Der grosse Unterschied zwischen Europa und den USA

Ein Demonstrant in Spanien protestiert gegen die Massnahmen der Regierung gegen die Wirtschaftskrise, 25. September 2012.

Eine für die ganze Eurozone geeignete Geldpolitik zu finden wird schwierig: Ein Demonstrant protestiert gegen die Massnahmen der spanischen Regierung gegen die Wirtschaftskrise, Madrid am 25. September 2012. (Foto: Keystone)

Wir feiern dieser Tage ein nettes kleines Jubiläum: Vor exakt drei Jahren, am 6. Oktober 2009 um genau zu sein, nahm in Athen das Kabinett von Georgios Papandreou seine Arbeit auf. Noch am Tag seines Amtsschwurs sagte Griechenlands neuer Premier, die Finanzlage des Staates sei viel schlimmer, als die offiziellen Zahlen vermuten liessen. Er warnte, das Budgetdefizit des Jahres 2009 werde 12,7% des Bruttoinlandprodukts erreichen.

Und so nahm die Eurokrise mit unerbittlicher Konsequenz ihren Lauf. Wir stehen heute kein bisschen näher an einer Lösung als damals.

Mal abgesehen von der in diesem Blog schon oft thematisierten Notwendigkeit, die Europäische Währungsunion für ihre langfristige Überlebensfähigkeit mit einer Fiskalunion zu verschmelzen (mehr dazu hier), stellt sich noch eine andere, elementare Frage: Ist die Europäische Zentralbank überhaupt in der Lage, eine sinnvolle Währungspolitik für diesen grossen, heterogenen, aus 17 Ländern bestehenden Währungsraum zu verfolgen?

Die praktische Erfahrung sagt: Nein.

Mark Wynne und Janet Koech, zwei Ökonomen der Federal Reserve Bank of Dallas, haben in einer aktuellen Studie (hier abrufbar) die EZB-Geldpolitik seit dem Start der Währungsunion im Jahr 1999 untersucht. Mit einer einfachen Taylor-Regel (nach dem Stanford-Ökonomen John B. Taylor) haben sie haben sie für jedes der elf ursprünglichen Euro-Länder (plus Griechenland ab 2001) eruiert, wie hoch ihr jeweiliger Leitzins ungefähr hätte sein müssen.

Hier kurz der Vollständigkeit halber die Gleichung der Taylor-Regel:

FFR = 2 + INF + 0.5(INF-2) + 0.5GAP

FFR = Federal Funds Rate, die Zielrate der US-Notenbank
INF = Aktuelle Inflationsrate
GAP = Output Gap, definiert als aktueller Output minus potenzieller Output
(Die Nummer zwei steht für das von Taylor angenommene Gleichgewichts-Zinssatzniveau im Vollbeschäftigungs-Zustand)

Aus der Gleichung lässt sich ungefähr ableiten, wie hoch der Notenbank-Leitzins unter Berücksichtigung des aktuellen Inflations- und Beschäftigungsniveaus (respektive deren Abweichung vom Zielwert) sein sollte.

Aber zurück zu Europa. Grafisch dargestellt sieht das seit 1999 so aus (Quelle: Dallas Fed):

Die dunkelgraue Fläche zeigt die Spannbreite der Taylor-Rule-Zinsniveaus in den jeweiligen Ländern. Die dicke, orange Kurve zeigt den effektiven, von der EZB bestimmten und für alle Euro-Länder gültigen Leitzins.

Nach der Jahrtausendwende erlebten Länder wie Irland und Spanien einen beispiellosen Boom; Irlands Wirtschaft beispielsweise expandierte mit jährlichen Raten von fast 10%. Diese Länder überhitzten; hätten sie noch eine eigene Zentralbank mit eigener Währung gehabt, hätten sie Leitzinsen von 10% und mehr benötigt (oberes Ende der grauen Fläche).

Andere Länder, insbesondere Deutschland und Frankreich, liefen zwischen 2000 und 2003 hingegen Gefahr, in eine Deflation abzurutschen. Sie benötigten sehr niedrige Zinsen (unteres Ende der grauen Fläche). Und genau das lieferte ihnen die EZB: Aus der Grafik geht eindrücklich hervor, wie die Zentralbank von 1999 bis 2007 den Leitzins (orange Kurve) nach den schwächsten Ländern richtete – was über den grössten Teil des fraglichen Zeitraums Deutschland war (hier mehr zu diesem „Dirty Little Secret“ der Eurokrise).

