Ich will unwürdig altern!

Senioren werden kritisiert, wenn sie sich wie Teenies verhalten. Dabei sollten sie genau das tun! (Foto: iStock)
Im Alter von etwa 14 Jahren verselbstständigte sich mein Körper. Weibliche Formen entwickelten sich explosionsartig, was mich mit Verzweiflung erfüllte. Das war 1970, in den Modezeitschriften machten die ersten Magermodels Schlagzeilen («ist das noch gesund?»), etwa Twiggy, die heute vermutlich zu dick wäre. Nun, an meinen Hüften und Oberschenkeln zeigten sich Kurven, und wo ich zuvor flach gewesen war, brauchte ich Körbchengrösse C. Die Haare waren ständig fettig, das Gesicht pickelig – ich litt. Meine Mutter versuchte mich zu trösten: «Das ist nur Babyspeck. Du bist jetzt ein Backfisch, aber das geht vorbei.» Ich wollte aber kein fetter, pickeliger Backfisch sein.
Wie vor 50 Jahren stelle ich heute wieder fest, dass sich mein Körper verselbstständigt. Die Haut schrumpelt wie bei einem Apfel vom letzten Jahr. Trotz schlanker Figur verschwindet die Taille, wird der Bauch rundlich. Hier und dort erscheinen braune Altersflecken. Aber anstatt zu leiden, beobachte ich diese Entwicklungen mit Interesse. Es ist, als ob mein alternder Körper mir helfen würde, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren. («Innere Werte!!!») Dass der Lack abblättert, stimmt mich zwar ab und zu wehmütig, aber ich bin zufrieden mit mir und weiss: Es geht allen gleich. Ich bin echt dankbar, dass Körper und Geist noch gut funktionieren.
Ich bin ich, einfach ein paar Jährchen älter
Manchmal mahnt man uns Seniorinnen und Senioren, dass wir würdig altern sollten – was das auch immer heisst. Die heutigen Alten seien wie Pubertierende. Selber im 65. Altersjahr, bin ich aber Expertin und kann aus vollem Herzen sagen: Stimmt, meine Gefühle sind ähnlich wie in der Pubertät. Und doch wiederum ganz anders. Ich bin ich, einfach ein paar Jährchen älter. Warum redet niemand davon, dass Teenager doch bitte würdig erwachsen werden sollen?
Pubertierend geschimpft werden wir Alten aber vermutlich weniger wegen unseres Körpers als vielmehr wegen anderer Dinge. Etwa wenn wir mit 60 oder 70 Jahren noch Marathon laufen oder an anderen sportlichen Wettkämpfen teilnehmen. Kritisiert wird auch, dass wir uns «nicht altersgemäss», zu «jugendlich», zu sexy kleiden, beispielsweise Shorts tragen. Hätte ich die geblümten Kleiderschürzen meiner Oma aufbewahren sollen, um sie als Rentnerin zu tragen?
Dabei sind wir Alten gut fürs Geschäft. Schönheitsoperationen boomen wie noch nie, Anti-Aging-Produkte spriessen wie Pilze aus dem Boden. Drinks, Cremen, Kapseln und Konzentrate gegen das Altern? Ein Wunder, hat noch niemand einen Jungbrunnen gebaut: Auf der einen Seite tauchen Alte ins Wasser, auf der andern steigen sie um Jahrzehnte verjüngt wieder hinaus. Viele möchten noch einmal 20 sein, ich nicht, war ich doch damals ziemlich unglücklich mit meinem Körper und auch sonst.
