Die Tücken des Casual Dating
Okay, ich höre schon das dreckige Lachen: «Ha! Von wegen gute Bekannte! Das ist die doch selber!» Nein. Bin ich nicht. Ich wäre für so was gänzlich ungeeignet. Aber wenn man schon mal pikante Informationen aus erster Hand hat …
Die gute Bekannte ist übrigens einverstanden, dass ich hier aus dem Nähkästchen plaudere. Nennen wir sie Samantha. Das ist unverfänglich, da ich niemanden dieses Namens persönlich kenne.
Samantha ist auf C-Date. Das aus der Werbung, «Casual Dating mit Niveau». Also Sex. Online macht sie Bekanntschaft mit willigen Herren, die das Gleiche wollen wie sie: nur das eine. Irgendwie scheint das aber nicht ganz reibungslos zu laufen.
Stefan etwa sah auf den Fotos super sympathisch aus. «Aber», sagt Samantha, «sein Text war etwas einfältig.» Was solls, dachte sie, sie sucht ja keinen Mister Right, sondern einen Mister Right Now. Stefan entpuppte sich dann als etwas verschupfter, gesetzterer Herr. Er plauderte angenehm, sie zeigte ihm die Stadt und dann ging man essen. Kaum fertig, verabschiedete er sich abrupt. Am nächsten Tag kam eine SMS: Er habe Bauchweh gehabt.
Witzfiguren und Lügner
Samantha ist Mitte Fünfzig, unkompliziert und ziemlich sexy, soweit ich das beurteilen kann. Sie war jahrelang in festen Händen und will sich nun ein bisschen ausleben: «Seien wir ehrlich, auf den anderen Datingportalen geht es schlussendlich auch um Sex. Da finde ich C-Date ehrlicher.» Für Frauen ist das gratis, Männer zahlen um die 600 Franken.
Zu etwas Sexähnlichem brachte es Samantha mit «einem leidlich gut aussehenden Typen», der bei der ersten Verabredung vor lauter Nervosität sechs Gin Tonics kippte, aber immer noch problemlos geradeaus gehen konnte. «Ich hätte merken müssen, dass er betrunken war», klagt sie, «auf der Treppe stiess er mit seinen Schuhspitzen gegen die Stufen.» Trotzdem nahm sie ihn mit. «Aus Mitleid. Und ich hatte auch ordentlich getrunken.»
Resultat: Der Typ verbrauchte ihren ganzen Vorrat an Kondomen, behauptete bei jedem, es rolle nicht richtig ab und schlief schliesslich ein. Samantha blieb hellwach, denn der Herr hatte erwähnt, er leide an Schlafapnoe, und sie fürchtete, neben einer Leiche aufzuwachen.
Er überlebte, und sie tat das einzig Vernünftige: Sie kaufte einen Vibrator.
Ihr dritter Fang hiess Juan, war ultrasympathisch und charmant. Samantha sah ihn und wusste: im Leben nie. Überfreundlich, das Hemd zu eng und null Sexappeal. Eine Stunde später sass sie wieder im Zug nach Hause.
Auch Begegnung Nummer vier endete kurios: Ein 28-jähriger Orientale schaffte es irgendwie an Samanthas Abwehrhürden vorbei – sie will keinen viel Jüngeren. Nach einem längeren E-Mail-Verkehr liess sie sich auf ein Date ein. Treffpunkt: am Bahnhof beim Gleis 13, um 14 Uhr. «Ich sah einen auf mich zukommen, der es hätte sein können. Er trug einen Trainer und starrte mich an, ging aber vorbei.» Schliesslich schickte sie eine SMS: Verspätung?
Vier Stunden später die Antwort: Ein Foto, auf dem Monsieur mit einer Infusion im Arm in einem Spitalbett liegt. Er habe einen Schub Morbus Crohn erlitten. Die Sache verlief im Sand und Samantha weiss bis heute nicht, ob sie veräppelt wurde.
Wunschvorstellung und Realität liegen weit auseinander
Das, sagt sie, wäre nicht mehr als recht, schliesslich habe sie aus lauter Übermut auch einmal ein Date versetzt, sei gemütlich in einer Bar gesessen und habe zugeschaut, wie er draussen immer nervöser wurde.
Trotz magerer Ausbeute datet sie weiter. «Die Männer sind mehrheitlich kultiviert und recht lustig.» Nur zwei hat sie blockiert. Einer schrieb: «Höpperli gefällig?» Der andere nur: «Ficken?»
Falls sich etwas Gescheites ergibt, rapportiere ich es natürlich. Aber ich wette hundert Franken dagegen. Meiner küchenpsychologisch kompetenten Meinung nach ist die Kluft zu gross zwischen Wunschvorstellung (ich bin der geilste Stecher/die grösste Sexbombe) und der Realität: Männer sind auch nur Menschen. Und Frauen auch.
19 Kommentare zu «Die Tücken des Casual Dating»
Ich kann mir nicht einmal vorstellen dass man so wenig Respekt und Würde hat dass man sich mir irgendeinem einlässt den man gar nicht kennt und gar nicht liebt.
Die Vorstellung, die drei Ziele Sexualität, Liebe und Familie liessen sich auf einen Partner beschränken, sind erst in der der ökonomisierten Neuzeit entstanden. So ab 1870, als die Idee der romantischen Liebe entstand.
Bis dahin hat der Bauersohn die Bauerstochter geheiratet, mit denen man die Felder zusammenlegen konnte, weil die benachbart waren. Der Prinz hat die Prinzessin geheiratet, die dem Königreich den grössten Gewinn versprach.
Keiner kam auf die Idee, wegen Liebe zu heiraten, oder wegen sexueller Attraktivität nach dem Verlieben auch zu Lieben. Das ist völlig neu.
