Sind Sie gut – oder bloss ein Heuchler?

Stellt nicht nur in der «Sternstunde Philosophie» knifflige Fragen: Moderatorin Barbara Bleisch. Foto: Urs Jaudas

Hätte ich es kommen sehen müssen? Vielleicht. Trotzdem überraschte mich die Frage der Moderatorin: «Sind Sie ein guter Mensch?» Ich sass als Gast auf der Bühne beim ersten Zürcher Philosophiefestival und starrte gegen das Licht der Scheinwerfer in die Menge vor mir. Der Saal war voll bis auf den letzten Platz, das Publikum erstaunlich durchmischt. Es war gekommen, um sich eine Diskussion unter dem Titel «Expeditionen an die Grenzen des Gutmenschentums» anzuhören.

Die rhetorischen Varianten

Ich war ein bisschen überrumpelt. Natürlich gibt es rhetorisch tausend Möglichkeiten, auf so eine Frage zu antworten. Man kann zum Beispiel einen Bezugsrahmen festlegen und das eigene Gut-Sein darin verorten – ein beliebter Trick. Man kann sagen: Wenn Gut-Sein heisst, im Brocki und Bioladen einzukaufen und kein Fleisch zu essen, dann bin ich gut.

Man kann auch ausweichen, indem man den Willen betont und sich gleichzeitig demütig zeigt, das tönt dann etwa so: Ich bemühe mich den fundamentalen Anforderungen zu genügen, um ein guter Mensch zu sein – auch wenn ich nicht weiss, ob mir das gelingt.

Oder man kann positivistisch Handlungen aufzählen, von denen man hofft, dass sie zum Konto des Gut-Seins beitragen: Ich habe für dies und das gespendet, ich habe Menschen im Krankenhaus besucht, ich habe Freiwilligenarbeit geleistet.

Fehlende Zuversicht

Aber dazu war ich nicht geistesgegenwärtig genug. Ich war abgelenkt. Denn zuvor hatte sich Moderatorin Barbara Bleisch ans Publikum gewandt und gefragt, wer von sich selber denke, dass er gut, ein Gutmensch sei. Und viele Köpfe nickten, Hände reckten sich bekennend in die Höhe, überzeugte Mienen im Saal. Ich sah diese Menschen an und fragte mich, ob sie tatsächlich von sich glauben, gute Menschen zu sein. Denn diese Zuversicht geht mir ab.

Vielleicht muss man noch ergänzen, dass wir zuvor über den Begriff Gutmensch diskutiert hatten, der als ideologischer Kampfbegriff Karriere gemacht hat. Vordergründig geht es in der Auseinandersetzung um links gegen rechts, um moralisch richtig oder moralisch falsch, Emotionalität gegen Rationalität. Natürlich sind diese Kategorien nicht trennscharf. Aber Gutmenschen sind in der Regel die, die glauben, auf der richtigen Seite zu stehen und diese Position bei Bedarf aggressiv verteidigen. Aber es sind auch die, die einfach für Solidarität, Humanität und soziale Gerechtigkeit einstehen. Es gibt Leute, die sich stolz oder ironisch oder kämpferisch als Gutmenschen bezeichnen, während andere sie deswegen verhöhnen.

Wie kann man wissen, ob das, was man glaubt, es sei gut, auch wirklich gut ist? Wo liegt der Unterschied zwischen gut – und gut gemeint? Kann man sich da wirklich so sicher sein?

Und nun sass ich also da und hatte die Frage zu beantworten.

Die Welt lockt

Ich hätte auch gerne überzeugt Ja gesagt wie die Menschen im Saal. Denn ich bemühe mich ja auch. Wir sitzen alle im selben Boot, wir sollten aufeinander achtgeben, Mitgefühl, Liebe und gegenseitige Verantwortung pflegen. Umweltschutz ist wichtig, Fleischessen unnötig, verantwortungsvoller Umgang mit den Ressourcen unerlässlich. Die Frage ist nur: Könnten wir es nicht unendlich viel besser machen? Doch. Und so sehr ich gut sein und als gut gelten und von den anderen dafür bewundert werden möchte: Ich bin so gewöhnlich wie alle anderen.