Seit der Finanzkrise von 2008/09 hat sich das Bild dramatisch verändert; in Ländern wie Spanien platzte die Immobilienblase, die Arbeitslosenrate schoss in die Höhe, sie rutschten in eine tiefe Rezession. Spanien würde heute gemäss der Taylor-Regel Leitzinsen um -7% (unteres Ende der grauen Fläche) benötigen, während für Deutschland eher ein Niveau von 3% angemessen wäre.

Mit derart grossen Diskrepanzen in der wirtschaftlichen Verfassung der einzelnen Euro-Länder ist es für die EZB nahezu unmöglich, eine optimale Geldpolitik zu betreiben. Immer wird sie entweder zulassen müssen, dass einzelne Länder Deflation erleiden oder aber einzelne Länder überhitzen (wer weiss, vielleicht ist dieses Mal Deutschland mit der nächsten Immobilienmarktblase an der Reihe – mehr dazu hier und hier).

Deutlich anders sieht das Bild in den USA aus, wo die Notenbank ebenfalls einen grossen Währungsraum mit beträchtlichen regionalen Unterschieden zu pflegen hat. Für die acht vom Bureau of Economic Analysis definierten geografischen Regionen sieht die Streuung des angemessenen Leitzinsniveaus nach der Taylor-Regel so aus:

Die graue Fläche ist seit den frühen Neunzigerjahren deutlich schmäler als in Europa, was zeigt, dass die Regionen in den USA einander viel ähnlicher sind als die einzelnen Staaten der Eurozone. Eindrücklich zeigt die Grafik auch, wie die US-Notenbank unter Alan Greenspan zwischen 2002 und 2007 die Leitzinsen (dunkelblaue Kurve) viel zu lange auf zu niedrigem Niveau hielt (und damit die US-Immobilienblase begünstigte).

Besonders deutlich wird das Dilemma der EZB, wenn man die Spannbreite der Arbeitslosenraten (als Indiz für den Output Gap respektive die Unterauslastung der Produktionsfaktoren) in den Euro-Ländern mit derjenigen in den acht US-Regionen vergleicht. Hier die Grafik aus dem Papier von Wynne und Koech:

Die blaue Fläche zeigt die Spannbreite der Arbeitslosenraten in Europa. Sie betrug seit 1999 meist mehr als zehn Prozentpunkte. Aktuell klafft sie mehr als zwanzig Prozentpunkte auseinander: Während Österreich eine Arbeitslosenrate von 4,5% ausweist, beläuft sie sich in Spanien auf mehr als 25%.

In den USA (orange Fläche) hingegen ist die Spannbreite der acht Regionen deutlich kleiner. An der Westküste beträgt die Arbeitslosenrate aktuell 10,2%, in den Präriestaaten 5,9%.

Die plausibelste Erklärung für diesen eklatanten Unterschied zwischen der Eurozone und den USA liegt in der Mobilität der Arbeitskräfte. Wenn Texas und North Dakota boomen, ziehen sie Arbeiter aus kriselnden Staaten wie Michigan und Kalifornien an. Das verhindert Lohn- und Preisexzesse in den Boomstaaten und schützt die schwachen Staaten gleichzeitig vor zu hoher Arbeitslosigkeit.

Das europäische Pendant würde bedeuten, dass aktuell Millionen von Spaniern, Griechen und Portugiesen nach Deutschland, Österreich, Finnland und die Niederlande emigrieren müssten.

Ist Europa dazu bereit?

37 Kommentare zu «Der grosse Unterschied zwischen Europa und den USA»

  • Michael Schwarz sagt:

    Ben Bernanke verweigert weiterhin die Verantwortung der Krise zu übernehmen, obwohl die ökonomischen Daten den negativen Effekt eindeutig zeigt. Die Unabhängigkeit der Zentralbank macht es unmöglich, ihm von seiner Funktion zu entbunden. Die Notenbanker können sich erlauben, hinter der Scheinunabhängigkeit zu verstecken, um zukünftiges Wachstum zu zerstören. Die Rücksichtlosigkeit zu jedem Preis um Wachstum zu erzielen, gefähert die Stabilität der gesamten Gesellschaft.

    Die USA versucht mit der expansiven Geldpolitik um das Sparen entgehen zu können, das ist ein graviender Irrtum. Ben Beranke gehört gefeuert zu werden, hat er nicht verdient seine Funktion als Fed Chief fortzuführen. Wer an eigner Währung herumschraubt, schraubt auch an eigner Stabilität um. Der schwache Dollar beschleunigt den Untergang Amerikas und die Menschen in den USA sind ärmer und ärmer.

