Wie man an Weihnachten Streit vermeidet

Alle Jahre wieder… Familienstreit: Mel Gibson und Will Ferrell in «Daddys Home 2». (Foto: Paramount Pictures)

Es ist Zeit, eine Lanze für Weihnachten zu brechen. Jawoll, Weihnachten ist toll, fand ich immer schon und finde ich auch heute noch. Natürlich gibt es immer einen Grund, sich zu beklagen: der ganze Stress, die Hektik, der Konsumwahn, die falsche Weihnachtsbeleuchtung, das reichhaltige Essen, die mühseligen Verwandten und unsinnige politische Diskussionen, der Streit. Aber von erwachsenen Menschen sollte man erwarten, dass sie diese Tücken kennen und elegant zu umschiffen wissen.

Warum sich zum Einstieg nicht daran erinnern, warum man Weihnachten als Kind immer so liebte? Wochen im Voraus freute ich mich auf Geschenke und Leckereien, die übers Jahr in meinem Elternhaus nur sehr sparsam verteilt wurden. Vielleicht waren es auch nur Tage, aber die können sich für Kinder ja endlos hinziehen. Am Weihnachtstag selbst dann, verschloss meine Mutter das Wohnzimmer und schickte die ungeduldige Kinderschar mit dem Vater auf einen Waldspaziergang. Damit wir das Christkind nicht stören. Ich fragte mich immer, wer dieses Christkind sei, wie es aussehe und vor allem auf welchem Weg es unser Wohnzimmer ansteuere. Die Frage wurde nie schlüssig beantwortet. Dafür waren die Waldspaziergänge zauberhaft, besonders wenn Schnee lag. Es war kalt und dunkel – von innen wärmte einen die Vorfreude, als wäre der ganze Wald in ein spezielles, goldenes Licht getaucht. Dieses Gefühl, alles werde gut, ist es das, was man weihnächtlich nennt?

Der wahre Konversationsspastiker

Die positive Einstellung zu Weihnachten habe ich mir bewahrt. Ich liebe den Baum mit seinem Fichtenduft, die Bienenwachskerzen, die Weihnachtsguetsli, das Essen, die Gesänge, die wir jeweils zelebrieren, bis alle heiser sind. Dann das Halali auf die Geschenke, danach die Ruhe, wenn die Kinder mit ihren neuen Geschenken spielen. Bleibt nur das Problem mit den Konversationsspastikern der Verwandtschaft. Und dem Alkohol. Wie ein Freund neulich sagte: «Es gibt zwei Arten, Weihnachten und Alkohol zu mischen. Man trinkt sich glücklich. Oder man trinkt andere unglücklich.» In letzterem Fall erheben die schwierigen Themen ihr Haupt, Nahostkonflikt, die vermeintliche Verschwörung des vermeintlichen «globalen Finanzjudentums» oder #MeToo. Früher trat ich mit Freuden in den Ring, um diese Monster zu bodigen: Was kann so eine kleine Diskussion schon schaden? Bis ich zur Mutter und zu den Tanten hinübersah, die mir mit ihren Blicken bedeuteten: Mordor! Todesstern! Und die schleichende Erkenntnis sich einstellte: Liegt es vielleicht an mir? Bin ich der wahre Konversationsspastiker?

Heute bin ich ganz Team Frieden und habe die Omerta bei gewissen Themen verinnerlicht. Beginnt jemand von Krieg und Frieden zu reden, schenke ich meinem Salat so intensive Blicke, als wollte ich gleich um seine Hand anhalten. An Weihnachten pflegt man das Gemeinsame, nicht das Trennende.

Und bei Ihnen?

22 Kommentare zu «Wie man an Weihnachten Streit vermeidet»

  • tina sagt:

    ich finde regeln zur konfliktprävention an weihnachten beängstigend :). ich möchte mich nicht zusammenreissen, nicht themen auslassen oder ignorieren wenn andere etwas sagen. ich möchte es mir und anderen einfach gutgehen lassen (das kann auch passiv sein). themen die angeschnitten werden muss man nicht abschwächen, ignorieren oder das thema wechseln. wenn man nichts sagen mag, kann man ja zuhören und vielleicht fragen.

