Hören wir auf, unsere Kinder zu vergleichen

Kaum ein Gespräch zwischen Eltern ist so verkrampft wie das über die Entwicklung der Kinder. Warum eigentlich?

Vergleichen ja, aber ohne Druck! Eltern sollten sich beim Kinderbeobachten mehr Spass gönnen. Foto: iStock

Sie sind ihr bestimmt auch schon begegnet. Jener Mutter, deren Kind alles, aber auch wirklich alles immer mindestens einen Monat früher gekonnt hat als Ihres. Zumindest wenn man den Erzählungen glaubt.

Dieses Kind, sage ich Ihnen, ist wirklich erstaunlich. Die ersten Zähne hatte es schon bei der Geburt, und wie es so in die Welt lächelte, setzte es sich aufrecht hin. Kaum aufgestanden – natürlich bei weitem kein Jahr alt –, artikulierte es seine Wünsche. Das erste Wort: nicht «Mama». Nein, nein, das war diesem geballten Potenzial in Windeln viel zu banal.

Die Dialog-Vergifter

Sicher, man braucht sich diese Mutter, die manchmal auch ein Vater ist, nicht zur besten Freundin zu machen. Und wenn zwei Eltern dieses Typus an einer Party aufeinanderstossen, sucht man besser das Weite. Das Problem, das diese Leute, und nicht nur sie, in die Welt setzen, wird man damit aber nicht ganz los. Sie vergiften den Dialog unter Eltern. Das ist mir
spätestens aufgefallen, als sich unser Kleiner das erste Mal gedreht hatte. Er war damals etwa dreieinhalb Monate alt, also eher früh dran. Wir sassen auf dem Sofa und beobachteten ihn, wie er auf der Decke liegend mit ganzer Kraft seinen Körper gegen alle Widerstände drehte. Und wie er da plötzlich ganz überrascht und voller Stolz auf dem Bauch lag, hätten wir fast geweint.

Zu alt für einen Nuggi? Keine Ahnung! Foto: Flickr/Juhan Sonin

Es war ein emotionaler Moment, den ich mit meinem Umfeld teilen wollte. Doch darüber zu reden, war mir irgendwie peinlich. Man sollte ja nicht meinen, ich hielte meinen Sohn für etwas Besseres oder wollte mich brüsten. Ich probierte es also mit Ironie: «Wenn das so weitergeht, melden wir ihn an der Purzel-Universität an.» Und ich redete umständlich von allem, was er nicht kann. Dann kam der erste Zahn, auch eher früh, und die Geschichte ging von vorne los. Ein spontanes Gespräch über die kindliche Entwicklung ist so nicht möglich.

Einreihen ins Mittelmass

Dass wir Informationen über andere Kinder immer auch auf unsere eigenen beziehen, ist logisch. So funktioniert jedes Verstehen. Die Frage ist nur, warum das unter einem solchen Druck passiert. Am Ende, das wissen wir eigentlich, reihen wir uns fast alle ein ins Meer des Mittelmasses. Jede kann etwas, jeder ist irgendworin ein Versager. Die Klügsten sind nicht die Erfolgreichsten in der Gesellschaft, Schulversager werden Millionäre, ehemalige Top-Studenten arbeitslos. Und worin bemisst sich die Qualität des Lebens eigentlich? Geld, Glück, Lebensjahre?

Wir wissen das und projizieren trotzdem den globalen Wettbewerb, dem wir selbst ausgesetzt sind, auf die Entwicklung unserer Kinder. Wir lassen uns anstecken von Geschäftemachern, von Krippen, wo Kleinkinder Mandarin lernen sollen, von einer wuchernden Ratgeberliteratur. Dabei sind es nicht einmal nur die autoritären Erziehungsstile wie das «Tiger-Parenting», die das zwanghafte Vergleichen der Kinder anheizen. Auch mit neuen antiautoritären Ansätzen involvieren sich Eltern voller Elan in einen Prozess, der eigentlich von selbst abläuft.

Schlafen, trinken, kacken – und gut ist!