  • ast sagt:

    Menschen zum gehen bewegen… ja Herr Dittli, dazu müssten in der EU die nationalen Demokratien noch weiter ausgehebelt werden, was allerdings in vollem Gange ist. Wenn es nach den Plänen der Trojka geht soll genau dies, die Umsiedelung von Menschen ala Chinesendiktatur umgesetzt werden.

    Vor Kurzem habe ich gelesen dass Berichten der griechischen Zeitung „Proto“ zufolge, habe die Troika geplant, Bewohner auf griechischen Inseln (mit einer Bevölkerung von unter 150 Menschen) aus Kostengründen auf das Festland zu deportieren.

  • Luzi Sommer sagt:

    Keine Ktitik an den qualitativen Aussagen des Economic Letters und des Posts. Allerdings verzerrt die Verwendung der einfachen Taylor-Regel möglicherweise die Resultate. Wenn zusätzlich der „Gradualismus“ der Geldpolitik der Zentralbanken berücksichtigt wird, liefert die Regel eine exaktere Beschreibung der Geldpolitik. Siehe auch die aktuellen Kommentare der Cleveland Fed zu diesem Thema: hier und hier.

    Das resultierende Bild relativiert auch die Aussage bezüglich der zu tiefen Leitzinsen in USA und der (implizierten) zentralen Rolle der Geldpolitik für die Immobilienblase bzw. die Finanzkrise. Siehe zu diesem Thema auch Bernanke, Ben S. (2010) „Monetary Policy and the Housing Bubble“ und Bean, Charles, Matthias Paustian, Adrian Penalver and Tim Taylor (2010). “Monetary Policy After the Fall”. Bean et al. zeigen, dass die Leitzinsen im UK (welches ebenfalls einen massiven Immobilienboom verzeichnete) gemessen an einer Taylor-Regel sogar zu hoch waren.

  • Die Antwort der Ökonomischen Lehre läuft seltsamerweise immer auf noch mehr trickle-down Neoliberalismus heraus, sogar dann, wenn der Ursprung der Krise gerade darin gelegen hat, dass man den neoliberalen Ratschlägen gefolgt ist (wir haben eine Krise *wegen* und nicht *trotz* der Ökonomischen Lehre), weshalb man doch eigentlich davon wegkommen sollte.

    So soll der Staat Sozialabgaben streichen und Staatsbetriebe privatisieren, obwohl es doch Privatschulden waren, die die Finanzblase alimentiert hatten. Und nun impliziert der Artikel, dass vermutlich der Arbeitsmarkt „flexibilisiert“ werden muss (d.h. die Standards nach „unten“ korrigiert werden müssen), um aus der Krise zu kommen, obwohl doch „das Kapital“ (Banken, Fonds und Anleger) für die Krise verantwortlich war.

    Die Idee der „Shock Doctrine“ (Buch von Naomi Klein) schien mir obgleich plausibel doch immer etwas esoterisch, aber nun sehe ich mit eigenen Augen, dass das neoliberale Rad im Schatten der Krise einen Zacken weitergedreht werden soll.

    Man kann die USA schon mit der EU vergleichen, aber man kann sicher viele verschiedene ebenso plausible, hübsche und falsche (Mencken) Schlussfolgerungen ziehen, speziell wenn man bedenkt, dass gerade die Arbeitslosenzahlen in den USA bekanntermassen „geschönt“ sind.

  • Ingo Rau sagt:

    Der Vergleich hinkt ja massiv! In Europa nimmt man alle Länder, in den USA aber aber „Regionen“. Wenn schon, dann müsste man dort auch die 50 Bundesstaaten nehmen – die haben nämlich alle ihre eigene Verwaltung und Politik. Oder man nimmt in Europa auch Regionen, über die man schon mal den Durchschnitt bildet – dann gehen die Extreme mit 25% Arbeitslosigkeit schnell verloren. Mag sein, dass die Grundtendenz nachher noch da ist – so ist das aber nur Äpfel mit Birnen verglichen und eine (bewusste?) Irreführung.

  • Sepp sagt:

    Die Schlussfolgerung des Artikels ist einseitig. Einverstanden: Arbeiter und Kapital müssen ans gleiche Ort. Das geht aber schneller und einfacher, wenn das Kapital zu den Arbeitern geht, statt umgekehrt. Konkret heisst das: Schuldenschnitt, Ausgleichszahlungen, Eurobonds, erhöhte Inflation, usw. Am besten wäre ein wohldosierte Mischung davon.
    Wir können uns dieser simplen Logik noch eine Weile verschliessen. Die Handlungsfreiheit nimmt aber ab, je länger wir zuwarten.