Wenn man mich also fragt: Nein, ich glaube nicht, dass ich ein guter Mensch bin. Nicht böse, aber nicht sonderlich gut. Denn es ist schwierig. Es ist schwierig, den Menschen immer mit Liebe zu begegnen. Natürlich gebe ich im Zwischenmenschlichen mein Bestes, aber beim Pendeln erscheinen mir die Menschenströme wie Insektenstrassen. Es ist schwierig, die Menschen insgesamt zu lieben. Und obschon ich versuche, bescheiden zu sein: Städtereisen, Fliegen, schöne Spas besuchen sind Dinge, auf die ich nicht verzichten will. Die Welt ist zu verlockend, um zu Hause zu bleiben. Und das Leben zu kurz. Warum es nicht geniessen.

Und Sie? Sind Sie gut?

51 Kommentare zu «Sind Sie gut – oder bloss ein Heuchler?»

  • Anh Toàn sagt:

    Die Hymne meiner Jugend:

    Ich bin der Antichrist
    Ich bin der Anarchist
    Weiss nicht, was ich will
    Aber weiss, wie ich es bekomme
    Ich zerstöre, wer gerade kommt.

    (Und selbst Michael Jackson sang zu dieser Zeit, wie „BAD“ er sei.)

    Doch dann kam die Postmoderne und jetzt sage ich: Ich bin gut, weil ich konstant und hart an meiner Verbesserung arbeite.

    • Michèle Binswanger sagt:

      Schön gesagt, Anh Toàn!

    • Belo Zibé sagt:

      Hinter »Gutmenschlichkeit« steckt sehr häufig der Geist Ihrer Jugendhymne,Anh Toàn.Sie ist einseitig,bevormundend,opportunistisch und dem freien Gedanken im Grunde genommen feind.Sie arbeitet gerne und konstant an der Verbesserung anderer.
      Frei nach Yves Montand: »Gutmenschen« sind wie Schafe, die glauben, der Wolf sei ein Vegetarier.«

  • Sportpapi sagt:

    Gutmensch ist ein ideologischer Kampfbegriff, um Menschen abzuwerten, die sich für andere Menschen, für Gemeinschaft und Solidarität einsetzen. Meinst folgt dann noch ein „naiv“. Mir würde es nicht schwer fallen, mich unter diesen Voraussetzungen als „Gutmensch“ zu outen. Nicht zuletzt um auch politisch Stellung zu beziehen.
    Kann man die Frage, ob man ein guter Mensch ist, überhaupt mit ja beantworten? Und wenn, würde da nicht eine gewisse Überheblichkeit mitschwingen, die doch irgendwie nicht gut ist? Aber das „ich bemühe mich“ ist doch auch nur ein Ausdruck falscher Bescheidenheit…
    Gibt es eigentlich Menschen, die von sich sagen würden, sie seien schlechte Menschen? Und: brauchen die Hilfe oder gar eine Therapie?

    • Adrian Jencik sagt:

      Hilfe oder gar eine Therapie?

      Wenn ich sage, „…der Mensch ist schlecht“ (Brecht) brauchen wir dann alle eine Therapie?
      Gutmenschen sind gute Menschen, wenn Sie Ihr Verhalten nicht als Leistung oder Tat für andere (Ökofuzzies & HC-Feministinnen) preisen, sondern es als Selbstverständlichkeit ansehen.

      Gutmenschen schämen sich ehrlich, offen und brüderlich für Schlechtmenschen, womit Sie sich nicht überheben, sondern verbrüdern.

    • Vierauge sagt:

      Jesus hat die Frage beantwortet (Lukas 18,19): „was nennst du mich gut? Niemand ist gut, ausser Gott.“

      • Salvatore sagt:

        Was würde Hiob wohl dazu sagen? So als Mensch meine ich.

