehbar und bleibt daher oft unerwaehnt in der Diskussion.
Es ist fraglich, dass eine Gesellschaft, in welcher ein immer hoeherer Anteil des Risikos und deren Kosten einem Umverteilungsprozess auf die Allgemeinheit unterliegen, erfolgreich sein duerfte, denn dadurch werden falsche Anreize gesetzt, welche zu einer Verhaltensveraenderung der Akteure fuehren, wodurch das Prinzip der Nachhaltigkeit untergraben wird.
„…die Zinshoehe und inwiefern diese durch die Zentralbanken manipuliert, respektive tief gehalten wird.“
Der „Leitzins“ der Zentralbank ist nur eine Krücke zur Steuerung der schleichenden Inflation, um die in einer Zinsgeld-Ökonomie unvermeidliche Liquiditätsfalle hinauszuzögern, und hat nichts mit dem Kapitalmarktzins zu tun. Dieser ergibt sich aus der Knappheit des eingesetzten Sachkapitals.
„Zins, wie jeder andere Preis, hat die Funktion, dem Markt zu signalisieren, welche Investitionen Profit versprechen und welche Investitionen eher ein Verlustgeschaeft sein duerften, indem aufgrund der Fragwuerdigkeit der Rueckzahlungsfaehigkeit des entsprechenden Schuldners, der Preis fuer Kredit dementsprechend hoeher angesetzt wird. Es handelt sich um den Teil des Zinses, welcher als die sogenannte Risikopraemie bezeichnet wird.“
Das ist mehr als oberflächlich. Hier die genaue Betrachtung:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/07/der-zins-mythos-und-wahrheit.html
@ Stefan
Es ist nicht oberflaechlich, sondern es handelt sich um eine andere Weltansicht, als dies in Ihrem Link dargestellt wird. Die Idee eines regelmaessigen Jubilee, in welchem Schulden zu vergeben sind, ist ebenfalls eine Loesung der dargestellten Problematik. Inwiefern und ob die im Link dargestellte Idee die Zentralisierung von Macht foerdert oder reduziert, kann ich nach kurzem Lesen noch nicht beurteilen, aber darin liegt das eigentliche Problem.
Den Kapitalmarktzins auf die Risikoprämie zu reduzieren und alle anderen Zinsanteile unter den Tisch fallen zu lassen, ist nun mal mehr als oberflächlich und keine „andere Weltansicht“.
Auch ist es nicht möglich, „Schulden zu vergeben“:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/10/geld.html
Schulden werden z.B. durch sogenannte Kapitalschnitte oder Insolvenzverfahren vergeben, resp. abgeschrieben.
Dies via zentralplanerische Geldpolitik zu verhindern, indem die Kosten des Risikos in der Form der Entwertung auf die Waehrung umverteilt wird, ist grundsaetzlich nicht ein Abbild des Kapitalismus, sondern einer Planwirtschaft. Dies bestaetigt uebrigens, was Allgemein verkannt wird; die Krise ist nicht ein Versagen der Marktwirtschaft, sondern das Versagen der Planwirtschaft der Zentralbanken.
@ Stefan
Versuchen Sie die Idee, welche in Ihrem Link vertreten wird, zu verinnerlichen, sodass Sie in der Lage sind. Spezifisch und mit entsprechenden Argumenten selber hier zu argumentieren. Dies erzeugt eine Stimulation der Diskussion, von welcher jeder Leser hier profitieren kann.
Die allgemein zunehmende Anzahl an Kommentatoren erfreut mich. Um die verfahrene Situation zu veraendern, wird ein Kurswechsel der gegenwaertigen Entwicklung unabdingbar sein und einzig die verstaerkte oeffentliche Diskussion kann das Verstaendnis fuer die verschiedenen Zusammenhaenge erhoehen.
Ich gratuliere jedem einzelnen, welcher sich dieser Diskussion stellt und sich darueber Gedanken macht. Schlussendlich werden gesellschaftliche Veraenderungen nur moeglich, wenn sie von einem hohen Anteil der Gesellschaft getragen werden.
„…wie hoch die Leitzinsen in den Peripherieländern, berechnet nach der Taylor-Regel, sein sollten.“
Mit solchen und ähnlichen Unsinnigkeiten können sich nur „Experten“ beschäftigen, die die ganz hohe Kunst studiert haben, etwas im Grunde so Einfaches wie das Geld NICHT zu verstehen:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/01/geldtheorie.html
Frage: Wenn der Anteil der relativ unproduktiven Arbeitskräfte in einer Volkswirtschaft hoch ist, ist dann auch der Anstieg der Arbeitslosenrate grösser im Vergleich zu anderen Ländern mit einer höheren Produktivität?
Gemäss Theorie soll das zumindest mittelfristig der Fall sein. Dazu nachfolgend ein typisches Zitat aus dem Lehrbuch: „Eine hohe Arbeitslosigkeit ist notwendig, um die Lohnvorstellungen der Beschäftigten mit dem geringeren Produktivitätswachstum wieder in Einklang zu bringen“.
Allerdings hat auch Exportweltmeister D seit 40 Jahren Massenarbeitslosigkeit.
Die Schuldenkrise wird wieder aufflackern, falls das deutsche Verfassungsgericht die „OMT“-Ankündigung der EZB verwirft. Die deutsche Bundesbank dürfte sich dann nicht an solchen Geschäften beteiligen, und das führt in Südeuropa zu stark steigenden Zinsen. So weit wird es nicht kommen: Trotz aller Risiken hat sich die OMT-Ankündigung als sehr wirksam erwiesen. Draghi hat also Recht behalten. Das deutsche Gericht wird ihn gewähren lassen, wenn auch mit Auflagen und Bedingungen.
Die Auflagen werden sein, dass nicht zuviel solche Papiere aufgekauft werden müssen. Steigen die Zinsen weltweit an, dann ist es wahrscheinlich bald soweit.
Natürlich ist die Eurokrise vorbei. Mario Draghi hat die Zeichen der Zeit korrekt erkannt und verfolgt exakt die gleiche stabilisierende Geldpolitik, wie sein US-Kollege Ben Bernanke: Billiges Druckgeld in die Finanzmärkte pumpen, das nur zum kleinen Teil via Trickle-Down-Economy in der Realwirtschaft ankommt und damit Inflation auslösen kann – und gleichzeitig mit Druckgeld Staatanleihen zurückkaufen um die Zinsen zu senken. Dieses Konzept kann die niedergehende westlich-neofeudalistische Zivilisation noch für Jahrhunderte am Leben erhalten – wie etwa im alten Rom. Massive Schuldenschnitte wird der System-Geldadel mit Geld-Zurück-Garantie nicht schlucken.
An Arbeitslosenzahlen um die 20…40% werden wir uns langfristig allerdings nicht nur in Europa, sondern auch in den USA gewöhnen müssen. Unsere hochwertschöpfende, innovatve Güterproduktion, die sich auch das eigene Volk leisten kann, haben wir unwiederbringlich und unumkehrbar nach Asien weggegeben. Entsprechend geht es nur noch darum, dass wir die Zeit bis zur «Landung» als neue Drittwelt-Region, müglichst komfortabel nutzen können. Dazu gehört die staatliche Förderung des Konsums, sowie Senkung der Jugendarbeitslosigkeit durch altersprogressive Sozialabgaben – wie wir sie in der Schweiz haben – und ein kontinuierliches staatliches Engagement im Infrastrukturbau, Ausbau der öffentlichen Verwaltung und der Geheimdienste, sowie aktive Förderung von Sportereignissen zur Ablenkung der Bevölkerung. Da sind die USA führend!
Ja sicher, der Staat als letzter Agent, welcher fuer die Konsumergesellschaft kaempfen wird. Solch zentralplanerische Energie muessten selbst Kommunisten bewundern.
