Wenn das Kind kein Gemüse isst

Süssigkeiten statt Früchte: Ernährungsempfehlungen sind für viele Familien eine Herausforderung. Illustration: Benjamin Hermann
Liebes Mamablog-Team
Meine Tochter (7) isst nur Schoggijoghurt, Nudeln mit Butter und Wienerli. Gemüse und Obst verweigert sie komplett. Zuerst dachte ich ja, es sei nur eine Phase, aber mittlerweile liegen meine Nerven komplett blank. Wir haben bereits ein Süssigkeitenverbot ausgesprochen, obwohl ich mal gelesen habe, dass man in Sachen Essgewohnheiten bei Kindern keinen Druck aufsetzen soll, weil das die Sache nur verschlimmert. Wie sollen wir vorgehen? Melanie
Liebe Melanie
Herzlichen Dank für Ihre Frage.
Ich verstehe Ihre Sorgen rund um das Essverhalten Ihrer Tochter gut. Natürlich möchten Sie mit ausgewogenem Essen die Gesundheit Ihres Kindes fördern. Stattdessen scheint jedoch mehr Frust als Lust rund um das Thema an Ihrem Esstisch Einzug gehalten zu haben. Wie Sie selbst schreiben, können allzu grosse Bemühungen, auch wenn sie gut gemeint sind, in Druck oder Kräftemessen münden.
Die Kinderärztin und Ernährungsexpertin Marguerite Dunitz-Scheer erläutert in einem Interview in der Frauenzeitschrift «Annabelle», dass in den Siebzigerjahren eine Medizinalisierung der Ernährung begonnen habe. Seither möchten wir die Kinder nicht nur sattkriegen, sondern auch gesund ernähren. Heutige Ernährungsempfehlungen für Kinder sind für etliche Familien eine Herausforderung. Vitamine, Mineralstoffe, Kohlenhydrate: Manche Eltern fragen sich, wie sie die empfohlenen Mengen in ihr Kind hineinbringen sollen!
Man muss Kinder weder dafür loben, dass sie gut essen, noch sie dazu anhalten, dieses oder jenes zu essen.
Frau Dunitz-Scheer betont: «Sie (Eltern) sollten sich weniger in die Ernährung ihrer Kinder einmischen. Man muss Kinder weder dafür loben, dass sie gut essen, noch sie dazu anhalten, dieses oder jenes zu essen. Das ist unnötig, übergriffig und belastet die Beziehung. Kinder wissen selbst, was für sie gut ist.» Sie verweist auf Studien und Erfahrungen, die gezeigt haben, dass Kinder nur zu Beginn mehr ungesunde Sachen essen. Mit der Zeit reguliert sich das von selbst.
Ich möchte Sie damit ermutigen, weiterhin keinen Druck rund um das Essverhalten Ihrer Tochter aufzubauen. Ein Vorgehen, das Sie darin unterstützen kann, skizziert die Psychologin und Buchautorin Annette Kast-Zahn. Ich stelle Ihnen kurz ihr Modell einer Aufgabenteilung zwischen Eltern und Kindern vor und gebe noch einige Erläuterungen dazu:
Die Aufgaben der Eltern
- Sie wählen aus, was Sie Ihrer Tochter zu essen anbieten. Dabei können Sie Ihr Wissen über gesunde Ernährung mit einbeziehen.
- Sie legen fest, wann Sie welches Essen anbieten. Da spielt natürlich der Rhythmus Ihrer Tochter ebenso eine Rolle wie der Rhythmus der ganzen Familie. Sie bereiten das Essen altersgerecht zu und stellen es auf den Tisch.
- Sie bestimmen, welche Regeln am Tisch bei den Mahlzeiten gelten sollen, und achten darauf, dass die Regeln eingehalten werden. Schön ist es, wenn Ihre Tochter bei den Regeln mitbestimmen darf.
Damit ist der Job der Eltern erledigt.
Die Aufgaben des Kindes
- Ihre Tochter kommt an den Tisch und entscheidet selbst, ob, was und wie viel sie vom Angebot essen möchte. Sie hört auf zu essen, sobald sie satt ist.
- Die Tochter befolgt die Regeln bei Tisch.