    • Thomas ernst sagt:

      @ Sepp

      Damit Sie so ein Programm durchziehen können müssen Sie zuerst die Demokratie abschaffen und die ganze Macht in Brüssel konzentrieren. Mutti ist da bereits eifrig dabei.

      Nur – wollen Sie diesen Preis wirklich bezahlen, nur um das Hobby eines Uraltpolitikers, den Euro, am künstlichen Leben zu halten?

      Vor der Einheitswährung hätte man erst mal eine gemeinsame Sprache einführen sollen. Dabei hätte man einiges lernen können.

      Der Ausweg aus dem Euroschlamassel ist die Zulassung von nationalen Parallelwährungen unter nationaler Kontrolle.

      • Tom Baer sagt:

        Ja, eine Parallelwährung wie den WIR. RAI Television hat über den WIR berichtet:
        http://www.youtube.com/watch?v=VMy8zmWSrFA
        Hier sind noch weitere Videos von anderen Mainstream-Sendern.
        ORF2 – GOLDMAN SACHS – Die Bank, die die Welt dirigiert! http://www.youtube.com/watch?v=IT_wRPbMzfI
        ARTE – Banken Banker Bankster: http://www.youtube.com/watch?v=WYWfQC9RpkA

        • Danke für die Hinweise! Goldman Sachs habe ich gesehen — auf französisch, und sogar verstanden (chli), aber den ARTE Beitrag kannte ich noch nicht.

        • will williamson sagt:

          A propos WIR: Ich hab mich mit dieser Parallelwährung auch schon befassen müssen. Dabei konnte ich feststellen, dass viele WIR-Teilnehmer lieber mit normalem Geld geschäften. Wenn ich fragte, wie viel WIR ich in Zahlung geben könne, kam öfters die Frage, ob es denn wirklich sein müsse. Zudem waren die Konditionen in vielen Fällen mit WIR schlechter als mit Bargeld. Aufgrund dieser Feststellungen habe ich mir dann die Taktik zugelegt, immer zuerst den Preis abzumachen und dann die Frage nach dem WIR-Anteil zu stellen. Das hat sich ganz gut bewährt.

          • Thomas ernst sagt:

            @ Will

            Das Problem würde sich rasch entschärfen, wenn es einen offiziellen und freien Handel zwischen WIR und CHF gäbe. Das tut es m.W. aber nicht. Man ist mit den WIR-CHF also eingeschränkt auf die beteiligten Anbieter.

            Kredite in WIR waren früher aber einfacher und billiger zu bekommen, als Bankkredite. Daher die Bedeutung des WIR v.a. Im Baugewerbe.

      • Sepp sagt:

        Es sollte zwischen „aus dem Schlamassel kommen“ und einem späteren anzustrebenden Zustand unterschieden werden. Aus dem Schlamassel kommen wir nur sinnvoll, wenn alle beisteuern. Keiner zieht sich selber aus dem Sumpf.
        Wenn schon Parallelwährungen, dann gleich private Währungen zulassen.

        • Linus Huber sagt:

          @ Sepp

          In wirtschaftlich schwierigen Zeiten besinnt man sich immer stärker auf sich selbst und seine unmittelbare Umgebung. Darunter dürfte auch der Wille zur Kooperation sich eher abschwächen. Es handelt sich um ein natürliches und in keiner Weise verwerfliches Verhalten des Menschen, welcher sich selber erst retten muss, bevor er andern Hilfe leisten kann.

          In Bezug auf Parallelwährungen reicht eine staatlich anerkannte, welche sich nicht manipulieren laesst durch Zentralbanken und Regierungen. Die Idee des Goldfrankens wurde kürzlich jedoch verworfen.

  • Karin Gut sagt:

    Zuerst einmal: Die USA ist bezüglich Wohlstand und Wohlfahrt für Alle kein leuchtendes Vorbild. So brutal wie in den USA machen Personen durch die Maschen des Sozialnetzes fallen, ist der Vorbildcharakter stark zu relativieren.

    Gewiss hat ist hohe Mobilität der Arbeitskräfte ein stabilisierender Faktor. Aber die USA hat dabei auch drei wesentliche Vorteile, a) die gemeinsame Sprache, b) eine einzige Nation, c) keine jahrhundertelang verwurzelte Kulturen, die Bevölkerung der USA ist mehr oder weiniger ein „zusammengewürfelter Haufen“.