    • Papperlapapi sagt:

      Es gibt Themen, zu denen innerhalb der Verwandtschaft so kontroverse und fundamentalistische Meinungen bestehen (Beispiel: Impfgegner versus Wissenschaftler), dass jede Diskussion sinnlos ist. Warum streiten, wo es sowieso nicht gelingen wird, den andern zu überzeugen. Wenn dann mit zunehmendem Alkoholpegel noch Aggressivität und Lautwerden dazu kommen, ist das Fest für alle anderen gelaufen (die sich schon bei den ersten Worten an den Kopf gegriffen haben… nicht das wieder….). Oder anderes Thema: ich arbeite bei einem Arbeitgeber, der nicht immer die beste Presse hat, mein Bruder berät gelegentlich (angebliche) „Opfer“ meines Arbeitgebers. Ich mag darüber an Weihnachten nicht zum 20. Mal diskutieren und streiten…… Gewisse Themen bleiben also ganz klar aussen vor.

    • Philipp M. Rittermann sagt:

      finde ich gut. ich schaue jeweils auch ganz passiv ins glas und hänge meinen gedanken nach. nur hin und wieder schaue ich auf und rufe spontan in die runde „ääässsss-vaaaauuuuu-peeehheeeee!“ und dann bin ich wieder gaaanz passiv und schaue ins glas.

    • Carolina sagt:

      tina, das Problem ist, dass nicht alle in diesem Kreis dieselbe Haltung vertreten. Sie verstehen unter ‚…ich möchte es mir und anderen einfach gutgehen lassen…‘ unter Umständen etwas ganz anderes als Sie, nämlich einen missionarischen Eifer, die anderen meinungsmässig wie ein Panzer zu überrollen, Frieden an Weihnachten hin oder her.
      Wir haben über die Jahre – wir feiern immer im grossen Kreis – diverse Onkel und eine ganz gfürchige Tante, einen Grossvater und meinen sonst äusserst harmoniesüchtigen Vater, der aber keinen Alkohol vertrug und an Weihnachten immer die Sau rauslies, zum Schweigen gebracht, mit unterschiedlichen Tricks. Das ist besser als die Schadensbekämpfung hinterher und trägt sehr zu einem einigermassen ruhigen Weihnachten bei.

    • Carolina sagt:

      tina, habe Ihnen geantwortet, aber der Beitrag ist nach 2 Tagen Nichtfreischaltung jetzt komplett verschwunden.
      Keine Lust mehr! Wünsche Ihnen allen schöne Festtage!

  • k. miller sagt:

    Diskussion ist das eine, Streit das andere. Bei unseren Familientreffen kommen mit Regelmässigkeit zwei Themen auf, die dann auch intensiv und lange besprochen werden: Politik und Kirche. Mit durchaus kontroversen Ansichten. Aber es bleibt bei der Diskussion, den vielbesprochenen „Weihnachtsstreit“ kenne ich nicht. Vielleicht sind wir ein besonders harmoniesüchtiger Haufen, vielleicht auch mit Toleranz gesegnet, aber ganz bestimmt haben wir ein Humor-Gen und nehmen nicht immer alles ganz so ernst. Und wir sind so viele, dass auch die neu hinzukommenden (eingeheirateten) Familienmitglieder mit „Streit-Gen“ keine Chance haben 😉

  • Röschu sagt:

    Sich anders zu verhalten als man es normalerweise täte, nur weil gerade Weihnachten ist, halte ich für heuchlerisch.

  • Philipp M. Rittermann sagt:

    das zauberwort heisst „alkohol.“ in ausreichender menge.

    • Carolina sagt:

      Oder genau umgekehrt! Es gibt die, die bei ausreichend Alkoholkonsum verstummen und wirklich sinnierend in ihr Glas starren; dann aber auch die, die jedes Jahr über die Stränge schlagen und äusserst unangenehm werden können. Bei uns werden die, wenn irgend möglich, frühzeitig kaltgestellt, denn sie können allen anderen Weihnachten gehörig vermasseln.

  • Philipp M. Rittermann sagt:

    und wie man es gar nicht soweit kommen lässt. ich lade ja immer alle ein zum festmenue. es gibt salzstangen, ein blutiges steak und eine flasche jack (für mich). da entschuldigen sich immer alle. und dann kann ich gaaanz passiv dasitzen und fröhlich-besinnlich ins glas schauen.

  • Reincarnation of XY sagt:

    Sehr schön geschrieben.
    Fast 1:1 meine Meinung/Erfahrung/Praxis

  • werner boss sagt:

    Da erinnere ich mich gerne an meine Kindheit zurück! Damals gab es noch wirkliche Weihnachten, bei uns zwar ohne Lieder oder Musik, denn wir hatten ja ohnehin selten Strom, dafür aber endlich Zeit zusammen zu sitzen, etwas besonders gutes zu Essen ( das war bescheiden )aber mit einander zu reden. Geschenke gab es eher selten. Dann entdeckte der Warenhandel die Weihnachten und fertig lustig!