Herr Huber, dass die westlich-neofeudalistischen Staaten nach Kräften die staatsschuldenfinanzierte Konsumwirtschaft unterstützen, ist wohl in der Tat der einzig gangbare Weg, um die niedergehende westliche Zivilisation noch rund für 300 Jahre einigermassen sozialverträglich am Laufen zu halten und dabei zu verhindern, dass die Staats- und Prämienwirtschaft auf 100% des BIP anwächst – was zum vorzeitigen Kollaps führen würde (vgl. Griechenland). Das haben ja auch die alten Römer ab etwa 85 A.D. so gemacht. Und zwar mit Erfolg – wenn ich anfügen darf. Ein Zurück zur sozialen Marktwirtschaft samt Reindustrialisierung und Wiederausbildung der Massen, welche wieder innovative Güterproduktion ermöglichen würde, kann erstens schlicht niemand bezahlen, zweitens würden alle solche Anstrengungen wegen des viel niedrigeren Lohnniveaus in Asien zunichte gemacht und drittens will kein Westbürger mehr DVD-Player zusammenschrauben, Telefone zusammenlöten, oder gar in Walzwerken schuften, wenn er als Jurist, Ökonom, Sozialarbeiter, Marketingfachmann, Nachrichtendienstler oder Verkehrsingenieur, etc. ein viel besseres, sicheres und erst noch nachhaltiges Auskommen findet. Daher halte ich es für sinnvoll, den Staats- und Prämiensektor bei 50% des BIP einzufrieren (wie wir das in der Schweiz schon haben) – während die restlichen 50% auf Infrastruktur, Konsum, DL und noch etwas Nischenindustrie entfallen. Um einen Billiglohn-Sektor nach Vorbild von Hartz-IV werden wir aber nicht herumkommen.
@ Sacha
Darf ich Ihnen zwei Aspekte zu bedenken geben.
1. Die Kausalitaet in Ihrer Aussage hinkt ein wenig. Es ist z.B. nicht die soziale Marktwirtschaft, welche eine Welle von Innovationen ermoeglichte, sondern aus meiner Sicht genau umgekehrt.
2. Das Tempo von Veraenderungen duerfte schwerlich vergleichbar sein mit jenem zu Roms Zeiten. Die Kommunikation war damals bedeutend langsamer und dessen Inhalt auch besser zu kontrollieren.
Herr Huber, Da widerspreche ich Ihnen mit allem Respekt.
1. Die innovative Güterproduktion, welche sich auch das Volk leisten kann, ist eine zwingende
Voraussetzung für eine nachhaltige Wirtschaft. Jede Zivilisation, die Ingenieurswissenschaften samt der
zugehörigen Produktion zugunsten ihrer Vermögensverwaltung aufgegeben hat (nennt sich heute Dienstleistungsgesellschaft) ist untergegangen. Das ist eine historische Tatsache. Damit überhaupt Innovation und eine wirtschaftliche Verwertung möglich wird, müssen vom Staat eine ganze Reihe von Rahmenbedingungen geschaffen werden: Zugriff auf Risikokapital, Ausbildung der Menschen im technisch-industriell-handwerklichen Bereich, Abbau von innovationsfeindlichen Hürden; wie z.B. Blockierung echter Innovation durch eine ganze Phalanx von Trivialpatenten durch Konzerne, Beseitigung von staatlichen Interessenskonflikten (heute werden Betriebe mit althergebrachte Technologien als Investitionsgefäss für Renten gebraucht – was selbstredend der Einführung innovativer Technologien entgegensteht), sowie Aufhebung von Technologietransferverboten gegen innovative Ingenieure.
2. Die Kommunikationsgeschwindigkeit war nicht entscheidend für den wirtschaftlichen Niedergang Roms. Genau so wie heute haben die alten Römer ihre industriell-handwerkliche Güterproduktion in Billiglohnländer der Gallier, Kelten und Germanen outgesourced und konsumierten via einer nicht nachhaltigen Schuldenwirtschaft. Das funktionierte für rund 350 Jahre.
@ Sacha
Es liegt wohl ein Missverstaendnis vor, indem ich unter sozialer Marktwirtschaft ein immer staerker geplanter Wohlfahrtsstaat verstehe, also meine Gewichtung auf dem Wort „sozial“ liegt. Der Auswuchs Richtung „financialization“ basiert auf der immer staerkerer Zentralisierung und Planwirtschaft.
Risikokapital findet sich immer, wenn profitversprechende Projekte vorliegen. Bildung ist ein natuerliches Beduerfnis zwecks Verbesserung persoenlicher Zukunftchancen. Innovationsfeindliche Huerden beruhen meist auf staatliche Eingriffe.
Ich erkenne einzig eine Umkehr von Zentralisierung Richtung Dezentralisierung als Moeglichkeit, das gegenwaertige Dilemma zu beenden. Die heisst natuerlich noch lange nicht, dass dies einfach zu bewerkstelligen ist.
2. Gesellschaftliche Veraenderung erfolgen, wenn eine allgemeine Bewusstseinsveraenderung der Bevoelkerung stattfindet. Solche Veraenderungen erfolgen durch Kommunikation und sind somit mit abhaengig vom Zugang und der Geschwindigkeit zu Informationen und Meinungen. Es sind erst immer ein paar wenige, welche ein neues Gedankengut aufnehmen. Wenn sich die Erkenntnisse gut begruenden lassen und gut vermittelbar sind, kann es verhaeltnismaessig schnell gehen. Ich denke schon auch, dass wir diesbezueglich erst in den Anfaengen stecken, aber denke trotzdem, dass es sehr schnell gehen kann. Die Sensibilisierung auf ein Thema kann sich heute wie ein Lauffeuer verbreiten, siehe Snowden.
Die Eurokrise wird erst durch den Aufprall beendet sein. Wie ein Meteorit der in der Atmosphäre verglüht und im Fall immer mehr an Wert verliert. Der Euro hat finanziell den Ruin in Europa und die EU Chaos, Armut und Aussichtslosigkeit bei den Menschen. Der Crash des € welcher mit dem Zerfall der EU geschehen wird wird mit Revolutionen und sogar Bügerkriegen einhergehen. Dann werden sich die Länder renationalisieren. Um es auf einen Punkt zu bringen; der € ist bereits im Koma und die Herz-Lungenmaschine wird durch Drucken von Euros noch in Gang gehalten bis die Vorbereitungen für den Crash, dessen Zeitpunkt kein Wunschkonzert der EU-Länder ist sondern von den nervösen Märkten bestimmt wird bzw. durch ein öffentl. „unvorhersehbares Ereignis“ künstlich eingeleitet wird. In Wirklichkeit wurden unter den G8-Staaten hinter den Kulissen schon Vorbereitungen getroffen – vermutlich möchte man zu Goldbindung zurück. Nicht umsonst wird der Goldmarkt von den Nationalbanken z.B. Russland und China aufgekauft. Lt. einschlägigen Internetseiten soll es nicht mehr lange dauern – vermutlich noch im September 2013 wie gewisse Insiderinfos angeblich durchsickern lassen.
@ Anton
Grundsaetzlich gehe ich mit Ihnen einig.
Jedoch ist Europa einzig das anfaelligste Glied der Kette und andere Staaten koennen temporaer die Problematik noch besser verstecken. Manch einer glaubt, dass es z.B. die USA besser macht, was einem Fehlschluss gleichkommt. Die USA ist einfach besser ausgeruestet (aufgrund der erhoehten Machtkonzentration) unter Anwendung hoechst korrupten Verhaltens der Elite die Problematik zu verschleiern. Viele Staaten und Staedte in den USA zeigen die aehnlichen Probleme auf, welche in Europa dauernd in den Schlagzeilen aufgefuehrt werden.
woher rührt der glaube, die krise sei etwas vorübergehendes?
die krise wird uns fortan konstant begleiten, sie ist der rahmen, in welchem ganze demokratien, freie märkte etc an der nase herumgeführt werden können.
@ Sepp
Gut erkannt.
Ja, es ist die Rechtfertigung der Kuenstler der Manipulation, ihre eigene Existenzberechtigung zu untermauern und ihre Macht auszubauen.
Seit 10 Jahren erzählt SVP-Fossil Schlüer, dass der Euro ein intellektuelles Fehlkonstrukt ist, das gar nicht funktionieren kann. Dass der Euro heute noch da ist, haben sich die grossmannsüchtigen Europaweltpolitiker mit dem Geld der Bürger und ihrer Kinder erkauft.
