
Schoss das Tor des Monats: Serdal Celebi, Blindenfussballer des FC St. Pauli. (Foto: Keystone/Axel Heimken)
Es gäbe vieles zu beschreiben und fast ebenso vieles zu beklagen im aktuellen Fussball. Aber lassen wir für einmal das Jammern und freuen wir uns an einer Randnotiz des globalen Milliardenspiels: In Deutschland hat ein blinder Fussballer den Wettbewerb um das Tor des Monats gewonnen. Seit 1971, also seit 47 Jahren, lässt die ARD das Fernsehpublikum diese Auszeichnung wählen, sie ist ein lebendes und ungebrochen beliebtes Fossil in unserer umgepflügten Fernseh-Landschaft.
So kam es, dass der zuvor völlig unbekannte 34-jährige Serdal Celebi einen schönen Torschuss feiern kann, den er selbst gar nicht gesehen hat. Celebi gehört zu den vier Feldspielern des FC St. Pauli, die sich auf dem von Banden eingerahmten Kleinfeld mit Worten und einem Ball verständigen, der rasselt, sobald er in Bewegung ist. Sehen dürfen nur die Torhüter, während die Feldspieler mit einer Augenabdeckung spielen, sodass jede vielleicht noch verbliebene Sehkraft bei allen Spielern unterbunden wird.
Inmitten des grossen Bundesliga-Klamauks
Es gibt in dieser Geschichte mehrere schöne Aspekte: dass professionelle Fussballclubs sich auch um Behinderte kümmern, wie dies bei St. Pauli geschieht; dass es angepasste und ein auf die besonderen Bedürfnisse zugeschnittene Spielfelder und -regeln gibt und sogar eine Bundesliga für Blindenfussball; dass auch Video-Aufzeichnungen gemacht werden und ein schönes Tor schliesslich den Weg bis in die «Sportschau» der ARD findet.
Besonders erfreulich ist dabei, dass das Fernsehpublikum sich die Chance nicht entgehen liess, einem behinderten Fussballer eine ganz besondere Reverenz zu erweisen. Inmitten des grossen Klamauks der Bundesliga und des übrigen professionellen Fussballs, fern vom Fangeschrei und ausserhalb der grossen Schaufenster des Sports haben Tausende von Fussballfans instinktiv das Richtige getan – und nicht etwa einen Nationalspieler, sondern einen blinden Fussballer geehrt. Das tut gut.
Selbstverständlich wurde von der Bevölkerung das Tor des Blindensportlers gewählt. Dies war von vornherein klar und absehbar. Das Tor selbst tut dabei übrigens nichts zur Sache.