      • Eduardo sagt:

        Jesus hat die Frage beantwortet (Lukas 18,19): „Was nennst du mich gut? Niemand ist gut, ausser Gott.“

        Hier irrte Jehoshua, der selbsternannte Gottessohn, leider. Selbst Gott ist nicht gut, und einige seiner liebsten Heiligen (wie der Mordbube Saulus, Künstlername Paulus) waren sogar teuflisch böse.

    • Ralf Schrader sagt:

      Gut oder schlecht kann man nur bezüglich einer externen Norm sein. Der ‚Gutmensch‘ impliziert z.B. so eine bestimmte Norm, die auf Naivität und bescheidener Persönlichkeitsstruktur beruht.

      Objektiv gibt es weder gute, noch schlechte Menschen. Wer sich mit schweizerischen Werten in Sibirien niederlässt, dem Individualismus huldigt und von Empathie und Eigenverantwortung schwafelt, dürfte die Reaktion der Eingeborenen bald am gebrochenem Nasenbein ablesen können.

      Würde mich jemand als guten Menschen oder gar als menschlich bezeichnen, müsste ich ernsthaft darüber nachdenken, was ich falsch mache.

    • Hans Knecht sagt:

      Ein guter Punkt. Wer sagt schon von sich dass er büse sei?
      Narzisten sagen von sich selbst auch dass sie gut sind, dabei sind sie aber auf Grund ihrer Selbstverliebtheit eine Belastung für ihre Mitmenschen.

      Des weiteren sind Gutmenschen aus George Orwell 1984 zum einen diejenigen die wie ein Modetrend dynamisch eine gesellschaftliche Norm bzw. Verhaltensweise aufstellen, welche sie selbst auch erfüllen. Andere welche mit dieser Norm mühe haben und verfehlen sind dann Unmenschen. Auf diese Weise lassen sich Systemkritiker sowie in Ungnade gefallene ausgrenzen oder gar Mundtot machen.

    • Niklas Meier sagt:

      Menschen werden auch dann als „Gutmenschen“ bezeichnet, wenn sie realitäsverweigernd an ihrer idealisierten Weltanschauung festhalten und jegliche Kritik daran als moralisch verwerflich und böse abtun. Folgt man dieser Definition, wird sich kaum jemand als „Gutmensch“ bezeichnen.

  • Rose Zschokke sagt:

    Manchmal ja, manchmal nein. Ich versuche menschlich zu sein und zu bleiben.

    • harybo sagt:

      versuch ist wie glauben oder wissen,wer leicht glaubt wird schwer kluk,versuche scheitern meistens, also sei es.

  • Joe Weiss sagt:

    Hm… ich denke, «ob man ein guter Mensch ist» können nur «die Anderen» beantworten. Die Familienangehörigen, die Nachbarschaft, die Mitarbeitenden… die ganze Hülle von Menschen, zu denen man näheren oder ferneren Kontakt hat, bis in die Randregionen des eigenen Universums. Und vielleicht noch die Vögel, die man füttert oder der eigene Hund. Oder derjenige der Nachbarin. Die Zimmerpflanze, die man ab und zu giesst, eventuell.

    Und am Tag des «jüngsten Gerichts» stehst du dann da, «im letzten Hemd, ohne Taschen». Was nimmst du mit? Ja… was?

    • Eduardo sagt:

      Hallelujah … 😉

      Am Tag des Jüngsten Gerichtes werden die Menschen die Taten all der Götter und Göttinnen, die ihnen im Laufe der Jahrtausende dreist vorgesetzt wurden, bewerten, und das Urteil wird für diese vorlaute himmlische Brut vernichtend ausfallen.

  • Peter sagt:

    Ich bin sicher kein schlechter Mensch.

  • Monisa sagt:

    Nein, ich bin kein Gutmensch. Bin einfach Mensch. Schwach, stark, verletzbar, verletzend, grosszügig, egoistisch usw. , wie alle Menschen.