Die Zukunft wird es zeigen, wie der Mainstream Barroso, Juncker, Schäuble und Co. beurteilen wird.
Es geht nicht einzig um den EURO, sondern um den allgemeinen Trend, an allen Orten eine erhoehte Machtkonzentration anzustreben. Es handelt sich um eine natuerliche Tendenz von Verwaltungsapparaten, wie ein krebsartiges Geschwuer zu wachsen, was darauf basiert, dass die einzelnen Mitglieder dieser Organisationen dem natuerlichen Drang ihre persoenliche Zukunft abzusichern, nachkommen. Dieses menschliche Attribute ist nicht zu verurteilen, sondern man muss sich einfach dessen bewusst sein. Es ist deshalb von ueberragender Bedeutung, dass man die Aufgaben des Staates und seiner Organisationen klar begrenzt, ansonsten der Parasit (Verwaltungsapparat) schrittweise den Host (Gesellschaft) erwuergt.
Die Entwertung der Waehrungen erfuellt in dieser Beziehung eine dominante Rolle, was man erkennen kann, wenn man die Zusammenhaenge vertieft studiert.
Wenn die SVP in anderen Fragen etwas ökonomischen Sachverstand zeigen würde (Landwirtschaft), dann würde man ihnen vielleicht sonst glauben…
Die Betrachtung von Kevin O’Rourke und Alan Taylor ist wohl richtig, jedoch nur im Rahmen klassischen Wirtschaftsdenken.
Vielleicht wird’s noch paar weiter Zyklen geben.
Langfristig wird aber nur ein gründlicher Paradigmenwechsel Remedur schaffen.
Das Wachstumsparadigmafunktioniert nicht mehr. Leider überfordert ein Übergang zu einer ausgeglichenen, nachhaltigen – sustainable – Wirtschaft offenbar die Wirtschaftsakteure und Regierungen. Alle haben Angst, dass sie bei solchen Epochalen Veränderungen der Bedingungen zu den Verlieren zählen könnten. Es ist Zeit, dass die einfachen Bürger dies begreifen und sich nicht mehr mit Wachstumsphantasien ihre Stimmen kaufen lassen. Es gibt eine ganze Anzahl von – teilweise sogar „dekorierten“ – Oekonomen die zwischen den Zeilen mit neuen Szenarien rechnen.
@ Alfred
Ich stimme ueberrein.
Jede wirkliche Veraenderung basiert auf einer Bewusstseinsveraenderung der Gesellschaft und muss meist fast mit Gewalt (hoffentlich nicht) durchgesetzt werden, denn die Elite versucht den Status Quo so lange wie moeglich zu verteidigen, weil dieser ihnen die meisten Vorteile zu offerieren scheint. Einzig auf die Gefahr hin, den eigenen Kopf zu verlieren, werden sie ihre Position ueberdenken. Via allgemeiner Konfusion und unter Anwendung der medialen Beriselung wird versucht, die Angelegenheit und Problematik zu verschleiern.
Ueli der Knecht , was für ein Clown ! “ Falls Lenin ein Liberaler….. Marx als Bordel Besitzer und Engels Zuhälter, gute
Vorbild !
Ich werds noch lesen (auch die Kommentare, vorerst mal soviel:
Ein Beitrag mit dem Titel
Die Eurokrise ist vorbei!
hätte keinerlei Rechtfertigung publiziert werden, es gibt keine Tatsache dazu zu berichten, keine Geschichte zu erzählen. Dass die Krise vorbei ist, müssen wir aus einem Titel wie
„Was in der Eurokrise wirklich geschah“
entnehmen. Die Eurokrise existiert, solange darüber geschrieben wird. Wird nicht darüber geschrieben, existiert sie nicht mehr. Realität ist die kollektive Wahrnehmung, was nicht wahrgenommen wird, existiert nicht, bzw existiert schon ist aber irrelevant, also gleichbedeutend wie existiert nicht. (Nebenbei: Leute wie Snowdon und Breivik eint, dass sie ihre reale Existenzt aufgeben, weil Ihnen die Existenz in der allgemeinen Wahrnehmung als einzig reale Existenz erscheint. Die Kandidaten machen sich zum Idioten, weil es gilt, frei nach descartes: Ich bin im Fernsehen, also existiere ich.)
Die Eurokrise wird wahrscheinlich wiederkommen. Für einen Artikel im Tagi fehlt allerdings etwas wichtiges darin. Es wird nicht beschrieben, wieso die Krise wieder aufflammen wird.
Der Grund dafür ist, dass wenn die USA sich früher erholt, das Fed dort die Zinsen wieder anziehen wird, um die Inflation einigermassen in Kontrolle zu behalten. Wenn sich bis dahin die Lage im Süden Europas nicht verbesert, dann befindet sich die EZB in einer schwierigen Lage. Entweder sie hält die Zinsen tief, der Euro Wechselkurs könnte dann wieder neue Rekorde schaffen (nach unten) oder sie zieht mit den Zinsen wieder an, was diese Staaten zahlungsunfähig machen wird.
„Die Eurokrise wird wahrscheinlich wiederkommen“.
Die Krise wird nicht wiederholt wiederkommen, die Krise ist seit 2008 stets permanent in den Zahlen vorhanden.
Die Zahlen der Verschuldung haben sich stetig verschlechtert, folglich ist das Gerede von einer Überwindung -das Schlimmste sei vorbei -Schaumschlägerei.
Die scheinbare Erholung kommt nur daher, weil die Ländern die es sich nicht leisten können trotzdem weitere Kredite aufnehmen konnten -weil politisch so durchgesetzt. Die Ausleihsumme der Not leidenden Euro Länder ist aber inzwischen auf (offiziell) 1,256 Billionen Euro angestiegen, Tendenz steigend auf ca. 1.8 Billionen. Das geht nur, weil noch mehr Risiken in Kauf genommen wurden als zuvor. Irgendwann wird das jemand im Norden real bezahlen müssen, denn die Schulden plus Zinsen werden kaum ohne Schock wieder abgebaut werden können.
@ ast
Guter Kommentar.
Die Idee, dass die Kosten des Risikos durch Zinsmanipulation verschwinden ist eine Illusion. Es handelt sich einzig um eine Umverteilungs- und Verzoegerungstaktik.
So ist es Herr Huber, bei funktionierendem politischen Konsens kann man alle Neuverschuldungen den zukünftigen Generationen aufbrummen. Die Zahlen werden dadurch aber nicht besser, eine Nachlass der Schulden auf Kosten der Allgemeinheit wird folgen ( oder wie üblich zu Ungunsten spezifischer sozialer Schichten um „die Märkte“ zu verschonen).
Das Jahr 2012 war das Jahr der Krisen, 2013 wird das Jahr der Katastrophen! Und zwar vor allem deswegen, weil die Elite von allem Anfang an glaubte, sie könne die Krise o h n e Schmerzen beendigen. Und je länger sie herumdoktern, desto hilfloser präsentieren sie sich und der Absturz wird um so heftiger sein. Natürlich werden sie sich die Hände in Unschuld waschen und irgend ein Land/eine Regierung als Verursacher bezeichnen, nur um zu Vertuschen, dass sich alle der Schuldenorgie hingegeben haben.
In der öffentlichen Polit-Diskussion über die Eurokrise als Konsequenz der verwerflichen Schuldenpolitik, wird nicht über Wahrheiten gesprochen sondern es werden Meinungen oder um es klar zu sagen, Lügen verbreitet.
Die nackten Fakten sind bekannt, aber die Politiker können (wollen?) sie nicht einordnen und versuchen sich in Kosmetik.
Die EU-Eliten spielen gemeinsam mit ihren Kollegen im IWF und EZB das gefährlichste Vabanquespiel überhaupt. Einerseits spielen sie sich in Europa auf als Schiedsrichter, stürzen aber gleichzeitig hunderttausende ins soziale Elend, anderseits treten sie die Souveränität der Mitgledstaaten mit Füssen.
Das allerschlimmste, diese übernationalen Eliten vertreten eine „Staatsräson“ eines Staates den es gar nicht gibt!
Die EU ist kein Staat!
