
Das ist eine Spraydose – und so geht der verantwortungsvolle Schiedsrichter mit ihr um… Foto: Keystone
Mag die Welt auch untergehen, die Bürokraten bleiben und vermehren sich. Eine der stärksten bürokratischen Kräfte der Erde ist der Deutsche Technische Überwachungsverein, genannt TÜV. Ohne den Segen des TÜV steht Deutschland still, und der TÜV war es auch, der dem Deutschen Fussball den Spass am Freistoss-Spray vermiesen wollte. Gemäss TüV soll beim Gebrauch des Sprays eine «hormonelle Wirksamkeit» nicht ausgeschlossen werden können. Vermutlich hatten die Hüter des Volkswohls die Befürchtung, die Bundesliga-Schiedsrichter würden statt Pausentee die Spraydose austrinken und es könnten ihnen bald einmal Brüste wachsen. Oder die deutschen Frauen würden zur Perfektion der Oberweite Rasenspray schlucken statt Silikon einpflanzen.
Offenbar ist es nun doch gelungen, die Bedenkenträger davon zu überzeugen, dass eine Spraydose keine Bierdose ist. Und weil auf der Dose neu auch noch eine Warnung vor Explosionsgefahr aufgebracht wird, hat der Wunderspray, der sich in nichts auflöst, alle bürokratischen Hürden genommen und darf ab sofort auch in Deutschland verwendet werden. Wie in Südamerika, in Spanien, in Frankreich, in der Champions League und in der Europa League.
Aber nicht in der Schweiz. Gemäss Schiedsrichterchef Carlo Bertolini braucht es in Sachen Freistoss-Spray die folgenden Schritte: zuerst darüber sprechen, dann interne Überprüfungen durchführen, dann den Entscheid fällen und dann Umsetzungsmassnahmen planen. Einfach Dosen kaufen und sprühen wäre für eine derart komplexe Spritzerei offenbar zu simpel. Auf welcher Stufe das hochgradig subtile helvetische Verfahren zurzeit steht, ist nicht überliefert.
Danke Guido Tognoni für die gute Laune und das Schmunzeln, dass dieser Blog bringt!
Etwas mehr Recherche würde gut tun: Der Grund warum sich die Einführung des Sprays in DE (und warscheinlich auch CH) verzögert hat ist ein anderer. Der Südamerikanische Hersteller des Sprays konnte keinen Nachweis erbringen, dass der Spray bei Minustemperaturen nicht gefriert. Zusätzlich musste der Spray in einer anderen Farbe als weiss hergestellt werden, da weisser Schaum auf schneebdecktem Boden nicht sichbar ist.
Wurde die Frage der farbigen Sprays für Schneeverhältnisse nun gelöst?
So ist es nunmal, auf eine Explosionsgefahr muss hingewiesen werden. Wenn der Produzent das nicht weiss, sollten sich wohl eher die FIFA bzw. UEFA über die Wahl ihrer Lieferanten Gedanken machen, statt den “Bürokraten” beim TÜV die Schuld zu geben. Die Art wie Sie sich über die Bedenken zu gesundheitlichen Risiken lustig machen, passt aber gut zur Arroganz der beiden Verbände.
Völliges Unverständnis am Zürichberg: was erlauben Deutschland?
Da die Fifa ja normalerweise den Staaten vorgibt, wie sie ihre Gesetze zu ändern haben damit sie WM-würdig werden, kann man sicher nicht verlangen, dass sie sich um solche Petitessen wie die Gefahrstoffverordnung oder Kennzeichnungspflicht kümmern. Und dass man mal ein Problem nicht mit eine Rolex lösen konnte, ist vermutlich auch lange nicht vorgekommen im Fifa-Kosmos.