Wenn ich mich in meinem Bekanntenkreis umschaue, sind es vor allem Eltern mit drei und mehr Kindern, denen es gelingt, die Entwicklung ihrer Kinder entspannter und mit mehr Grundvertrauen mitanzuschauen. Kinder brauchen Liebe, Aufmerksamkeit und ein Umfeld, in dem sie eigene Erfahrungen machen können. Dann ergibt sich der Rest – und zwar in dem Tempo, in dem er sich eben ergibt.

Junge Eltern mit nur einem Kind muss man gelegentlich auf den Boden dieser Tatsache zurückholen. So wie es ein befreundeter Kinderarzt neulich getan hat, als ihn ein Paar fragte, wie man denn die viermonatige Tochter jetzt fördern könne. «Ihr Kind muss schlafen, trinken und kacken. Wenn das klappt, ist mal gut.»

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34 Kommentare zu «Hören wir auf, unsere Kinder zu vergleichen»

  • Marianne Kaufmann sagt:

    Es ist das Wort „nur“ welches mir in diesem Text sauer aufstösst. Warum werden Einzelkinder immer im Zusammenhang mit „nur“ erwähnt? ‚Eltern mit „nur“ einem Kind‘ oder ‚du hast ja „nur“ ein Kind‘, oder sogar die Eltern selbst die ihr Kind als „nur“ bezeichnen. Für mich klingt das als wäre ein Kind nicht gut genug, als würde da noch etwas fehlen um „es“ komplett zu machen. Ich habe bewusst ein Kind und ich bin happy genau so wie es ist. Ich persönlich würde mich freuen wenn das Wort „nur“ (sicherlich in den meisten Fällen ganz und gar ohne bösen Hintergedanken) im Zusammenhang mit einem Kind, und vorallem auch im Beisein des Kindes, etwas vorsichtiger gewählt werden würde.

  • Cybot sagt:

    Der Titel führt in die falsche Richtung. Das Problem ist nicht das Vergleichen, sondern was man daraus macht. Ich vergleiche mein Kind auch gern mit anderen, aber nicht um eines als besser darzustellen als das andere, sondern einfach weil es spannend ist, zu sehen, wie unterschiedlich sich Kinder entwickeln. Vergleichen ist nichts Schlechtes, das Problem ist das Beurteilen.

  • Maike sagt:

    Wer so eine Frage stellt, scheint noch nicht im realen Leben angekommen zu sein. Vergleiche dieser Art um sich besser hinzustellen als der andere macht man ab dem Zeitpunkt, ab dem man sich bewusst wird, das man das über Vergleiche erreichen kann.
    Wenn die Schaufel im Kindergarten bunter ist als die des Gegenüber, man in der Schule den schöneren Ranzen besitzt, in der Jugend die schönere Freundin / Freund hat, mehr Partner flach gelegt hat, Fan des besseren Vereins ist, das grössere Haus als der Arbeitskollege hat, das bessere, schnellere Auto fährt, die weiteren Reisen gemacht hat, das exotischere Essen gegessen hat etc.
    Und wenn Kinder da sind, dann nimmt man sie halt mit in die Vergleiche rein.
    Ist zwar eine ganz peinliche Nummer insgesamt, wird aber trotzdem gerne gemacht.

  • Wortkarg sagt:

    Naja, irgendwie wenig glaubwürdig, wenn die Autorin selber den Zeitpunkt von Entwicklungsschüben ihres Kindes als „eher früh“ bezeichnet. Ein bisschen reiht sie sich so gar bei den anderen ein – einfach auf einem anderen Niveau, nämlich gleichzeitig als deren Richterin.

  • Sarah sagt:

    Wenn mich (w,kinderfrei) Eltern mit langweiligem Gelaber ueber ihre Kinder nerven wechsle ich das Thema,entweder zu Politik oder Eishockey. Hilft immer!

    • Tamar von Siebenthal sagt:

      Nun ja; viele Kinderlose nerven sich ob dem Umstand, dass Kinder für die eigenen Eltern den Mittelpunkt ihres Lebens sind, während jene Kindersosen von sich selber denken, sie wären der Nabel der Welt.

      Eine meiner besten Freundin ist kinderlos, hatte zum Glück nie Interesse am Windelinhalt meiner Kinder und trotzdem wäre ich ohne sie in meiner schwersten Zeit ganz schön am A… gewesen. Es gibt zum Glück auch Leute ohne Kinder, die sich nicht am nächsten sind und alles andere als langweilig abtun, was sich nicht um sie und ihre Interessen dreht.

