Ruhe, ich lese jetzt!

Homeputzing statt Familienausflug: Corona stellt auch unser Osterfest auf den Kopf. Illustration: Benjamin Hermann
Freitag, 10. April
Karfreitag wurde dieses Jahr abgesagt. Nicht von Simonetta, Alain und Dani, sondern vom Zeitgefühl. Es weiss sowieso niemand mehr, ob grad Donnerstag oder Sonntag ist. Wir haben heute Morgen unsere übliche Homeoffice-Routine gestartet. Was sollten wir sonst machen, wenn nicht Homeoffice, Homeschooling oder Homeputzing? Einen Familienausflug? LOL!
Da es in der Migros nicht einmal Eierfarbe gab, fällt übrigens auch Ostern aus. Nur, dass Sie vorgewarnt sind. Aber Ostern ist ja ohnehin ein Fest für die Grosseltern. So kam es mir als Kind zumindest vor: «Kalt, Markus, gaaanz kalt. Wärmer, jaaaa, wääääärmer … wieder kalt.» – «Grosi, gib mir einfach das Nestli, ich will Süssigkeiten, kein Dressursuchen in eurer Stube.»
Aber nun zu mir. Für den Lockdown hatte ich Pläne: «Lies doch mal wieder ein Buch, Markus», sagte ich. «Jeden Tag dreissig Minuten.» – «Und hör auf, Selbstgespräche zu führen.» – «O.k.»
Viele Eltern lockern ihre Regeln und bestellen dicke iPad-Akkus.
Das Buch meiner Wahl: «Dreissig Minuten, dann ist aber Schluss!» von Patricia Cammarata. «Mit den Kindern tiefenentspannt durch den Mediendschungel» steht auf dem Cover. Es ist höchste Zeit für einen Ratgeber zur Mediennutzung, schliesslich wird der Brecht bald sechs. Ein gutes Alter, um das bisher eher nordkoreanische Medienregime unseres Haushalts zu überdenken. Jetzt sowieso. Während Simonetta, Alain und Dani strenge Regeln einführten, lockerten viele Eltern die ihrigen und bestellten online dicke Zusatzakkus fürs iPad. Selbst der geliebte Grossmarschall Tschann Jong-un schaut während der Youtube-Zeit seines Volkes nicht allzu genau auf die Eieruhr.
Patricia Cammarata schreibt witzig und ist eine ausgezeichnete Pragmatikerin. Leider weiss ich das nicht aus ihrem aktuellen Werk. Daraus habe ich nämlich noch keine einzige Seite gelesen. Wann auch? Schufte ich nicht im Homeoffice, brüllt der Brecht: «Papaaaa, mir ist langweilig!», und Beebers bestätigt mit: «Örrööö!»
Ich hatte zu Beginn des Lockdown die naive Hoffnung, auch einmal Zeit für mich zu finden. Es fielen ja auch Verpflichtungen weg: Der Arbeitsweg, Besorgungen, Kaffeetermine, Elternabende, Opernbesu… haha, ich mache nur Spass. Inzwischen habe ich rausgefunden, wofür die gewonnene Zeit draufgeht: fürs Putzen. Vier Menschen, ständig zu Hause, wirbeln eine Menge Dreck auf. Kürzlich dachte ich nach dem Aufstehen, es sei neblig. Dann merkte ich, dass der Staub einfach schon etwas hoch steht.
Vielleicht verstecke ich dem Kind am kommenden Sonntag doch Süssigkeiten in der Wohnung und lasse es mit einem feuchten Tuch danach suchen: «Wenn du Staub findest, dann putz ihn grad weg!» Dabei sage ich nicht ein einziges Mal «warm» oder «kalt», sondern lese meine dreissig Minuten.
Corona-TagebuchDurch Homeschooling und Homeoffice sind sich Eltern und Kinder zurzeit so nahe wie nie. Im Mamablog berichten wir von Montag bis Freitag um 17 Uhr vom ganz normalen Wahnsinn aus dem Lockdown: von Kindern, Schule, Arbeit, Patchwork, Beziehungen, Social Distancing und kleinen Errungenschaften im neuen Alltag. Den nächsten Eintrag von Markus Tschannen lesen Sie am kommenden Dienstag. Frohe Ostern!
9 Kommentare zu «Ruhe, ich lese jetzt!»
Mich hat sehr gefreut, dass der Beebers nun schon des Französischen mächtig ist!
Was für eine wunderbare Zeit, da er fröhlich „heureux“ gurgelt. Geniessen Sie es!
Ach wie immer einfach schön von Ihnen zu lesen Herr Tschannen-Jong-un!
Danke
Ich lese ihren Blog sehr gern. Lustig, dass sie sic bezeichnen als Tschann Jong-ung bezeichnen. Bei mir sind es unterdessen die vier Töchter, die mich als Ma Jong-ung betiteln und finden, bei uns herrsche ein strengeres Regime als in Nordkorea, wenn ich darauf bestehe, dass sie ihr homeschooling noch um fünfzehn Minuten verlängern. Allerdings lassen sie dann ausser acht, dass ich sehr bestechlich bin und die „gamezeit“ für einfaches Tischabräumen um ein Vielfaches verlängere. Schön zu lesen, dass es wohl überall ähnlich ist. Was die Ostereierfarbe betrifft: ich kaufe meine jeweils nach Ostern zu 50% Rabatt. Somit gibt es bei uns auch dieses Jahr farbige Eier und die Kinder waren ein paar Stunden (gefühlt) beschäftigt.
Gute Idee mit den Osterfarben. Fällt bei uns ins Ressort meiner Frau, aber ich gebe ihr den Tipp weiter.
Tatsächlich hat man wesentlich mehr Haushalt, wenn man öfter zu Hause ist. Kochen, aufräumen, abwaschen. Das habe ich gelernt, als ich in verschiedenen Teilzeitpensen gearbeitet habe. Nur Wäsche ist immer in etwa gleich viel.
Bei mir hat die Wäsche drastisch abgenommen, da die vier Damen sich nun nicht mehr täglich gefühlt vier mal umziehen, sondern nur noch alle zwei bis drei Tage die Kleider wechseln.
Sabine, stimmt das wirklich? Also mich dünkt auch die Wäsche ist mehr geworden! Vor allem so viele Pijamas???
Bei uns hat die Wäsche zuerst ab- und dann mit dem schönen Wetter wieder zugenommen.