    Diese hohe Mobilität hat man in der EU also natürlicherweise einfach nicht und ich würde grosse Fragezeichen setzen, ob es sinnvoll wäre eine solche Mobilität künstlich in Gang zu setzen. Das Gefühl von Heimat würde noch mehr verschwinden und damit auch ein Verantwortungsgefühl für die Menschen und die Umwelt der Heimat. Neben den menschlichen Tragödien beim Niedergang in den krieselnden Gebieten in den USA sind auch die hässlichen Ruinen der verlassenen Häuser und Industrieanlagen in unseren Augen sehr gewöhnungsbedürftig.

    • Rudolf Mühlemann sagt:

      Die USA können die Rolle des leuchetenden Vorbildes für die Wohlfahrt der breiten Massen nicht spielen. Das kann kein Land, wenigstens nicht auf lange Sicht. Nicht einmal die kleine Schweiz. Dieser ist es lediglich gelungen, in einer relativ langen positiven Phase der Erholung nach dem zweiten Weltkrieg bis heute, also nach der Stunde Null in Europa, im Kontext mit der daraus entstandenen positiven Entwicklung der Wirtschaftsleistung, grossen Teilen der Bevölkerung einen gewaltigen sozialen Aufstieg zu ermöglichen, der vorher undenkbar war. Was bei uns in Europa als Folge des leider fehlenden Geschichtsbewusstseins gerne vergessen wird: Die USA sind nicht unschuldig, dass zum Beispiel in Deutschland das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit möglich wurde. Dieses wird, teilweise nicht ganz korrekt, ausschliesslich den Fähigkeiten von Ludwig Erhard zugeordnet. Nicht überall bekannt ist, dass der Marshallplan der heute in gewissen Kreisen schlecht geredeten und geschriebenen US-Amerikanern als Initialzündung für den wirtschaftlichen Wiederaufstieg Deutschlands und damit ganz Westauropas wirkte. Vom militärischen Schutzschild der USA, welchen diese auch nicht ohne Kostenfolge für sich selbst zum Schutz gegen die Expansionsgelüste der Sowjetunion über ganz Westauropa gespannt hatte, reden wir jetzt nicht. Vergessen darf man diesen Faktor im Zusammenhang mit dem sozialen Aufstieg Europas aber auch nicht vergessen. Heute, siebenundsechzig Jahre später, haben die USA als Supermacht zwangsläufig noch andere Aufgaben, als den Fokus ihrer Politik primär auf den sozialen Aufstieg ihrer eigenen Bürger zu richten.

      • Linus Huber sagt:

        @ Rudolf

        Sie machen einen Fehler in Ihrer Analyse. Dieser liegt darin, dass Sie eine positive wirtschaftliche Entwicklung der politischen Klasse zuordnen. Politiker sind hingegen einzig erfolgreich, weil sich eine positive Phase des allgemeinen Gedankengutes und damit der wirtschaftlichen Leistung entwickelt, und somit alles erfolgreich erscheinen laesst.

  • Andy Meyer sagt:

    Immer und immer wieder hören wir die gleichen Aussagen über die EU. Mittlerweile weiss jedes Kind das die EU nicht fuktionieren kann solange die reichen Staaten nicht bereit sind die Schulden zu vergemeinschaften. Solange sich dort nichts tut wird sich die Krise immer weiter verschärfen, es würd für alle immer teuerer. Die heutigen Machthaber haben sich aber bis zum grossen Bumm wahrscheinlich bereits verabrschiedet.

    • Rene Wetter sagt:

      @Meyer: Sie schreibenn einfach Dinge die Sie irgerndwo aufgeschnappt haben. Mal eine Frage: Werden in der Schweiz die Schulden der Kantone auch „vergemeinschaftet“? Wir hatten ja einen ähnlichen Fall in den 90er als gewisse Kantone ihre unglückseligen Kantonalbanken retten mussten, die sich im Immobiliengeschäft verspekuliert hatten. Da die Länder aus verschiedenen Gründen verschuldet sind braucht es vierschiene Massnahmen. GR und IT sollte man keines falls entgegenkommen bevor man dort endlich gegen die grassierende Steuerhinterziehung vorgeht. Aber da schreien die Nationalisten wieder „Diktatur, Diktatur“. Ich bin der Meinung dass man ein Land das sich wie ein unmündiges Kind verhält auch wie ein solches behandeln sollte.