  • ThaMa sagt:

    Mein Sohn ist eher ein Spätzünder und ist erst mit knapp 2 Jahren gelaufen etc. Es ist sehr schwierig keine Vergleiche zu machen, vor allem wenn man viele Freunde hat mit etwa gleichaltrigen Kindern.
    Ich hatte zum Glück einen entspannten Kinderarzt und auch mein Mann, der die Sachen nicht so eng sah (like father like son :-)).

  • Martina Siegenthaler sagt:

    Habe den Artikel mit Interesse gelesen und bin nach gemachten Erfahrungen mit unseren beiden Kindern (sie sind längst erwachsen) eigentlich froh, dies hinter mir zu haben. Fehlanzeige: Nun sind es allzu oft die Grosseltern, die sich mit ihren schönsten, besten und hochbegabtesten Enkeln brüsten, uns ungefragt das Handy mit Bildern unter die Nase halten und uns zusätzlich Videos mit Geige kratzenden und falsch singenden Nachkommen zumuten. Nachsichtig und dem Anstand angemessen muss man da wohl durch. Offensichtlich geht Arterhaltung einher mit der Produktion von Gesprächsthemen. Nun denn, mögen die Wunderkinder Konjunktur haben!

  • Sonusfaber sagt:

    So ist halt der Mensch: voller Eitelkeit! Er muss sich immer profilieren, seine Einzigartigkeit in einem fort hervorheben. Sei es direkt (z. B. ich verdiene mehr als du) oder indirekt (z. B. mein Kind ist der Klassenbeste). Vergleiche, die darauf abzielen, das eigene Ich vorteilhaft in Szene zu setzen, sind hässlich und zum Fremdschämen – und doch allgegenwärtig!

    • Reincarnation of XY sagt:

      ich würde widersprechen. ich glaube nicht, dass wir den Menschen so negativ sehen sollten, wie das u.a. die Bibel tut. „Eitelkeit“

      Ein tieferes Bedürfnis des Menschen ist das Zugehörigkeitsgefühl. Der Homo Sapiens hat gelernt, dass er alleine nicht bestehen kann. er braucht die Gruppe.
      Wer sich als Bester profilieren will, ist von einem Minderwertigkeitskomplex getrieben, darum versucht er krampfhaft seinen Wert in den Vordergrund zu stellen.

      Aber schauen sie Sonus. Zumindest hier in CH. Ist es weit mehr verbreitet sich im Understatement zu üben, wie eben im Blog beschrieben. Und auch dieses Verhalten lässt sich mit dem Bedürfnis nach Zugehörigkeit erklären. Man macht ein Understatement um zu vermeiden, bei den anderen schlecht anzukommen.

      • Sonusfaber sagt:

        Ja, wir Schweizer sind Meister in der Kunst des Understatement, da stimme ich Ihnen zu, wobei diese (eine gute Portion Intelligenz voraussetzende) Fähigkeit auch hierzulande am Verkümmern ist, scheint mir.

        Und doch auch im Understatement schwingt (elegant getarnte) Eitelkeit mit. Ich jedenfalls sehe es so – wohl etwas düster als Sie … 🙂

        Andererseits speist sich auch das Understatement von Vergleichen – oder? In etwa: Nein, echt, mein Kind ist durchaus durschnittlich, nicht zu vergleichen mit dem der Nachbarin …

        Ferner: Lesen sie zum Beispiel das „Porträt von Lydia“ von Lukas Hartmann über das tragische Leben von Alfred Eschers Tochter: Schon damals haben Neid und Missgunst Teile der Schweiz beherrscht, durchdrungen, deren Existenz ohne Vergleiche unmöglich wäre.

      • Reincarnation of XY sagt:

        natürlich ist das Vergleichen, Neid und Missgunst weit verbreitet und sehr schädlich.
        Natürlich hat es etwas mit unserer Gesellschaftsordnung und mit unserem Wertesystem zu tun.

        Die Frage aber , die uns weiterbringt, muss m.E. tiefer gehen: WARUM? Warum verfällt der Mensch so leicht in (selbst)schädigendes Verhalten?

