
Feiern wie die ganz Grossen: Die Amateure der Sportfreunde Dorfmerkingen nach ihrem Triumph am 25. Mai. Foto: Sportfreunde Dorfmerkingen (Facebook)
Unvorstellbar: Tavanasa – Balzers oder FC Grünstern – Ticino, einfach irgendetwas, das halbwegs mit Fussball zu tun hat, den ganzen Auffahrtsnachmittag am Schweizer Fernsehen, nicht gerade SRF 1, aber doch SRF 2, der ohnehin der Sportsender ist. Und am Mikrofon unter anderen Sascha Ruefer, der alle Namen der Tavanasa-Spieler kennt und weiss, wie alt der Trainer ist, und überhaupt alles sagt, was es zu sagen gibt, und der bei jedem Tor schreit, als ob es die ganze Schweiz live und ohne Lautsprecher bei offenen Fenstern in den Stuben hören müsste. Wie gesagt, unvorstellbar.
In Deutschland ist es anders. Deutschland ist nicht nur Fussballnation Nummer 1, weil die Deutschen Weltmeister sind. Deutschland ist Merkel und Mercedes, Deutschland ist aber vor allem Fussball, Fussball und nochmals Fussball. Wer an Auffahrt beim Durchzappen auf ARD hängen blieb, wähnte sich zuerst mal an einem verspäteten Champions-League-Spiel mit deutscher Beteiligung. Die Reporter brüllten wie bei Bayern – Real Madrid, die Konferenzschaltung wirbelte von einem Spielort zum andern, aber es war nicht Samstagnachmittag mit Bundesliga auf Sky, sondern irgendwelcher Fussball auf ARD, dem Sender für über 80 Millionen Deutsche.
Sensationelle Sportfreunde
An einem Spielfeldrand warb «Köstitzer Klosterbier», und auf dem Rasen kämpften Norderstedt gegen Halstenbek, Kirchheim gegen Nöttingen, Rostock gegen MSV Pampow, Hadamar gegen Wehen und Hausen gegen Rielasingen-Arlen. Loriot, der leider verstorbene Grossmeister der deutschen Komik, hätte an diesen Spielen seine helle Freude gehabt. Dorfmerkingen schaffte offenbar mit dem 3:1 gegen die Stuttgarter Kickers eine Sensation, und bei Cottbus gegen Luckenwalde war als Reporterin eine Quotenfrau im Einsatz, die allerdings nur selten zum Zuge kam. Im Lauf des Nachmittags lernte man auch die guten alten teutonischen Bezeichnungen «Wacker» (Burghausen), «Germania» (Halbstadt) und «Eintracht» (Norderstedt) wieder einmal kennen. Die Dorfmerkinger sind «Sportfreunde».
Bald einmal war es erforderlich, die notwendige Basisinformation von der Website des Deutschen Fussball-Bundes abzuholen. Um was ging es denn bei dieser landesweiten Aufregung? Auffahrtfussball mit Norderstedt gegen Halstenbek war der «Finaltag der Amateure» mit 19 Endspielen an drei Spielzeiten ab 12.45, 14.45 und 17 Uhr. Beginn der Reportagen auf ARD um 12.35, Ende 20.00, so der Zeitplan. Dorfmerkingen und Hausen spielen in den Tiefen der 7. Liga und kamen am Bildschirm genauso zum Zuge wie der einstige Pokalsieger Rot-Weiss Essen. Die Sieger qualifizieren sich für den DFB-Pokal.
Dorfmerkingen mit den Weilern Dossingen, Hohenlohe und Weilermerkingen liegt im Ostalbkreis in Baden-Württemberg. Es gehört zur Stadt Neresheim. So steht es bei Wikipedia. Die DFB-Website bezeichnet den Erfolg von Dorfmerkingen als «irre». Falls es eine Steigerung von irre gibt: Nächster Gegner der Sportfreunde könnte Bayern München sein.
Deutschland ist nicht Fussball, Deutschland ist Kampf und Krampf. Die Ballkunst wird weiterhin weiter südlich gepflegt. Und wenn “die Mannschaft” spielt, wird es meist peinlich. Nicht wegen des Fussballs sondern dem Chauvinismus drum herum. Der Fussball als Fest ist circa vor 20 Jahren gestorben.
Fussball ist nicht nur Chauvinismus, Nationalismus und Krampf (in D), sondern auch Begeisterung ohne Hintergedanken. Ballkunst südlich (?!): Nirgendwo so viel Rassismus, Hooliganismus, Schwalben etc. wie in Italien, Serbien und anderen Balkanstaaten. Zuerst informieren und reflektieren, bevor solchen Unsinn schreiben !!!
Ich bin sehr, sehr froh, dass bei uns so etwas oberflächliches wie der Fussball nicht neben dem Nationalismus die zweite Staatsreligion ist.