  • Martin Frey sagt:

    Das sind gleich mehrere Grundsatzfragen. Vorab ja, ‚Gutmensch‘ ist ein politischer Kampfbegriff, eine Neukreation mit dem Ziel, um einen bestimmten Typus Mensch (ab) zu werten. Mit guten Eigenschaften hat das nichts zu tun, genauso wenig wie ‚gut gemeint‘. Vielmehr ist ja ‚gut gemeint‘ oft das Gegenteil von gut.
    Allein an der Definition verzweifelt bereits die Autorin. „…, die glauben, auf der richtigen Seite zu stehen und diese Position bei Bedarf aggressiv verteidigen.“ kann man auf Menschen jeglicher Couleur anwenden, und bedingt mehr Selbstgerechtigkeit als gute Eigenschaften. Dazu steht schon fast im Widerspruch „…., die einfach für Solidarität, Humanität und soziale Gerechtigkeit einstehen.“
    Ob jemand wirklich dafür einsteht, müssen nämlich eher andere beurteilen.

  • Franz Z. Margot sagt:

    Nein, ich bin sicher kein „guter Mensch“ oder besser: Ich bin so gut wie ich schlecht bin. Die Frage selber ist schon total absurd und verrät, meines Erachtens, dass derjenige, der danach fragt, keine Ahnung von Evolutionsbiologie und Evolutionspsychologie hat. Sonst würde es, immer noch meines Erachtens, klar sein, dass auch eine noch so gute Tat oder ein noch so gutes Wesen immer auch eine schlechte Seite hat. Das geht nicht anders. Es ist stets nur eine Frage der Perspektive.

  • Alfred Schläpfer sagt:

    Als dem Humanismus verpflichteten Agnostiker bin ich immer wieder überrascht, mit welcher Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit bekennende Christen wie Sandgren zu ihrem Rassismus und der Befürwortung der Todesstrafe stehen können. Die Berechtigung holen sie sich unbedenklich aus der Bibel. Für fundamentalistische Christen und Juden enthalten die Bibel und die Tora die alleinige Wahrheit, und der Koran ist das Buch des Teufels. Bigotterie auf bedenklichstem Niveau. Aber die meisten von ihnen würden sagen: „Wir sind gut – die Heuchler sind anderen“. Auch ich bemühe mich und scheitere halt auch immer wieder.

  • SCW sagt:

    Vor 2,400 Jahren in den Streitenden Reichen hatten wir zwei antagonistische Philosophien, welche Antwort zur Fragestellung geben!
    Einerseits haben wir die konfuzianische Sozialhierarchie, die wertvernichtend ist, wenn man sie analysiert!
    Lu Xun schrieb darüber und teilte dessen Wertlosigkeit in seinem Werk den Chinesen mit!
    Andererseits haben wir die mohistische universelle Liebe, welche für Frieden, Wachstum und Wohlstand steht!
    400 Jahre wurde später Mohismus von Jesus von Nazareth als Agape, unterteilt in Gottesliebe, Nächstenliebe und Feindesliebe übernommen und fand Eingang ins Christentum!
    MoZi war ein Schreiner und Festungsexperte, der kleineren Ländereien mit seinem Festungsdispositiv half, unbesiegbar zu bleiben und so Kriege unmöglich machte!
    MoZi war besser als Konfuzius

  • Hans Knecht sagt:

    Sind Sie gut? – Diese gute Frage beantwortet Michèle Binswanger im Text m.E. gleich für die meisten von uns und dass es eine Frage der Perspektive ist. Im Allgemeinen betrachtet „Nicht böse, aber nicht sonderlich gut.“
    Des weiteren gibt es noch „nette“ Menschen. Menschen die nicht in rigend einem Punkt auffallend gut oder sonderlich sympathisch, aber auch nicht böse und gerade deswegen auch liebenswert sind.

    Wobei, was ist böse und was ist die Definition für eine böse Handlung? Und was ist heucheln? Vielleicht erkennen wir dann ob wir gute oder böse Menschen sind.

