Erkältung im Lockdown
Donnerstag, 2. April
«Die Kinder sollen ein einigermassen normales Leben weiterführen können. Es ist nicht nötig, sie zu isolieren, wie man Erwachsene isoliert.» Die Worte stammen von Corona-Papst Daniel Koch. An einer Medienkonferenz gab er uns Eltern den Segen des BAG: Kinder dürfen in kleinen, nicht ständig wechselnden Gruppen miteinander spielen.
Ich atmete so hart auf, dass der Boden kurz erzitterte und in Herrn Kochs Büro jetzt die Bilder schief hängen. Einen fast sechsjährigen Brecht über Wochen zu downlocken, ist hart. Wir sind halt nicht Müller-Möcklis mit ihren fünf Kindern zwischen vier und acht Jahren. Der Brecht ist faktisch ein Einzelkind. Beebers, das halbjährige Rollschinkli, kann zwar toll fuchteln und speicheln, gibt damit aber einen denkbar schlechten Spielkameraden ab. Dazu dienen uns die Nachbarskinder und Brechts Freundin – so zumindest der Plan, der zu Beginn noch gut funktionierte.
Einen fast Sechsjährigen downlocken? Hart!
Doch dann wurden wir alle krank. Nicht DAS krank – vermutlich nur erkältet. Trotz leichtem Husten bei manchen Familienmitgliedern spricht alles gegen das Coronavirus der neusten Generation: die schnoddrigen Nasen, das fehlende Fieber und die Tatsache, dass Ihr geschätzter Papablogger trotz seines stattlichen Alters vom Virus am zärtlichsten angefasst wurde.
Aber während das Volk in Friedenszeiten ein Hüsteln in der Migros oder einen hochgezogenen Schnodder beim Retournieren des Besuchskindes gütig weglächelt, ist nun alles anders. Erstens wollen wir nicht von atemmaskierten Horden in Einweghandschuhen
zusammengeschlagen werden. Zweitens wäre es in dieser harten Zeit unhöflich, anderen die Seuche anzuhängen, und sei es nur ein profanes Rhinovirus. Also haben wir uns in den Superlockdown begeben und den Kontakt zu allem abgebrochen, was eine Wirbelsäule hat.
Schade. Heute wäre der Brecht gemäss Plan bei seiner Freundin gewesen, und wir hätten während Beebers‘ Schläfchen ordentlich was weghomeofficen können. Stattdessen homeschoolen wir uns nun einen Wolf. Vormittags Biologie – zwei Stunden lang Händewaschen; nachmittags Werken – wir nageln Türen und Fenster zu.
Corona-TagebuchDurch Homeschooling und Homeoffice sind sich Eltern und Kinder zurzeit so nahe wie nie. Im Mamablog berichten wir von Montag bis Freitag um 17 Uhr vom ganz normalen Wahnsinn aus dem Lockdown: von Kindern, Schule, Arbeit, Patchwork, Beziehungen, Social Distancing und kleinen Errungenschaften im neuen Alltag. Den nächsten Eintrag von Markus Tschannen lesen Sie am kommenden Dienstag. Bleiben Sie gesund!
11 Kommentare zu «Erkältung im Lockdown»
Der Text ist sehr witzig geschrieben.
Aber das Problem ist doch: solange viele Mitbürger denken, ihre Atemwegssymptome können keinesfalls vom Coronavirus sein und so gar nicht verstehen, dass man/frau sich vorübergehend nicht mehr mit ihnen treffen möchte, solange müssen die Kontaktbeschränkungen wohl aufrecht erhalten werden.
(Alleine in diesem Blog sind es immer hin schon 4 Leute, die mit sicherer Hand und offenbar rein klinisch bei sich oder ihren Kindern eine SARS-CoV2-Infektion ausschliessen können)
Insofern werden unsere Einschränkungen noch eine Weile dauern müssen und für Ostern würde der Bund wohl am Besten eine Ausgangssperre verhängen.
Mein Bub hatte einen harmlosen, aber sich übel anhörenden Husten, kurz vor dem Lockdown.
Was ist passiert? Mami von den Gspänli bekam Panik. Und ihre Kinder sind seit dem nicht mehr gesehen. Sie telefonieren nicht einmal mehr miteinander. Die armen Kinder dürfen nicht mal an die frische Luft. Obwohl bei uns das draussen ziemlich menschenleer ist.