Doch wenn das Desaster beginnt, sind die Eliten die heute wursteln, längst nicht mehr im Amt sondern geniessen ihren wohbehüteten Ruhestand nach dem Motto: nach mir das Chaos.
Jaja, die EU ist kein Staat. Die EU ist sehr schlecht und böse und der Grund für das Elend der Welt überhaupt, wir haben es verstanden. Wie wäre es wenn sie mal eine Lösung präsentieren? Das würde mich viel mehr interessieren als ihre ausgelutschte Anti-EU Polemik.
Die Prioritäten sind falsch gesetzt. Wer die Möglichkeit hat, Dinge zu gestalten, hat auch eine Verantwortung. Die Lösung fängt beim setzen der Prioritäten an.
Gerne lobe ich die EU: der ganze Prozess der Einigung Europas ist hervorragend und hat auch unseren Alltag positiv verändert.
Die fehlenden Grundlagen für eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik bleiben aber das Grundübel innerhalb der EU. Die Idee der EU-Gründer (nicht zu verwechseln mit jenen die den Euro zu früh und ohne gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik einführten), wonach in ganz Europa Jedermann in nahezu gleichen materiellen Verhältnissen leben soll, konnte selbst mit Milliarden von Subventionen und Milliarden von Rettungsschirmen nicht realisiert werden. Der Euro konnte auch nicht helfen, da er preistreibend wirkte.
Doch wie bei allen Krisen, kann auch die EU-Schuldenkrise zu einer Chance werden. Ob sie genutzt wird? Es sei erlaubt daran zu Zweifeln. Nicht die Staatsschulden bei allen EU-Mitgliedern müssen wachsen sondern die Volkswirtschaften, also muss versucht werden, die Fäden neu zu spinnen statt weiterhin vorwiegend Banken zu retten.
Ich verstehe nicht, warum Paul Krugmann immer noch als Ökonom bezeichnet wird. Er hat sich schon so oft geirrt, daß er in die Kategorie Märchenonkel einzureihen wäre. An ernstzunehmendem Scharfsinn und Weitsicht mangelt ihm so offensichtlich, daß ihm der Nobelpreis eigentlich aberkannt werden müsste.
Es ist eine Gewohnheit, dass die Gesellschaft jemandem vertraut, welcher sich durch den Beweis oder die Erkenntnis einer spezifischen Theorie auszeichnete. Das Problem liegt darin, dass man annimmt, dass diese gleiche Person auch auf anderen Gebieten ausserhalb dieses spezifischen Bereiches die Zusammenhaenge richtig erkennt, was natuerlich einer Falscheinschaetzung entspricht. Die meisten beruehmten Wissenschaftler haben sich einzig auf einem sehr begrenzten Gebiet ausgezeichnet, was gut ist, jedoch nicht uebertragbar auf Erkenntnisse in anderen Bereichen. Niemand ist so gut wie sein Ruf und niemand ist so schlecht wie sein Ruf, sondern meistens sind Menschen viel durchschnittlicher und mit positiven wie negativen Attributen versehen.
@Linus: Genau, so ist es! Der Faktor „Ruf“ wird ganz klar überschätzt, im Guten wie im Schlechten. Vieles ist auch persönliches Marketing. Wenn eine Person es geschafft hat, sich ein gutes, öffentliches Image zu schaffen, ist viel erreicht. Allerdings spielt dann das Risiko des „Rufmordes“ zunehmend eine gewisse Rolle. Ich bin davon überzeugt, dass die Mediokrität auch sehr berühmter Leute, die sogar zu Ikonen geworden sind, ausgeprägt ist.
Kann mir jemand zwei Fragen zum Artikel beantworten?
1.“Einzig in Griechenland ist das nominelle Lohnniveau seit 2008 um etwa 10 Prozent gesunken – «dank» einem massiven Einbruch in der Beschäftigung.“ Weshalb führt ein Einbruch in der Beschäftigung zu einem sinkenden Lohnniveau?
2.Wie kann die Politik auf die Lohnstückkosten Einfluss nehmen? Bzw. waren es politische Gründe, dass die Lohnstückkosten zwischen Peripherie und Mitte auseinanderdrifteten?
@Christoph Palz: 1) Einbruch der Beschäftigung bedeutet steigende Arbeitslosigkeit. Das wiederum bedeutet ein Überangebot an Arbeitskräften. Währen die Löhne nicht starr („sticky“), müssten sie sinken, damit Arbeitskräfte-Angebot und -Nachfrage wieder im Lot sind. 2) Irland und Spanien sind in den Jahren zwischen 2000 und 2007 überhitzt. Ihr Zinsniveau war zu tief, ihr Lohn- und Preisniveau stieg. Entsprechend stiegen auch ihre Lohnstückkosten. Waren es politische Gründe? Na ja, die EZB folgte mit ihrer Zinspolitik von 2000 bis 2007 den Bedürfnissen Deutschlands, nicht den Bedürfnissen Spaniens…
„Wie kann die Politik auf die Lohnstückkosten Einfluss nehmen?“
Die Politik bestimmt alles. „Freier Wettbewerb“ und „mehr Konkurrenz“ als Maxime wird in den Grundschulen unterrichtet. Das Märchen vom Wettbewerb gilt für den kleinen Mann und/oder die kleine Firma.
In der Realität will niemand Wettbewerb. Wettbewerb bedeutet mehr Stress, weniger Gewinn. Je höher die gesellschaftliche Position, je grösser die Firma, der Konzern, desto wichtiger ist die Politik. Das ganze Leben ist Politik.
In D wird von verschiedenen Professoren die Ansicht vertreten, dass seit Jahren die Produktivitätsfortschritte nicht an die Lohnempfänger weitergegeben werden, da alle vom flexibilisierten Arbeitsmarkt und der Wettbewerbssteigerung begeistert sind; die Folge ist stagnierende / sinkende Reallöhne und eine flache Binnenkonjunktur in D bzw. Deflationstendenz.
Im Süden dagegen steigende Löhne und Inflationstendenz sowie massive Exportschwäche mit Aufbau Auslandsverschuldung gegenüber D. Dieses interne Exportguthaben von D gegenüber seinen eigenen Währungskollegen kann aber nur amortisiert werden, wenn D in den nächsten 10 Jahren seine Produktivität wieder schwächt und der Süden seine stärkt. Das werden die D Exportwirtschaftsprofiteure aber niemals zulassen, sie sind fleissig dran ihre Schäflein ins trockene zu bringen während die D-Allgemeinheit auf einer Forderung sitzen bleibt, die aus reiner Zukunftshoffnung besteht.
Zur Beschäftigung: Schon Friedman hatte damals M. Thatcher geraten die Gewerkschaften zu zerschlagen und Arbeitslosigkeit zu schaffen damit ein flexibilisierter Arbeitsmarkt entseht, nur so kann innerhalb des BIP die Profitquote zulasten der Löhne verschoben werden; die Zinsen sowie Mieten/Pachten konnte man ja dazu nicht schröpfen.
Das BIP von Deutschland, gemessen am BIP der Eurozone (aktuell 17 Länder) beträgt 30%. Die grosse Mehrheit der Länder in der Eurozone hat ein BIP von deutlich unter 10%. Das Problem ist nun, dass die EZB, selbst wenn diese unabhängig agieren will, trotzdem die Interessen von Ländern wie Deutschland und Frankreich stärker berücksichtigt. Ein Land wie z.B. Portugal, dessen BIP unter 2% ist (gemessen am BIP der Eurozone) spielt entsprechend eine untergeordnete Bedeutung.
Das Problem ist nun, dass die 17 Länder der Eurozone unterschiedliche wirtschaftliche und konjunkturelle Bedingungen aufweisen.
Ganz banal: In der Schweiz weist der Kanton Zürich auch andere Bedingungen auf als der Kanton Jura. Allerdings sind in der Schweiz die politischen Rahmenbedingungen vorhanden. (Z.B. „keine“ Korruption, Steuersystem, Respekt vor Minderheiten etc…)
Mit der Eurozone hat man Länder wie Griechenland, Italien, Spanien, Deutschland in einen Topf geworfen. Und die Politik hat sehr wohl von Anfang an gewusst, dass folglich grössere Anpassungen über den Arbeitsmarkt erfolgen müssen. Konkret: Dass z.B. Spanier nach Deutschland auswandern müssen. (Für mich ein Hauptkritikpunkt, da der Währungsraum künstlich geschaffen wurde. Aber bitte – wenn man das Ganze rein elitär betrachtet und keine Verantwortung wahrnehmen will, so hat dies ansonsten keine weiteren Konsequenzen).
