
Ein Barça-Fan von vielen: Pep Guardiola auf der Tribüne des Camp Nou am Mittwoch, 18. März 2015. Foto: David Ramos (Getty)
Als Laie stellt man sich vor, dass die Herrschaften Fussballtrainer mit der Zeit die kindliche und staunende Freude am Spiel verlieren könnten. Sie bekommen ja jeden Tag im Training so viel zu sehen von ihren Spielern: Kunststücke zirzensischen Zuschnitts, Weitpässe von chirurgischer Präzision, Passspiele mit Tempo Teufel. Pep Guardiola zum Beispiel: Was hat der nicht schon Nummern beigewohnt in seinen Jahren als Spieler und dann als Coach des FC Barcelona und nun beim FC Bayern München. Auch Kunst kann mal redundant werden, vielleicht sogar stumpf, wenn man sie ständig um sich hat.
Und so zoomte das spanische Fernsehen Guardiola ganz nahe heran, als er am Mittwochabend zum ersten Mal nach fast drei Jahren wieder an die Spielstätte seiner grössten Triumphe zurückkehrte: ins Camp Nou, zum Achtelfinal in der Champions League von Barça gegen Manchester City. Er nahm nicht auf der Tribüne für die Prominenten Platz, wo er natürlich hingehört hätte: Es sitzen da bei jedem Spiel Leute von recht zweifelhafter Prominenz. Nein, Pep und sein Vater Valentí setzten sich auf ihre eigenen Sitze, die ihnen als Mitglieder des Vereins und Dauerkartenhalter zustehen – mitten rein, ins Volk. Und man sollte diese Sitzwahl auch unbedingt als Hieb gegen Barças Vereinspräsidentschaft deuten, mit der es Guardiola gar nicht gut kann. Aber das ist ein anderes Thema.

Ein zufriedener Guardiola während des Champions-League-Rückspiels der Bayern gegen Donezk. Foto: AFP
Da sass er also, der Trainer Bayerns, als Fan Barças. Eine Herzensangelegenheit, beinahe privat, hätten ihn nicht einige Millionen Katalanen in jeder Geste beobachtet. Dann traf Ivan Rakitic nach einem fein gezwirbelten Pass von Leo Messi mit einem Lob zum 1:0, 31. Minute. Ein schönes Tor, ein komponiertes. Da reisst es Pep aus dem Stuhl, das Gesicht gelöst, die Arme in der Höhe. Eine halbe Sekunde, dann zieht er seinen Schal übers Gesicht, um sein Lachen zu verdecken, seinen Jubel zu kaschieren, schier reflexartig. Die Fernsehmacher lesen ja mittlerweile von den Lippen ab. Es gab noch so eine Szene, etwas später, da düpierte Messi einen Gegenspieler auf engem Raum mit einem Beinschuss, einem Tunnelball, leichtfüssig und intuitiv. Pep fuhr mit den Händen übers Gesicht, den Mund zum kindlich staunenden «Oh» geformt, zum: Nein, oder?
Wie wir das tun, wir Laien, die wir den beruflich tätigen Fussballern nicht jeden Tag zuschauen beim Jonglieren, die wir verzückt werden wollen von solchen «jugadas», von diesen kleinen Trouvaillen in einem Spiel, diesen ästhetischen Zugaben an einem Alltagsabend. Und ganz offensichtlich handelt es sich da um eine Kunst, deren Kraft auch dann nicht verwelkt, wenn sie oft genossen wird. Mal sehen, wie Pep Messis «jugadas» an der Seitenlinie erleben wird – als Gegner, vor der Bank Bayerns, beruflich also. Vielleicht bald schon. Es wird dann wohl eine Kamera fix auf ihn gerichtet sein.
Video: Guardiolas Reaktion auf Messis Dribbelkünste.
Oliver Meilers Beiträge zum internationalen Fussball sind ein guter Grund, den Tagi weiterhin zu abonnieren. Er ist ein echter Aficionado und schafft das Kunststück, seine Leidenschaft für das Spiel mit kritischer Distanz zu verbinden. Eine seltene Kombination – den Leser freut’s!
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