  • Niklas Meier sagt:

    Warum sollte ich „gut“ sein wollen? „Gut“ wird fremddefiniert, zielt auf Anerkennung und Wertung Dritter ab.
    Ich handle so, dass ich in den Spiegel schauen kann und mich, in der Regel, nach meinem Empfinden „wohl“ fühle. Resp. nach meinem Wertesystem und meiner Überzeugung. Diese werden aber mit Sicherheit nicht denen anderer Menschen entsprechen. Die Bewertung „guter Mensch“ ist demnach eine sehr egoistische Wahrnehmung.
    „Böse“ auf der anderen Seite gibt es wirklich auch erst in einem sehr extremen Bereich. Ja, es gibt Verhalten das kaum Befürworter finden wird. Auf dem Weg da hin, werden aber viele Menschen vor den Kopf gestossen und nach deren Ansicht „schlecht“ behandelt. „Böse“ sind die Akteure aber nicht. „Gute Menschen“ muss aber wohl genau so suchen.

  • julia müller sagt:

    Ich bin immer nur so gut, wie ich es gerade vermag, finde das schon schwierig. Kenne persönlich auch keinen einzigen „nur guten“ Menschen … Ich bin mir auch gar nicht so sicher, ob ich „nur gut“ sein möchte. Aber heucheln tue ich nie, liegt mir nicht.

    • andy sagt:

      Als Krypto Währungshalterin ist das Vermögen stark vom volatilen Kurs an der Börse abhängig, oder Frau Müller? 🙂

  • Röschu sagt:

    Anhand es Textes von Frau Binswanger muss ich davon ausgehen, dass einem „guten Menschen“ zwingend folgende Eigenschaften zugeschrieben werden: sozial denkend, politisch korrekt, ohne Ecken und Kanten, etc.
    .
    Insofern kann ich mit gutem Gewissen sagen: Nein, ich bin kein guter Mensch und will es auch gar nicht sein.

  • andy sagt:

    Grüezi Frau Binswanger
    Gut oder schlecht als Mensch zu sein, ist doch lediglich wieder ein Werte Etikett, dass man sich oder jemandem anhängt.
    Natürlich sind vermutlich alle „gut“ also weinend den Licht der Welt begegnet, auch wenn dies keinem damals selbst bewusst war.
    Wie sich das Bewusstsein entwickelt ist dann sehr individuell.
    Schliesslich gibt es verschiedene Rahmen in denen man als Mensch oder Lebewesen richtig gehend gefangen ist. Die Natur, der Glauben, die Gesellschaft und nicht zuletzt der Kapitalismus.
    Schlussendlich kann man Dinge aus so vielen Perspektiven betrachten bis man kaum mehr weiss wo man steht und hin will.
    Im endlichen Angesicht (Licht) der unendlichen Vergangenheit (Raumzeit) zu Leben ist Kunst, behaupte ich.

  • Alexandra sagt:

    Ich versuche gut zu sein, es will aber nicht immer gleich gut klappen. Irgendwo dringen die Urinstinkte durch. Ich versuche keine Tiere zu essen, ich versuche zu helfen wenn jemand Hilfe braucht, manchmal gebe ich dem Obdachlosen Geld. Bisweilen laufe ich aber auch an all diesem vorbei.

    Der Text ist toll, Frau Binswanger, es wäre aber besser, wenn Sie das Foto austauschen können, die Haare sind etwas fettig, das wirkt eklig. Sorry, jetzt war ich wohl kein Gutmensch.

  • Reincarnation of XY sagt:

    Ich finde ihre Fragestellungen und Wertekataloge überhaupt nicht zielführend.
    „Nicht böse, aber auch nicht gut.“ eigentlich tun sie ja gerade das, was Sie oben anführen: Man zweigt sich bemüht, aber verneint die Frage bescheiden, weil man ja nicht prahlen will.
    Aber gut – das hat doch nichts mit Fleischessen und fliegen zu tun. Und auch nicht ob man im ÖV für die Mitreisenden herzliche Gefühle entwickelt.
    Solche Dinge sind allesamt absolut unpersönlich und uninteressant.

    Ich denke, jeder halbwegs normale Mensch hält sich für „gut“. Sonst hat er ein Problem mit sich selbst, denn alle wollen zu den Guten gehören. Die, welche über Gutmenschen schimpfen, halten sich auch für die Guten.
    Deshalb wäre die richtige Frage: warum halten Sie sich für gut?