Mein Leben, mein Abenteuer
Mit 64 ist das Alter unabwendbar und präsent, ich habe nichts mehr zu fürchten ausser dem Tod. Aber das bisschen Leben, das noch bleibt, will ich ausschöpfen. Die Zeit, wo ich im Altersheim sitzen werde, mit Menschen, mit denen mich ausschliesslich das Altsein verbindet, kommt noch früh genug. Die Vorstellung, mit anderen zu basteln, Spiele zu machen und um 19 Uhr mit Windeln im Bett zu liegen, ist unschön. Deshalb gebe ich in meiner letzten Lebensphase noch einmal richtig Gas: Mit meinen Freundinnen tanze ich halbe Nächte durch, und obschon ich mich gerne und mit Hingabe um meine Enkelin kümmere, wage ich ein grosses Abenteuer, vielleicht mein letztes: Mit zwei Freunden durchquere ich mit dem Fahrrad Russland und Sibirien bis zum Baikalsee. Ab Dienstag, 7. Mai, erscheint darüber jede Woche eine Kolumne in der Berner Zeitung.
Ich will unwürdig altern, mag mich nicht unsichtbar machen und den Mund halten. Woher stammen eigentlich solche Vorschriften, die gar nicht in unsere aufgeklärte Zeit passen? Schon der gute alte Bert Brecht hat sich mit diesem Thema beschäftigt und die Geschichte «Die unwürdige Greisin» geschrieben. Diese berichtet von einer 72-jährigen Frau, die sich Freiheiten herausnimmt, welche ihrer Umgebung absolut nicht passen. Die alte Frau schockiert ihre Familie und die Nachbarn, weil sie so lebt, wie es ihr Spass macht. Das war 1939. Mich dünkt, 80 Jahre später sieht es gar nicht so anders aus. Immer noch verlangt ein ungeschriebenes Gesetz, sich doch bitteschön angepasst zu verhalten. Warum, kann ich mir beim besten Willen nicht erklären. Nicht nur Teenager sollen sich austoben dürfen, wir alle haben das Recht dazu. Schliesslich lebt man nur einmal.
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51 Kommentare zu «Ich will unwürdig altern!»
Ich war nie angepasst. Wenn es den Leuten nicht passt, ist das deren Problem. Mir sagte mal einer, ich hätte die Narrenschuhe das ganze Leben an. Aber klar doch, leber ein lustiger Depp als ein depressiver Alter. Ich bin wie ich bin und geniesse mein Leben, egal wie alt ich bin.
In Würde altern. Das klingt für mich nach: die Rente soll für den täglichen Migros-Restaurant-Kaffee-mit-Kuchen reichen und dass ich es zu Hause schön warm habe. Erreichte Gelassenheit – damit kann ich mich schon eher anfreunden. Ja man/frau lebt nur einmal auf Erden und ich wünsche jedem und jeder, dass sie/er die Jahre nach der Pensionierung geniessen kann! Zeit haben das zu tun, worauf man Lust hat. Dinge liegen zu lassen, die heute nicht erledigt werden müssen und morgen wohl auch noch nicht. In den Tag und die Nacht hinein leben, wies Freude macht. Hindernde Schmerzen kommen dann noch genug früh.
Den Unterschied zwischen in würdig altern und unwürdig altern, zeigen Mick Jagger und Keith Richards: Keith wird nicht mal alt, er verwittert in Ehren, während Mick sich lächerlich macht, weil er versucht, noch immer mit dem zu punkten, was er mal war/hatte.
Ich sehe den Unterschied nicht – beide altern meiner Ansicht nach ‘unwürdig und ich finde es grossartig!
Charlie Watts ist aber auch cool. ein distinguirter älterer herr, der das schlagzeug noch immer beherrscht wie ein gott.
Das einzig wirklich Lächerliche, ist ihr Kommentar. Sie kennen keinen der beiden Stones persönlich und von deren Leben haben sie offensichtlich nichts begriffen, Konsument Anh Toàn.
@andrea: Ich kommentiere das Bild, das sie in die Öffentlichkeit transportieren.
@diva: Die Schlagzeugkünste von Charlie Watts wurden schon immer unterschiedlich beurteilt. (Etwa wie bei Troubadix), aber cool ist er zweifellos. Auch Ron Wood find‘ ich noch immer verdammt cool.