      • Linus Huber sagt:

        Es geht weniger um Ihre Meinung sondern um Fakten. Eine mathematische Unmöglichkeit kann man durch politische Entscheide nicht wirklich möglich machen, sondern verzögert einzig die Stunde der Wahrheit, welche um so trauriger ausfallen wird, je mehr man nicht nachhaltige Massnahmen durchsetzt.

        Sie scheinen ein Vertreter jener zu sein, welche sich stur auf den Standpunkt stellen, dass wer Schulden gemacht hat, diese auch zurückzahlen muss. Das ist eine einfältige Denkweise; Schulden wurden seit je her verschiedentlich einfach aberkannt, wenn Sie ein wenig nachforschen in den Geschichtsbüchern. Dies trifft im speziellen auf Staatsschulden zu.

        Sie, wie die Entscheidungsträger, wollen die Schuld nachlässiger Kreditvergabe jenen unterjubeln, welche damit im Grunde nichts zu tun hatten, wobei manch ein Nichtbeteiligter indirekt natürlich davon auch profitierte. Trotzdem verletzen die gegenwärtigen Massnahmen die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft und immer stärker auch der Demokratie.

        Glauben Sie in Tat und Wahrheit daran, dass man ein Land längerfristig schuldenversklaven kann, ohne dass sich dadurch noch viel schlimmere Aspekte entwickeln, welche die notwendige Abschreibung von nicht rückzahlbaren Schulden weit übertreffen werden?

  • Erik Schellenberg sagt:

    Ungleichheiten gibt es immer und überall. Wenn die Einwohner nicht reagieren wird es auch immer schlechter. Die Leute könnten ein bisschen flexibler sein und das Problem würde gedämpft. Aber jammern geht einfacher¨

    Wieso ist es in USA besser? Ein Grund ist sicher eine gemeinsame Sprache, gleiche Regeln (Steuern) und ähnliche Ausbildung.
    Nicht zu vergessen ist aber die Flexibilität.
    Man zieht dorthin wo es Arbeit gibt oder sucht Arbeit auf einem andern Gebiet. Dies ist in Europa schwierig oder ein Tabu.
    Man verkauft sein Haus und zieht in eine schönere oder günstigere Gegend. In Europa ist man oft zu sesshaft.

    Es ist einfach nicht lukrativ aus einer günstigen Wohnung in Zürich oder Genf und Umgebung in eine günstige Wohnung z.B. im Jura zu ziehen. Wie hoch müssen die Mieten steigen damit man die Trägheit aufgibt?

    Das hat gar nichts mit der Währung zu tun, sondern mit der Strategie der Nationalbanken.
    In USA ist klar – die Zinsen steigen erst wieder wenn der Arbeitsmarkt im Lot ist. Die Folge ist eine Dollarschwemme.
    In Europa fokussiert man auf Sparen und Inflation. Die Arbeitslosigkeit ist den nicht betroffenen egal.
    Die europäische Idee ist eine Zeitbombe – das ist ziemlich offensichtlich!

    • Linus Huber sagt:

      @ Eric

      Sie scheinen die Idee zu vertreten, dass es in den USA besser läuft. Mit dieser Annahme liegen Sie allerdings falsch, denn die USA ist schon heute höher verschuldet als Europa. Die seit einigen Jahren implementierte Geldpolitik hat kurzfristig die strukturellen Probleme sowie die nicht nachhaltige Entwicklung abgefedert, jedoch damit noch groessere Probleme fur die Zukunft produziert.

  • Philipp Rittermann sagt:

    leider ist der unterschied nicht mehr allzu gross. die europäischen länder verschulden sich auch immer mehr. ein weiterer grund für die schweiz, autonom zu bleiben.

  • will williamson sagt:

    „Helicopter“ Ben Bernanke ist eben der Nachfolger von Alan Greenpan, der von Henry C.K. Liu als „the Wizard of Bubbleland“ bezeichnet wurde. Da sich die Beiden wohl als Retter in letzter Instanz sehen, können die doch keine Verantwortung für die Krise übernehmen. Das hätte ja (aus deren Sicht)l gerade noch gefehlt.