Die globale Kriese ist noch lange nicht vorbei. Und ich wage die Polemik sie wird auch nie wieder enden. Die für den Westen wirtschaftlich erfolgreiche und auch recht ruhige Zeit zwischen 1945 und sagen wir 1990 (jaja, ich weiss, kalter Krieg und so, aber mal abgesehen davon kaum Probleme) wird nicht zurückkehren. Zu viele Probleme warten auf uns. Zu viele Menschen, zu wenig faire Verteilung der Güter etc.
@Reto Stadelman
Die meisten Menschen werden ja sowieso in Entwicklungsländern das Licht der Welt erblicken – während Europa / Japan / Teile von Amerika – immer mehr zu einer geriatrischen Klinik mutieren.
Die globale Krise des Kapitalismus ist weniger darauf zurückzuführen, dass es zu viele Menschen in den produktiven Zentren des Kapitals gibt, sondern dass eine Überproduktion stattfindet, welche immer weniger Menschen als Käufer dieser Güter vorfindet, da diese nicht mehr genügend beschäftigt werden können.
Was genau zu den Problemen führt, ob es nun die vielen Menschen sind oder dass man diese nicht beschäftigen kann, ist nicht ganz klar. Aber einig sind wir uns wohl immerhin darin, dass diese (globale) Krise noch lange nicht ausgestanden ist und es auch nicht so schnell sein wird.
Stadelmann: Auch wenn die Krise jetzt schon über 5 Jahre dauert, bedeutet das nicht, dass man sie deswegen mit ie schreibt um ihre fortgeschrittene Dauer zu unterstreichen.
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Aber Sie können sich trösten, es schreiben viele Leute dieses Wort falsch – habe mich oft gefragt, woher das kommt, zumal es mittlerweile ein Wort ist, das fast schon in einem inflationären Ausmass gebraucht wird!
Ergänzung: …. dass die Wirtschaft nur ein Aspekt in der Eurozone ist.
Wobei Nationalökonomen von der Lehre her das „Volk“ im Auge haben. Betreffend den grundlegenden Fragen: Wie kann man die Ressourcen besser nutzen etc… und effizienter verteilen, sodass es dem Volk besser geht.
Wir haben in der Schweiz eine direkte Demokratie. Bereits unsere Nachbarländer haben ein viel elitäreres Verständnis von Politik.
Geht es der politischen Elite in der Eurozone überhaupt um de Wirtschaft des Volkes? Oder geht es um die Wirtschaft der Elite?
Die Frage beantwortet sich mit der Fragestellung.
Die Elite hat in den letzten 20 Jahren ihre Vermögen bereits vervielfacht; im Hinblick auf die nächste irgendwann mal anstehende Währungsreform werden diese Vermögen nochmals vermehrt, wenn man sich mit genügend Sachwerten und Schulden eingedeckt hat. Es fragt sich also wie lange man diese Zinsknechtschaft noch betreiben will; ist diese wirklich besser als die Leibeigenschaft?
@Josef Marti
Hören Sie doch auf von einer „Zinsknechtschaft der letzten 20 Jahre“ zu faseln. Es ist „Business as Usual“ im Kapitalismus, dass sich das Kapital akkumulieren muss (!) und zwar in wenigen Händen. Sie dürfen sich entscheiden – Kapitalismus „ja“ oder „nein“. Alle anderen „Alternativen“ sind blanker Populismus, der wie im Mittelalter die „Schuldigen“ für die Pest ausfindig machen will – also ein Voodooritual. Ich dachte wir hätten diese Entwicklungsphase langsam hinter uns…
Ist doch kein Grund sich aufzuregen, die Zinsknechtschaft ist doch wohl schon etwas älter als 20 Jahre. Wenn Sie keine anderen Ansichten vertragen sollten Sie vielleicht besser den Ziiischtigswohlfühlclub besuchen. Mit Ihrer Marxismus-Litanei betreiben Sie hier wohl den grössten Populismus.
@Josef Marti
Es gibt wenige Dinge, die mich auf die Palme bringen. Aber Naziparolen a la „Zinsknechtschaft“ sind im Jahre 2013 einfach nur unterste Schublade. Genau so – wie man heute das Wort „Endlösung“ ohne geschichtlichen Kontext nicht gebrauchen sollte. Wer solche „Feinheiten“ nicht versteht – hat einerseits null Geschichtsbewusstsein und andererseits auch keinen Plan von Ökonomie. Ich berufe mich jedenfalls lieber auf ein Werk wie „das Kapital“ von Marx – als auf Nazipropaganda.
Ich würde gerne 2 Aussagen (bewusst provokativ – ohne dass ich mich dem anschliessen möchte) von Friedrich Nietsche erwähnen:
1. Die soziale Leiter sei eine Voraussetzung für alle Gesellschaften. Die Menschen seien also von Natur aus nicht gleichwertig.
2. Irgendwann aber, so stellte Nietzsche fest, gelangten die Sklaven zu einem Punkt, wo ihre Toleranz gegenüber der Erniedrigung der „Adeligen“ einen Sättigungswert erreichte, was eine „Sklavenrebellion“ zur Folge hatte.
Die Eurokrise ist doch auch davon abhängig, was für ein Politikverständnis die Gesellschaft hat. Der „Elite“ geht es ja nach wie vor gut. Die steigende Arbeitslosigkeit führt dazu, dass der Druck auf die Arbeitnehmer zunimmt. Für die Firmen bedeutet dies billigere Arbeitskräfte. Und sollte es gelingen, trotz Bilanzrezession irgendwann die Inflation anzuheizen, so steigen die Sachwerte: Immobilien, Kunstobjekte, Rohstoffe, Aktien. All die Dinge, von denen wieder die „Elite“ profitiert. Wer hat also ein Interesse, das System zu ändern?
Bezüglich dem einfachen Bürger kann man sagen, dass es diesem wohl einfach viel zu gut geht. Die „Sklavenrebellion“ tritt ein, wenn die Bürger zu „verhungern“ drohen. Ist es nicht eher so, dass wir eine auf die „Reichen“ ausgerichtete Gesellschaft haben, in der jeder so sein möchte wie die Reichen? Sogar der einfache Bürger wählt rechts.
Also was sollte sich ändern?
Der Punkt ist doch, dass die Wirtschaft nur ein Aspekt in der Eurozone ist.
@ Mike
Ich moechte noch einen Aspekt in dieser Beziehung hinzufuegen.
Da wir ja mehr oder weniger in sogenannten Demokratien leben, bedingt eine Veraenderung natuerlich einen politischen Kurswechsel. Nun sind aber ein immer hoeherer Anteil von Menschen teilweise oder vollstaendig vom Staate abhaengig (z.B. Arbeitslosenversicherung, Altersvorsorge etc. etc. je nach Staat), welche natuerlich aufgrund der staatlichen Unterstuetzung gar nicht gesinnt sind, dass die Situation sich veraendert. Somit verfallen wir schrittweise in eine Form politischer Lethargie, wo sich einfach nichts mehr richtig bewegt. Wir sind in etwa in dieser Phase, wo man die Situation nicht wahrhaben will und jeder noch seine Pfruende mit allen Mitteln verteidigt. Erst eine Krise wird wieder die Moeglichkeit bieten, wirkliche Veraenderungen in Gang zu setzen.
Mike, der einfache Bürger wählt vielleicht rechts, weil er nicht an die Rezepte der Linken glaubt. Und absulute Gleichmacherei wäre auch für diejenigen demotivierend, die nicht viel haben. Wieso arbeiten, wenn einem am Schluss alles wieder weggenommen wird?
