Die Wildsau muss warten

Improvisierende Eltern sei dank: Geburtstage sind auch im Lockdown genial! Illustration: Benjamin Hermann
Freitag, 1. Mai
Mitte Januar war die Planung abgeschlossen, und der Brecht präsentierte uns das Projekt: Sein Geburtstag Ende April soll im Tierpark stattfinden. Die Einladungsliste war auch bereits erstellt und umfasste drei Gäste. Wir stimmten mit Erleichterung zu – das klang alles vernünftig und bescheiden.
Wer hätte damals gedacht, dass Brechts Pläne am Bundesrat scheitern würden. Den Besuch im Tierpark werden wir zwar nachholen, aber für den Geburtstag musste ein Alternativplan her. Ein möglichst simpler. Wir stellten vor der Haustür eine lange Bank (ich erspare Ihnen ein billiges Wortspiel) sowie ein paar Gartenstühle auf. Dazu ein Tischchen mit Kuchen und Getränken. Die Abstände zwischen den Möbeln waren so gross, Alain Berset wären spontan Freudentränen eingeschossen.
Nur die Waschbären, Wildschweine und Totenkopfäffchen fehlten etwas.
Allerdings kam kein Mitglied des Bundesrats vorbei. Verständlich, die hätten sich von unserem Kind eine Tirade über geschlossene Zoos anhören müssen. Dafür erschienen jeweils zeitversetzt Brechts Grosseltern sowie mehrere Kinder. Alle aus seiner Klasse, die ebenfalls im April Geburtstag haben. Eine Mutter schlug nämlich vor, dass sich die Lockdown-Geburtstagskinder gegenseitig Briefe schreiben, Bilder malen oder etwas basteln. Wir machten mit, und entsprechend revanchierten sich die Beschenkten diese Woche beim Brecht.
So verbrachten wir einen Kindergeburtstag, der weder enttäuschend noch anstrengend war, oder gegen die geltenden Hygiene- und Distanzregeln verstiess. Nur die Waschbären, Wildschweine und Totenkopfäffchen fehlten etwas. Zwar spazierte einmal eine dicke Winkelspinne herum und ein Bussard schrie am Himmel. Aber vermutlich hätten auch ein betrunkener Wombat, ein Tasmanischer Tiger und ein von Geparden verfolgtes Rudel Gazellen vorbeistürmen können – es hätte den Zoo nicht ersetzt. Im Zoo gibt es nämlich Glace, und Glace hatten wir vergessen einzukaufen.
Corona-TagebuchDurch Homeschooling und Homeoffice sind sich Eltern und Kinder zurzeit so nahe wie nie. Im Mamablog berichten wir von Montag bis Freitag um 17 Uhr vom ganz normalen Wahnsinn aus dem Lockdown: von Kindern, Schule, Arbeit, Patchwork, Beziehungen, Social Distancing und kleinen Errungenschaften im neuen Alltag. Den nächsten Eintrag von Markus Tschannen lesen Sie am kommenden Dienstag.
3 Kommentare zu «Die Wildsau muss warten»
Es ist echt spannend, wie wir Erwachsenen das Essenzielle oft nicht sehen…
Das Plüschtier meines Neffens durfte nicht gewaschen werden. Es war aber dringend nötig. Meine Schwester merkte dann: wenn sie das Label abschneidet und an ein Kissen näht und das Kissen dem Sohn in die Hand drückt, geht das wunderbar, ohne Wutanfälle und Krisen. Und dann kann sie den Tiger waschen und später dann das Label wieder an den Tiger annähen. Das Label war der Trostspender und das Wichtige am Plüschtiger.
Oder eben das Glacé im Zoo…
Happy Birthday, Brecht!
Der Brecht sagt danke.