Corona-Tagebuch

Was, liebe Behörden, gilt denn nun?

Dürfen die Grosseltern die Enkel nun wieder umarmen oder nicht? Erleichtert fühlt sich unser Autor nach der Teilentwarnung jedenfalls nicht.

Hallo, Oma und Opa! Während sich die Kleinen und die Grosseltern freuen, sind viele Eltern verunsichert. Illustration: Benjamin Hermann

Mittwoch, 29. April

Ich bin verwirrt. Und wahrscheinlich geht es nicht nur mir so. Wochenlang warnten Experten und Behörden eindringlich vor dem Kontakt zwischen Grosseltern und Enkelkindern. Über 65-Jährige gehörten zur Risikogruppe, müssten also geschützt werden. Kinder seien «Virenschleudern», war zu lesen. Also haben wir uns wie die meisten Familien an diese Vorgaben gehalten, auch wenn wir damit an die Grenze der Belastbarkeit gestossen sind. Und jetzt das: «Grosseltern dürfen Enkel ohne Gefahr in die Arme nehmen», sagte am Montag Daniel Koch vom Bundesamt für Gesundheit, dem aktuell die ganze Schweiz an den Lippen hängt. «Da riskieren sie nichts.»

Ja, was gilt nun? Mit seinen überraschenden Aussagen sorgte Koch bei vielen Eltern für Verwirrung. Kleinkinder erkranken demnach recht selten und geben das Virus auch praktisch nie weiter. Das Problem sind die Eltern. Solange die Grosseltern Abstand zu ihnen halten, laufen sie kaum Gefahr, angesteckt zu werden. Weil die Durchmischung der Generationen aber nur schwer zu verhindern ist, rät Koch weiter davon ab, die Enkel zu hüten.

Uns bleibt eigentlich nur eines: das Abwägen zwischen dem Risiko und der sozialen Komponente.

Ich weiss nicht, wie es Ihnen geht. Aber bei mir hat diese Teilentwarnung nicht wirklich für Erleichterung gesorgt – zumal sich Fachleute noch immer öffentlich widersprechen. Koch verwies auf Erkenntnisse der pädiatrischen Kliniken und auf eine kürzlich publizierte wissenschaftliche Studie. Andere Experten wie Deutschlands bekanntester Virologe Christian Drosten mahnen hingegen weiterhin zu Vorsicht bei den Kindern.

Weil noch so vieles unbekannt ist im Zusammenhang mit dem neuen Coronavirus, ändert sich die Datenlage beinahe täglich. Und so bleibt uns Eltern eigentlich nur eines: das Abwägen zwischen dem Risiko und der sozialen Komponente. Denn für viele Grosseltern, auch für unsere, ist der Kontakt mit den Enkeln sehr wichtig. Soll man etwas verbieten, bei dem es keine klaren Hinweise auf eine Gefährdung gibt? Das muss jeder selbst entscheiden. Wir nehmen den Hütedienst der Grosseltern wieder in Anspruch.

Corona-TagebuchDurch Homeschooling und Homeoffice sind sich Eltern und Kinder zurzeit so nahe wie nie. Im Mamablog berichten wir von Montag bis Freitag um 17 Uhr vom ganz normalen Wahnsinn aus dem Lockdown: von Kindern, Schule, Arbeit, Patchwork, Beziehungen, Social Distancing und kleinen Errungenschaften im neuen Alltag. Wie es in Yannick Wigets vier Wänden weitergeht, erfahren Sie nächsten Mittwoch. 

17 Kommentare zu «Was, liebe Behörden, gilt denn nun?»

  • Martin Frey sagt:

    Hier, beim Thema Schule könnten Sie sich konstruktiv einbringen, SP. Denn die Frage, die wir letzte Woche noch nicht beantworten konnten, steht nun nach dem Konzept, welches meine Befürchtungen bestätigte, im Raum: Ein faktisches Nicht-Konzept zur Schuleröffnung, basierend auf dem Prinzip Hoffnung. Garniert mit ein paar erneuten unüberlegten Aeusserungen von Koch, welche primär Unsicherheiten schüren und wofür er prompt auch international Kritik einsteckte.
    https://www.tagesanzeiger.ch/neue-regeln-fuer-schulen-sorgen-bereits-fuer-streit-657347493218
    https://www.tagesanzeiger.ch/star-virologe-kinder-koennten-genauso-ansteckend-sein-wie-erwachsene-339998354298
    Zum Glück machen sich die Deutschen daran, eine Datenlage zu schaffen, die es für ein solches Konzept eigentlich bräuchte.

