
Hier blieb Caio brav: 2016 war das Tor gegen Sion gefallen, aber das T-Shirt noch an. Foto: Walter Bieri (Keystone)
Es gibt im Fussball Regeln, über deren Sinn oder Unsinn man lange diskutieren könnte. Beispielsweise über die Anweisung an die Schiedsrichter, eine Verwarnung auszusprechen, wenn ein Spieler – meist als Verstärkung des Torjubels – sich sein Leibchen vom Körper reisst. Das ist sportlich völlig bedeutungslos, jedenfalls hundertmal weniger schlimm, als einem Gegner in die Fussknöchel zu fahren. Aber die Regel ist nun mal seit vielen Jahren da, und den Schiedsrichtern bleibt nichts anderes übrig, als sie anzuwenden. Genauso gibt es eine Verwarnung, wenn ein Spieler – ebenfalls im Freudenrausch – die Umzäunung hochklettert, um sich von den Fans feiern zu lassen und sie abzuklatschen. Wer also Fussball spielt, der weiss, dass er in seiner Freude zwar Mitspieler, den Coach, die Eckfahne und vielleicht sogar den Schiedsrichter abknutschen darf, aber er darf nicht sein Leibchen ausziehen.
Erstaunlich nur, dass viele Spieler, die vom Fussball leben, das immer noch nicht wahrhaben wollen. Jedes Jahr, immer wieder, überall. Der vielfache GC-Torschütze Caio ist einer von ihnen. Er schaffte es, im zweitletzten Auftritt der Meisterschaft nach seinem Freistosstreffer zum vorübergehenden 1:1 gegen Meister Basel durch einen euphorischen Striptease sich jene Gelbe Karte einzuhandeln, die ihm zum Saisonende eine Spielsperre einbrachte. Caio fehlt somit im letzten Spiel. Ein Glück für die Grasshoppers und Caio selbst, dass sich der Rekordmeister bereits vor einiger Zeit vor dem Abstieg gerettet hat. Caio ist an seinen guten Tagen etwa 30 Prozent der Grasshoppers wert, und die Vorstellung, dass die Zürcher im letzten Saisonspiel in Sion ohne den Brasilianer um den Ligaerhalt hätten kämpfen sollen, müsste sowohl den Verantwortlichen als auch den Fans grosses Magenbrennen verursachen.
Verdächtige Todesfälle
Es gibt taktische Fouls, für die man Verständnis aufbringen kann. Und wenn ein Verteidiger mit der Hand auf der Linie für seinen geschlagenen Torhüter abwehrt, leistet er seinem Team unter Umständen trotz der folgenden Roten Karte und des unausweichlichen Elfmeters einen grossen Dienst. Wer aber durch das Ausziehen des Leibchens seine Mannschaft schwächt, muss sich die Frage gefallen lassen: Wie dumm darf ein Fussballer sein?
Oder war unser Caio nicht dumm, sondern superschlau? Von brasilianischen und afrikanischen Fussballern wissen wir, dass viele von ihnen wenn immer möglich ihre Aufenthalte in der Heimat verlängern. Die Häufung der fernen familiären Todesfälle zum Zeitpunkt, an dem die Trainingslager beginnen, ist längst auffällig. Und welcher Coach mag schon einem Spieler die «Ferien» verderben, wenn er wegen der Ehrung von Toten zu spät ins Trainingslager einrückt? Wie auch immer: Caio weilt längst in Südamerika. Die Gelbe Karte vom Sonntag hat ihm einen letzten Einsatz erspart. Ferien in Brasilien sind schöner als ein Pflichtspiel im Wallis.
Dumm sind die Verantwortlichen des GC, die offenbar gewisse Spieler früher in die Ferien entlassen als andere… Ich kann mir nicht vorstellen, dass dies förderlich für den Teamgedanken ist.
Solche taktischen Karten sind schlecht fürs Team…
Ganz einfach: wäre Caio dumm, so wäre er jetzt noch nicht in Südamerika. Er hat sein Kalkül gut gemacht und GC möchte wohl nicht seinen “Superstar” mit Pflichtpräsenz verärgern..