  • Christina sagt:

    Ja, ich zähle mich zu den Gutmenschen. Weil ich mir jeden Tag Mühe gebe nach Werten zu leben, welche ich für mein Leben als wichtig erachte (soziale Gerechtigkeit, humanistisches Menschenbild, Bibel u.a.m.). Dabei lerne ich immer wieder dazu und weiss, dass ich nie irgendwo ankommen werde, z.B. im Gutmenschenland 😉 Ich weiss dabei, dass ich nicht besser bin, glaube aber, dass ich es auf diese Art besser habe in meinem Leben.

  • Hans Minder sagt:

    Die Frage ob ich “gut” bin scheint mir vergleichbar mit der Frage, ob ich “alles weiss.”
    Je ungebildeter ich bin, umso schneller kommt die Versuchung zu sagen, dass ich „wirklich alles weiss,“ da mir der entsprechende Horizont fehlt.
    Das selbe gilt wahrscheinlich für das „Gut sein.“ Wer mit Menschen spricht, die ihr ganzes Leben hauptsächlich zum Wohl anderer eingesetzt haben, hört eigentlich nie die Behauptung, dass sich diese Menschen als „gut“ bezeichnen. Im Gegenteil, durch ihre Arbeit mit weniger privilegierten Menschen wissen sie, mit welch minimalen Ressourcen einige Menschen auskommen müssen und wie viel jeder Mensch mit ihnen teilen könnte.

  • Jörg Selg sagt:

    Sie sprechen ein Thema an, dass gerade in der heutigen, selbstverliebten Zeit sehr wichtig genommen wird. Ein Grossteil der Menschen, zumindest in den sog. entwickelten Ländern, führt ein Leben in ziemlich entspannten finanziellen Verhältnissen. Man hat also viel Zeit, sich auf Nebenschauplätzen aufzuhalten. Wenn sich die Situation aber verändert, sei es wegen Krieg, Wirtschaftskatastrophen etc., bricht das alles schlagartig weg. Dann heisst es wieder ‚Alle gegen Alle‘. Die Zivilisation ist ein ganz dünnes Häutchen. Geniessen wir also diese schöne Zeit, und machen uns nicht allzu viele Sorgen.

  • Lori Ott sagt:

    Wieso zum Geier soll im Brocki und Bioladen einzukaufen und kein Fleisch essen gut sein? Ich esse zwar kein Fleisch, bin aber deswegen sicher nicht a priori ein besserer Mensch als es ein Nicht-Vegetarier ist. Mich weniger gut sehen nur weil ich selten bis nie im Bio-Laden oder Brocki Kunde bin fällt mir nicht im Traum ein.

    Schlecht, weil garantiert eingebildet und halb blind ist meiner Meinung nach hingegen, wer meint sich selber auf die gute Seite stellen zu können, sowie auch wer andere zum sich selber katalogisieren nötigen will, denn dies dient nur dazu diese Person in der Folge in die Ecke zu treiben. Letztlich galt schon immer die Weisheit welche erst Erich Kästner in Worte gefasst einem grösseren Publikum zu unterbreiten vermochte: „Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es“.

  • Marcel Zufferey sagt:

    Unsere Weltanschauung hängt im Wesentlichen von unserem Menschenbild ab. Dabei steht mir die französische Denktradition von Camus bis Houellebecq eindeutig am nächsten. Wir sind im Grunde genommen alles Opportunisten unterschiedlichster Ausprägung: Deshalb kann es nur richtig oder falsch geben.

  • Alexandre sagt:

    Die Schizophrenie der Linksliberalen hat Madame B. im letzten Abschnitt sehr gut aufgezeigt. Sie verdienen gut bis sehr gut, wohnen in grosszügigen EFH oder ETW, selbstverständlich Minergie-zertifiziert, reisen und fliegen mehrmals im Jahr, frequentieren teure Restaurants, essen natürlich nur Biofleisch, steigen in eleganten Hotels ab – so lebt die typisch linke Toscana- und Cüplifraktion meiner Verwandt- und Bekannschaft. – Als SVP-Wähler verdiene ich ebenso gut, wohne in einer 2,5-Zi-Mietwohnung, fliege seit 15 J. nicht mehr, verbringe meine Ferien zu Hause, fahre mehr Velo als Auto, mag keinen öV, kein Multikulti, keine linken Medien. – Nein, ich will gar kein Guter sein, kenne nur einen wirklich guten Menschen: meine Mutter, die in ihrem langen Leben alles richtig gemacht hat.

