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Vertrauen auf das Vertrauensvotum

Guido Tognoni am Freitag den 6. Juli 2018

Er hat seinen Job bis 2019 auf sicher: Der Schweizer Nationaltrainer Vladimir Petkovic (r.) beim Training in Russland. Foto: Dimitar Dilkoff (AFP)

Japans Nationaltrainer muss gehen, jener von Costa Rica ebenfalls, andere dürften folgen. Vladimir Petkovic bleibt, Joachim Löw bleibt auch. Petkovics Vertrag wurde ebenso wie jener Löws noch vor dem richtigen Test, der WM-Endrunde verlängert, jener von Löw gleich von 2020 bis Katar 2022, während Petkovic seinen Job zumindest bis 2019 auf sicher hat. In beiden Fällen kann niemand behaupten, die Coaches hätten nach dem vorsorglichen Vertrauensbeweis die Erwartungen übertroffen.

Der Posten eines Nationaltrainers gehört zu den schönsten des Fussballs. Die Anzahl Spiele ist sehr übersichtlich, dazwischen ist Fussball schauen und langes Nachdenken angesagt. Dennoch mochten Verbände wie der Deutsche Fussball-Bund (DFB) oder der Schweizerische Fussballverband (SFV) nicht darauf warten, ob der Nationalcoach für das Turnier in Russland richtig nachgedacht hat. Immerhin hat der SFV bei der jüngsten Vertragsverlängerung eine Sicherung eingebaut: Petkovic soll nur bis 2020 bleiben, wenn er mit seiner Mannschaft die Euro-Endrunde 2020 erreicht. Bei der Massen-Teilnahme von 24 Nationalmannschaften ist allerdings das Verpassen einer Euro-Endrunde mindestens so schwierig wie die Qualifikation.

Organismen, die sich nach Ruhe sehnen

Vorzeitige Verlängerungen werden jeweils als «Vertrauensvotum» deklariert. Offenbar ist das besagte Vertrauen in solchen Fällen nicht gegenseitig, denn sonst müsste man es nicht bereits vor Ablauf der laufenden Verträge nochmals zementieren, um zu vermeiden, dass notfalls der Nationaltrainer abspringt, was zumindest in den Fällen Deutschland und Schweiz eher unwahrscheinlich gewesen wäre. Dass sich Joachim Löw nach zwölf Jahren in der Komfortzone eines Bundestrainers wieder die tägliche Knochenarbeit eines Klubtrainers zumuten würde, ist nicht anzunehmen, und ein Engagement in Katar, Saudi-Arabien oder China wäre mit den akribischen Ansprüchen des Schwarzwälders kaum vereinbar. Einem WM-Finalisten Vladimir Petkovic hätten hingegen sich tatsächlich ungeahnte Perspektiven eröffnet.

Seit zwölf Jahren in der Komfortzone eines Bundestrainers: Joachim Löw. Foto: AFP

Mit dem «Vertrauensvotum» soll dem Coach jeweils der Rücken gestärkt werden. Auf Vereinsebene sind solche taktischen Schritte oft eine letzte Rettungsmassnahme vor der Entlassung. Bei Verbänden, ohnehin Organismen, die sich nach Ruhe sehnen, sollen sie ein Zeichen von Kontinuität setzen, nicht zuletzt um unerwünschte Personaldiskussionen im Voraus zu ersticken. Damit setzen sich Verbände allerdings auch ohne Not einseitig finanziellen Risiken aus. Das ist besonders im DFB der Fall: Nach der Sommermärchen-Affäre musste der Verband über fünf Millionen Euro für einen internen Untersuchungsbericht ausgeben, als dessen Folge weitere Millionen an Steuerbelastungen folgen, da dem DFB zumindest für eine gewisse Periode die Gemeinnützigkeit abgesprochen wurde. Weitere Millionen für eine Vertragsauflösung mit Joachim Löw hätten da auch einem reichen Verband wie dem DFB Kopfzerbrechen bereitet.

Die Wahl eines Nationalcoaches ist jeweils ein kompliziertes Unterfangen, in der Schweiz noch mehr als in Deutschland. Also lieber das «Vertrauensvotum» nicht infrage stellen und auf bekannten Pfaden weiterlaufen. Zu diesem Zwecke hat man es ja ausgesprochen.

Guido Tognoni

Guido Tognoni

Als Ersatzspieler des FC Davos (3. Liga, untere Tabellenhälfte) erzielte er im Schneetreiben von Tavanasa vor einigen Jahrzehnten sein einziges Meisterschaftstor. Danach stieg er trainingsfrei mit dem FC Tages-Anzeiger in die höchste Firmenfussballklasse auf und hoffte meist vergeblich, dass seine Laserflanken zu Treffern führen würden. Da sein Talent auf dem Rasen nicht erkannt wurde, arbeitete er 15 Jahre an den Schreibtischen der Fifa und Uefa.

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