  • Peter Invanov sagt:

    wir unterschreiben jeweils an Weihnachten ein Formular in der Familie. In diesem verpflichten wir uns kein Thema anzuschneiden, welches die anderen Familienmitglieder kränkt, diskriminiert oder ganz allgemein zu Widerspruch Anlass geben könnte. Funktioniert das nicht, haben wir immer einen Taser und eine Zwangsjacke zur Ruhigstellung in Griffweite. Es ist jeweils sehr ruhig und besinnlich…

    • Carolina sagt:

      Dann dürfte ja eventueller Weihnachts-Sex à la Schweden für Sie kein Problem sein – Sie sind sich ja Formulare gewöhnt…. 😉

  • julia müller sagt:

    Habe vor einiger Zeit diesen „Knigge unterm Tannenbaum“ gefunden – da sind ein paar Sachen drunter, die mir noch einleuchten, z.B. der Satz bezüglich der Geschenke: „Schenken ist ein Akt der Kommunikation …“

    https://desktop.12app.ch/articles/17123822?utm_source=TA&utm_medium=storylink&utm_campaign=urbani

    Was die Konversation betrifft: Ich habe herausgefunden, dass es am besten läuft, wenn man sich für den/die anderen interessiert, nicht (nur) für sich selber. Politik und Religion sind die zwei Themen, die am schwierigsten, weil am persönlichsten sind – finde ich – die lasse ich aus oder klemme rechtzeitig ab, hat bisher ganz gut funktioniert.

  • Lala sagt:

    Angeregt zu diskutieren ist doch etwas vom schönsten was es gibt.
    So lange es auch alle Personen „können“ und nicht eine(r) plötzlich nur noch rumschreit, sich total abkapselt oder beleidigt ist. Was leider viele Menschen nicht können.

    Aber das gilt nicht nur für Weihnachten.

  • Karl-Heinz sagt:

    „Weihnachten ist keine zwanglose Party.“ Genau hier liegt oft das Problem:
    ein fest in Beton gegossener Rahmen, alles muss unbedingt den Vorgaben entsprechen. Zu hohe Erwartungshaltungen führen zu Frustration.
    Ich mahne zu etwas Lockerheit, es soll Freude und Genuss bereiten.

  • Paolo Martinoni sagt:

    Mit Menschen, die gerne trinken, teile ich schon längst keine Mahlzeit mehr. Alkohol – so meine Erfahrung – vermag auch in sonst angenehmen Mitmenschen Verhaltensweisen hervorzurufen, die mir persönlich höchst unangenehm sind. Wer Alkohol braucht, um eine Mahlzeit oder eine gesellige Runde zu geniessen, ist eh nicht zumutbar, finde ich. Daher lieber alleine und nüchtern mit einem spannenden Buch als umgeben von beschwipsten Tafelgenossen – erst recht an Weihnachten …

  • Anh Toàn sagt:

    „Weihnachten“ verbinde ich nicht mit Familienstreit, war eigentlich immer ziemlich friedlich, eigentlich kaum zu unterscheiden von Ostern: Die Hauptbeschäftigung der Erwachsenen ist Essen, dessen Zubereitung, Verspeisung und Abwaschen und Wegräumen der dazu benötigten Utensilien. Unterbrochen wird das Ganze von Kirchgängen.. Die Geschenke an Ostern für die Kinder sind einfacher, aber die an Weihnachten enttäuschen ohnehin oft die hochgesteckten Erwartungen. Früher gab es an Ostern den Cupfinal, insgesamt war das Fernsehprogramm an Ostern attraktiver als an Weihnachten. Vor allem aber werden an Ostern keine Kinder gezwungen, Blockflöte zu spielen: Fazit aus meiner Kindheit: Ostern ist besser.

  • doris sagt:

    Und dann gibt es noch die Weihnachtsfeier im Spital. Das ist dann etwas ganz anderes, wenn der geliebte Partner seit Monaten schwer krank im Spital liegt. Es ist dort sehr still. Wie sehr wünsche ich mir heute Heiligabend die alten Weihnachtsfestivitäten mit allem Plus und Minus zurück, wenn nur mein lieber Mann daheim wäre.
    Ich wünsche allen eine schöne Weihnachten, bleibt gesund.

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