Die vereinbarte Inflationsrate von knapp 2% wurde von keinem Land eingehalten. D lag deutlich darunter während die PIGS noch deutlicher darüber lagen. Auf der einen Seite Lohndrückerei in D und im Süden überhöhte Löhne trotz mangelnder Produktivitätsfortschritte. Mit unerschiedlichen Inflationsraten und realen Lohnstückkosten innerhalb desselben Währungsraums wird das System an die Wand gefahren; ebensowenig funktioniert es wenn nur D wettbewerbsfähig ist und die anderen, welche ein Handelsdefizit ausweisen, an die Wand drückt. Der einzige Ökonom der diese Zusammenhänge nachvollziehbar aufgezeigt hat ist H. Flassbeck.
Der Süden Europas ist vergleichbar mit dem Kanton BE in der CH, ohne gigantische Finanzausgleichszahlungen gehts nicht.
@Josef Marti: Es ist wirklich so, wie Sie schreiben. Der alte Spruch „man kann das Fell des Bären nicht waschen, ohne es nass zu machen“ erweist sich auch in diesem ganzen, einerseits komplexen, andererseits aber doch recht simplen Kontext. Ich kann, Gott sei’s geklagt, eigentlich nur auf Grund meiner eigenen Leistungen meine eigenen Wünsche erfüllen. Wenn meine Leistung klein ist, müssen, (müssten) es die Wünsche eigentlich ebenfalls sein. Wir wissen, dass die Wirklichkeit mit den Erkenntnissen nicht deckungsgleich ist. Das Beispiel mit dem Vergleich der deutschen Volkswirtschaft mit denjenigen der PIGS-Staaten zeigt das EU-Dilemma drastisch auf. Sie haben auch recht bezüglich der Schweiz. Ohne gigantische Finanzausgleichszahlungen geht es nicht. Wenn das Geld nicht fliesst, „fliesst“ die Bevölkerung. Nämlich von armen Regionen in reiche, von armen Ländern in reiche. Das nennt man dann „Migrationsströme“. Die Ratlosigkeit ist total. Als Folge der (westlichen) Kommunikations- und Transporttechnologien ist z.B. das Wissen um die angeblichen Milch- und Honigströme, an denen man sich (leistungsfrei) laben kann, in Nordafrika und anderswo vorhanden und die Möglichkeiten, um vom Elend ins Glück zu gelangen, ebenfalls. Das Ergebnis ist das, was wir haben: Monströse Probleme.
Nach den negativen Erfahrungen der festen Wechselkurse im EWS mit den damals gewaltigen Währungsspekulationsattacken zB G. Soros gegen GB, welches in der Folge abwerten und aus dem EWS austreten musste, erhoffte man sich die Vorteile einer gemeinsamen Währung.
Eine eigene tief bewertete Währung eines tendenziell schwach produktiven Landes fungiert aber wie eine Schutzhülle weil es die Inlandnachfrage schützt; deshalb wurde Ostdeutschland in den 90ern bei der Wiedervereinigung mit dem 1 : 1 Zwangsumtauschkurs innert Kürze leergefegt und sozusagen zu wirtschaftlichem Brachland degradiert. Ähnlich ist es im Euroraum; wie die Euroturbos aus diesem Dilemma rausfinden wollen dürfen wir jetzt interessiert verfolgen.
England hätte das Pfund sowieso abwerten müssen, Soros war nur einer der ersten, der das merkte und das Geld mobilisieren konnte, um davon zu profitieren.
Wegen ihrem Unvermögen Lösungen für die Euro-Probleme zu erarbeiten, wegen ihrem krankhaften Willen, mit allen Mitteln, koste es was es wolle, einen europäischen Bundesstaat herbeizuführen, weil sie sich – nicht zuletzt aufgrund ihres Unvermögens – von den Krisengewinnler (Banken, Finanzmakler) ihre Entscheidungen diktieren lassen, weil sie die Bürger als unmündige Untertanen einstufen und deshalb stetig belügen und den Demokratieabbau forcieren, werden Merkel, Schäuble & Co. unbeirrt den Weg in ein europäisches Chaos fortführen und viele Bürger Europas in eine schlimme Armut schicken und die Völker der europäischen Staaten gegeneinander aufbringen. Wissenschaftler, die die Situation der EU-Finanzpolitik realistisch analysieren werden ja mundtot gemacht und als Gegner einer europäischen Einheit diffamiert.
Merkel und Schäuble sind für die Schuldenkrise gar nicht zuständig. Wenn Sie unbedingt eine Lösung wollen, sollten Sie sich an Jeroen Dijsselbloem, Olli Rehn und Mario Draghi halten. Am besten auch an A. Samaras, M. Rajoy und E. Letta.
Merkel und Schäuble verfolgen deutsche Interessen. Das ist kein Unvermögen, denn sie werden ja vom deutschen Volk bezahlt. Genauso kümmern sich Hollande, Moscovici und Montebourg nur um französische Interessen, denn sie sind französische Politiker.
Das letzte, was alle genannten Personen wollen, ist der von Ihnen beklagte europäische Bundesstaat. Das spielt sich nur in Ihrer Phantasie ab. Wie so manches andere.
@ Zlatko
So ganz daneben ist die Benennung von Merkel und Co. nicht unbedingt. Die von Ihnen erwaehnten Figuren werden schwerlich etwas unternehmen, welches nicht vom maechtigsten Mitglied der EU abgesegnet ist, schon aus Ueberlegungen der persoenlichen Absicherung ihrer Position und Zukunft.
Als Normalbürger versucht man, die eigenen Lebensprobleme nach Massgabe des gesunden Menschenverstandes zu regeln. Diese Methode funktioniert in vielen Fällen. Ich wage die Behauptung aufzustellen, dass diese Prinzip auch in der hohen Wirtschaftspolitik funktioniert; grundsätzlich. Logisch ist, dass man die Gesetze des Lebens, auch des Wirtschaftslebens, nicht austricksen kann. Günter Schmölders schrieb einmal ein Buch mit dem Titel „Adam Riese schlägt zurück“. Er nahm darin Bezug auf den modernen Wohlfahrtstaat nordeuropäischer Prägung. Wenn ich die Mechanismen der Finanzsysteme richtig verstehe, dann bildet das Sozialwesen in jedem hochentwickelten Gemeinwesen den eigentlichen Problemkern. Will heissen: Wenn zu viele Menschen mit einer schlechten Ausbildung besser leben wollen, als sie eigentlich könnten, wenn sie sich auf ihre eigenen Möglichkeiten verlassen müssen, ist das nur über ein sehr gut ausgebautes Sozialsystem möglich. Es geht um Umverteilung. Wer kriegt, weshalb, von wem, warum, wie lange wieviel Geld? Der unvergessliche SP-Bundesrat Willy Ritschard sagte einmal, Zitat aus dem Gedächtnis: „Viele glauben, der Staat ist eine Kuh, die im Himmel gefüttert und auf Erden gemolken wird“. Sämtliche wissenschaftliche Statistiken, alle Nobelpreisträger dieser Welt und alle klugen Kommentatoren können vieles, aber eines nicht: Wirkliche Probleme lösen. Wir können uns nicht unendlich weiter verschulden und dann den lieben Gott einen guten Mann sein lassen.
Danke für Ihren herrvorragenden Kommentar. Das Individuum als kleinste Minderheit muss sich aus den vielen Abhängigkeiten befreien und anfangen, seine Probleme wieder selber zu lösen. (Fast) jeder weiss am besten, was für ihn richtig ist. Die aktuelle Abstimmung zur „Legalisierung“ der Bratwurst z.B. ist einfach nur lächerlich.