    • Martin Frey sagt:

      Persönlich kenne ich ein paar Eltern, bei denen davon auszugehen ist, dass sie ihre Kinder ab dem 11.5 nicht in die Schule schicken werden. Und ganz ehrlich, wir überlegen uns das auch, angesichts dieser nicht wirklich beruhigenden Situation. Es wäre wohl wünschenswert gewesen, mit der Schulöffnung noch ein paar Wochen zuzuwarten bis eben belastbare Daten dazu vorliegend. Nicht zuletzt auch dazu:
      https://www.nau.ch/news/europa/coronavirus-kawasaki-syndrom-bei-kindern-nimmt-zu-65700053
      Bin gespannt, wie die Schulbehörden damit umgehen werden.
      Was sicher für uns ist. Wir werden derartige Dinge wie auch Grosiumarmungen nicht alleine von Koch abhängig machen. Dafür hat er sich bereits zusehr delegitimiert

      • 13 sagt:

        Auch wenn ich gar kein Fan dieses neuen Schnellzuges des BR und einen Boomerang-Effekt erwarte, darf auch das Thema Corona nun mal nicht ganz isoliert betrachtet werden. Auch der Sicht des Verhinderns der Epidemie mag die Schulschliessung richtig sein, jedoch leiden etliche Kinder an Bildungslücken, die je länger es dauert, desto schwerer geschlossen werden. Das ist mit etwas Videokonferenzen und Aufgabenblätter nicht getan. Wir sind beim besten Willen keine bildungsfremde Familie, aber die Unterstützung der Kinder beim Fernunterricht neben dem normalen Arbeitsalltag bringt uns jede Woche mehr an die Grenzen. Und es wird immer schwieriger. Die Schulen einfach noch länger zu zu behalten, kann keine Lösung sein. Was sie wäre, weiss ich jedoch auch nicht.

      • Sportpapi sagt:

        @Martin Frey: Vermutlich wird es Schulverweigerer geben. Aber es ist nun mal so, dass die Schulen früher oder später wieder öffnen müssen. Also was, wenn die verschiedenen weiteren Studien ergeben würden, dass in äusserst seltenen Fällen wirklich Risiken bei Kindern bestehen? Die Schulen über Monate geschlossen halten?
        Aber ich sagte es schon: Die Wiedereröffnung der medizinischen Dienstleistungen finde ich viel gefährlicher und unnötiger – gab es denn dort ein Konzept des Bundes?
        Und die Wiedereröffnung der Restaurants mit der Aufhebung des Abstandsgebots ist nicht nur gefährlich, sondern setzt auch für den privaten Umgang ein ganz falsches Zeiten. Aber da ist jetzt nicht mehr das BAG in der Verantwortung, sondern die bürgerlichen Bundesräte, die Druck aufsetzen.

      • Martin Frey sagt:

        @SP
        Ich frage mich sowieso, wie gelagert die Prioritäten des Bundes sind. Gehören Massagen, Tätowierer sowie Nagelstudios zum lebensnotwendigen Grundbedürfnis einer Gesellschaft? Echt?
        Zu Ihrer Spitze zur Gesundheitsversorgung: natürlich gibt es dort strikte Vorgaben und Konzepte, und wie!
        @13
        Ich sehe die Nachteile und spüre sie selber auch, nur weil ich hier nicht rumjammere heisst das nicht dass bei uns alles bestens ist. Aber wenn ich mit Freunden/Verwandten in anderen Ländern spreche sehe ich, wie gut es uns immer noch geht.
        Ich bin nicht mal gegen einen zügigen Exit, aber dies bitte überlegt und evidenzbasiert. Wenn der BR ob des Drucks jeder Lobby gleich umfällt, surreale Lösungen wie bei den Bars geboren werden, oder Konzepte für Schulen überhastet wirken, bleiben Fragen.

      • Sportpapi sagt:

        @Martin Frey: Ich habe jedenfalls die Vorgaben des BAG zu Schutzkonzepten im Gesundheitswesen nicht gefunden. Und ich weiss auch nicht, wer die Schutzkonzepte überprüft (oder wie im Sport – plausibilisiert) und freigibt. Ich lasse mir das aber gerne erklären.
        Ansonsten: Ja, ich war über die Prioritäten auch etwas irritiert, aber letztlich war mir vor allem wichtig, dass es eine Staffelung gab. Der Schwerpunkt lag offenbar bei der Möglichkeit zur Nachverfolgung.
        Überhastet sind die Lösungen für die Schule nicht, wohl aber für den Sport. Dort steht z.B. in der provisorischen Verfügung noch drin, dass Fitnesscenter geschlossen bleiben, die Bundesrätin sagt aber das Gegenteil. Aber vielleicht hat sie auch einfach einen Fehler gemacht.

