Corona-Tagebuch

Sehnsucht nach dem Büro

Homeoffice und Kinderbetreuung vertragen sich schlecht. Doch das ist nicht der einzige Grund, weshalb sich unser Autor auf das Lockdown-Ende freut.

Gefährliche Sogwirkung: Das Licht unserer Bildschirme lockt bereits Kleinkinder aus jeder Höhle. Illustration: Benjamin Hermann

Mittwoch, 6. Mai

Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht. Aber bei mir schleicht sich nach fast zwei Monaten Homeoffice langsam, aber sicher eine Art Sehnsucht nach dem Büro ein. Seltsam. Als mein Unternehmen damals mitteilte, dass vorerst von zu Hause aus gearbeitet wird, sah ich nur Vorteile: kein Arbeitsweg, mehr Zeit mit der Familie und für Sport, flexiblere Tagesplanung. Mittlerweile weiss ich es besser.

Im Büro schaltete ich am späteren Nachmittag den Computer ab, verabschiedete mich von meinen Kolleginnen und Kollegen und liess die Arbeit mit dem Verlassen des Gebäudes hinter mir. Jetzt klappe ich den Laptop spätabends noch auf, weil ich etwas Privates nachschauen will, und konsultiere dann doch noch schnell das Geschäftsmail. Könnte ja etwas verpassen. Das Abschalten, die Trennung zwischen Job und Privatleben, fällt mir schwerer. Zudem vertragen sich Homeoffice und Kinderbetreuung schlecht.

Wir wissen genau, wie gefährlich die Sogwirkung für Kinder werden kann.

Der Laptop und das Handy sind momentan die einzige Verbindung zur Aussenwelt. Dass sie dauernd an sind, merkt auch mein 9 Monate alter Sohn. Er weiss zwar noch nicht, was es damit auf sich hat, aber das Licht des Bildschirms scheint ihn schon jetzt magisch anzuziehen. Seine Augen leuchten auf, seine Hände greifen danach. Wir versuchen, in seiner Gegenwart möglichst auf die Geräte zu verzichten. Aber es gelingt uns nicht immer.

Dabei wissen wir genau, wie gefährlich die Sogwirkung für Kinder werden kann. Eine Umfrage bei verschiedenen Fachstellen zeigte kürzlich, dass teilweise schon Dreijährige handysüchtig sind und ohne Tablet oder Smartphone bei vielen Familien gar nichts mehr läuft. So weit wollen wir es nicht kommen lassen. Eine Rückkehr zur Normalität, zur strikten Trennung zwischen Job und Freizeit, würde dabei helfen. Ich freue mich deshalb, bald wieder ins Büro gehen zu können. Wer hätte das gedacht. 

Corona-TagebuchDurch Homeschooling und Homeoffice sind sich Eltern und Kinder zurzeit so nahe wie nie. Im Mamablog berichten wir von Montag bis Freitag um 17 Uhr vom ganz normalen Wahnsinn aus dem Lockdown: von Kindern, Schule, Arbeit, Patchwork, Beziehungen, Social Distancing und kleinen Errungenschaften im neuen Alltag. Sie lasen soeben Yannick Wigets letzten Eintrag. 

2 Kommentare zu «Sehnsucht nach dem Büro»

  • tststs sagt:

    „Eine Rückkehr zur Normalität, zur strikten Trennung zwischen Job und Freizeit, würde dabei helfen.“
    Selbstverständlich helfen geographische Gegebenheiten, aber zwingend sind sie nicht.
    Oder um es auf den Punkt zu bringen: Home-Office bedeutet zwangsläufig, dass die Kinder anderweitig betreut sind. Ansonsten ist es nicht Home-OFFICE.

    • Sportpapi sagt:

      @tststs: In der Theorie stimmt das. In der Praxis müssen jetzt gerade viele einen Kompromiss eingehen.
      Wird dann sicherlich wieder anders, wenn Homeoffice nicht mehr empfohlen wird, sondern nur unter strikten Auflagen zugelassen…
      In der Theorie finde ich zudem, dass ich nicht auf meinen privaten Geräten arbeite sollte – in der Praxis geht es nicht anders.

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