        Ist es, weil er „böse“/“verkehrt“ ist? (Eitelkeit, ….)
        Oder gibt es einen anderen Grund?

        Buchtipp zu diesem Thema: „Du musst nicht von allen gemocht werden“ Ichiro Kishimi
        Alfred Adler hatte erfrischend andere Ansichten als Sigmund Freud.
        Und viele neuere Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung bestätigen ihn.

      • Maike sagt:

        Was soll daran selbstschädlich sein, wenn ich mich als Porschebesitzer mit jemanden vergleiche, der nur eine alte Klapperkiste fährt und mich dadurch besser fühle ??
        Ich denke mal, das unser Vergleichen aus dem Tierreich abgeleitet ist. Dort wählt das Weibchen den Mann mit dem bunteren Gefieder aus – beispielsweise. Oder den, der das bessere Nest gebaut hat.
        Da machen die Vergleiche noch Sinn. Der Mensch hat dieses Vergleichen beibehalten, nur nutzt er es jetzt sinnentfremdet.

  • sonic sagt:

    Beim Kindervergleichen geht es ja auch darum, abzuschätzen, ob sich ein Kind gesund entwickelt. Eine Kinderärztin macht ja im Prinzip nichts anderes. Wenn sich Abweichungen von der Norm zeigen, muss man genauer hinschauen. Ich finde es deshalb verständlich, wenn man seine Kinder mit anderen vergleicht und sich freut, wenn es etwas neues kann. Darüber, ob und wie man das kundtut, kann man sich natürtlich streiten..

    • Sonusfaber sagt:

      Quatsch! Ein Artz stellt keine Vergleiche an, um sein Ich hervorzuheben – viele von uns tun es aber im Alltag. Es gibt insofern Vergleiche und Vergleiche – manche nötig (die des Artzes), die meisten hingegen völlig daneben.

      • sonic sagt:

        Was ist jetzt genau Quatsch? Ich glaube nicht, dass alle Eltern Vergleiche anstellen, um ihr Ego zu boosten. Mein Kind hat Legasthenie. Wenn ich nie mit anderen verglichen hätte, wäre das wohl noch lange nicht diagnostiziert worden. Wenn ich beim anderen Kind sehe, dass es bereits früh dicke Bücher liest, bin ich beruhigt, das sagt mir, dass bei ihm alles ok ist. Was das mit meinem Ego zu tun hat, ist mir grad nicht klar. Ich sehe das umgekehrt: wenn man nie vergleicht, hat man eher das Gefühl, das eigene Kind sein das allerbeste und einzigartigste das es gibt, was subjektiv ja vielleicht so ist, objektiv natürlich eher nicht..

  • 13 sagt:

    Ich höre immer wieder von diesen „Angebereltern“, aber im Alltag erlebe ich viel mehr genau das:
    „Es war ein emotionaler Moment, den ich mit meinem Umfeld teilen wollte. Doch darüber zu reden, war mir irgendwie peinlich. Man sollte ja nicht meinen, ich hielte meinen Sohn für etwas Besseres oder wollte mich brüsten.“
    was ich extrem schade finde. Sich über einen Entwicklungsschritt freuen, auch mal stolz sein auf das eigene Kind, diesen Stolz und Freude teilen, das alles muss doch Platz haben. Es ist ein spezieller Moment für alle Eltern, wenn das Kind die ersten Schritte macht. Ob mit 10 oder 18 Monaten ist letztlich egal, aber man darf sich freuen. Ich bin sogar für mehr Freude, mehr Stolz. Am schlimmsten finde ich die Eltern, die kein gutes Wort über ihr eigenes Kind verlieren.

    • Rahel Umbach sagt:

      Danke, sehr guter Kommentar. Die allerallermeisten Mütter haben einfach nur Freude und wollen sie mit jemandem teilen. Alles andere passiert in den Köpfen der Empfängerinnen.