      • 13 sagt:

        @ Martin
        Ich habe weder rumgejammert, noch mich dazu geäussert, wie es bei Euch läuft. Ich stelle lediglich fest, dass es massive Schwierigkeiten mit sich bringt und ich darum den Vorschlag noch einige Wochen abzuwarten tatsächlich als falsch empfinde. Bessere Schutzkonzepte hätte man sich gewünscht, das ist richtig. Und Nachsicht, wenn manche Kinder nicht kommen, aus welchen Gründen auch immer. Zu den Bars etc. äussere ich mich gar nicht.

      • Martin Frey sagt:

        Ich habe aber doch gar nicht von Dir gesprochen, 13. wie kommst Du darauf?
        Es gibt nun mal Dinge in Zusammenhang mit Covid 19, die sind mittlerweile ab- und einschätzbar. Dann gibt es Dinge, zu denen nach wie vor eine abschliessende Evidenz fehlt. Und dazu zählen nun mal die Kinder. Ich halte es daher für falsch, ausgerechnet dort vorzupreschen wo wir in unbekannte Gewässer (frühe Schulschliessungen) vorstossen. Wenn wir uns da irren, ist das gravierend (nein, den Begriff Büchse der Pandora verwende ich mal nicht, nachdem mit zwei häufige Forenteilnehmer dafür am liebsten gekreuzigt hätten 😉 ). Ob wir nun noch 2-4 Wochen mit der Schulöffnung zuwarten, halte ich persönlich jetzt für weniger riskant. Auch für die Kinder notabene, aller Unkenrufe vergangener Tage zum Trotz.

      • Sportpapi sagt:

        @Martin Frey: Wenn wir bezüglich der Kinder auf eindeutige Evidenz warten würden, würden ein paar Wochen nicht reichen. Zumal ja vermutet wird, dass es fast keine Ansteckungen gibt, weil die Kinder vorwiegend isoliert leben. Wer recht hat, wird sich ja jetzt bald zeigen.
        Und was, wenn sich zeigen würde, dass Kinder doch ansteckender sind als vermutet?
        Warum lässt Deutschland denn die Schulen nicht geschlossen, sondern öffnet sie noch vor der Schweiz?

      • Martin Frey sagt:

        @Sp
        Eine wirklich wasserfeste Datenlage würde wohl Jahre benötigen, da pflichte ich Ihnen bei . Aber es wird laufend geforscht, nahezu wöchentlich wissen wir mehr. Wenn bis dato die Datenlage so dünn und teils widersprüchlich, finde ich es einfach heikel so vorzupreschen.
        „Und was, wenn sich zeigen würde, dass Kinder doch ansteckender sind als vermutet?“
        Sie sagen es ja selber, denn das ist doch der Punkt. Denn wenn dem so ist, werden die Schulen zu einem Brandbeschleuniger mit unabschätzbaren Folgen. Was sie bis jetzt naturgemäss nicht waren, nicht sein konnten, weil alle Länder als erstes die Schulen dicht machten.
        Persönlich bin „gottefroh“, geht die Bildungsdirektion des Kt. Zürich in weiser Voraussicht über das hinaus, was der Bund vorgibt. Aber schon im AG ist das anders.

      • Sportpapi sagt:

        @Martin Frey: „Denn wenn dem so ist, werden die Schulen zu einem Brandbeschleuniger mit unabschätzbaren Folgen.“
        Eigentlich nicht. So viele kranke Kinder gibt es im Moment nicht, und bis 11. Mai hoffentlich noch weniger. Und die Hygieneregeln und weitere Vorsichtsmassnahmen gelten auch in der Schule weiterhin.
        Es ist denkbar, dass jetzt lokal wieder vermehrt Ansteckungen entstehen. Aber das Risiko, dass gleich wieder alles explodiert, halte ich für relativ klein. Aber man wird das sicher aufmerksam verfolgen. Und reagieren, wenn auch mit 10 Tagen Verzögerung.