Bestimmt werden noch einige Fragen zur Ausgestaltung auftauchen: Was, wenn Ihre Tochter entscheidet, überhaupt nichts vom Angebot zu essen? Soll sie dann hungrig bis zum Zvieri warten? Dagegen spricht physiologisch nichts. Wenn Sie die Situation jedoch abmildern möchten, können Sie Brot mit auf den Tisch stellen, von dem sich Ihre Tochter bedienen kann. Manche Kinder essen auch mehr, wenn die Nahrungsmittel nicht schon von Anfang an vermengt oder mit Saucen vermischt werden.
Es lohnt sich, die «Aufgaben der Eltern» gut zu durchdenken, mit Ihrem Partner zu besprechen und allfällige Stolpersteine bereits vorwegzunehmen. Dazu gehört auch der Umgang mit Süssigkeiten: Im Alter Ihrer Tochter entspricht die empfohlene Menge an einem Tag zum Beispiel drei Stück Petit Beurre oder einem Glas Süssgetränk. Die Mengen sind klein und lassen sich gut einplanen. Wenn Sie sich daranhalten, dann braucht es kein Verbot, weil nicht mehr Süssigkeiten vorgesehen sind.
Falls Sie befürchten, dass Ihre Tochter gesundheitlich unter dem Essverhalten leidet, dann beobachten Sie, was sie in einer Woche alles trinkt und isst. Oft kommt da mehr zusammen, als man denkt! Falls Ihre Tochter an Gewicht verlieren sollte, stets müde ist und ihre Haare und Fingernägel nicht mehr schön aussehen, rate ich Ihnen zu einem Besuch beim Pädiater. Manchmal hilft auch der Gang zum Kinderarzt, um sich bestätigen zu lassen, dass das Kind gesund ist und eine Phase einseitigen Essens gut ertragen kann.
Mit Ihrer Haltung und Ihrem Vertrauen in die Autoregulation Ihres Kindes steht und fällt der Stress am Esstisch. Gestehen Sie Ihrer Tochter diese Selbstbestimmung zu, damit sie merkt, was und wie viel sie braucht. Wenn der Esstisch nicht zum Austragungsort von Ängsten, Beziehungsstörungen und Kampf wird, sondern einfach etwas Schönes und Lustvolles bleibt, ist das aus meiner Sicht die beste Prophylaxe gegen Essstörungen.
Ich wünsche Ihnen und Ihrer Tochter «en Guete»,
Daniela
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9 Kommentare zu «Wenn das Kind kein Gemüse isst»
Es gibt das zu essen, was auf den Tisch kommt und darüber entscheidet der kochende Papi/das kochende Mami. Keine Sorgen machen, wenn das Kind davon manchmal nur wenig oder nichts essen möchte. In einem solchen Fall keine Alternativen (ja nicht immer Brot) anbieten. Bei der nächsten Mahlzeit gibt es ja schon wieder etwas anderes. So gibt es pro Tag mehrmals die Gelegenheit genügend zu Essen.
„Das hat mein Sohn/meine Tochter nicht gerne zum Essen“ ist eine falsche Ansicht. Einfach immer wieder mal anbieten. Manche Sachen werden erst nach ein paar mal probieren gegessen und dann plötzlich gerne gemocht.
Diese Strategie haben wir von einer Kinderspitex erfahren und gelernt.
So isst unser Sohn inzwischen einfach alles das was wir auch Essen. Und das macht uns richtig Freude!
Und der Koch/die Köchin entscheidet dann nach eigenem Geschmack? Was diese nicht mag, gibt es dann nicht, auch wenn das Kind es essen würde? Es ist ja nicht so, als hätten Erwachsene keine Vorlieben.
Uns gings genau so, das Thema ist für mich der blanke Horror und ich/wir haben nie eine wirklich gute Art und Weise gefunden, damit entspannt umzugehen, und kein Tipp hat je gefruchtet, nie fühlte ich mich verstanden in solchen Artikeln. Irgendwie ist das Essverhalten unserer beiden Bunen trotzdem „besser“ geworden und sie variieren mehr, sogar gewisse Gemüse oder ein Stückchen Fisch passt nun. Was immer geht ist rohes Gemüse auf den Tisch stellen wie Karotten oder Gurken (mit kli Trocomare). Tja, das war lange das Einzige aber immerhin!