@Mick Jagger: Suit-up! In einem Anzug als „distinguierter älterer Herr“ hättest Du mehr Sex Appeal, als wenn Du in engen Hosen rumhüpfst.
Entschuldigt ihr Betupften, ich bezweifle stark, dass Mick sich daran stört -, die deutliche Äusserung meiner dennoch bescheidenen Meinung.
„Please allow to introduce myself
I’m a man of wealth and taste“
passt doch wunderbar zu einem älteren Herrn im Anzug.
Ausnahsweise gebe ich Ihnen noch folgendes zu bedenken. Das grosse Glück der Stones war nebst dem musikalischen Erfolg, wohl dass die Herren offenbar gute Frauen „Schutzengel“ an Ihrer Seite hatten. Denke nicht, dass die sonst so „ordentlich“ gealtert wären.
Charlie Watts ist seit 1964 mit der gleichen Frau verheiratet und gilt und galt immer als treu. Die anderen Stones hatten sogar eine ganze Menge gute Frauen an ihrer Seite. Das hilft beim ordentlich altern. Ich meine, die haben mit 70 erst eine Midlife Crises.
Das sehe ich auch so, Herr Anh Toan. Man darf ruhig flippig UND schrumpelig sein wie Mr. Richards. Sich krampfhaft jünger machen wie Mr. Jagger ist hingegen schon etwas lächerlich (auch wenn ich ihn als Entertainer sehr schätze), gilt auch für Frauen. Aber der coolste ist und bleibt Mr. Watts. DER sollte uns allen ein Vorbild sein. Forschungsresultate zeigen übrigens, dass Leute, die sich jünger machen möchten, weder bei den Jüngeren noch bei den Gleichaltrigen gut ankommen. Also kann man es gleich lassen.
aha, hauptsache man kommt gut an? und dann richtet man sich danach aus?
lächerlich zu sein ist kein makel
Liebe Tina,
die Leute, welche dem Jugendwahn frönen, tun das eben genau in der Hoffnung, dass sie anderen Leuten gefallen könnten. Vergeudete Restzeit ist das, aber jeder muss es selber wissen.
Würde und Ehre? Mag nun nicht aus den Untiefen hervorholen und erklären. Ich altere sowieso und wie.
Können Sie die Lokale nennen wo sie Nächte durchtanzen??
@Saladin @Fehlmann: ich komme mit!
Beste Grüsse,
O.R.
Ich tanze nur halbe Nächte durch…
die würde ich auch gerne kennen. bin sicher, die sind nicht in der schweiz und schon gar nicht im jugend-wahnsinnigen zürich.
Eltern John – ein Geheimtipp.
Sie tanzt ja auch nur HALBE Nächte durch.
72, gar nicht angepasst, Freude am Leben, fast täglich draussen unterwegs, mal mit Freunden, aber meist allein.
Ziehe mich nicht wie 17 an, aber auch nicht wie die meisten 70-jährigen. Halt in meinem Stil und wies mir gefällt.
Werde im Ort ausgegrenzt, obwohl ich niemandem etwas Böses tue, vielleicht vertragen sie einfach nicht, dass ich frei, ungebunden UND zufrieden bin.
In Würde altern – einfach nur herrlich, dieser Beitrag, spricht mir voll aus der Seele. Wunderbarerweise sagt man ja, dass Altern nichts für Feiglinge sei. Sie unterstützen diese These. Wie ich, als ich mit 70 nach überstandener Krebs-Erkrankung und halbblind so quasi „zleid“ auf einem Kreuzfahrtschiff eine 4-monatige Weltreise unternahm. Ganz ohne Begleitung, das war 2017. Hätte ich aber damals gewusst, dass ich nach der Rückkehr das Hirnsyndrom „MdDS“ so quasi gratis als Dank entgegen nehmen durfte, mit der Diagnose „unheilbar“, hätte ich es wohl gescheiter bleiben lassen. Nichtsdestotrotz reise ich weiterhin in der Welt herum – ich war gerade wieder 3 Wochen auf Bali – und genieße das Leben so verdammt „würdig“ wie eben möglich.
