Tore werden mit dem Fuss erzielt oder mit dem Kopf. Mit dem Hintern manchmal, und Diego Maradona darf auch mit der Hand. Mit dem Rückgrat hingegen sieht man selten einen treffen.
Das ist schade. Gerade in diesen Tagen, da das Bosman-Urteil 20–jähriges Jubiläum feiert. Der Belgier Jean-Marc Bosman war es, der in einem beispiellosen Gerichtsfall 1995 dafür gesorgt hat, dass mit Abschaffung der Ablösesummen nach Vertragsende künftige Fussballergenerationen Milliarden und Abermilliarden einstreichen dürfen. Dank der Grossverdiener erhielt er dafür nie: Bosman ist vereinsamt und verarmt, im «Kicker» sagte er vor wenigen Tagen: «Wissen Sie, wie viel ich derzeit verdiene? Null Euro.» Währenddessen fliegt ein Club wie Bayern München für sein Trainingslager in Staaten wie Katar oder Saudiarabien. Show und Mammon triumphieren über Moral und Gewissen.
Es gibt sie aber, die Ausnahmen. Als sich in der Bundesliga die «Bild»-Zeitung mit einer Hilfsaktion für Flüchtlinge zu profilieren suchte, ausgerechnet jene Publikation also, die sich ansonsten eher als rechtsorientierte Hetzpostille einen Namen macht, da verweigerten zehn Zweitligisten die Zusammenarbeit. Neben dem grundsätzlich andersgestrickten FC St. Pauli auch der VfL Bochum. Und er tat es mit Wonne.
Zu erklären ist dies mit der innigen Feindschaft, die den Traditionsclub aus dem Ruhrpott mit der Zeitung verbindet, die sich als oberste Instanz des deutschen Fussballs betrachtet. Schon vor fünf Jahren hatte sich der damalige Bochum-Trainer Heiko Herrlich dazu entschlossen, der mächtigen «Bild» die Stirn zu bieten. Während einer Pressekonferenz sagte er: «Nö, ich möchte nicht bei euch in der Zeitung stehen. Euch gegenüber bleibe ich aufrichtig.»
Heiko Herrlich platzt der Kragen. (Youtube/liga1.tv)
Wie sich jetzt zeigte, war aber auch der Boykott vor drei Monaten noch nicht die Spitze der Eskalation. Zum endgültigen Bruch kam es am Montag bei einer weiteren Pressekonferenz vor dem gestrigen DFB-Pokalspiel gegen 1860 München. Bevor diese begann, erklärte VfL-Pressesprecher Jens Fricke: «Sowohl Sportvorstand als auch Cheftrainer haben sich dazu entschieden, keine Fragen der «Bild»-Zeitung mehr zu beantworten.» Später präzisierte Fricke zwar, der Boykott gelte nur für den Hauskorrespondenten Joachim Droll, dessen Arbeitsweise seit Jahren ein Ärgernis sei – andere Journalisten der «Bild» dürften durchaus Fragen stellen.
Pressekonferenz vor der Partie 1860 München – Vfl Bochum 1848. (Youtube/VfL Bochum 1848)
Ob sie Trainer Gertjan Verbeek allerdings beantworten wird, ist eine andere Sache. Der Holländer hält nichts von der «Bild» und macht daraus kein Geheimnis, schon bei seinem früheren Verein, dem 1. FC Nürnberg, legte sich der Holländer mit deren Journalisten an. Zum Eklat kam es nun Ende September, als Verbeek dem anwesenden Droll vorwarf, dass die Zeitung stets zwei Parteien gegeneinander ausspiele – unter anderem eben Flüchtlinge. Und dass sie lüge. Sein Kürzestresümee: «Arschlöcher seid ihr.» Der Club entschuldigte sich hinterher – für die Wortwahl: «In der Sache hat Gertjan Verbeek vollkommen recht.»
Kann ich bitte die 6:47 Minuten Lebenszeit zurückhaben?