Mein Teenie flucht!

Fieser Teenager-Slang: Manche Schimpfwörter sind für Eltern verletzend, auch wenn sie nicht so gemeint sind. Illustration: Benjamin Hermann
Unser Sohn ist 11 Jahre alt. Seit einiger Zeit benutzt er häufig Schimpfwörter und sagt auch uns schon mal «figg di!». Wir haben ihm klar und deutlich gesagt, dass wir solche Wörter nicht hören wollen. Das scheint ihn jedoch überhaupt nicht zu beeindrucken, denn er macht es ja weiterhin. Was sollen wir tun? Paolo
Lieber Paolo
Herzlichen Dank für Ihre Frage.
Ihr Sohn steht am Beginn der Pubertät. Ein Teenager, der sich zwischen Bindung und Autonomie befindet. Der sich ausprobieren möchte, sich an den Peers und gleichzeitig immer noch an den Eltern orientiert. Identität versus Rollendiffusion nennen das die Psychologen Arnold Lohaus und Marc Vierhaus. Mit Rollendiffusion bezeichnen sie den Umstand, dass sich die Identität nach der Situation richtet, in der man sich gerade befindet: Wer bin ich? Wer bin ich zusammen mit meinen Freunden, zusammen mit meinen Eltern? Das ist ein regelrechter Balanceakt, der verunsichert. Und diese Verunsicherungen lösen Emotionen aus, die wiederum reguliert werden müssen. Von diesen Herausforderungen ist auch das Umfeld betroffen, denn die Emotionen werden mitunter nach aussen getragen – zum Beispiel durch Fluchen. Ein «Figg di!» ist für Eltern schmerzlich und verletzend, auch wenn es nicht so gemeint ist. Für Jugendliche hingegen kann es ein Instrument sein, um Dampf abzulassen.
Teenager suchen Abgrenzung und Autonomie, wobei das manche auch in ihrem Sprachgebrauch zeigen. Trotzdem ist ihnen die Verbundenheit mit den Eltern wichtig. Denn: Ablösung macht auch Angst und aktiviert die Bindungsbedürfnisse, wie es unter anderem der Bindungsexperte Karl Heinz Brisch sagt. Gleichzeitig akzeptieren Teenager Anweisungen der Eltern weniger gut. Umso mehr brauchen sie Leitplanken. Erwachsene also, die ihnen zeigen, was Kooperation bedeutet – insbesondere dann, wenn es schwierig und emotional ist.
… und falls es nicht beim ersten Mal klappt, bleiben Sie dran – Veränderungen brauchen oft mehrere Anläufe.
Eltern haben manchmal die Angewohnheit, den Kindern klar zu sagen, was sie nicht mehr wollen – so wie in Ihrem Fall «solche Wörter». Es ist jedoch wichtig, zu deklarieren, welches Verhalten Sie sich genau wünschen würden. Verstärken Sie Ihre «Leitplanke», indem Sie klar definieren, was Sie nicht hören wollen. Schimpfwörter allgemein oder nur ganz bestimmte? Falls Sie selber zu Hause ab und zu Schimpfwörter für Ihre eigene Emotionsregulation in den Mund nehmen: Sind diese auch für Ihren Sohn o.k.?
Wenn Ihnen Ihr Sohn erneut ein «Figg di!» an den Kopf wirft, versuchen Sie einen Weg, der nicht durch Macht und Dominanz erwirkt wird, sondern durch Beziehung, Teilhabe und Führung. Das wird Ihren Sohn nachhaltig beeindrucken. Dazu eine Idee aus der gewaltfreien Kommunikation, welche Sie direkt in der Situation anwenden können:
- Machen Sie sich Ihre Situation bewusst: Was passiert da gerade? Bleiben Sie sachlich, ohne zu bewerten.
- Werden Sie sich Ihrer Gefühle bewusst und unterscheiden Sie diese: «Es macht mich wütend, weil du schon wieder ein Schimpfwort brauchst» ist ein Gefühl, das durch das Verhalten eines anderen ausgelöst wird. «Ich fühle mich zurückgewiesen und glaube, dass du mich absichtlich verletzen möchtest» ist dagegen ein Gefühl, das durch die eigenen Bedürfnisse entsteht.
