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Wo Fussballstadien noch willkommen sind

Guido Tognoni am Samstag den 13. Mai 2017
Nachspielzeit

Die Frage des Schattenwurfs stand hier nicht zur Debatte: Das Soccer City Stadium in Johannesburg, wo das Eröffnungs- und das Finalspiel der WM 2010 ausgetragen wurden. Foto: Keystone

Grosse Bauten werfen ihre Schatten voraus. Zumindest in Zürich. Die Tatsache, dass die Grasshopper-Fussballer ihre Heimspiele immer noch als Strafexpeditionen in den Letzigrund bestreiten müssen, hat auch mit Schatten zu tun: Wegen des verhinderten Neubaus des Hardturmstadions erlangte der Begriff Schattenwurf zumindest regionale Bedeutung. Zürich musste lernen, dass der jahrhundertelang gewährte ungestörte Sonnenschein gewissermassen als Menschenrecht ersessen werden kann. Das neue Stadion hätte einigen Nachbarn nicht etwa Schatten gespendet, sondern einige Stunden Sonne weggenommen. Das reichte, um das Projekt zu Fall zu bringen. Interessant wäre der Ausgang der Diskussionen gewesen, wenn nicht ein Stadion, sondern etwa eine Alterssiedlung einen solchen Schatten geworfen hätte.

Das Wort Schattenwurf dürfte ausserhalb Zürichs und geschulter Architektenzirkel nirgendwo ein Begriff sein. Schon gar nicht in Afrika. Afrika ist bekanntlich immer noch ein leidender Kontinent. Es gibt zwar Leute, die in diesem oder jenem Land wirtschaftliche Fortschritte erkennen können, aber im Vergleich etwa zu Asien ist Afrika fast hoffnungslos im Rückstand. Nur im Fussball drang Afrika druckvoll nach vorne, dies allerdings weniger auf dem Rasen als vielmehr in der Sportpolitik. Ohne die afrikanischen Delegierten zu hätscheln, wird seit 1974, als João Havelange seine 24 Jahre dauernde Alleinherrschaft antrat, keiner Fifa-Präsident. Das wusste auch Sepp Blatter, und das lernte natürlich ebenso schnell Gianni Infantino.

Lieber Stadien als Spitäler

Wie wichtig der Fussball in Afrika ist, zeigt sich auch auf einer ganz anderen Ebene. Wenn ein Investor kommt und in Afrika nach Geschäftsfeldern sucht, glaubt er vorerst an zahlreiche Möglichkeiten: Rohstoffe aller Art, Verkehrswege auf Schiene, Strasse oder dem Luftweg, Kommunikation, Landwirtschaft und nicht zuletzt auch medizinische Versorgung. Nicht jedes Investment ist in Afrika willkommen, denn einzelne Länder sind – etwa für den Abbau von Erdöl oder im Fernmeldewesen – bereits grossflächig vergeben. Und bei vielen Projekten verliert der Investor bald einmal Lust und Geduld, herauszufinden, wer was bei wem und wie viel verdienen will.

Schnell kommt man nur in einer Richtung voran: Wer ein Stadion verspricht, kann offene Türen einrennen. Nicht Spitäler, Fabriken, Farmen, Strassen und Brücken stehen in Afrika auf der Bedürfnisliste der Machthaber zuoberst, sondern Fussballstadien. Da leuchten die Augen. Wobei einzuräumen ist, dass Fussballstadien mancherorts auch für politische Manifestationen verwendet werden. Immerhin. In der Schweiz sind Stadionbauten grundsätzlich umstritten. In Afrika grundsätzlich willkommen. Und zum Schatten, ob geworfen oder ganz einfach vorhanden, hat in ganz Afrika niemand ein gestörtes Verhältnis.

Guido Tognoni

Guido Tognoni

Als Ersatzspieler des FC Davos (3. Liga, untere Tabellenhälfte) erzielte er im Schneetreiben von Tavanasa vor einigen Jahrzehnten sein einziges Meisterschaftstor. Danach stieg er trainingsfrei mit dem FC Tages-Anzeiger in die höchste Firmenfussballklasse auf und hoffte meist vergeblich, dass seine Laserflanken zu Treffern führen würden. Da sein Talent auf dem Rasen nicht erkannt wurde, arbeitete er 15 Jahre an den Schreibtischen der Fifa und Uefa.

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13 Kommentare zu “Wo Fussballstadien noch willkommen sind”

  1. Christof Jaussi sagt:

    Erschreckend zu lesen, dass der Begriff “Afrikaner”, sei es im Artikel oder in den meisten Kommentaren, anscheinend eine Ethnie beschreibt. Ich weiss nicht, wo gewisse Leute zur Schule gegangen sind, doch den Afrikaner gibts noch viel weniger als den Europäer. Denn: “AfrikanerInnen” bezeichnet die Bewohner (inkl. Expats) des zweitgrössten Kontinents dieser Kugel mit 55 Ländern, einer Bevölkerung von 1.2 Milliarden mit über 2’100 Afrikanischen und einer Handvoll Europäischer Sprachen. Wenn also in einem Kommentar der Zürcher mit dem Afrikaner verglichen wird, macht mich das als Berner etwas stutzig. Ein Geheimtipp: Reisen bildet! Wünsche einen schönen Sonntag und einen guten Wochenstart.