      • Reincarnation of XY sagt:

        Sehr richtig 13
        Die Wahrheit ist doch vielmehr, dass wir uns nicht trauen einfach frei von der Leber weg zu reden, weil uns so wichtig ist, dass die anderen ja nicht denken, dass wir…
        Typisch schweizerisch: nur nicht negativ auffallen, besser noch ein Understatement drauf setzen.
        Dann schauen wir amerikanische Serien, wo pointiert solche Prahl-Eltern dargestellt werden und dann bilden wir uns kollektiv ein, das wäre auch unsere Alltagsrealität: überall gäbe es solche Prahl-Wettbewerbsgespräche.
        Aber das ist nicht der Alltag hierzulande.
        Vielmehr eben genau diese beschriebene Angst, die Sie zitieren. Das sich Verbiegen, um allen zu gefallen.
        Also Stopp. Aufhören. Freude mitteilen. Und falls sich jemand tatsächlich daran stören sollte: … Sch….egal!

      • tststs sagt:

        Ich möchte niemandem Gefühle vorschreiben, aber Stolz? Wegen oder auf was?
        Freude auf jeden Fall!
        Und was ich hier noch vermisse: Dankbarkeit/Demut.

      • Reincarnation of XY sagt:

        tststs – ich muss ihnen sagen, dass Elternstolz ein ganz urtümliches Gefühl ist. Es ist so natürlich, es kommt sozusagen ab der Sekunde mit der Geburt.
        Man ist so unglaublich Stolz auf sein eigen Fleisch und Blut. Aber das ist mal grundsätzlich überhaupt nicht negativ oder wertend.
        Es ist wohl eher evolutionär so entwickelt, um dem total hilflosen Baby das Überleben zu sichern.
        Darum ist es auch falsch, diesen Elternstolz ständig in ein schlechtes Licht zu zerren. Wir sollten nur die negativen Auswüchse kritisch betrachten.

      • tststs sagt:

        „Elternstolz“, cooler Begriff, damit kann ich was anfangen. Thanks!

      • 13 sagt:

        @ tststs
        Was soll denn an Stolz falsch sein? Ich finde es oftmals so widersprüchlich, dass wir einerseits immer wieder sehr hohe Ansprüche an unsere Kinder stellen (Eltern, Gesellschaft, Schule) aber andererseits, wenn sie sie dann erreichen oder gar übertreffen, dann gilt jede Gefühlsregung, welche über ein zur Kenntnis nehmen, als verpönt.
        Demut? Ernsthaft? Ich halte diese übertriebene Bescheidenheit nicht immer für eine Tugend, im Gegenteil.

      • tststs sagt:

        @13 Stolz ist man auf eigene Leistungen oder Besitz. Da ein Fortschritt streng genommen nicht die Leistung der Eltern und Kinder schon gar nicht deren Besitz, finde ich den Begriff „stolz“ etwas komisch. Wie gesagt, ich finde den Begriff „Elternstolz“ gut, drückt es doch diese urtümliche Gefühl, das RoXY beschreibt, aus, nimmt aber Abstand von der eigentlichen Bedeutung.
        „Ich halte diese übertriebene Bescheidenheit…“, Demut ist eben gerade nicht Bescheidenheit!

      • Reincarnation of XY sagt:

        Yes! Eine Diskussion um Begrifflichkeiten und Interpretationen.
        So kommen wir weiter, wenn beide Seiten versuchen die Sichtweise des anderen zu verstehen.

        13 – natürlich können wir stolz sein (und sind es auch!), wenn unser Kind etwas Ausserordentliches leistet.
        Aber das führt uns zu dem schädlichen „Leistungsdenken“ = mein Wert wird über meine Leistung definiert. Wir sollten dem Kind vermitteln, für es wertvoll ist, für das was es ist.
        Als Baby konnte es nichts leisten, aber ich war unglaublich stolz und dankbar für dieses Wesen, für es, wie es ist. Unabhängig davon, was es leistet oder kann.

        tststs – Eltern neigen dazu ihre Kinder als Besitz-erweitertes Ich anzusehen. Manchmal sind deren Fortschritte tatsächlich den (übergriffigen) Bemühungen der Eltern zuzuschreiben.

      • 13 sagt:

        @ tststs
        In einer Familie etc. ist aber fast jede Leistung eines einzelnen auch eine gemeinsame Leistung. Man unterstützt einander und hält einander den Rücken frei. Waren sie nicht stolz auf Ihren Partner, einen Schüler oder eine Freundin?

