
So etwas wie eine Schulreise leicht aufgedrehter Jugendlicher: Die FCZ-Fans in Tramelan. Fotos: Keystone
Es ist Sonntag, kurz nach fünf in der 4000-Einwohner-Gemeinde Tramelan BE. Oberhalb der zwei Gleise des Bahnhofs sitzt die Dorfjugend, deren Vergnügungsmöglichkeiten vor Ort überschaubar scheinen. Unten stehen die Anhänger des FC Zürich und der Extrazug der Chemin de Fer du Jura, der die Zürcher nach dem Cupspiel beim FC Tavannes/Tramelan nach Tavannes transportieren soll, wo auf die SBB umgestiegen wird. Die meisten Zürcher sitzen im Zug, der Rest hängt auf den Perrons. Die Stimmung ist träge, der 6:1-Sieg des FCZ und das Bier haben ihre einlullende Wirkung entfaltet.
Doch dann kommt plötzlich Bewegung in die Fans. Es nähert sich der fahrplanmässige Zug nach Tavannes, und schnell ist klar: Er fährt früher als der Extrazug. Und in Tavannes, das wissen die FCZler von der Hinreise, da lockt eine Chilbi! Mit Autoscooter! (Putschauto, Tütschibahn, Tätschäutele, suchen Sie sich was aus.) Wen würde das nicht aus seiner Lethargie reissen?
«Alle raus!», ertönt der Ruf aus dem Extrazug. «Wir nehmen den!» Damit ist der normale Zug nach Tavannes gemeint. Jetzt wird es leicht hektisch. Zu hektisch für den bern-jurassischen Polizisten auf Gleis 1, der seiner Postur nach der Chef seiner Einheit ist. FCZ-Fans, die sich ausserhalb der vorgegebenen Route bewegen? Man weiss ja, wie das ausgeht. Der Blick des Einsatzleiters lässt vermuten, in welche Richtung seine Gedanken gehen: Tumult, Krawall, Pyros, zerstörte Kleinstädte. Okay, Letzteres noch nicht. Aber ist nicht immer irgendwann das erste Mal?
«Nein, ihr bleibt alle da drin!» Der Polizist wirft seine ganze natürliche Autorität in die Waagschale. Eigentlich schade, dass ihn niemand beachtet. Die jungen Männer und Frauen mit ihren «Südkurve»-Pullis sind viel zu sehr damit beschäftigt, jenen Gruppeneffekt zu überwinden, den alle kennen, die mal mit mehr als vier Leuten in einer fremden Stadt ein Restaurant gesucht haben. Sollen wir dahin? Sollen wir dorthin? Mir doch egal usw., etc., pp.
Jetzt wirft der Polizist einen Blick auf seine Leute. Es sind vielleicht fünf, sechs seiner Mitarbeiter am Bahnhof zu sehen. Möglich, dass irgendwo noch mehr stehen. Aber was sollen sie ausrichten gegen einen ganzen Extrazug mit Zürcher Fans? Und ausserdem: Sieht das Ganze wirklich gefährlich aus? Der Einsatzleiter entscheidet blitzschnell, dass jetzt der Moment ist, um nichts zu tun. Und es passiert auf der Gegenseite – auch nichts. Ein paar FCZler wechseln den Zug, ein paar bleiben sitzen.
Wer jetzt im normalen Zug nach Tavannes sitzt, der erlebt die Südkurve-Fans, die durchaus gerne mal die grossen Macker markieren, als eine Art Klassenfahrt leicht aufgedrehter Teens und Twens. Das Durchschnittsalter liegt bei vielleicht 21, 22 Jahren, die Gesprächsthemen sind: Kurven-Klatsch, der Job und – Fischknusperli, die auch in den meisten Schweizer Restaurants an Seeufern aus Skandinavien stammen sollen.
Natürlich, es ist spürbar, dass es einigen gefällt, wenn ihr Auftritt in der Masse von den «Zivilisten» scheue Blicke erntet. Aber bevor sie in den Zug kommen, drücken sie noch schnell ihre Zigaretten aus. Weil: Man spielt vielleicht gerne manchmal die bösen Buben – aber in der Schweiz wird im Zug nicht geraucht. Ist ja klar.
Bei der Ankunft in Tavannes hat die Polizei bereits das Perron abgesperrt, als die Chilbi-begeisterten Zürcher aus dem Zug stürmen. «Vous allez où?» «Autoscooter!» «Où?!?» «Autoscooter!!» Es ist der zweite Moment, in dem ein Einsatzleiter instinktiv entscheidet, dass da keine Gefahr im Verzug ist.
Wer weiss? Möglicherweise hätte ein aggressiveres Auftreten der Polizei einen Funken entzündet. Und vielleicht wäre die Stimmung unter den Zürcher Fans aufgeladener gewesen, hätte ihr Team ein schlechtes Spiel abgeliefert. Aber an diesem Abend waren da bloss ein paar übermütige Jugendliche, zwei vernünftige Einsatzleiter und eine Chilbi.
für einmal gings vielleicht gut. reiner zufall. mehr alk und 1-2 redelsführer (hooligans) und die sache wäre wohl eskaliert bei der grossen anzahl mitläufer-gefährdeter und labiler junger männer. ich habe solche szenerien genügend erlebt früher an spielen. tatsache ist, dass es jederzeit zu problemen kommen kann mit fussballfans. aber ich freue mich natürlich jedes mal wenn nichts passiert.
Offenbar sollten die handelnden Polizisten aus Tramelan und Tavannes ihren Amtskollegen aus den Grossstädten dringend Nachhilfe-Unterricht in deeskalierendem Verhalten geben.
Lieber Florian Raz, super Text wie immer. Vermisse Sie bei Tawo, andererseits befürworte ich natürlich Entwicklungshilfe für fussballerisch schwächere Regionen, mögen Sie in Ziri gutes bewirken.
der Mann wäre besser Fussballer geworden… geblieben.