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Ein bisschen Menschenrechte – ein netter Witz

Guido Tognoni am Montag den 21. August 2017

Die Arbeitsbedingungen der ausländischen Bauarbeiter in Katar haben international für Proteste gesorgt. Foto: Marwan Naamani (AFP)

Die Fifa, die Uefa, das IOK und andere Sportverbände sollen also in Zukunft dafür besorgt sein, dass in Ländern, in denen sportliche Grossveranstaltungen durchgeführt werden, die Menschenrechte respektiert werden. Zwar nicht so ganz, aber immerhin ein wenig, nämlich bei den Vorbereitungen und während des Sportfestivals. Auch Demonstrationen gegen die Veranstaltungen sollen erlaubt sein. Das neue Instrument zur temporären Einhaltung der Menschenrechte nennt sich stolz «Mega Sporting Events Platform for Human Rights». Das berichtet die «SonntagsZeitung» und lobt die Schweiz. Die Schweiz und die USA sind im Steuerungsausschuss vertreten, denn die Schweizer Regierung fühle sich verpflichtet, «sich der Achtung der Menschenrechte zu widmen», wie es von offizieller Seite heisst.

Das ist aber nett! So ein bisschen Menschenrechte vor, während und vielleicht sogar ein paar Tage nach dem grossen Zirkus – wie niedlich. Und was ist sonst? Was passiert, wenn die sportliche Karawane weitergezogen ist, und was geschieht in den Ländern, die sich nicht um Fussball-Weltmeisterschaften und Olympische Spiele bemühen? Diese neue Menschenrechtsübung ist sicher nicht schädlich, aber im Grunde genommen ist sie ein Witz. Solch eine interimsmässige Beachtung der Menschenrechte ist eine Verhöhnung dieses ernsthaften Themas. Und der Sport lässt sich, unter dem Druck des einseitigen, aber erfolgreichen Politmarketings durch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) mehr oder weniger freiwillig für Alibiübungen einspannen. Es ist für die NGOs einfach, mit dem Fussball als Trittbrett auf Katar einzuprügeln und beispielsweise Saudiarabien beiseitezulassen. Dabei ist die Lage namentlich für Frauen in Katar ungleich entspannter als etwa im benachbarten Saudiarabien, wo – nebst anderen mittelalterlichen Vorschriften – die Frauen nicht einmal ans Steuer eines Autos gelassen werden.

Kritik an die falsche Adresse

Es sind nicht die Sportverbände, welche mit den Arbeitern in Katar, Russland oder China Verträge abschliessen und die Arbeiter ausbeuten. Es sind international tätige Grossunternehmen, die sich um die lukrativen Aufträge reissen, die bei den sogenannten Mega-Events anfallen. Und diese Konzerne könnten sich, wenn sie nur wollten, darum kümmern, wie es den von lokalen Subunternehmen eingesetzten Arbeitern ergeht. Die Gewinne der Sportverbände hängen in keiner Weise von der Behandlung der Arbeiter ab, die Profite der ausländischen und inländischen Vertragsfirmen hingegen schon. Aber es ist natürlich viel spektakulärer und auch einfacher, die internationalen Sportverbände zu kritisieren als schwer fassbare Industrieunternehmen.

Die neue Menschenrechtsorganisation klingt gut. Aber sie hat einen verführerisch falschen Ansatz. Denn «Mega Sporting Events» werden unter den gegebenen Voraussetzungen sicher keine dauerhafte Verbesserung der Menschenrechtslage herbeiführen. Der richtige Titel müsste heissen «Mega Industrial Events». Nur das wäre weitreichend und glaubwürdig. Ob in einem solchen Fall die Amerikaner auch noch dabei wären, ist eine andere Frage. Nicht wegen «America First», der neuen Losung der Vereinigten Staaten unter Donald Trump. Sondern wegen «Business First», dem obersten Grundsatz jenes Landes, das die Gewohnheit hat, als Weltmacht weltweit Zensuren zu erteilen und Vorschriften zu erlassen, die grundsätzlich in erster Linie für andere Länder gelten.

Guido Tognoni

Guido Tognoni

Als Ersatzspieler des FC Davos (3. Liga, untere Tabellenhälfte) erzielte er im Schneetreiben von Tavanasa vor einigen Jahrzehnten sein einziges Meisterschaftstor. Danach stieg er trainingsfrei mit dem FC Tages-Anzeiger in die höchste Firmenfussballklasse auf und hoffte meist vergeblich, dass seine Laserflanken zu Treffern führen würden. Da sein Talent auf dem Rasen nicht erkannt wurde, arbeitete er 15 Jahre an den Schreibtischen der Fifa und Uefa.

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2 Kommentare zu “Ein bisschen Menschenrechte – ein netter Witz”

  1. F. Zoller sagt:

    Dass die Menschenrechtsübung ein Witz ist, gebe ich Tognonoi recht.
    Dass FIFA, IOC sich seit Jahren in einer mehr oder minder korrupten Welt bewegen ist zwischenzeitlich auch Fakt. Dass in vielen Sportarten moderner Sklavenhandel statt findet, ebnso. Kürzlich der Transfer eines Tschüttelers für über 200 Mio. Mit Realität hat das nichts zu tun. Aber wie in der Geschäftswelt, wo die Zocker Millionen für angelbliche Leitstungen kassieren, ist das in Ebenbild im Sport reine Spiegelfechterei. Kein Mensch ist diese Millionen wert – kann den Gegenwert real gesehen gar nie erbringen.
    Als ehemaliger Leitsungsportler kenne ich die eigenlichen Werte – und besuche nur noch kleine Veranstaltungen!

  2. Martin Berlinger sagt:

    Ich finde die Haltung dieser Sportverbände zynisch. Es ist reine Augenwischerei, man könnte auch sagen, ein Marketing-Gag. Wenn man sieht, wie widerwillig sich ebendiese Verbände aktuell um die Einhaltung von arbeits- und sicherheitsrechtlichen Vorschriften auf ihren Baustellen bzw. auf den Baustellen ihrer Auftragnehmer kümmern – oder besser, nicht kümmern, bleibt einem das Lachen im Hals stecken.
    Ich bin dafür, dass man Unsinn und Worthülsen von Topshots und PR-Agenturen wieder vermehrt öffentlich brandmarkt. Vielleicht überlegen sich diese dann ein wenig mehr, ob sie uns und sich selbst für dumm verkaufen wollen.

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