@K.A. Barrett
Falls Lenin ein Liberaler geworden wäre – hätte er wohl das gleiche „Rezept“ auf Lager gehabt: „Der ideale Staat sollte so aufgebaut sein, dass ihn jede Hausfrau lenken kann.“
Vulgärökonomie lässt grüssen…
Lieber Ueli: Die Begriffe „Vulgärökonomie“ und „Vodooökonomie“ haben in Ihrem Argumentarium einen festen Platz.Das sei Ihnen unbenommen. Lenin hatte mit Freiheit und Liberalismus so wenig zu tun, wie ein Pädophiler mit moralischen Minimalstandards.Sein Nachfolger Josef Dschugashwili, genannt Stalin, ebenfalls. Das System des Leninismus/Stalinismus war totalitär, menschenverachtend und letzten Endes ökonomisch erfolglos. Wenn es anders gewesen wäre, hätte 1989/90 nicht der finale Zusammenbruch stattgefunden. Ich empfehle Ihhnen die Lektüre folgender Bücher: 1. Der junge Stalin, 2. Stalin, am Hof des roten Zaren, (beide von Simon Sebag Montefiore), 3. Mein Bruch mit Moskau von Arkadij Nikolajewitsch Schewtschenko und 4.Das Schwarzbuch des Kommunismus, geschrieben von einem Autoren-Kollektiv, das sich mit der Geschite desKommunismus bestens auskennt. Karl Marx kann ein Vorwurf nicht gemacht werden: Er konnte die Verheerungen des nach seinem Tod real existierenden Sozialismus unmöglich voraussehen. Die heute Lebenden wissen, was geschehen ist. Bemerkenswert ist, dass der Glaube noch nicht gestorben ist. Das ist unverständlich!
@K.A. Barett
Herr Barett ist offensichtlich kein Freund von Ironie! Natürlich war Lenin kein Liberaler – aber der Spruch von der „Hausfrau“ stammt von ihm. Natürlich war der Leninismus / Stalinismus eine einzige Katastrophe – wer hat denn hier irgendwas anderes behauptet? Interessant ist wie Sie wieder mit dem Marx verfahren – einerseits betonen Sie, dass ihm kein Vorwuft gemacht werden kann – um dann im volgenden Satz ihm quasi die ganze Schuld in die Schuhe zu schieben (…Die heute Lebenden wissen, was geschehen ist…). Marx hat den Kapitalismus analysiert und sonst gar nix! Er hat kein Handbuch mit „Tipps und Tricks“ für die revolutionäre Zeit verfasst, noch hat er sich für Gulag und ewige Einparteiendiktatur ausgesprochen.
Marx war sicherlich ein intelligenter Mensch. Er hat den Kapitalismus während der schlimmsten Zeit, gerade bevor die Arbeiterschicht langsam angefangen hat davon zu profitieren, analysiert. Aber Marx hat sich in den meisten Punkten geirrt. Und die weniger intelligenten (oder weniger gutwilligen) Leute, die gerne die Lehre von Marx weiterdenken waren für unsere Zivilisation im besten Fall nicht viel Wert – die schlimmsten Fälle sind wohl Lenin, Mao Tsedong usw.
Danke für einen interessanten Artikel.
Der Hinweis „Lohnstückkosten ≠ Lohnniveau“ ist gut. Auf der einen Seite hat es immerhin etwas Produktivitätsfortschritte gegeben (das sind nicht nur ’statistische Täuschung‘), andererseits dürfte ein noch fehlender Faktor wirklich noch sinkende Lohnkosten sein.
Die (noch) nicht synchrone wirtschaftliche Entwicklung wird auch im „Taylor-Rule“ Chart aufgezeigt.
Um auch noch etwas Kritisches anzufügen: Was ich nicht verstehe, ist, weshalb fast alle Ökonomen (und auch MD) bei Asynchronität immer nur zu einer Lösung kommen (wollen), nämlich zu synchronisieren (genuine banking union, eurozone-wide safe bond, fiscal union, …). Wieso die asynchronen Wirtschaftsläufe nicht asynchron lassen und dezentraler / kleinräumiger / föderalistischer organsieren?
Gibt es Studien, die überzeugend darlegen, dass grossräumig synchronisierte Wirtschaftsräume langfristig besser sind als kleinräumig synchronisierte?
Mit ein Grund mag sein:
Weil die Machtkonzentration und damit der Wert zentralplanerischer Taetigkeit durch Ihren Vorschlag reduziert wuerde und damit teilweise die Existenzberechtigung von Oekonomen in Frage stellte.
Vermutlich spielen Grossmachtambitionen effektiv eine wichtigere Rolle dabei als ökonomische Überlegungen. Ein föderales Europa hätte zwar keine realistischen Leaderaussichten, aber den Leuten ginge es vermutlich besser.
Nichts Neues. Nominale Löhne sinken nur schwer. Deswegen wäre eine höhere Inflation wünschenswert. Aber die deutschen aber die Nominallöhne im Kern der Eurozone sind erheblich schneller gestiegen als in der Peripherie. Daher ergibt sich eine interne Abwertung, die aber ein langsamer Prozess ist. Es gibt aber auch zwei Gründe anzunehmen wieso das nicht so wichtig ist:
1. Es gibt keinen empirischen Zusammenhang zwischen Lohnstückkosten und BIP
2. Die Daten sind viel zu hoch aggregiert um etwas auszusagen. (d.h. in Spanien sind die Lohnstückkosten nicht grundsätzlich zu hoch sondern vor allem im Bau-Sektor. D.h. dann muss sich die Zusammensetzung der Wirtschaftssektoren ändern, nicht aber das Lohnniveau an sich.)
Die Balken im Eurohaus biegen sich, weil der Begriff „interne Abwertung“ eine fast rein technische und theoretische Bedeutung beinhaltet und elementare Triebkräfte des Menschen kaum berücksichtigt. Die Menschen aber denken nicht so und eine Zweiklassengesellschaft wird basispolitisch von den Leuten der Peripheriestaaten gar nicht erst akzeptiert. Wird sie dennoch aufgezwungen, so entlädt sich die Energie anderweitig unkontrolliert.
Dieselben Leute, die nun ihren Lebensstandard senken müssten, verhärten sich, weil sie besorgt und gedemütigt sind und werden sich wahrscheinlich gegen Strukturreformen und Innovationen wenden, weil auch das in eine ungewohnte Zukunft führen würde. Es bauen sich also zwei Trägheitskräfte gleichzeitig auf, die politisch in einer Demokratie noch nie kontrolliert überwunden werden konnten.
Es stehen uns also höchstwahrscheinlich unkontrollierte Zeiten bevor, d.h. Überraschungen und davon eher unangenehme. Der feste Boden unter den Füssen im symbolischen Sinne wird ein knappes Gut werden.
@Stephan Kupper: Ja, das glaube ich auch! Die Balken biegen sich bis zu einem bestimmten Punkt, dann brechen sie. Was dann passieren wird, ist klar: Das System kracht mit lautem Getöse zusammen. Wäre ein System „Sozialismus light“ umsetzbar? Nein! Die menschliche Natur verhindert einen (theoretisch) möglichen Erfolg. Karl Marx irrte, weil er glaubte, der Mensch könne durch das System „gebessert“ werden. Soziale Marktwirtschaft à la Ludwig Erhard? Heute nicht mehr denkbar. 1950 funktionierte das blendend. Europa, insbesondere Deutschland, lag in Trümmern, die Ansprüche der Menschen waren auf einer Null-Linie angesiedelt, der Marshallplan wirkte als Nachbrenner. Heute ist alles anders. Vieles ist gebaut, viele haben überhaupt vieles, möchten aber gerne noch mehr. Theoretisch kann man alles haben, letzten Endes fehlen aber den Individuen die materiellen Möglichkeiten, und sie fehlen deshlab, weil ganze Heerscharen zu geringe eigene Ressourcen haben; materielle und geistige. Zwischen diesen beiden Faktoren besteht eine schicksalshafte Interdependenz. Diese Gemengelage enthält viel Zündstoff. Unser „getuntes“ System könnte uns irgend einmal um die Ohren fliegen.
@K.A. Barett
„Karl Marx irrte, weil er glaubte, der Mensch könne durch das System „gebessert“ werden.“
Marx hat das kapitalistische System schonungslos und ohne ideologische Scheuklappen untersucht – diese Tat wird ihm für immer hoch angerechnet werden. Marx und Engels beschrieben den „Arbeiter“ ihrer Zeit als entfremdeten „Zeitsklaven“, der weit davon entfernt war aus eigenem Bewusstsein zu handeln. Auch der berühmte „Fall der Profitrate“, den gewisse Untergangspropheten nach Marx als Beweis für den baldigen Untergang des kapitalistischen Systems handelten, wurde von Marx „nur“ als Tendenz beschrieben. Die wahre Schranke des Kapitalismus ist das Kapital selber – aber um die Schranke niederzureissen braucht es Menschen aus Fleisch und Blut, die keine Lust mehr auf ein Leben in einem selbstmörderischen Akkumulationsregime haben. Jetzt kann man natürlich sagen – bis das passiert – wird vorher die Erden von der Sonne verschluckt…
Bei den Mayas gab es alle 52 Jahre einen Schuldenschnitt und auch in der Bibel und der Tora kennt man das schon lange…
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Wenn O’Rourke und Alan Taylor recht haben und es die Politker nicht mehr hinkriegen – dann wird Europa wohl auch nicht um den Schuldenschnitt herumkommen.
