
Mehr als ein paar Nadelstiche liessen die Grossen in der Gruppenphase nicht zu: Spieler von YB bejubeln das 2:1 gegen Juventus. Foto: Anthony Anex (Keystone)
Achtergruppen in der Champions League – das ist kein Witz! Die Manager der führenden europäischen Clubs denken allen Ernstes daran. Andrea Agnelli, der Boss von Juventus Turin, hat diese Idee vorgebracht. Da drängt sich die Frage auf, ob diese Leute den Fussball wirklich verstehen oder ob sie ihre Clubs nur als Einnahmequelle und als prestigereiches Spielzeug verwenden. Angesichts der klaren Kraftverhältnisse unter den besten Vereinen Europas war bereits die diesjährige Gruppenphase von grosser Langeweile gekennzeichnet. Aber der Fussballfan erwartet von einem Wettbewerb wie der Champions League mehr als nur das Abspulen eines Pflichtprogramms, bei dem nach drei von sechs Runden die beiden Ersten bereits feststehen. Vor allem, wenn die Fans für solche schlaffen Spiele noch extra bezahlen müssen.
Bei Achtergruppen müssten 56 Gruppenspiele ausgetragen werden. Hat das Herr Agnelli einmal errechnet? 7-mal zu Hause, 7-mal auswärts für jedes Team. Die Langeweile wäre vorgezeichnet. Und wie soll man die nötigen Termine finden, davon ausgehend, dass ein Jahr auch für gierige Grossclubs nur 52 Wochen dauert?
Es ist 20 Jahre her, als die führenden Clubs bei der Uefa die gleiche Forderung erstmals erhoben. Unter dem Titel «Planungssicherheit» forderten etwa Bayern München und Ajax Amsterdam die Achtergruppen. Das Stichwort Planungssicherheit entlarvt die Absicht der Grossclubs: Nicht der sportliche Wettbewerb steht an vorderster Stelle, sondern ein Maximum an gesicherten Einnahmen, nicht Spannung und möglichst gute Unterhaltung für die Fans in den Stadien und am Bildschirm, sondern die Gewissheit, dass es für Favoriten fast nicht möglich ist, in einer Achtergruppe mit 14 Spielen auszuscheiden. Denn in einer Achtergruppe müssten die ersten vier für die Achtelfinals qualifiziert werden. Einige solcher Gruppenspiele könnten mehrere Clubs auch ohne Torhüter überstehen.
Noch mehr Langeweile verträgt es nicht
Was macht die Uefa? Präsident Aleksander Ceferin, ein Mann, der seit seinem Amtsantritt keine nennenswerten Fehler begangen hat, blieb bisher einigermassen gelassen. Er dürfte wohl weiterhin davon ausgehen, dass die Drohkulisse der reichen Grossclubs abgebaut wird, wenn nochmals mehr Geld ausgeschüttet würde. Die Frage ist, unter welchem Format. Wenn die Grossclubs auf ihrem Sicherheitssystem mit eingeplanten Gähnspielen beharren, könnte sich das Risiko lohnen, die Reichen vorerst einmal ohne die Uefa unter sich üben zu lassen, vielleicht sogar in 16er-Gruppen. Es dürften sich sogar irgendwelche Investoren finden lassen, die vom Fussball zwar wenig verstehen, aber umso mehr Geld lockermachen.
Dann könnte das eintreten, was das Internationale Olympische Komitee mit den Olympischen Spielen erlebt: eine amerikanische Investorengruppe hat die Rechte für teures Geld erworben, aber die europäischen TV-Sender sind nicht mehr bereit, diese Investition zu finanzieren. So bleibt Olympia vorderhand im Spartensender Eurosport stecken.
Fussball ist stärker als die olympische Vielfalt. Aber der Fussball braucht Sponsoren, und die Sponsoren brauchen die Millionen an den Bildschirmen, und diese Millionen an den Bildschirmen wollen ein Minimum an Spannung. Wenn mit den aktuellen Bezahlschranken noch mehr Langweile als bisher finanziert werden soll, wird die Rechnung nicht mehr aufgehen. Die Chance, dass die Grossclubs in absehbarer Zukunft aus ihren Träumen gerissen werden, ist real. Irgendwann ist jede Zitrone ausgepresst, selbst im Milliardenspiel Fussball.