    • Sportpapi sagt:

      @Martin Frey: Was soll ich dazu sagen? Das BAG gibt den Rahmen vor aufgrund seiner Einschätzung der Lage, die Kantone als Verantwortliche für die Bildung setzen um. Und der LCH als Vertreter der Lehrerschaft gibt auch noch seinen Senf dazu.
      Insgesamt ist das, was für Zürich geplant wird, durchaus vertretbar angesichts der sehr tiefen Ansteckungsraten von Kindern. Und ich bin sicher, dass auch die Schulleitungen und die Lehrerschaft alles daran setzen werden, die Risiken gering zu halten.
      Ausserdem gibt es verschiedene Daten zum Thema. Zum Beispiel die ETH-Studie die zeigt, dass die Schulsschliessungen international wenig gebracht haben. Aber wir werden sehen.
      Deutschland macht übrigens die Schulen noch früher auf, und noch viel chaotischer als die Schweiz.

  • Martin Frey sagt:

    Das BAG sieht sich offensichtlich genötigt, lieber den Menschen gutväterlich zu sagen, wie Sie im Alltag das Grosi begrüssen sollen, anstatt dass es die Leute immer wieder auf die wirklich wichtigen Verhaltensregeln hinweisen würde. Koch äussert sich nicht zum ersten Mal fragwürdig, und trägt mit seinen Empfehlungen nicht selten mehr zur Verwirrung als zur Klärung bei.
    Persönlich bin ich der Ansicht, dass die Leute die Wahrheit besser vertragen, als das BAG wohl meint. Egal ob es um Grosseltern, Schutzmasken oder schlich noch nicht vorhandenes Wissen geht. Das Vertrauen ins BAG war initial enorm, hat aber nun verständlicherweise Risse bekommen, was ein Stück weit selbstverschuldet ist. Das ist aber dann gravierend, wenn es um wichtigere Dinge als eine Kurzumarmung geht.

    • Sportpapi sagt:

      @Martin Frey: Das Vertrauen ins BAG ist nach wie vor intakt.
      Eher ärgerlich sind die vielen Wissenschaftler, die sich mit immer noch drastischeren Worst-Case-Szenarien in den Medien einen Namen machen. Wer am lautesten schreit, und am meisten Panik verbreitet, landet am ehesten auf der Frontseite.
      Und auf der anderen Seite all die Corona-Leugner, die glauben, wenn man den Kopf nur weit genug in den Sand streckt, gehe alles spurlos vorüber.

      • Röschu sagt:

        @Sportpapi
        „Das Vertrauen ins BAG ist nach wie vor intakt.“
        Wirklich? DAS Vertrauen ? Nur weil IHR Vertrauen ins BAG absolut unerschütterlich scheint, heisst das doch noch lange nicht, dass dies für die Allgemeinheit auch gelten muss.
        .
        MEIN Vertrauen ins BAG ist bereits seit Anfang der Corona-Krise beschränkt und nimmt mit jeder inkonsequenten und z.T. sogar absurden Entscheidung weiter ab.

      • Röschu sagt:

        PS. Da sie das BAG offenbar für nahezu unantastbar halten, können Sie mir allenfalls folgende „Logik“ erklären:
        – Einerseits wurde uns bei Einführung der Massnahmen geradezu mantramässig borgebetet, dass man die Auswirkungen nicht sofort, sonder erst nach etwa 2 Wochen messen und somit beurteilen könne.
        – Andererseits wurde uns nun am Mittwoch (nur 2 Tage nach Phase 1 der Öffnungen!) mitgeteilt, man sei mit Phase 1 zufrieden und könne daher Phase 2 bedenkenlos verantworten.

      • Sportpapi sagt:

        @Röschu: Ich nehme das Vertrauen wahr. Und ich glaube, es gibt auch entsprechende Umfragen.
        Dass jetzt von bürgerlichen Parteien und Bundesräten so viel Druck auf schnelle und risikante Wiedereröffnungen entstanden ist (und entsprechende Mehrheitsentscheide im Bundesrat) ist aber nicht dem BAG anzulasten.
        Die Etappierung wurde erklärt und ist immer noch schlüssig. Ob man die erste Etappe nun bereits als gut bezeichnet hat, oder wie ich es wahrgenommen habe, die ganzen ersten Wochen, ist eigentlich egal. Man wird auf jeden Fall im Juni sehen, was passiert ist in den beiden Etappen, und ob ein dritter Schritt wirklich möglich ist. Ich hoffe nur, dass dazwischen wirklich nichts Neues eröffnet wird.

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