Mami von Nachbarsbub bot einen Tag vorm Lockdown noch an, Kinder könnten immer zu ihnen kommen. Doch seit der Bundesrat gesprochen hat, haben sie sich total abgeschottet.
Fazit: Woche 3 ohne jeglichen Kontakt zu anderen Kindern.
Zum Glück geht es uns trotzdem gut.
der haken ist halt, dass „harmloser husten kurz vor dem lockdown“ selbst ohne typische symptome eine corona-infektion gewesen sein könnte. man weiss das alles einfach nicht gut genug. geht und übrigens auch so, und überhaupt huste ich üblicherweise zwischen november und juni durchgehend mehr oder weniger – nur dieses jahr habe ich gelernt, dass man sich hustenreiz verklemmen kann. ERNSTHAFT. bleibt die laufende nase. aber pollenallergie kann ja jeder sagen….
@RoXY: Unsere Kinder sind fleissig im Kontakt mit ihren Freunden, allerdings nur über Videokanäle. Aber das funktioniert eigentlich ganz gut.
Das gewünschte gemeinsame Fussball- oder Unihockey spielen haben wir aber auch verboten, auch wenn sicher nur Pass spielen auf Distanz gemeint war.
Hoffentlich geht das bald wieder!
Sehr geehrter Herr Tschannen
Ich empfehle Ihnen, die Tipps vom gestrigen Mamablog: wenn Sie morgens eine Stunde spörteln, danach kalt duschen und ca. 20-30 Minuten meditieren, dann schaffen Sie das auch mit dem Home-Office ganz locker. Zumindest habe ich das so verstanden.
Sollten Sie vielleicht auch probieren, dann wären Sie etwas entspannter…:-).
Was andere weghüsteln oder gütig weglächeln generiert uns mindestens 10 Tage Ausnahmezustand. Unser Kind ist bei simplen Erkältungen mehr krank als das Durchschnittskind bei der richtigen Grippe, durchgeschriehene Nächte inklusiv. Wir haben in mancher Krankheitswoche in einer Woche weniger geschlafen als normalerweise in einer Nacht. Dass wir jedes mal auch selber krank werden erstaunt da auch nicht allzu gross. Wenn ich mir etwas aus der Corona-Krise erhoffe, dann dass künftig die hustenden und schnudernden Kinder ein bisschen grosszügiger zu Hause behalten werden. Mag sein, dass es dem dauerniessenden Kind mit triefender Nase ganz gut geht und es problemlos in die Spielgruppe könnte, aber vielleicht behalten wir uns den Solidaritätsgedanken noch etwas bei?
Ja, ganz allgemein liessen sich ein paar Regeln beibehalten. Von mir aus müssen wir auch das Händeschütteln gar nicht wieder einführen.
Die verlangte Solidarität bei kranken Kindern wird etwas durch die fliessenden Grenzen erschwert. Mein Kind zum Beispiel ist nie wirklich krank, hat aber den ganzen Winter Schnupfensymptome und wenn es einmal kurz Husten hatte, hustet es noch mindestens zwei Monate nach.
Ja ich weiss, dass es vielen so geht, aber ihr harmlos hustendes Kind generiert meinem (und der ganzen Familie damit) eine bis zwei Wochen richtig fest krank zu sein. Dann können wir einmal irgendwo hin, wo es garantiert wieder ein harmlos hustendes Kind hat und der Spass fängt von vorne an. Wir isolieren uns über den Winter auch in Nicht Corona Zeiten, aber mit zunehmendem Alter der Kinder wird das schwieriger. Wenn alle krank zu Hause bleiben würden, wären alle Kinder insgesamt weniger krank. Für die harmlos hustenden bedeutet dies zwischendurch eine Einschränkung, für die anfälligen wäre es eine riesen Erleichterung. Vielleicht finden wir uns in der Mitte?
Wie schön bin ich nicht die einzige Person mit profanem Rhinovirus. Nase läuft als ob sie Bersets Marathon alleine machen will, aber sonst nichts. Kein Fieber, kein Husten, kein Halsweh. Aber wehe man geht mit so einer Nase in einen Laden. Daher auch für mich. Wohnung hüten, glücklicherweise in meinem Fall ohne (Klein)Kinder.
Gute Besserung allen Tschannens – und natürlich allen kranken Mitlesern!
Vielen Dank und ebenfalls gute Besserung.