
Glauben Sie mir – so schön wie vor dem Anpfiff wird die Saison nie mehr. YB-Spieler präsentieren ihr neues Trikot.
Heute Freitag ist ein besonderer Moment. Es ist der schönste Tag der Super League, Ausgabe 2015/16. Und zwar mit Abstand. Geniessen Sie, liebe Fussballanhängerin, kosten Sie den Moment aus, lieber Fan! Nie mehr wird die Liga so perfekt sein wie heute.
Zu keinem Zeitpunkt wird das Raum-Zeit-Kontinuum derart grandios ausser Kraft gesetzt wie in der Sommerpause des Fussballs. Alle Teams dürfen gleichzeitig an der gleichen Stelle stehen, ohne dass die Logik dagegen aufbegehren kann. Ein Drittel der Liga wird Meister, der Rest kommt mindestens in den Europacup oder hat zumindest absolut nichts mit dem Abstieg zu tun. Es ist pure Magie.
Die Young Boys? Transfersieger! Die «Berner Zeitung» befindet gewohnt zurückhaltend, YB habe «prächtige Aussichten, den ersten Meistertitel seit 1986 zu gewinnen». Und plötzlich wird in Bern sogar ganz offiziell das sonst so gescheute «T»-Wort in den Mund genommen. YB will einen T I T E L gewinnen. Und, da schmunzelt der YB-Präsident Werner Müller, «in Europa ist das Ziel kaum zu erreichen». Gut, hat sich die Schweiz unter SVP-Anleitung schon längst aus Europa in die innere Migration verabschiedet, da wird das schon klappen mit dem aussereuropäischen Titel. «Das Timing wäre perfekt», findet die «BZ». Und okay, das klingt dann schon ein wenig danach, als wolle man sich 30 Jahre Wartezeit ein wenig schön saufen. Aber lassen wir das.
Der FC Zürich? Hatte schon letzte Saison eine eigentlich total erfolgreiche Mannschaft, der nur leider jeweils etwas früh der Schnauf ausgegangen ist. 20 Punkte habe das Team in den letzten Minuten verloren, rechnet FCZ-Präsident Ancillo Canepa der «NZZ am Sonntag» vor. Aber darum ist jetzt ja Konditionstrainer Alex Kern da. Und schon ist die körperliche Konstitution so fantastisch, dass Yassine Chikhaoui die letzte Woche vor dem Saisonstart freibekommt. Wäre ja auch schlecht, so eine übertrainierte Nummer 10.
Der FC Sion? Hat spielerisch «die grösste Substanz der Liga», wie Verteidiger Reto Ziegler äusserst bescheiden befindet. Der FC Basel? Wird sowieso die nächsten 100 Jahre Meister. Weil: Geld schiesst eben doch Tore.
Der FC Luzern? War in der letzten Rückrunde natürlich nicht das am wenigsten schwache Team einer merkwürdig wankelmütigen Liga – sondern das fast beste. Wenn das so weitergeht und sich Trainer Markus Babbel endlich das FCL-Logo tätowieren lässt, wo soll das noch enden?
In St. Gallen freuen sie sich auf Tranquillo Barnetta, sagt Präsident Dölf Früh. Und weil Vorfreude die schönste Freude ist, warten sie noch heute. Der FC Vaduz stellte letzte Saison mit 28 Treffern die schwächste Offensive der Liga. Jetzt schiesst er vor dem Saisonstart 42 Tore in 5 Spielen. Zweiundvierzig! Und das gegen Teams mit klingenden Namen wie SP La Fiorita oder Werdenberg Auswahl.
Die Grasshoppers schliesslich stehen kurz davor, den Wirtschaftsnobelpreis zu gewinnen. Denn wer einen radikalen Sparkurs fahren kann und gleichzeitig einen Kim Källström aus dem nicht als Billigmetropole verschrienen Moskau verpflichtet, der macht auch aus griechischer Ödnis wieder blühende Landschaften. Mit links.
Und dann erst der FC Lugano! Entlässt seinen Aufstiegstrainer, unter dem die Tessiner die beste Abwehr der Challenge League stellten. Und holt Zdenek Zeman, der bedingungslose Offensive predigt. Vermutlich, weil Angriff schon immer das beste Rezept eines Aufsteigers war, der sein Kader kaum verstärkt hat.
Bleibt der FC Thun. Dort ist jetzt Ciriaco Sforza – und wo Sforza ist, kann es nur gut kommen. Ausserdem landen die Oberländer sowieso immer rund fünf Plätze weiter oben, als sie die vermeintlichen Experten sehen.
Keine Frage: Wäre Faust ein Fan eines Clubs aus der Super League gewesen, Mephisto hätte leichtes Spiel gehabt. Zwei Sätze bloss braucht es, um seine Seele zu verwirken: «Verweile doch! Du bist so schön!» Jetzt ist der Moment, sie auszurufen.
Denn ab morgen Samstag spielen sie schon. Dann sitzen wir wieder in den Stadien. Und unten spielt zum Beispiel Thun gegen GC.
Gratuliere zu diesem Artikel. Bei einigen Clubs ( und natürlich auch bei einigen Sportjournalisten), wird die Welt schon am 19. 7. abends nicht mehr in Ordnung sein.