- Klären Sie Ihre Bedürfnisse – auch diejenigen im Zusammenhang mit dem Ärger.
- Versuchen Sie nun, die Situation aus der Sicht Ihres Sohnes zu sehen, sich seiner möglichen Gefühle und Bedürfnisse bewusst zu werden.
- So vorbereitet können Sie antworten: «Ich verstehe, dass es dir grad stinkt und dass du wütend bist. Doch dieses Schimpfwort verletzt mich. Ich möchte, dass du mich respektierst, auch wenn ich etwas sage, das dir nicht passt. Du kannst fluchen, wenn du musst, aber bitte sage nicht mehr ‹figg di› zu mir.»
Manchmal ist die Situation so emotional, dass Sie erst dann auf die Beschimpfung reagieren können, wenn sich alle etwas beruhigt haben. Wenn Sie dann auf Ihren Sohn zugehen, können Sie zuerst fragen, wie es ihm geht. Hören Sie zu, egal, ob Sie der gleichen Meinung sind oder nicht. Wenn Sie nun erzählen, wie es Ihnen geht, können Sie Ihre Antwort aus den Überlegungen (Schritt 1–5) anhängen. Sollten Sie merken, dass Ihr Sohn nicht mit Ihnen sprechen möchte, dann warten Sie eine bessere Gelegenheit ab.
… und falls es nicht beim ersten Mal klappt, bleiben Sie dran: Es ist in der Familie nicht anders als sonst wo – Veränderungen brauchen oft mehrere Anläufe. Für Eltern und Teenager.
Alles Gute!
Daniela
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«Ist der Name Mamablog noch zeitgemäss?» Diese Frage hören und lesen wir immer wieder. In Kommentaren, in Mails, in Gesprächen. Und wir stellen sie uns auch immer wieder selbst! Schliesslich stehen wir täglich für Gleichberechtigung ein, hoffen auf die Einführung eines Vaterschaftsurlaubes im Herbst, schreiben mindestens einmal pro Woche aus männlicher Perspektive und erreichen mit unseren Texten nicht nur Mamas, sondern alle. Trotzdem: Unser Mamablog ist eine Marke, die wir lieben. Wie sehen Sie das denn? Hier gehts zur Abstimmung
13 Kommentare zu «Mein Teenie flucht!»
Wenn alles Erklären und Ermahnen nichts nützt, würde ich einen Elfjährigen in so einer Situation für 15 Minuten in sein Zimmer schicken.
Wichtig ist, dass man gegenüber dem Kind respektvoll bleibt, wenn man von ihm ein respektvolles Verhalten einfordert.
Ich finde es besser, offen zur „Macht und Dominanz“ zu stehen, die man als Erwachsener Elternteil ja objektiv hat, statt diese mit „gewaltfreier Kommunikation“ zu kaschieren.
Man kann mich einen Korinthenkacker nennen, aber 11 ist kein Teenie, Teenager ist ab 13 (die Zahl der Altersjahre bei Teenagern endet mit „teen“.
Die Vierjährige nannte den Lastwagen im Sandkasten einen „madafaka“.
Da sich Pupertierende abgrenzen wollen, wird alles, was verboten wird interessant, um sich zu distanzieren und es wird umgekehrt verboten, um die Distanzierung zu verhindern: Bist Du erwachsen bist, machst Du, wie ich sage, wird nicht distanziert, bist Du wie ich denke, Du sein sollst, Distanzieren kannst Du, wenn Du, wenn Du erwachsen bist.
Ein Mamablog war es ja nie wirklich, bei dieser hohen männlichen Beteiligung. Das spräche für eine Namensänderung.
Dagegen spricht, wenn nun ein reines Mütter-Thema kommt, diverse Männer wieder ausrufen würden, das sei ja nun die Höhe, dass hier wieder ein reines Frauenthema im Mittelpunkt stünde. (Diesen Typen konnte man bis jetzt immer noch entgegenhalten, es ja für einen Mamablog ziemlich normal, dass ein spezifisches Mama-Thema hier erscheint.)
Und das weibliche Pendant könnte bei einer Namensänderung monieren, dass man ihnen eine Plattform entzogen hätte…
Fazit: Richtige Wortwahl löst nie jedes Problem.