Immerhin der Schuldenschnitt vom Londoner Abkommen 1953 hat Deutschland sehr gut getan – das sollten die Deutschen nicht vergessen, wenns dann in die Endphase der Eurozone geht.
ABer vielleicht gibt es dann ja ein Happy-End wie bei der Einführung der DM 1948 – als sich die Schaufenster praktisch über Nacht füllten – dort wo am Vortag noch trostlose gähnende Leere herschte.
Der Schuldenschnitt sollte tatsächlich ein fester Bestandteil der Wirtschaft werden. Es wäre interessant, wie sich dann die Bondmärkte entwickeln würden, wenn dieser Faktor als fester Bestandteil in den Preisfindungsformeln berücksichtigt werden müsste.
@ Stephan
Grundsaetzlich sind die Realisierung von Abschreibungen ein fester Bestandteil des kapitalistischen Systems. Einzig die auf Machtkonzentration fokusierte Elite versucht durch zentralplanerische Manipulation die Regeln der Marktwirtschaft zu umlaufen, was das System selber zunehmend laehmen duerfte. Es handelt sich um eine seit Jahrzehnten bestehende Entwicklung, welche in den letzten Jahren ihren erstweiligen Hoehepunkt erreichte.
Ein Schuldenschnitt mag vielleicht vorübergehend helfen. Das grundlegende Problem der Eurozone besteht aber weiter, so dass man in 10 Jahren wohl wieder gleich weit wäre. Das zentrale Problem ist: die Eurozone ist eine zu starke Integration für Staaten, die ihre Souverenität behalten wollen. Ein Euro funktioniert nur dann, wenn man die einzelnen Nationalstaaten faktisch abschaffen und zu Kantonen degradieren würde, mit einer einzigen zentralen Regierung in Brüssel. Wenn jedoch jedes Land seine eigene Politik betreiben will, so ist eine gemeinsame Währung, wie eine Kasse aus der sich jeder bedienen darf, ohne jemandem gegenüber Rechenschaft ablegen zu müssen oder für das Ganze denken zu müssen. Solch ein System ist für die im wesentlichen egoistischen Politiker zu verlockend, um es nicht auf Strich und Faden zu missbrauchen, bis es ins Schlingern gerät. Lösungen wie Bankenunion, gemeinsame Bonds führen in die gleichen Probleme. Letztlich gibt es nur zwei wirklich stabile Zustände: Aufgabe der Nationalstaaten oder Wiedereinführung von Landeswährungen. Da weit und breit keine Anzeichen bestehen, dass Staaten wie Frankreich seine Souvererität aufgeben wollen, gibt es nur eine langfristig stabile Lösung: Ausstieg. Ein Ausstieg wäre aber kurzfristig derart schmerzhaft, dass man sich durchwursteln wird solange es geht (und das geht noch länger als man denkt!) und in der Hoffnung auf ein Wunder und jedes Mal, wenn der Wind sich kurz pausiert, hofft man der Orkan sein nun vorbei.
Da haben Sie recht, bin ich auch der Meinung. Und substanzielle Schuldenschnitte werden auch nicht kommen, höchstens Konkurse.
Aber das Gedankenexperiment mit den periodisch wiederkehrenden Schuldenschnitten bietet seinen Reiz. Denn angenommen jeder Gläubiger wüsste, dass – sagen wir immer wieder nach 6 Jahren gemäss Bibel – die Restschulden hinfällig werden, dann gäbe es wohl kaum eine so exzessive Schuldenwirtschaft wie heute. Die Schuldner begehren, das wird immer so bleiben, aber die potenziellen Gläubiger werden garantiert vorsichtiger. Und ich würde behaupten, wenn ich das so ein bisschen überdenke, dass das vorhandene Kapital dann vermehrt und lieber in effiziente, rentable und nachhaltigere Strukturen der Realwirtschaft fliessen würde.
Zahlreiche Schuldenschnitte oder Pleiten von Staaten würde wohl schnell bedeuten, dass der Kapitalmarkt für Staaten nicht mehr zugänglich wäre oder sie höchstens noch zu horrenden Zinsen (10-20%) Geld aufnehmen könnten. Denn dann würde es den meisten Gläuigern dämmern, was historisch betrachtet längst klar ist, dass Staaten von ein paar Ausnahmen abgesehen (Schweiz, USA) zu den unzuverlässigsten Schuldnern gehören und viel häufiger als solide Firmen, das geliehen Geld nicht mehr zurückzahlten. Deshalb hüten sich die Staaten wohl so lange wie möglich vor Schuldenschnitten. Man will nicht, dass diese böse Wahrheit allgemein bekannt wird.
Die Frage ist auch, ob es besser ist, wenn Staaten sich nicht mehr über den Kapitalmarkt Geld besorgen können oder ob sie dann nicht auf noch dümmere Ideen, wie Gelddrucken kommen. Oder es läuft noch viel einfacher, die fehlende Nachfrage von Gläubigern wird durch Zentralbanken ersetzt, die alle Schulden aufkaufen und die dann die Schuldenschnitte und Pleiten mitmachen und die schliesslich mangels Eigenkapital Geld drucken müssen. Naja böse Zungen behaupten dies geschehe schon heute…
@M. Senn: Vergessen Sie nicht, dass die Schweiz einer der grössten Gläubiger der Euro-Zone ist. Bei einem Schuldenschnitt sind auch Hunderte Milliarden Euro der Schweiz verloren. Aber wenn die Schweiz der EU die vielen Milliarden schenken will, wird sich in der EU sicher niemand dagegen wehren.
Die SNB hat längst aus dem Euro diversifiziert. Aber die Alternativen sind nicht viel besser. Man hätte wohl besser eine Steuer auf kurzfristige Bankeinlagen ausländischer Investoren erhoben, um der Frankenaufwertung zu begegnen. Dies hat man wohl wegen der Baken nicht getan, diese leben schliesslich davon, Ausländern die Sicherheit in der Schweiz zu verkaufen – bezahlen wird am Schluss immer der Steuerzahler oder die Mittelschicht mit ihren Ersparnissen (Inflation ist auch eine Art Steuer).
Die Devisenreserven einer Notenbank sind nicht automatisch wertlos nur weil ein Schuldenschnitt in einem Euroland erfolgt. Solche Abwertungsgefahren bestehen va bei Ländern die an andere Währungen gekoppelt sind wie damals zB Argentinien oder auch gewisse europ. Währungen während des EWS.
@J. Marti: Wir brauchen natürlich einen Schuldenschnitt in der ganzen Euro-Zone, nicht nur in einem Land. Alle Staaten müssen komplett entschuldet werden. Die Gläubiger müssen Solidarität zeigen.
Müsste man nicht endlich auch mal die Frage nach der Ursache von solch exorbitanten Schuldenbergen fragen?!
Ich bin schon lange der Auffassung, dass das Zinssystem massgeblich das ganzen Elend in d.Welt verursacht – bzw. an den wahnwitzigen Reichtümern u.Bankengewinnen Schuld ist. Bernd Senf hat vor Jahren schon dargelegt, wie sich d.Zinswirtschaft auf die Realwirtschaft auswirkt – und wie jene, die im Moment davon profitieren, schlussendlich sich selbst den Ast absägen, auf dem sie sitzen – und zwar stammseitig! Womit ein Kollaps praktisch unvermeidlich wird.
Das Modell v.Wörgl ist natürlich global so wie es stattfand nicht durchführbar. Allerdings könnte ein Mittelweg gefunden werden, der Sinn machen könnte u.allen Beteiligten Gewinn einbringt.