
Roberto Rodriguez vom FCZ (Mitte) versuchte es am Sonntag gegen den FC Thun mit einer Schwalbe (siehe Video unten) – und reklamierte sogar noch, als ihn der Schiedsrichter dafür bestrafte. Foto: Keystone, Walter Bieri
Was ist schlimmer als eine Schwalbe? Ein Fussballer, der nach einer Schwalbe auch noch reklamiert.
Zum Beispiel: Roberto Rodriguez. Der Mittelfeldspieler des FC Zürich legte sich im Heimspiel am letzten Sonntag gegen den FC Thun auf besonders perfide Art und Weise hin, ohne jede gegnerische Berührung, einfach so – statt ein Tor zu erzielen, wollte er den Penalty schinden. Ging zum Glück schief: Schiedsrichter Urs Schnyder bestrafte ihn mit einer Verwarnung. Noch unverständlicher, dass Rodriguez diesen Entscheid kaum begreifen mochte.
Die Schwalbe von Roberto Rodriguez im Heimspiel gegen Thun. Video: SRF
Nicht immer sind die Unparteiischen so aufmerksam wie der junge Schnyder. Am gleichen Wochenende spürte in der Premier League Tottenhams Starstürmer Harry Kane in der Schlussphase der Partie gegen Liverpool das Flugwetter – und wurde mit einem Penaltypfiff belohnt. Die Quittung für das unsportliche Verhalten stellte sich Kane dann jedoch gleich selbst aus: Er verschoss den Elfmeter (okay, später avancierte er mit einem zum 2:2 verwandelten weiteren Penalty doch noch zum späten Tottenham-Helden). Liverpools Verteidiger Virgil Van Dijk schäumte nach dem Spiel: «Er ist ein Schwalbenkönig.»
Schwalben entscheiden Spiele
Schwalben sind ein Übel im Fussball und ein Phänomen, das es in dieser Häufigkeit in keiner anderen Sportart gibt. Warum sie nicht auszurotten sind? Weil Schwalben noch immer als Kavaliersdelikt gelten. Eine Gelbe Karte, maximal – mehr haben die Sünder nicht zu befürchten –, und das auch erst seit 1999. Zu gewinnen dafür umso mehr: einen Penalty, vielleicht sogar eine Rote Karte für den Gegner, Schwalben entscheiden Spiele. «Ich habe mich für die Schwalbe entschieden», sagte einst Albion Avdijaj, der GC-Stürmer, nachdem ihn 2015 als Spieler des FC Vaduz die Fernsehbilder enttarnt hatten. Betrug ist unter Fussballern eine Option.
Als sich Albion Avdijaj für eine Schwalbe entschied. Video: SRF
Schwalbenkönige müssen also mehr geächtet werden. Und genau darauf arbeitet die Fan-Initiative «Stop Diving» hin. Das Projekt aus England hat ein Manifest erstellt und will damit nicht nur Fans erreichen, sondern auch aktive Spieler. Die Kernbotschaft: «Wie Athleten in jeder anderen Sportart gehen Fussballer an ihre Leistungsgrenze, um erfolgreich zu sein. Sie trainieren, sie opfern sich auf. Aber nur im Fussball wird auch unehrlich gespielt. Fussball ist der einzige Sport, in dem Unehrlichkeit akzeptiert ist, manchmal sogar belohnt wird.»
Mit ihrer Petition hat sich «Stop Diving» zum Ziel gesetzt, dass schon «die WM 2018 in Russland ganz ohne Schwalben auskommt». Ganz im Gegensatz zur Endrunde 2014 in Brasilien, bei der Arjen Robben im Achtelfinal der Holländer gegen Mexiko eine der spektakulärsten Schwalben in jüngerer Vergangenheit aufführte. Ach, überhaupt: Robben.
Auf der Webseite von «Stop Diving» kann jeder unterschreiben, der solche Unsportlichkeiten vom Fussballplatz verbannt sehen will. Ausserdem werden Interessierte animiert, ihre Lieblingsfussballer mit dem Ansinnen in den sozialen Medien zu kontaktieren und ebenfalls mitzumachen. Der Hashtag: #stopdiving.
Die unsportliche Aktion von Harry Kane gegen Liverpool. Video: Youtube
Längerfristig regt «Stop Diving» an, eine Datenbank mit Schwalben zu initiieren. So liesse sich dokumentieren, welche Ligen besonders anfällig sind, welche Nationalitäten, welche Spieler auf welchen Positionen. Ist dieser Datensatz erst gross genug, sei die Fussballgemeinde sensibilisiert – und sind es auch die Schiedsrichter. «Und dann können die Verantwortlichen konkrete Massnahmen einleiten», hofft die Fan-Initiative.