  • Rudolf Mühlemann sagt:

    Als kleines Licht, aber mit einem einigermassen logisch arbeitenden Denkapparat ausgestattet, gehe ich von einem Scheitern des EURO-Währuungssystems aus. Das Pferd wurde am Schwanz aufgezäumt. Bevor eine Gemeinschaftswährung hätte aus der Taufe gehoben werden dürfen, wäre eine gemeinsame Fiskalpolitik erforderlich gewesen. Und eine solche ist, jedenfalls glaube ich das, im „Flickenteppich Europa“ nicht umsetzbar. Wenn man nur an „La Grande Nation“ denke, also an unseren grossen westlichen Nachbar, kommen grosse Zweifel auf. Das wird nicht funktionieren, das kann nicht funktiionieren! Ein Delegieren relevanter französischer Kompetenzen an Brüssel ist schwer vorstellbar. Frankreich ist aber nur ein einziges Land von insgesamt siebzehn Ländern der EURO-Zone, wenn auch ein wichtiges. Zudem sind die Mentalitätsunterschiede zwischen Nord- und Südeuropa derart gravierend, dass einem schwindlig wird. In Deutschland alimentieren die drei Flächenstaaten Bayern, Baden-Württemberg und Hessen den gesamten Bundesstaat. Hamburg als Stadtstaat steht ebenfalls gut da, ist aber in diesem Kontext irrelevant. Die genannten drei Bundesländer sind in der Lage, ihre Funktion als „Geldlieferant“ für die ganze Bundesrepublik zu erfüllen. Für ganz Europa reicht das aber nicht. Die anderen, ausser Deutschland wirtschaftlich erfolgreichen EURO-Länder sind zu klein, um Europa retten zu können.

    • Cybot sagt:

      Wenn man die Zahlen oben ansieht, müsste man tatsächlich sagen, das kann nicht funktionieren, die Währungsunion muss auseinandergehen. Gleichzeitig aber können die europäischen Politiker das niemals zugeben, besonders die in den Ländern, denen es gut geht. Daher ist die Annahme wohl deutlich realistischer, dass noch jahre- oder jahrzehntelang weitergewurstelt werden wird. Auf logisches Denken hören Politiker bekanntlich selten, und an ihnen hängt es leider.

      • Martin Holzherr sagt:

        Nein, jahrzehntelanges Weiterwursteln ist in der Euro-Krise gar nicht möglich. Denn die Zahl und die Bedeutung der Länder, die in ihren Sog geraten, wächst. Spanien ist bereits kein kleines Land mehr und Italien ist nicht mehr Euro-Peripherie. Voraussichtlich wird Frankreich nächstes Jahr ebenfalls in den Strudel der Euro-Krise geraten. Dann aber gibt es kein Weiterwursteln mehr.
        Die Ungleichgewichte sind auch viel grösser als es viele wahrhaben wollen. Dazu kommen gefährliche Verschuldungsgrade z.B. in Spanien wo die private Verschuldung (Immobilien) 225% des BIP erreicht.
        Entweder die Euro-Zone fliegt auseinander oder aber es werden drastische Massnahmen ergriffen wie z.B. grosse Schuldenschnitte.

    • will williamson sagt:

      Die Einführung des Euro war eine rein politische Entscheidung von Herrn Kohl wider die ökonomische Vernunft. Zwar wird behauptet, der Euro sei der von Mitterand verlangte Preis für die deutsche Wiedervereinigung gewesen. Das hat Theo Waigel, ehemals deutscher Finanzminister, aber letzthin ein einer Fernsehsendung in Abrede gestellt. Wahrscheinlich hat Kohl das Vorgehen bewusst gewählt, weil er den Euro als Mittel zur Erzwingung der politischen Union gesehen hat. Wenn man dies unterstellt, ist die Krise dem Ziel dienlich. Wie die aktuellen Vorgänge zeigen, versuchen jetzt die Gläubigerstaaten, D vorweg, die Schuldnerstaaten in das ihren Vorstellungen entsprechende Korsett zu zwingen. Nachdem Frau Merkel und andere mehrfach erklärt haben, wenn der Euro scheitere, dann scheitere Europa, aber auch D habe vom Euro am meisten profitiert, dann ist die Sache meines Erachtens durchsichtig. Ob die südlichen Länder angesichts der Mentalitätsunterschiede die deutsche Hegemonie auf lange Sicht akzeptieren wollen, ist letztlich die entscheidende Frage.

      • Klaus Grimmer sagt:

        Meines Wissens war es nicht Kohl, der den Euro unbedingt wollte, sondern er musste ihn hinnehmen, damit die übrigen Staaten (Frankreich) die Wiedevereinigung hinnahmen. Die hatten nämlich Angst vor einer zu starken D-Mark.

  • Michael Schwarz sagt:

    Ben Bernanke verweigert sich die Verantwortung für die Krise zu übernehmen. Aus der Grafik sieht man klar, wie graviend der Zinsgap war. Er betreibt unbeirrt seine expansive Geldpolitik fort, aus der Lehre hat er keinen Konzequenz gezogen.