  • Claude Fontana sagt:

    Wie soll ein Mensch gut oder böse sein, wenn keiner die Konsequenzen seines Handelns bis ins letzte Detail kennen kann? Gut und Böse sind perspektivisch wahrnehmbar. 2 Schubladen, in denen man grob trennt, ob man mit etwas oder jemandem zu tun haben will oder nicht. Dabei ist der eigene Wille ausschlaggebend. nicht die Bewertung. Den rest besorgt Ignoranz,Akzeptanz, oder Aktion.

  • FEIN & GUT sagt:

    Ob ich ein „guter Mensch“ bin?

    Auch. Manchmal. Oder punktuell. Für einige. Oder für mich. Und manchmal auch schlecht. Oder mehr schlecht als recht. Und selten sogar: nicht nur „guter“ Mensch, sogar „besserer“ Mensch.

  • Malena sagt:

    Ich bin für eine unideologische Definition von „gut“: objektiv (hypothetisch) möglichst wenig Schaden und Leid verursachen für Mitmenschen und Umwelt, und möglichst viel beitragen zu Frieden, Zufriedenheit und Fortschritt. Und zwar nicht oberflächlich, kurzfristig und selbstbezogen, sondern langfristig und universell. Also nicht nett, harm- und wirkungslos sein, sondern durchaus auch dorthin gehn, wo es kurzfristig weh tut, wenn die Welt langfristig besser wird dadurch . JedeR im Rahmen seiner/ihrer Mögichkeiten – wir haben eine grössere Verantwortung als ein armer Afrikaner. Und die Relationen beachten: wäscht mein Mülltrennen und mein Trump-Bashing tatsächlich meinen Überseeflug weiss?
    Also in etwa wie der effektive Altruismus, einfach ein bisschen weniger humorlos wenn’s geht.

  • Hanspeter Niederer sagt:

    Ein Mensch ist genügend gut, wenn er glaubwürdig versucht, bei der Befriedigung seiner Grundbedürfnisse auch die legitimen Bedürfnisse seiner belebten Umwelt mitzu berücksichtigen.

  • Zugerland sagt:

    Gut handle ich , wenn ich ganz für andere da bin. Das ist der Pol der Ethik. Und gut lebe ich, wenn ich dank einer List etwas Gutes geniesse. Das ist der Pol der Ästhetik. Die beiden Pole bedingen sich gegenseitig. Gut handeln hat nicht mein eigenes sondern das Wohl anderer im Auge. Gut leben, ja, da bin ich ganz bei mir. Und die Regeln, nach denen ich gut handle und lebe, habe ich alle eingeübt und übe sie weiter. Ich lehne es ab, gut zu handeln aus einer tieferen Erkenntnis. Es geschieht alles eigentlich unbewusst, viel zu rasch, um richtig wahrgenommen und bewertet zu werden.

  • doris sagt:

    Ich fühle mich jeweils „gut“, wenn ich Blut spende für andere, gefundene Gegenstände ins Fundbüro bringe, Gehbehinderten meinen Platz im Tram anbiete, Blinden über die Strasse helfe, mich um die einsame Nachbarin kümmere. Aber das sind Momente und Erlebnisse. Jeder Mensch, auch ich, hat auch seine weniger angenehmen Seiten. Nur gut sein per se ist für mich kein erstrebenswerter Zustand. Zu langweilig. Man darf aber niemand anderem dabei schaden, wenn man mal wieder über die eigenen Stränge haut.