  2. Rolf Hefti sagt:

    Bundesgerichtsentscheide empfinde ich als ungerecht, gemein und mit verschiedenen Ellen messend. Im Kanton Bern wird die Grimselstaumauer um 28 Meter erhöht, egal ob dort deswegen nun eine seltene Froschart verschwindet. Im Kanton Zürich kann mit nur 20m3 Streifung von einem Naturschutzgebiet aber der Weiterbau der Oberlandautobahn auf lange Dauer verhindert werden. In Zürich sind nur hässliche Fussballstadionruinen gerichtlich unangefochten. In der Stadt Bern ist oberirdisch das gigantische Fussballstadion und darunter findet man Einkaufszentren, Parkplätze, Fitnesscenter, etc. – usw. Zürich sollte in der Schweiz doch zumindest gleiches Recht erhalten wie Bern, Basel, Genf, St. Gallen etc.!

    • TVR sagt:

      Zürich braucht kein weiteres Fussball-Stadion da kein grosses Interssen an Fussball vorhanden ist, vieleicht würde ein Zusammenschluss der veralteten Clubs eine gewisses Interesse erzeugen. Aber Stadions für durchschnittlich unter 10000 Zuschauer zu bauen hat doch wirklich keinen Sinn!

  3. Ernst Schneider sagt:

    Na ja Herr Tognoni für 2000 Zuschauer müssen ja auch nicht in jedem Kaff zwei Fussballstadien stehen und wenn möglich die Allgemeinheit die Kosten tragen nur um ein paar Funktionäre zu befriedigen

    • Marcel Stierli sagt:

      Wobei das Eine vom Volk gutgeheissen und eigentlich nix gekostet hätte. Aber was gratis ist, kommt dem Schweizer eben auch quer. Dann lieber gar nix

  4. Alexander Rinderer sagt:

    Hahaha – Laserflanken! Tolles Wort, danke Guido. Im SRF wäre ein Kommentator mit Fachwissen zum Fussball selbst und Hintergrundwissen zum Machtapparat(FIFA und UEFA) drumherum sehr wünschenswert. Das ‘Schnurri-der-Nation’ Geplappere und die Kopien davon sind nicht mehr zu ertragen…

  5. Marcel Senn sagt:

    Das Stadion Erster Mai in Pjöngjang ist mit ca. 114.000 (früher sogar 150.000) Plätzen das größte Stadion und auch Fußballstadion der Welt.
    Das wurde vermutlich sogar ganz ohne FIFA Gelder gebaut, hat aber vermutlich eine ähnliche Brot und Spiele Funktion wie die Stadien, die sich Afrikas Herrscher wünschen.
    Immerhin wurde Nordkorea inzwischen schon zum 2. mal Fussballweltmeister bei der U20 Frauen Fussball-WM unter dem Patronat der FIFA.
    .
    Die WM 2018 und 2022 könnten sich für die FIFA aber auch zu einem finanziellen Desaster entwickeln und ob Infantino sich dann “seine” Afrikaner(-stimmen) noch leisten kann, steht auf einem anderen Blatt geschrieben.

    • Stephan Doppler sagt:

      Ich würde sagen dem Strahov-Stadion in Prag gebührt die Ehre des grössten Stadions der Welt. Es fasste ursprünglich bis zu 250’000 Zuschauer. Heute in baufälligem Zustand finden theoretisch noch 56’000 Zuschauer platz.

      • Marcel Senn sagt:

        Doppler: In Wiki gegoogelte Stadionruinen zählen nicht. 😉 In Südafrika sind auch schon ein paar vor dem Verfall und selbst das berühmte Maracana ist am verwahrlosen — eine Schande ist es! Da stellen sich gewisse Herrscher (unter anderem angetrieben von der nimmersatten FIFA) schönste Stadien auf und dann hats irgendwann kein Geld für den Unterhalt mehr oder es kommen einfach kaum Zuschauer.
        .
        In den masslos überteuerten Stadien die Russland gerade baut, wird es einigen nach der WM wohl ähnlich ergehen.
        Stadien zu Ruinen…

  6. Peter Meier sagt:

    In einem Artikel über afrikanische Stadien hätte ich vor allem gerne Stadien gesehen. Da gibt es einige wunderschöne Bauten. Es langweilt mich, dann in erster Linie über Schwierigkeiten zu hören. Unser nördlicher Nachbar ist ja nicht einmal fähig einen Flughafen zu bauen. Bitte das nächste Mal mehr Stadien, weniger “europäisches Gemaule”.

  7. Thomas Meiner sagt:

    Dringend benötigte Stadien?? Nicht wirklich. Bisher wurde kein Spiel wegen einem fehlenden Station abgesagt. Und Spitzensport ist sowieso keine Notwendigkeit.
    Für die WM 2010 wurde in Cape Town ein riesiges Station im Green Point Park gebaut. Heute ist es am zerfallen. Solche Projekte sind wirklich total überflüssig und sollten auch in Zürich nicht gebaut werden. Das ist weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Was die Fifa und Uefa da bei jeder WE/EM macht, ist wirklich nur Dummheit und dient nur dazu den Funktionären die Taschen zu füllen.
    Glücklicherweise hat das bündner Stimmvolk die Weisheit gehabt, die Olympia-Pläne erneut ab zu lehen.

  8. Sandro Baumgartner sagt:

    Der Bericht ist sowas von nicht differenziert und Menschen die Leiden gegeneinander auszuspielen ist sowas von Zynisch, Afrika leidet mehr als Asien?? Nur schon in Indien Leben mehr Menschen in Armut als in ganz Afrika. Das Diktatoren in Äqutorial Guinea/Angola etc. mehr an Prestige Projekten interessiert sind als an der eigenen Bevölkerung ist bekannt.

  9. Bernhard Piller sagt:

    Wenn die zukünftigen Stadien in Zürich ebenso viel Platz rund herum haben wie das hier abgebildete Soccer Stadium in Johannesburg, wird der Schattenwurf kein Thema mehr sein. Da sind die Zürcher nicht anders als die Afrikaner.

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