Im Allgemeinen hatte ein Mann eine Ehefrau für den Zugewinn und die Fortpflanzung, Geliebte je nach Jahreszeit und manchmal, aber sehr selten, hat er auch geliebt.
@Simone: wie recht Sie haben !
Beste Grüsse
O.R.
OR : Danke.
Kaum zu glauben, dass bei der vermutlich riesigen Auswahl an Männern (im Gegensatz zur Anzahl Frauen) wirklich nichts „Vernünftiges“ herausschauen sollte. Für eine Nacht. Wenn man wirklich will und nicht nur spielt mit den Möglichkeiten.
Die Zahlenverhältnisse dürften da eindeutig sein. Auf jede paarungswillige Frau kommen hunderte Männer. Jeder Mann kann, wenn er will, in einem Jahr 500 Kinder zeugen, eine Frau in 18 Monaten nur eines bekommen.
Man kann ja, wen man zu viel Zeit hat, über das Geschlechtsverhältnis von Sexualität spekulieren. Aber das dies gleichverteilt sei, ist eine äussert dämliche Annahme. Da liegen Grössenordnungen zwischen, nicht so etwas wie 1:2 oder 1:10.
Mir hat neulich eine Frau gesagt, auf ein entsprechendes Inserat würden jeweils bis zu 150 Männer antworten! In meinen lange zurück liegenden, aktiven Zeiten, war ich amix froh, wenn sich sex Frauen gemeldet haben…
Der grösste Wahn, in dem fast jeder heterosexuelle Mann befangen bleibt jahrzehntelang, von dem sich, wenn überhaupt, nur ganz wenige davon befreien können, heisst: „Ohne Sex mir Frauen nicht leben zu können“. Diesen Wahn nutzen die Frauen erbarmungslos aus und das wirklich Tragische ist, dass die Männer es gar nicht merken …
wahrscheinlich ist C-Date das falsche Portal. Empfehlen Sie Samanta doch Tinder.
„Samantha ist Mitte Fünfzig, unkompliziert und ziemlich sexy“
Auch hier bestimmen Angebot und Nachfrage den wirtschaftlichen Erfolg, um den es sich hier offensichtlich handelt.
Samanta wollte auch nicht wirklich, sie wollte nur was zum ablästern. (Wenn er alle Kondome verbraucht, und sie das gefühl hat,dabei zu kurz zu kommen, LOL) Auf C-dating können Frauen doch gratis inserieren, oder? gab es da nicht mal einen Skandal, wegen mehrfach- und fake-profilen von Damen? bin nicht mehr sicher ob das C-Date war, oder alle anderen. Nicht dass man hier für sowas werbung macht.
Wenn schon 600 fr für ein Date ausgeben, dann aber doch gleich ein Callgirl.
Es gibt offenbar genügend Männer, die sich nicht selbst belügen, also nicht der Illusion aufsitzen wollen oder können, die Prostituierte würde die Begegnung echt geniessen. Sie wollen einer Frau begegnen, die sich den Sex mit ihnen tatsächlich wünscht ohne finanzielle Interessen.
Hm ja. Und weil sie sich nicht selbst belügen, zahlen sie 600 Franken und erwarten, dass auf dieser Plattform jede Menge attraktiver Frauen auf sie warten, mit denen sie dann tollen Sex haben können.
Ernsthaft?
Wer einer Frau begegnen will, die zum gleichen Zeitpunkt wie er selbst kopulieren will, muss lange suchen. Zu asymmetrisch sind die Wünsche.
Deshalb hat sich gleich bei Beginn der menschlichen Kultur der gewerbliche Geschlechtsverkehr angeboten, der diese Bedürfnisse synchronisiert und damit Gewalt auf dem Gebiet präventiert.
In Filmen oder Romanen mag es vorkommen, dass Freier sich in Prostituierte verlieben. Real ist das so selten wie ein Lottogewinn. Wer es für möglich hält, Liebe und Sexualität zu koordinieren, geht gar nicht erst zu Prostituierten.
Biologisch stellt das aber eine Nische dar. Am Ende entscheidet die Realität. Der eheliche Geschlechtsverkehr bringt gerade mal 50% der demografischen Erhaltungsrate und 50% der Ehen scheitern.
So kann man keine Kultur bewahren.
ich habe 600.- ausgegeben und 5 Frauen getroffen. Mit 3 davon haben die von mir erhofften Intimitäten stattgefunden. Mein zeitlicher Aufwand war allerdings enorm. Auf 100 Kontaktanfragen von mir habe ich jeweils 5 Antworten erhalten und davon kam nur ein Treffen zustande.
Nun, je nach erleben von C-Date und dergleichen kann man davon halten was man will. Ich war einer der vielen Männer die C-Date Benutzer war. Ich habe jenste Plattformen ausprobiert mit dem Ziel Frauen kennen zu lernen „die wollen“ und nicht den auf-dem-schimmel-daherreitenden Prinzen für die ewige Liebe suchen. Bei all den Hundert Profilen von Frauen die ich mir anschaute gab es durchaus einige die mich gereizt hätten und die ich auch angeschrieben habe in Nahezu allen fallen blieb es dabei. Ich habe zwei Frauen getroffen. Zur örperlichen annäherung kam es nie. Und inzwischen finde ich die Paid-Posts von Caual Dating auf den Medien Portalen einfach widerlich weil sie bestenfalls in 0.01% der Tatsache entsprechen. Wohl bekomms, ausser Spesen nix gewesen.
Sind Tinder & Co. nicht wesentlich effizienter, wenn es um Sex geht?
Verzweiflung allerorten.