Happy Halloween!
Endlich November. Irgendwann war einfach zu viel Sommer, finden Sie nicht? Man verspürte diesen Druck, immer blendend gelaunt zu sein. Sich mit Mitmenschen an Grillfesten zu unterhalten oder Freunde auf den Balkon, die Dachterrasse oder in den Garten einzuladen. Es war schön, natürlich, aber der Asi in mir freut sich jetzt auf lange Abende unter der Leselampe.
Auch die Tiere zieht es ans Kunstlicht. Bei uns zu Hause ist es die Marmorierte Baumwanze, ein aus China eingeschleppter Schädling, von dem wir täglich zwei bis drei Exemplare erschlagen müssen. So geschehen vor ein paar Tagen. Die Kinder waren schon unter der Decke, und die Spülmaschine schnurrte friedlich vor sich hin. Wie meistens machte mich meine Frau auf den Käfer aufmerksam. Er hockte an unserer Küchendecke und schien nur darauf zu warten, sich in die Obstschale fallen zu lassen. Hasta la vista, Baby, raunte ich ihm noch zu, bevor ich ihn mit einem Stück Haushaltspapier zerdrückte. Nein, die Wanze musste nicht leiden, ich arbeite schnell und präzis.
Das Monster im Haar
Danach machte ich es mir mit Julio Cortázar unter der Leselampe bequem. Ich hatte gerade ein neues Kapitel aufgeschlagen, als ein langer, spitzer Schrei die Wohnung erschütterte. Zuerst dachte ich gar nichts. Beim zweiten Schrei sprang ich auf und rannte in die Küche. Ich hatte erwartet, meine Frau im Zweikampf mit einem Werwolf vorzufinden, doch sie schien mit sich selbst zu ringen. Sie schüttelte wild den Kopf und fuchtelte mit den Armen. «In meinen Haaren», schrie sie verzweifelt, «der Käfer sitzt in meinen Haaren.»
Inzwischen standen auch die Kinder verängstigt in der Küche und klammerten sich an meine Beine. Es gelang mir, ihre Mutter zu beruhigen und ihre Locken in aller Sorgfalt nach dem Käfer abzusuchen. Da war nichts. Wir krochen auf allen vieren auf dem Boden, suchten in den Ecken und Ritzen, an den Wänden und in der Obstschale nach dem vermeintlichen Monster. Nada.
Es dauerte eine ganze Weile, bis die Kinder wieder schliefen. Endlich war es ruhig, doch an Lesen war nicht mehr zu denken. Der Schrei hallte noch immer in meinen Ohren nach. Ständig tastete ich mit den Augen die Wände und Decke unserer Stube ab, während meine Frau rastlos durch die Wohnung streifte. Schliesslich stand ich auf und öffnete das Fenster. Die Luft roch modrig und der Mond war fast voll.
Ein Seufzer, ein Schrei
Da draussen, dachte ich, während ich eine seltsame Unruhe in mir aufkommen fühlte, ist eine ganze Armee von ihnen. Sie hocken auf den Blättern und in den Feldern. Sie kennen keine natürlichen Feinde und sind resistent gegen Pestizide. Vermutlich sehen sie mich jetzt am Fenster stehen.
Ich schlief schlecht in dieser Nacht. Nicht, dass ich von Kafkas «Verwandlung» träumte. Aber es war mir, als hörte ich eine unheilvolle Musik. Sie begann mit einem Seufzer und endete mit einem Schrei. Möglich, dass es ein Lied von Pink Floyd war. Doch als ich schwitzend aus dem Schlaf hochfuhr, war da nichts als Stille.
Am nächsten Morgen war der Spuk vergessen. Der Tag begann wie immer: Die Kinder warfen sich gegenseitig Legosteine an den Kopf und weigerten sich, die Kleider anzuziehen, die wir für sie bereitgelegt hatten. Beim Abwasch bemerkte ich einen dunklen Schatten über meinem Kopf. Als meine Frau in die Küche trat und bleich zur Decke starrte, sagte ich: Bring du die Kleinen in Sicherheit, ich schaff das allein. Ich hielt einen Moment inne; jetzt nur nicht die Nerven verlieren.
Dann holte ich die Axt aus dem Schrank.
6 Kommentare zu «Happy Halloween!»
Ich musste so lachen, gratuliere ! So witzig.
käfer? äh ja. -;)
-> parental advisory an alle 1-tags-halloween-lustigen:
man führe sich zb. „martyrs“ oder „i spit on your grave“ zu gemüte.
danach ist der griff zur axt ei-niger-massen… legitim. ei-niger-massen.
weicheier.
Sorry, aber auf keiner Platte von Pink Floyd gibt es einen so markerschütternden Schrei wie von Joe Cocker in With A Little Help From My Friends !
The Cure 10:15 Saturday Night
Genau so – köstlich beschrieben!
Sie erschlagen Sie in der Wohnung?! pfui Teufel, diesen Geruch halte ich nicht aus. Wir hatten in den besten Zeiten pro Tag ca. 20 Stück in der Wohnung – die werden draussen erschlagen. Wenn man in den Fensterritzen nicht an die Viecher rankommt: Diatomeenerde draufstreuen und nach ein paar Stunden, wenn sie tot sind, absaugen.
Gruselig – man hat die Situation direkt vor den Augen 😉
Nur wenn ich mir vorstelle, wie du mit der Axt versuchst kleine Käferchen zu erwischen, dann weicht der Grusel dem Irrwitz 🙂