Ich bin mittlerweile 70 und esse was mir Spass macht. In meiner Kindheit hat mich nie jemand gezwungen etwas zu essen, das ich nicht wollte. Aber der Nachteil dieser Freizügigkeit war „es gabe halt nichts Anderes“. Also „friss oder stirb“. Naja so extrem wars denn ja auch nicht, aber ich lernte so, zumindest zu probieren ob es so schrecklich schmeckt wie es aussieht. Vielleicht mit ein Grund dafür, dass ich heute kulinarisch als „Hase“ bezeichnet werde. Ich liebe jede Art von Salaten und Gemüse.
Bei uns gibt es noch eine zusätzliche Regel: Es muss von Allem ein Löffel probiert werden (und zwar immer wieder, auch wenn es einem vielleicht beim letzten Mal nicht geschmeckt hat). Kinder müssen sich an die verschiedenen Geschmäcker gewöhnen und rantasten.
Eltern sind Vorbilder: je vielseitiger und abwechslungsreicher sie selber essen, je grösser die Chance dass auch die Kinder offen für neue Geschmackserlebnisse sind.
Es steht und fällt mit der Zubereitung. Rosenkohl beispielsweise schmeckt wenn er zu Tode gekocht wurde, nur noch muffig. In der Pfanne knapp gar angebraten, wird daraus aber eine frisch schmeckende Delikatesse.
Wir kochen und essen gerne und diese Freude möchte wir unserem Sohn weitergeben. Genörgel und Gezänke deshalb möglichst nicht während der Mahlzeiten.
häufig wird gesundes einfach so angeboten dass es nicht gut riecht. ich habe nie begriffen, warum meine mutter gemüse so langweilig zubereitete. alles war gedämpft und schmeckte nach nichts. kochen liegt mir nicht besonders aber ich esse halt gerne gut. ofengemüse zum beispiel, mit ECHT VIEL sauerrahm dazu (ja nicht nörgeln), und vielleicht noch bratkäse oder sowas, also eine fett-eiweissbombe und etwas angeschmörzeltes, das will der mensch sich im allgemeinen einverleiben. aber man muss es auch ordentlich salzen und kräuter und chili dazu, sehr sehr gut ist auch peterli/zitronenschale/knoblauch gemisch, eigentlich zu allem. ich glaube es gibt kein gemüse, das man nicht in der bratpfanne mit einem guten olivenöl, knobli und zitronensaft anbraten kann. ich finde alles viel besser so.
oder gorgonzola dazu. oder verschiedene (selber gemachte) saucen ausprobieren. oder tätschli: man kann fast alles zu tätschli verarbeiten. dazu tzaziki oder kräuterquark und käse. croutons machen auch fast alles besser.
regionales, frisches gemüse ist wirklich geschmacklich besser als der einheitskram vom grossverteiler.
das klingt so. ich mache das locker, es ist nicht verbissen.
als die kinder kleiner waren und ihre „nur spaghetti ohne nix“ phase hatten, habe ich nur für mich feine sachen gekocht und sie wollten dann auch, weil es fein riecht.
Das klingt überhaupt nicht verbissen; ganz im Gegenteil: pragmatisch, praktisch, locker!
Ich würde meinen, es sind nun alle Tipps gegeben:
– Nicht übertreiben oder gar pathologisieren
– durch Kinderaugen wahrnehmen (Geruch, Haptik, Aussehen*)
– mit Gewürzen etc. ist „umami“ auch bei gruusigem Gemüse möglich
– vorleben
*hier wäre es mir noch wichtig, auf die andere Geschmackswahrnehmung hinzuweisen: Kinder haben einiges mehr an Geschmacksknospen! Intensive oder zu viele Geschmäcker (und prinzipiell die Geschmacksrichtung „bitter“) überfordern!
Wörter, welche im Deutschen auf -heit oder -keit enden und keine Mehrzahl haben, sind subjektive, sogenannte Spiegelkategorien. Vor dem Spiegel stehen Krankheiten und Medizin, im Spiegel erscheinen die als Gesundheit. Vor dem Spiegel stehen Recht und Verbrechen, im Spiegel Gerechtigkeit usw..
Individuelle Gesundheit ist das Gefühl, intakt, heil zu sein. Dieses Gefühl hat wie alle Gefühle keine biologische Komponente und ist deshalb durch Nahrungsmittel oder Sport nicht zu beeinflussen. ‚Gesunde Ernährung‘ ist unmöglich, da Ernährung nicht gerichtet mit Gefühlen wechselwirkt. Ernährung wirkt biochemisch auf Krankheiten und das kann, muss aber nicht, in Gesundheit spiegeln.