Am Wochenende wurden im benachbarten Altersheim die Bewohner mit Marschmusik „beglückt“. Der Restaurantbetreiber Candrian will am Sonntagmorgen, wenn die Jungen ihren Partyrausch ausschlafen, die Frühaufsteher-Senioren auf dem Bauschänzli mit Jazz beschallen. – Ich bin Jahrgang 1957 und will Rap, Rock und Techno. Zum Teufel mit Marschmusik und Jazz!!!
Auch ich liebe Rockèn Roll über alles und tanze gerne danach – jetzt, wie vor 50 Jahren.
ABER – wo kann man als ältere Single-Frau tanzen gehen, ausser am Honky Tonk Festival in Luzern, da hatte es wirklich ein paar Frauen (und ich), die gerockt haben.
Toll – danke Luzern.
Unwürdig altern ? Verstehe ich nicht ! Man wird doch jeden Tag ab der Geburt älter ! Ich kenne keine Grenze die ich überschreiten muss um zu sagen – ab jetzt will ich unwürdig altern. Ich trage eh das was mir gefällt, egal was die Mode vorgibt. Ich fahre mit meinem Mann Motorrad – war unsere Leidenschaft vor, während und nach der Kindesbetreuung. Wir reisen, wir spielen Golf und wir sitzen gerne im Garten bei einer Flasche Roten und lecker Essen vom Grill. Wir hören gerne unsere Musik aus den 70iger und wenn unsere Nachbarn nicht da sind so richtig laut. Und das werden wir solange so machen, wie es uns gegeben ist.
Wir, wir wir – ja liebe Maike, das konnte ich bis vor vier Jahren auch noch sagen. Wir, mein Mann und ich sind weltweit viel gereist, haben getanzt, gelacht, gefeiert – einfach alles. Und sind zusammen in Würde gealtert. Dann ist er leider mit 80 gestorben.
Ich bin nun 72-Single, muss mir alles wieder erarbeiten.
Plötzlich kommen Einladungen nur noch von Frauen-Gruppen oder der Familie, Paare und Jüngere laden dich nicht ein.
Wenn du tanzen gehen willst, hockst du den ganzen Abend rum oder gehst an einen Altennachmittag, wo Ländler und Marsch gespielt werden.
Ich hoffe sehr, du kannst noch lange „wir“ sagen, und falls mal nicht mehr, hoffe ich, dass du den Wechsel von „wir“ zu „ich“ gut schaffst.
Ging mir mit meinen Bikinis so: Nein, jetzt bin ich zu alt dafür… Doch dann musste ich mich verstecken, damit meine Haut genug Sonne bekommt und nicht mitten im Winter schon wieder „Hungermale“ macht.
Dann schaute ich mich im Spiegel an: Ich bin gesund und 70 Jahre alt. Also, was ist an diesem Körper nicht richtig? Nichts. Also montiere ich wieder meine Bikinis, schliesslich sind in meinen Brüsten ja keine zu Tennisbällen geschrumpfte Implantate, sondern einfach nur Fleisch und Fett, wie es sich gehört.
Ich geniesse die Sonne, und wem mein Körper nicht passt, kann ja die Schweizer Berge anschauen. Diese sind sowieso berühmter als ich!
Toll, möchte gerne mit dir in deinen grossen Spiegel schauen! Es genügt doch, wenn wir rundum die schönen Hügelchen geniessen!
Ein Herzens erfrischender Text! Wünsche und Bedürfnisse fragen nicht nach der Jahreszahl und Würde ist entspannte Gelassenheit bei jedem Tun!
Wünsche viel Vergnügen bei Ihrem Abenteuer!
