Wütende Fussballfans pfeifen Helene Fischer aus. Video: Tamedia/Twitter/ARD
Pause in Berlin. Zwischen Dortmund und Frankfurt steht es im DFB-Pokalfinal 1:1. Zeit, um durchzuatmen? Mitnichten. Für manche beginnt jetzt, wo der Ball ruht, das Highlight dieses Abends: Helene Fischer gibt ein Kurzkonzert. Die deutsche Sängerin führt mit ihren Ohrwürmern durch die Pause. Atemlos durch die Berliner Nacht quasi. Immerhin: Die zweite Halbzeit beginnt planmässig.
Nicht etwa so wie eine Woche zuvor, als Anastacia in der Münchner Allianz-Arena sang und sich der Start der zweiten Halbzeit hinzog, weil der Abbau der Bühne länger dauerte. Sie polarisieren jedenfalls, die Halbzeitshows, die im deutschen Fussball gerade en vogue sind. Dass Helene Fischer für den DFB-Pokalfinal gewonnen werden konnte, zelebrierte der deutsche Fussballverband zuvor richtiggehend. Schliesslich war es ein Novum, das Endspiel um eine musikalische Darbietung zu ergänzen.
Marketing-Menschen würden von einer Eventisierung sprechen. Tönt gut, fand aber keinen Anklang. Fischer kam, sang und wurde mit Pfiffen eingedeckt. Es war ein klares Statement der Fans. Für die Pausenwurst und gegen musikalische Halbzeitkost. Für den Fussball und gegen das immer bunter werdende Rahmenprogramm. Die Fans in Deutschland haben genug.
Dass die Anhänger mit der Kommerzialisierung des Fussballs ihre liebe Mühe haben, ist keine Annahme, keine Momentaufnahme, sondern empirisch bewiesen. Vor kurzem wurde eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass jeder zweite Fussballfan in Deutschland sich früher oder später vom Profifussball abwenden werde, sollte die Fussballkommerzialisierung sich in diese Richtung weiterentwickeln.
«Ein Warnsignal für alle Vereine»
Beachtung fand die Studie vor allem deshalb, weil es sich um die gegenwärtig grösste wissenschaftliche Untersuchung im deutschen Profifussball handelt. 17’330 Fans wurden dafür befragt. Durchgeführt wurde die Studie von einem Verein, der den Clubanhängern eine Stimme geben will und sich «FC Playfair» nennt. Dahinter stehen mit Claus Vogt und André Bühler ein Sportökonom sowie ein Unternehmer, beide Fans des VFB Stuttgart.
Den «Stuttgarter Nachrichten» sagten sie, dass der Fussball vor einer Zeitenwende stehe. «So, wie es jetzt läuft, macht es den Fans immer weniger Spass.» Gemäss ihrer Studie finden acht von zehn Fussballfans, dass der Profifussball aufpassen müsse, sich nicht noch weiter vom Fan zu entfernen.
Bühler sagte der «Zeit» vor kurzem: «Ich empfehle dem Profifussball einen Schritt zurück. Wie im Wirtschaftsleben, da schätzt man das Prinzip der Gesundschrumpfung. Das ist gut fürs Produkt.» Ein Produkt, das mittlerweile die Hälfte der Zuschauer langweilig findet.
Nur in wenigen Fanlagern nehmen sie die Lage des deutschen Fussballs anders wahr. In Leipzig beispielsweise erachten sie die Kommerzialisierung als nicht wirklich schlimm. In München sind sie überzeugt, dass die Liga wirklich spannend ist. Der Tenor aber ist klar: So kann es nicht weitergehen. «Unsere Studie muss ein Warnsignal für alle Vereine sein», meint André Bühler.
Es ist nämlich nicht so, dass die Befragten grundsätzlich gegen den Kommerz sind. 66,5 Prozent der Fussballfans befinden die Vermarktung von Fussballvereinen im Profifussball als notwendig. Nur sagt Claus Vogt, dass die Grenze der Überkommerzialisierung eben nicht nur erreicht, sondern überschritten sei. Helene Fischers Auftritt ist ein Paradebeispiel dafür.
*Calvin Stettler ist Journalist.
Danke, Danke, Danke für diesen Artikel und Kommentar, von denen es viel mehr geben sollte! Der (Profi-)Fussball wird nicht kaputtgemacht, er WURDE bereits kaputtgemacht! Aber Leute, es wird sich erst was ändern, wenn Ihr nicht mehr ins Stadion geht…das ist der einzige Protest, der wirkt. Dann können ja Chelsea, Bayern, Juve, Real und Konsorten gerne Ihre eigene Liga vor ausverkauften Rängen in Shanghai, Singapur oder Los Angeles vor Disneyland-Publikum spielen, die vom Kommerz den Hals gar nicht voll genug kriegen können…
Herrliche Aktion! Anstatt die Bedürfnisse der Basis abzuholen, wird ein grosses Event geplant, weil die abgehobenen und realitätsfremden Funktionäre der Meinung sind, dies entspreche einem Wunsch der Basis. Schön, dass sich die Basis gewehrt hat (auch wenn es für H. Fischer, die selbst ja nichts dafür kann, sicher hart war).
Genau Gleiches lässt sich übrigens auch in Politik und Wirtschaft beobachten. Führungspersönlichkeiten ohne Bezug zum einfachen Volk/Arbeiter treffen die Entscheide, was den einfachen Menschen zu gefallen hat und kommen nie auf die Idee diese mal zu fragen.
Der Verein aus Stuttgart heisst ‘VfB’.