@RoXY: Ein Mamablog war es schon immer, wenn es um die Perspektive der Autorinnen ging. Selbst da, wo das Geschlecht des Elternteils eigentlich keine Rolle gespielt hätte, aber umso mehr, wo es um geschlechterpolitische Forderungen geht.
Ich mag mich auch nicht erinnern, dass es je zu Diskussionen führte, wenn ein reines Mama-Thema hier erschien.
Persönlich bin ich eher dafür, dass es beim Mamablog bleibt, weil der Titel ja gut eingeführt ist. Die Frage ist für mich viel mehr, wie man den verschiedenen Bedürfnissen (wieder) besser gerecht wird. Zwischen Tipps und Tricks, und (doch recht einseitigem) Meinungsforum.
Und wenn es etwas gibt: Wie man es schafft, die Beiträge wieder schnell freizuschalten, wenn es diese Überprüfung überhaupt braucht.
Ich war immer eine grosse Flucherin, was natürlich, wenn man Kinder hat, nicht gerade zielführend ist. Und wieder einmal haben alle Erziehungsratgeber bei mir versagt, wie in anderen Fragen auch und ich oute mich als eine dieser Mütter von gestern, die ihren Kindern eben nicht unbedingt auf Augenhöhe begegnet. Als sie in der Pubertät waren (die Skala reichte bei drei Kindern von nicht so schlimm bis unerträglich) habe ich weitergeflucht, aber das von ihnen nicht akzeptiert, wenn es auf die Person zielte, schon gar auf die Eltern. Ich sehe das genauso wie mit dem Alkohol und dem Rauchen: wenn sie erwachsen sind, dürfen sie sich selber in die Nesseln setzen; solange sie sozial nicht in der Lage waren, eine Situation und Folgen einzuschätzen, galt unser Recht. Das hat funktioniert.
Vor Jahren warf mir das mal mein Sohn an den Kopf. Ich antwortete „sich selber figgen? Wie macht man das? Geht doch nicht. Du müsstest mir das schon mal zeigen“. Am Schluss lachten wir beide und ich fügte hinzu: „also lass das bitte in Zukunft“. Er sagte das nie mehr zu mir.
Genau, so habe ich das mit meinem Sohn, wie auch mit seinen fluchenden Freunden gemacht. Nur schon die Frage, klar, ruhig gestellt, hat die mittlerweile 30j. Männer schon irritiert 😉
Nun hoffen wir, dass sie bei ihren Kindern auch diesen Weg einschlagen werden .
Ist der Name « Mammablog » nicht rassistisch??
1. Was hat das mit dem Thema zu tun?
2. Was hat der Begriff „Mama“ mit Rasse zu tun?
Aber vielleicht wollten Sie ja sagen, dass Sie sich als Papa von dieser Kolumne ausgeschlossen fühlen. Das hingegen könnte ich nachvollziehen.
Mit 11 Jahren ? Oho ! Und er will nicht folgen ? Dann haben sie schon lange aufgegeben ihn erziehen zu wollen, meiner Ansicht nach. Ein bischen mehr Strenge hätte gut getan.
Sie sind wohl auch Erziehungsprofi? Haben Sie noch weitere so hilfreiche Tipps an Lager?
AM : Ja, absolut : der gesunde Menschenverstand! Der fehlt nämlich geheuerlich heutzutage. Eltern werden hilflos gegenüber ihren eigenen Kinder.
lol esther und ich dachte „der kommt ERST mit 11“ mit solchen Ausdrücken nach Hause! Wurde der emotional unterdrückt?
Denn auf dem Schulhof hören die Kinder das defintiv schon Jahre vorher.
Ende der Mittelstufe sollte man soweit sein, dass man den Umgang mit solchen Ausdrücken bereits wieder gelernt hat. Wo unangebracht, wo ironisch oder im Witz ok, etc. etc.
Ganz in ist ja heute die Mutter schlecht zu machen. (Woher das wohl in Mode gekommen ist.)
da ist es mir dann wichtig. Dass sie verstehen, wie unsinnig es ist und letztlich einen Sexistischen Hintergrund hat.
ABER solche Gespräche wird man nie führen, wenn die Kinder so ERZOGEN sind, dass sie gar nie mit schmutzigen Sprüchen heimkommen.