Guter Text – doch ich (Jg 1950) der wohlgemut durch Tag und Nacht rauscht (oft im Traum) mag manchmal einfach nicht unter ähnlich altrigen sein: unglaublich, wie viele Mundwinkel da nach unten zeigen, wie dünn die Lippen bei all der Verhärtung geworden sind. Schöne Menschen im Alter werden da zum Gegenteil. Rat: nicht aufhören zu spielen, zu flirten – zu leben halt.
YEAH! Geht mir oft auch so. Inzwischen kenne ich einige Alten-Runden, in denen meistens gelacht wird bis zum Japsen…
Ist übrigens hartes Training, das Lachen meine ich:
15 Minuten Lachen bringt für den Kreislauf die gleiche Belastung wie 10 km joggen…
Juhuu – ich jogge so immer lieber…
Du hast Recht, Marc, auch ich (1946) finde kaum fröhliche Leute in meinem Alter. Kaum ein Lachen, ein spontanes Gespräch. Sind das vielleicht die, die „in Würde“ altern.
Mit ihren grauen oder dunkelblauen Jupes und Hosen, den hübschen Blüschen oder Kravatte sitzen sie auf Bänken im Park oder besuchen Beschäftigungs-Kurse und den Senioren-Tanztee.
Nach 40 Jahren im Ausland kam ich vor ein paar Jahren in die Schweiz zurück und habe angefangen, einen kleinen Bekanntenkreis mit tollen Leuten neu aufzubauen. Es war harte Arbeit und hat mir viele Absagen und missbilligende Blicke eingebracht.
Ich will nicht Wortklauberei betreiben, aber für mich ist erst ein unwürdiges Altern „würdig“. Und das sogenannte würdige Altern ist für mich (bzw. meiner) völlig „unwürdig“.
Beste Grüsse
O.R.
Mich erschreckt ein wenig, dass Frau Fehlmann sich in ihrer „letzten Lebensphase“ sieht. In meiner Sichtweise wäre die letzte Lebensphase jene nach dem Schlaganfall im Rollstuhl oder als Bewohner eines Pflegeheims. Aber vorher wird noch gerockt und das Leben bzw. die Gesundheit genossen – halt einfach eine andere Lebensphase nach dem Berufsleben. Von daher, Frau Fehlmann, tun Sie, wonach Ihnen der Sinn steht und machen Sie sich keine Gedanken wegen allfälligen Griesgramen, die das vielleicht als „unwürdig“ betrachten könnten. Es gibt durchaus auch Jüngere, die mit Freuden sehen, wenn Ältere Spass am Leben haben.
Danke, das stimmt alles genau. Ich habe jüngere Freunde und Freundinnen – bereichernd. Aber rein rechnerisch gesehen, sind wir nach 64 in der letzten Lebensphase. Macht aber nichts. Das Leben ist trotzdem schön.
Mit 64-65 beginnt die dritte und für die meisten Menschen vorletzte Lebensphase. Das war bis vor 50 Jahren noch anders, aber in diesen 50 Jahren hat die Lebenserwartung um 23 Jahre zugenommen.
Wenn man Glück hat, dauert das vierte Viertel nicht allzu lange, manchmal aber doch.
Und mich erschreckt, dass Sie die letzte Lebensphase nach einem ‚Schlaganfall in einem Rollstuhl‘ zum Besten geben! Nehmen Sie sich mal Zeit und besuchen Sie das REHAB Basel oder Nottwil – wie viele junge Menschen wegen eines Hirnschlags im Rollstuhl sind und sich wieder ‚hochrappeln‘. So auch ich, vollständig gelähmt im 2016, dann Rollstuhl und jetzt Rollator und Stock. Ich liebe das Leben, pfeife auf würdig/unwürdig, geniesse mein Leben, weil ich ein neues mit 68 kennen lerne. Die Vision, in einem CH-Pflegeheim/Altersheim landen zu ‚müssen‘, gibt mir unermessliche Kraft und Lebensfreude, keinen Schritt in diese oft vertrottelten Institutionen zu gehen. Unwürdig? Würdig? Entscheidungen sind mein, so lange ich noch denke etc. Es braucht Mut, Unvorgesehenes anzunehmen und zu leben.
