
Nach Konsultation des Video-Schiedsrichters: Craig Pawson gibt Liverpool einen Penalty gegen West Bromwich Albion – was dessen Grzegorz Krychowiak missfällt. Foto: Phil Noble (Reuters)
Es ist etwas faul mit dem Elfmeter. Elfmeterpfiffe, erfolgte oder ausgebliebene, sind die folgenschwersten Entscheide der Schiedsrichter, und entsprechend herrscht bei der Hälfte der Elfmeterszenen grosse, aber unnötige Konfusion. Mit der Auslegung der Elfmeterregel stimmt zu vieles nicht. Ob Frankreich gegen Deutschland oder Sion gegen die Grasshoppers – jede Woche geben rund um den Globus zahllose Strafraumentscheide zu reden. Und es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn man die Hälfte der Entscheide als falsch einstuft.
Gemäss Regelbuch müsste ein Elfmeter gepfiffen werden, wenn ein verteidigender Spieler in seinem Strafraum ein Foul begeht, das ausserhalb des Strafraums mit einem direkten Freistoss bestraft würde. Das tönt sehr einfach, ist es aber offensichtlich nicht. Anders ist nicht zu erklären, dass selbst Spitzenschiedsrichter grösste Mühe haben, in den Strafräumen einwandfreie Entscheide zu fällen.
Diese Mühe ist erstens eine Folge des Spieltempos, dem das menschliche Auge in unübersichtlichen Situationen, oft mit Fallsucht von Spielern angereichert, kaum mehr folgen kann, zumal fast alle Strafraumszenen unübersichtlich sind. Zweitens lastet bei Strafraumszenen auf den Schiedsrichtern ein immenser Druck, da die Folgen eines Pfiffes ungleich krasser sind als bei irgendwelchen Entscheiden im Mittelkreis. Und drittens ist der Ermessensspielraum des Schiedsrichters beim Elfmeter viel zu gross.
Das subjektive Empfinden des Schiedsrichters
Wenn ein Schiedsrichter-Experte wie Urs Meier am Fernsehen die Elfmeterregel erklärt, tönt alles sehr plausibel. Theoretisch. Praktisch sieht das ganz anders aus. Wenn ein verteidigender Spieler bei einer Grätsche im Strafraum aus einem Meter Distanz einen Ball an den ausgebreiteten Oberarm geschossen erhält, pfeift die Hälfte der Schiedsrichter Elfmeter, die andere Hälfte aber nicht. Anzufügen ist, dass kein normaler Fussballer im Lauf mit den Armen am Körper eine Grätsche anbringen kann.

Ein Fan sieht rot: Schiedsrichter Herbert Fandel pfeift einen Penalty für Schweden in der Qualifikation für die Euro 2008 und wird darauf von einem Anhänger Dänemarks angegriffen. Das Spiel wird abgebrochen und als 3:0-Sieg für Schweden gewertet. Foto: Anders Wiklund (Keystone)
Es gäbe noch mehrere ähnliche Beispiele, bei denen allein das subjektive Empfinden des Schiedsrichters und nicht der objektive Sachverhalt entscheiden. Solches subjektive Empfinden mag in einer Amateurliga zu verschmerzen sein, im professionellen Spitzenfussball, wo einzelne Schiedsrichterpfiffe über Millionen haben oder nicht haben entscheiden, geht das nicht mehr. Natürlich gehören die Diskussionen um die Elfmeter zum Fussball, aber letztlich ist ein fairer Wettbewerb wichtiger als emotionale Aufwallungen, die den Fussball bereichern sollen.
Der Video-Assistent ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel. Umso erstaunlicher ist, wie zögerlich im Milliardenbusiness Fussball eine solche technische Selbstverständlichkeit eingeführt wird. Selbst mit Videobeweis gibt es noch zweifelhafte Entscheidungen. Diese können und müssen hingenommen werden, da es keine besseren Lösungen gibt. Aber die Zeiten, in denen ein einsamer Schiedsrichter als Folge fehlender technischer Unterstützung krasse Fehlentscheide trifft und damit den Spielausgang beeinflusst, müssten im professionellen Spitzenfussball vorbei sein. Den Verzicht auf den Video-Schiedsrichter mit fehlendem Geld zu begründen, ist kein Argument.

Ob er wirklich richtig liegt? Bastian Dankert lässt seinen Penaltypfiff für Bayern München vom Video-Assistenten bestätigen. Foto: Michael Dalder (Reuters)
“Und es ist nicht zu hoch gegriffen, wenn man die Hälfte der Entscheide als falsch einstuft.”
Also meistens gibt es, wenn sich ein Stürmer und ein Verteidiger im Strafraum nahe kommen, keinen Elfmeter. Wenn die Hälfte dieser Entscheide falsch wäre, müsste es doch grob jedes zweite mal einen geben.
Die meisten Entscheide der Schiedsrichter sind genauso richtig, genauso wie die meisten Pässe der Fussballer ankommen.
Genauso könnte man behaupten, die Hälfte der Gerichtsentscheide seien falsch: Es braucht eben, unter halbwegs Vernünftigen, dann (Schieds-)Richter, wenn man die Sachlage auf zwei Weisen betrachten kann. Dann braucht es halt jemanden, der entscheidet, damit das “Spiel” weitergehen kann.
Zu beklagen sind absurde Entscheide, solche die von einem halbwegs unparteiischen Beobachter nicht nachvollzogen werden können, und die sind bei Gerichten in Rechtsstaaten genauso wie von Schiedsrichtern im Sport, eine äusserst seltene Ausnahme.
Trotzdem bewundere ich die Schiris immer noch, das sie sehr häufig mit ihrer Entscheidung richtig liegen. Sie haben kein Replay oder Kameraeinstellungen aus hundert Richtugen wie diese unsäglichen Reporter zur Verfügung. Sie müssen in Microsekundenbruchteilen eine komplizierte Situation beurteilen können. Der VB kann da schon sehr hilfreich sein, vor allem wenn es sich um diese versteckten fiesen kleinen Fouls handelt.
Wie man es ja bei der WM gesehen hat, gibt es durchaus Teams, die es darauf anlegen, über einen Elfer ihre Spielschwäche zu kompensieren. Das findet langsam auch im Ligafussball Einzug und da wäre der VB schon mehr als hilfreich, das alles Regelkonform zugeht.