Weihnachten als Oma – wie geht das?

Wenn Enkelkinder da sind, müssen sich Grosseltern in dieser neuen Rolle erst zurecht finden – auch an Weihnachten. Foto: Juan Pablo Arenas (Pexels)

 

Kinder flügge, Mann weg, damit gab es keinen Grund mehr, an Weihnachten zu Hause zu bleiben. Deshalb verbrachte ich in den  vergangenen  Jahren die Festtage meist irgendwo: in Italien, in Patagonien, im Schnee oder allein zu Hause. Und jetzt, ohne mein Dazutun, ändert sich wie von Zauberhand gesteuert meine Lebenssituation: Kinder und ein Grosskind leben in der Nähe, meine Pensionierung steht vor der Tür, und Weihnachten ist in Sichtweite. Zwar wird die kleinste Enkelin an Weihnachten noch keine zwei Monate alt sein, aber es ist sonnenklar:  Wir werden feiern.

Weniger ist mehr

Als Kind war Weihnachten für mich am schönsten, wenn meine geliebte Oma bei uns zu Besuch war. Das hatte ich vergessen und fällt mir wieder ein, jetzt, wo ich selber Oma bin. Nur: Wie gehe ich bloss mit dieser neuen Rolle um? Noch stehe ich ja voll im Berufsleben. Zeit zum Guetslibacken habe ich kaum, das Kochen habe ich verlernt. Zeit, um Geschenke zu kaufen, habe ich nicht viel. Aber was ich als Journalistin gut kann, ist improvisieren. Ich werde vor Weihnachten die alte Krippe mit den geschnitzten Figuren vom Estrich holen und alles auf Moos drapieren. Daneben ein Bäumchen vom Bauernhof, mit Weihnachtsschmuck verziert – ich freue mich, obschon meine Enkelin kaum etwas davon realisieren wird. Meiner Mutter stelle ich eine Kerze aufs Grab, damit sie auch ein bisschen Licht hat. Als Festessen etwas Einfaches, ohne x Vor- und Nachspeisen. Weniger ist mehr. Ich will ja nicht erschöpft neben dem Weihnachtsbaum in den Stuhl sinken.

Zu Weihnachten habe ich ein gespaltenes Verhältnis. Für meinen Geschmack wird in dieses Fest zu viel hineingepackt: Überfluss, Liebe, Religion, Kitsch, Tradition. Das verwirrt nicht nur mich. Viele äussern ein schlechtes Gewissen, weil auf der Welt so viele arme Menschen leben, die nichts geschenkt kriegen. Oft höre ich: «Wir machen uns keine Geschenke mehr.» Warum? Was ist schlecht an Geschenken? Sind arme Menschen weniger arm, wenn wir einander nichts schenken?

Ohne moralische oder ökologische Auflagen

Einige geisseln den bösen, kapitalistischen Konsumzwang, und einige wenige gestehen, dass ihnen vor Weihnachten graut. Vor dem Familientreffen, wo auch der ungeliebte Cousin dabei ist. Und die Tante, die sich beim Erben übergangen fühlte. Auch beim Essen tauchen Probleme auf, etwa wenn Verwandte nur noch vegan essen oder auf dies und jenes allergisch reagieren, etwa auf Katzenhaare, Nüsse oder Weihnachtsbäume. Nun, ich bin ganz froh, dass der Rest der Familie weit weg ist oder nicht mehr existiert. Damit minimiert sich das Konfliktpotenzial erheblich.

Auch in mir regen sich Weihnachtsgefühle nur zögerlich. Ich bin überhaupt nicht der Typ, der Menüs plant und Tischdekorationen bastelt. In unserer Familie ist es aber ganz klar, dass wir einander Geschenke machen, ohne moralische oder ökologische Auflagen. Ein Rundgang durch den Abendverkauf wird mich je nachdem inspirieren oder zur Verzweiflung bringen. Eigentlich ist es ja wunderschön, Geschenke auszusuchen für Menschen, die man liebt. Diesen Satz habe ich in einer früheren Version dieses Blogbeitrags gestrichen. Zu sentimental. Zu klischeehaft. Aber nach all den Weihnachten, die ich irgendwo auf der Welt verbrachte, sind ein paar kitschige Klischees erlaubt. Oder ist das verboten? Müssten wir auf alles verzichten und einer wohltätigen Organisation Geld spenden? Muss man ein schlechtes Gewissen haben, wenn man das nicht tut?

Lesetipp: Wenn das Grosi nicht hüten willDie Super-Puma-Grosseltern, Was Grosseltern müssen

 

7 Kommentare zu «Weihnachten als Oma – wie geht das?»

  • Marie Bornand sagt:

    Liebe Laura. Ich schätze Ihre Gedanken und Ihr schreiben sehr, danke ! Ich freue mich dass Sie dieses Jahr endlich wieder jemanden haben der fröhlichen Herzens zu Ihnen kommt, und sogar ein neues kleines Enkelkind. Auch mit einem einfachen Essen kann man sich freuen, sowie auf kleine Geschenke die Ueberraschungen sind, alles locker und stressfrei. Ich wünschen Ihnen eine schöne Weihnacht und eine sehr glückliche Zeit.

  • Ralf Schrader sagt:

    ‚Müssten wir auf alles verzichten und einer wohltätigen Organisation Geld spenden?‘

    Natürlich nicht. Sozial denkende und lebende Menschen spenden niemals. Schon gar nicht angeblich wohltätigen Organisationen, die es in Wirklichkeit schliesslich nirgends gibt. Es gibt nur eine Tränendrüsenbewirtschaftung als Prothese für echte Sozialität, die immer ohne Spenden und Ehrenamt auskommt.

  • Victoria sagt:

    „Nun bin ich ganz froh, dass der Rest der Familie weit weg ist oder nicht mehr existiert“. Also dieser Satz hat mich schockiert, vorallem der letzte Teil des Satzes.

    • Laura Fehlmann sagt:

      Nun ja liebe Victoria: Als Seconda habe ich naturgemäss kaum Familie und die, die ich als Kind kannte sind alle gestorben, inexistent eben. Kein Grund, schockiert zu sein.

  • Philipp M. Rittermann sagt:

    ich spende nur noch für tiere. bis zum zeitpunkt wo es eine „organisation zur abschaffung der menschheit gibt.“
    da würde ich auch für spenden.
    glücklicherweise schafft sich die menschheit mittelfristig aber so oder so ab.
    das ist beruhigend zu wissen. gerade zu weihnachten.

  • Doris sagt:

    Frau Fehlmann äussert ihre Gedanken immer frei und unverklemmt, ihre Texte lese ich immer am liebsten.

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