Es war nicht meine Absicht, das Szenario „nach einem Schlaganfall“ so darzustellen, dass es die „letzte Phase“ sein MUSS. Vielmehr war es als Beispiel gedacht, dass es dies sein KANN. In meinem Umfeld gab es zwei Fälle, wo es tatsächlich so war. Daher ist das für mich persönlich zugegebernmassen ein Schreckensszenario. Sie zeigen mir aber, dass es das nicht sein muss, wofür ich Ihnen dankbar bin. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Kraft und Lebensfreude – für jegliche Phasen, die noch kommen mögen.
Danke vielmals Herr Aeschbacher. Habe mich sehr über Ihre Antwort gefreut! Mein Mantra: Freu Dich des Lebens, solange das Lämpchen erglüht! Und weiter geht es. Soviel Schönes ist noch zu entdecken!
„Unwürdig“ altern: ja! Im Sinne von: Ich tue das, was für mich gerade stimmig ist – und sei dies für mein (abwertendes) Umfeld auch noch so ungehörig!
„Unwürdig“ sterben: nein! Im Sinne von: Ich vegetiere dahin in einem Zustand geistiger Umnachtung in der Vorkammer des Todes (Altersheim), wo man mich wäscht, ein- und auszieht, füttert … auf gar keinen Fall!
Ältere Männer, die mit jungen Frauen flirten oder zu flirten versuchen, sich einen Flitzer kaufen, ein letztes Abenteuer wagen; ältere Frauen, die ein Vermögen ausgeben für Kosmetik, Schönheits-OPs und so weiter – nie würde ich mich über sie lustig machen. Nie! Und schon gar nicht, wenn sie negativ auffallen. Denn Schmerz treibt sie um, die Vorahnung eines bevorstehenden Aus …
Rock- oder Marschmusik ist doch Geschmackssache? Was hat das mit würdig oder unwürdig zu tun? Ich fand es schon in der Pubertät anstrengend, einer gewissen „Strömung“ (hier: unwürdig altern, damals: Freak, Popper… etc) angehören zu müssen um cool zu sein. Ich glaube, wenn die Zeit kommt, werde ich auch in einem Altersheim glücklich sein können. Ich sehe das bei meiner Mutter – sie bevorzugt übrigens klassische Musik. Was ist per se so schlecht an Altersheimen?
Es ist garnichts schlecht an Alters- und Pflegeheimen. Wenn man als jüngerer Mensch aber keinen Bezug dazu hat, sieht man häufig nur das negative („die sitzen nur rum“, „die vegetieren vor sich hin“, alles ist langweilig, man bastelt komische Dinge…). Was für viele von uns auch nicht vorstellbar ist, dass man im Alter häufig auch andere Bedürfnisse hat, z. B. nach mehr Ruhe. Und – das Durchschnittsalter in Pflegeheimen liegt bei etwa 85 Jahren. Also ist es ja noch eine Weile hin 😉
Ich verstehe den Begriff „unwürdig“ im Zusammenhang mit dem Ältersein/werden in ihrem Beitrag nicht.
Sich unsichtbar machen und den Mund halten ist ein Zeichen mangelnden Selbstvertrauens und hat rein gar nichts mit unwürdigem Verhalten zu tun. Mit der Anzahl Jahre auch nicht. Das tun vor allem jüngere Frauen.
Ob Nächte durchtanzen, sich über sexy Kleidung definieren oder unbequeme Roadtrips mit 60+ immer noch (oder wieder) als dringende Bedürfnisse empfunden werden, hat auch nichts mit vorhandener Würde zu tun.