    Die EZB befindet sich zur Zeit in einem schwerwiegenden Dilemma. Die Arbeitslosigkeit in EU steigt weiter an, ohne Aussicht auf Verbesserung der Situation. Der Fokus der EZB auf stärkeren EU-Ländern ist keine gute Entscheidung, nämlich die schwächeren EU-Länder benötigen Unterstützung. Der Zinssatz in EU muss weiter senken womit die schwächeren Länder geholfen werden und die Arbeitslosigkeit in EU wieder unter Kontrolle bekommt.

    • H. Trickler sagt:

      Auch mit Zinssatz Null wird die Konjunktur nicht anspringen, weil es schlicht und ergreifend billiger ist in China zu produzieren. Das war früher anders und daher sind die bisherigen Theorien nicht anwendbar.

      Eine Verbesserung könnte nur durch verpönte protektitionistische Massnahmen erreicht werden, aber bis diese Einsicht dämmert wird es leider noch einige Zeit dauern.

      • Linus Huber sagt:

        @ Trickler

        Falscher Ansatz.

        Das Problem liegt nicht darin, dass wir zu wenige Regeln und Restriktionen haben, sondern dass wir viel zu viele haben, welche den Staatsapparat aufblähen. Die meisten neu geschaffenen Regeln der vergangenen vielen Jahre bevorzugt die Elite, welche aufgrund ihres Einflusses sich Vorteile daraus konstruierte.

  • Maximilian Nimbus sagt:

    Eine solche Betrachtung wäre sicher auch zwischen den Schweizer Kantonen, den Deutschen Bundesländern oder den US-Staaten interessant. Allein die Differenz zwischen Bremen und Bayern würde die Bundesrepublik Deutschland als eine ökonomische Fehlkonstruktion erscheinen lassen. Es handelt sich wohl mal wieder eine Berechnung die für diesen Zweck weder entwickelt wurde noch sinnvoll ist.

    • Guter Punkt, speziell in Bezug auf die USA! Ironischerweise sind es gerade die US Staaten mit Republikanischen Gouverneuren (und Mehrheiten in den Parlamenten), die am ehesten mit Griechenland zu vergleichen sind, als Netto-Empfänger von Leistungen jener Zentralregierung, gegen die sie immer aus vollen Rohren feuern. Faktisch sind Republikanische Staaten und „failed states“ Synonyme.

      • Karin Gut sagt:

        „Republikanischer Staat“ als Synonym für “Failed State” scheint mir etwas gar aus den Fingern gesogen. Demokratische Mehrheiten gibt es der ganzen Westküste entlang und an der Ostküste von New York hinauf um die Grossen Seen herum. Dazwischen ist mit wenigen Ausnahmen das Gebiet der Republikaner. Die politische Aufteilung ist primär durch die Geographie bestimmt, gekoppelt mit diversen historischen Faktoren. Ganz sicher ist es nicht so, dass einige Staaten einfach durch die Republikaner gekapert und dann in die Misere geritten wurden, das sind Ammenmärchen.

        • DIe Ironie besteht nicht in der Geographie oder der Geschichte, sondern in der Tatsache, dass der Tea Party Anti-Federal Konservatismus so oft mit dem Netto-Empfängerstatus eines Staates zusammengeht, dass man schon fast von einer Regel sprechen kann. Es sind nämlich dieselben, die am lautesten gegen die Bundesregierung wettern, am dringendsten auf Bundesmittel angewiesen.

    • H. Trickler sagt:

      Genau dort liegt der Hase begraben: Die Regel stimmt rückwirkend betrachtet für die Nachkriegszeit in einigen Ländern, hat aber heutzutage keine Voraussagekraft weil ein Grossteil der Arbeit in die Niedriglohnländer (China) verlagert wurde.

      Damit ist die ganze Argumentation dass der Euro eine Fehlkonstruktion sei überhaupt nicht stichhaltig.

    • Peter Burkhard sagt:

      Die Analyse ist genau richtig aber die Schlussfrage falsch. Das politische Europa ist bereit (im Schengenraum kann jeder dorthin arbeiten gehen wo er will) aber die Leute sind nicht bereit. Der Grossteil der Spanier zieht halt nicht nach Deutschland – ganz einfach wegen der Sprache. In den USA hingegen zieht man tatsächlich einfach dorthin, wo es Arbeit gibt. Und genau darum kann der Euro nicht funktionieren.

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