  • Markus Reichmuth sagt:

    Gutmenschen werden wohl von Schlechtmenschen so qualifiziert. Primitiver geht’s nimmer…

  • Hans Hasler sagt:

    Ein alter Sinnspruch, aber desswegen doch nicht obsolet: „Der Weg zur Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert“.

    Gute Intentionen reichen nicht aus um ein guter Mensch zu sein. Wir sind wohl alle irgendwie schlechte Menschen 😉

  • fufi sagt:

    Da gibt’s doch so ne Comic-Heldin namens Mafalda, wo mal eine Umfrage zum Thema gemacht hat, und die ging so:
    „Sind Sie gut, Herr Polizist?“ – „Ja, wir Polizisten sind alle gut!“
    „Sind Sie gut, Herr Lehrer?“ – „Ja, wir Lehrer sind alle gut!“
    „Sind Sie gut, Herr Arbeiter?“ – „Ja, wir Arbeiter sind alle gut!“
    „Sind Sie gut, Herr Politiker?“ – „Ja, wir Politiker sind alle gut!“
    Worauf Mafalda feststellt, sie habe glaub begriffen, was „Gut-sein“ heisse.

  • Thomas Binder sagt:

    Wer in seiner mythischen Welt mit der induzierten moralischen Apathie und Unvernunft, mit der Illusion der Freiheit, mit der Illusion der Demokratie, mit der Illusion der Informiertheit und mit der Illusion der (Menschen)gerechtigkeit glücklich ist, fühlt sich nicht am Arsch und mag deshalb nichts ändern. Die Illusion des guten Menschen, der die naturgemäss unveränderlich böse Welt nun einmal nicht verbessern kann, deshalb zuallererst für sich selber und für seine Liebsten sorgen muss, ist wunderschön behaglich und etwas Empörung über Rassisten hier und etwas Belächeln naiver Gutmenschen und Jedermann/frau-Versteher dort, tut uns immer gut und bestärkt uns darin, dass wir die guten Realisten und jene die Bösen sind respektive im Reich der unverbesserlichen Träumer Schlafwandelnde.

  • Anh Toàn sagt:

    Gutmenschen glauben an und suchen darum das Gute im Menschen. Die welche darüber lachen, auf diesen Glauben verzichtet haben, sind vielleicht die noch grösseren Idioten.

    Eduardo Benato endet in „l’isola che non c’è“ mit:

    „E ti prendono in giro se continui a cercarla
    Ma non darti per vinto, perché
    Chi ci ha già rinunciato e ti ride alle spalle
    Forse è ancora più pazzo di te“

    Sie machen sich lustig über dich, wenn du sie weiter suchst
    aber gib nicht auf, weil
    wer darauf verzichtet hat und dich auslacht
    Ist vielleicht noch verrückter als du.

    Gefällt mir zum Thema Gutmensch am Bestem.

    • Anh Toàn sagt:

      Oder: In mir, wie in zumindest fast jedem Menschen, gibt es eine gute Seite und eine böse: Jeder wird die Seite in mir finden, die er sucht.

  • Over educated sagt:

    «Sind Sie gut – oder bloss ein Heuchler?»

    https://www.youtube.com/watch?v=dNVZ0ZPfE8s

  • Georg sagt:

    Es kommt mir vor, wie wenn der Mensch in seinen Eigenschaften Schubladisiert wird. Für wen? Für die anderen ? Für sich selbst?

  • Kristina sagt:

    Die fieseste Frage wider den tierischen Ernst und die rhetorischste unter den rhetorischen Fragen. Braucht man nicht zu beantworten. Doch ein gescheiter Theologe hatte sich das vorgenommen und meinte nuschelnd: wer nicht vor Gott steht und mindestens eine Träne in den Augen hat..

  • hubertus sagt:

    Es war ein Festival, Frau Binswanger, also genauer ein Philosophiefestival. Die Philosophinnen und Philosophen sind noch nicht ganz bereit, von Eventphilosophie oder Philosophieevent zu sprechen. Sie zieren sich im Moment noch, obwohl es dasselbe ist. Also nächstes Mal beim Philosophiefestival: Bier rein, fett abgröhlen und abklatschen.

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.