Eher mit der Angst vor dem Ende des Lebens.
Sich damit auseinanderzusetzen und das Unaufhaltsame zu akzeptieren und seinen Frieden damit zu finden (nicht bloss in der äusseren Erscheinung), wäre „Altern in Würde“.
„In Würde altern“ ist ein Begriff, der oft in der Alterspflege verwendet wird. Ich verstehe das dann aber eher so, dass man die alten Menschen, die auf Hilfe/Unterstützung/Pflege angewiesen sind, mit Würde behandelt und ihnen weiterhin ihre eigenen Entscheidungen usw. zugesteht. In diesem Zusammenhang – eben als Gegenteil von unwürdig – hat es seine Berechtigung. Ansonsten eine eher abgedroschene Phrase. Soll doch jeder sein Ding machen wie er will. Es muss MIR ja nicht alles gefallen, was andere machen. Aber es muss MIR gefallen, was ICH mache – unabhängig ob 25, 45 oder 65.
Sehr schön, tun Sie das. Das Problem ist nicht die „Würde“ beim Altern, in der Pubertät oder sonst irgendwann. Das Problem ist, dass alle einem immer auf die Nase binden müssen, wie anders sie sind und was sie alles dafür machen. Man könnte meinen, 0815 sei der sofortige Tod.
08.15 = Ein langsames Sterben?
…. es lebe 08:15! ? wer definiert eigentlich 08:15? Ich finde niemanden 08:15 – wir sind ja alle irgendwie „speziell“, von der Geburt bis zum Tod…
Mit 65 ist man nicht alt, sondern nur älter. Da hat sich in den letzten Jahrzehnten das wirkliche altern doch ordentlich nach hinten verschoben. Insofern – weitermachen solange es geht und Körper und Geist mitmachen! Warum manchmal „schräge“ Blicke kommen, hat vielleicht auch etwas mit der Schweizer Mentalität an sich zu tun. Die Erwartungshaltung, dass man sich angepasst verhält – in jedem Alter und jeder Situation. Und manchmal sind es halt auch ewig Gestrige, die „schräg“ schauen. Da denke ich mir manchmal – die waren mental mit 20 schon alt…
Das mit dem „unwürdig altern“ ist gar nicht so leicht.
ich, im mittleren Alter und ein bisschen ergraut, hab auf alle Fälle grösste Schwierigkeiten, die jungen Kollegen vom Sport davon zu überzeugen, dass sie mich doch duzen (wie alle untereinander es sonst tun in der Gruppe) und nicht Siezen.
klappt nicht wirklich. Sie benutzen beharrlich das würdevollen „Sie“. ^^
Zwanglos ist ok wenn auch der Charakter dazu passt ! Aber man sollte sich auch nicht lächerlich machen. Es kommt auch auf die Person an. Natürlich kleidet man sich nicht mehr all zu klassisch wie früher, oder dann ab 80 !
Der Geist soll jung bleiben und dafür muss man sich für vieles interessieren aber dies sollte natürlich sein.
Ich habe im Wohnzimmer ein Bild mit meinen zwei Enkelinnen, 2 und 4 Jahre alt. Ihre Augen strahlen, sie sind fröhliche Kinder. Dann lese ich im Tagi dass diese zwei wohl eine grosse Umweltkatastrophe mit Krieg und Hunger in ihrem Alter erleben werden. Da vergeht mir jede Lust darauf, in meinen alten Tagen zu pubertieren. Heulen waere angepasster. Dann gehe ich im nahe gelegenen Park spazieren, soll gesund sein. Ich treffe auf Zelte wo Alte hausen. Unrasiert und dreckig. Halb verhungert. Auch mit Namen wie zB Hostettler. Grosseltern damals aus einem jetzt reichen Land ausgewandert wo es heute Pensionskassen gibt, die das Leben im Alter heute lustig machen. Fehltritt von damals.