Bereits aktiv geworden ist die Premier League: Seit dieser Saison können Schwalben nachträglich mit Spielsperren sanktioniert werden, wenn sie einen Penalty oder Platzverweis zur Folge hatten. Müssen aber nicht: Der englische Fussballverband FA sah davon ab, gegen den Nationalspieler ein Verfahren einzuleiten.
Es sind ja nicht nur die Schwalben. Ein weiteres, ganz grosses Unding ist ja das flächendeckend verbreitete Reklamieren und Diskutieren. Das ist alles eine Frage der Kultur, die sich in einer Sportart etabliert hat – über Jahrzehnte notabene. Trainer loben betrügende Spieler als “Schlitzohr”. Fans sind auch nur wütend, wenn’s der Gegner war. Die Kultur im Fussball ist wirklich widerlich. Um diese zu ändern, bräuchte es allerdings riesige Anstrengungen und ganz explizit den Willen der Verbände (FIFA, UEFA, Nationale Verbände), dies auch zu tun. Wobei sie kaum Anreiz haben – die Geldmaschinerie läuft ja wie geschmiert. Als Feigenblatt schreibt die UEFA auf die Banden RESPECT! Das muss…
… Charaktersache. Wer ein Foul vortäuscht sollte fliegen – vom Platz!
Es gibt Trainer die trainieren die Schwalben im Training,nur eine Lösung,höhere Strafen,rote Karte,Schwalben zeigt den Charakter des Spielers
Richtig analysiert: Schwalben passieren im Fussball, weil sie sich lohnen. Das liegt auch daran, dass fast nur im Fussball mit nur einem einzigen Tor oft ein ganzes Spiel entschieden werden kann. Im Eishockey lohnt sich eine Schwalbe nicht, weil ein Penalty erstens nicht dieselbe Chance auf ein Tor bringt wie im Fussball und weil zweitens ein einziges Tor selten ein ganzes Spiel entscheidet. Man kann mit Schwalbe im Fussball also sehr viel gewinnen, aber nur wenig verlieren. Das müsste man ändern. Eine Schwalbe müsste als grobe Unsportlichkeit mit einem Platzverweis bestraft werden.
Dem stimme ich zu
Aus meiner Sicht wäre dies Aufgabe der Trainer. Stellt solche unsportlichen Spieler nicht mehr auf. Wir können doch nicht vom Schiedsrichter verlangen, dass er dies auch noch sieht. Irgendwann steht auch die Selbstverantwortung der Spieler oder Trainer in der Pflicht.
Fussball war schon immer schmutzig. Der grosse Kubi hat nach seiner Karriere zugegeben, dass mindestens die Hälfte seiner Penaltys herausgeschunden waren. Nur war früher viel weniger Heuchelei auf den Plätzen – das ist der grosse Unterschied. Heute lafern alle von Respekt und Fairness, umarmen sich, klatschen ab, bringen Kinder auf den Platz, knien, um zu beten, zeigen gegen den Himmel, sind beleidigt, wenn sie vom Trainer nicht geherzt werden, tragen alle dieselben Frisuren und Tattoos. Eine monumentale Show, denn in Wirklichkeit nehmen die Pöbeleien zu, auf dem Platz und daneben.
FC Basel ex Schwalbenkönig und jetzt Bundesliga – Ladenhüter Einkäufer Marco Streller hätte mehrmals gelb sehen müssen, aber die Schiris liessen sich von der kreischenden Muttenzer Kurve beeinflussen. Letzten Sonntag versuchte es Stocker zum Glück vergeblich in Strellers die Fusstapfen zu treten…Bravo Schiri Schärer!
Jäggi, Sie sind ein Plauderi! Aber das wissen Sie vermutlich selbst. Am letzten Sonntag wurde Stocker – ohne wenn und aber – penaltywürdig gefoult. Und Schärer hätte eigentlich unmissverständlich ein zweites Mal auf den Punkt zeigen müssen, anstatt Vorteil zu geben. Ich will aber vorausschicken, dass diese Niederlage nicht an Schärer festgemacht werden kann, denn eine Mannschaft wie der FCB, mit Meisteranspruch, sollte dieses Spiel ohne Ausreden gewinnen. Nur ist es mühsam, danach solchen Dampfplauderis Zeilen zu lesen!
Für mich absolut unverständlich ist, dass oftmals ein Schiedsrichter der eine Schwalbe korrekterweise als solche identifiziert trotzdem keine Bestrafung (gelbe Karte) zückt. Damit ermuntert er den Spieler praktisch noch zum nächsten Versuch und lässt sich so auf der Nase herumtanzen. Insofern hätten es vor allem die Schiedsrichter in der Hand, hier (ein bisschen) Einhalt zu gebieten