        @ Roxy
        Stolz ist mit Leistung verbunden, eine Anerkennung dieser Leistung, das ist richtig. Aber mit dem Wert eines Menschen hat das nichts zu tun. Meine Jüngste stand mit 6 Monaten auf. Und ich war stolz auf sie. Meine Älteste lag bis 8 Monate auf den Rücken und drehte sich maximal alle paar Tage einmal. Sie war doch deshalb nicht weniger wertvoll. Und ich liebte sie nicht weniger als die Kleine.

      • Martin Frey sagt:

        Um den Ball von tststs aufzunehmen: ich finde auch dass der Begriff „Stolz“ für eine wie auch immer geartete Eigenleistung reserviert wäre. In dem Kontext kann ich mit dem Nationalstolz unzähliger Menschen nichts anfangen: Welchen Anteil habe ich an meiner Geburt, an meiner Nationalität? Keinen! Was habe ich dazu beigetragen? Wenig-nichts.
        Ich kann zufrieden sein, wenn mein Land vieles gut auf die Reihe kriegt, ich kann mich enorm freuen über ein Fussballresultat. Aber diese Freude ist nicht mit einer Eigenleistung verbunden, nur um den Bogen zur Kindererziehung zu schlagen. Ich freue mich über Leistungen und jubiliere teils mit Fortschritten meines Nachwuchses, aber ist das Stolz? Selbst wenn ich es gerne erzähle?
        Mein Nachwuchs soll stolz sein, nicht ich. Ich freue mich mit.

      • Tamar von Siebenthal sagt:

        Was an Stolz falsch ist, verstehe ich nicht. Ich bin stolz auf meinen Kleinen, wie er sich trotz schlechter Diagnose ins Leben zurückgekämpft hat und dass er trotz widriger Umstände sein sonniges Wesen behalten hat. Und ich bin stolz auf meinen Grossen, der mit Bestnote der Berufsschule seine Lehre abgeschlossen hat, wo es doch sogar in meiner eigenen „Familie“ Leute gab, welche auf seinen Absturz richtig gewartet und spekuliert haben. Ich als alleinerziehendes Mami in Armut habe geschafft, worin sie selber versagt haben, obwohl sie vor Geld stinken und Mittel zur Verfügung gehabt hätten, das „Versagen“ ihrer eigenen Kinder zu verhindern.

        Reichtum ersetzt halt keine Liebe, Fürsorge, Zuspruch und Zuwendung….

  • Rolf Rothacher sagt:

    Es ist eher umgekehrt. Wir stellen unsere Kinder nicht „in einen globalen Vergleich“, sondern wir Menschen stellen ALLES in einen Vergleich. Und je nachdem, wie unsere vier Charaktereigenschaften/Triebfedern ausgebildet sind (Stolz, Suche nach Anerkennung, Können/Wissen, Würde) gibt man mit dem Spössling etwas mehr an oder weniger. Das ist völlig menschlich und auch kein Problem, sobald man erkannt hat, dass ein Mensch nun mal sehr stolz sein kann oder er sehr nach Anerkennung giert. Sie Lobpreisen den eigenen Nachwuchs einzig, um andere Eltern auszustechen oder sich selber in den Vordergrund zu spielen.
    Wer die vier Triebfedern des Menschen versteht, kann sogar auf die lauten Eltern eingehen. Mit einem Schmunzeln im Gesicht.

  • seidenspinner sagt:

    Und warum genau sollten Eltern mit ’nur‘ einem Kind diese Differenzierung nicht vornehmen können?

  • Sophie sagt:

    Mit den Vergleichsnormen, wie z.B. „eher früh“ etc. zeigt die Autorin, dass sie genau mit diesen Worten das Kind bereits in einen Kontext setzt. Warum kann man das Verhalten nicht bloss beobachten und wenn dann mit Sätzen, wie „du hast dich gedreht, jetzt bist du sehr überrascht!“ beschreiben und gut ist?!

    • Rolf Rothacher sagt:

      Weil der Mensch nun mal alles in einen Vergleich setzen muss, damit er ihn einordnen kann. Und Eltern sind immer besorgt um ihren Nachwuchs, ob er innerhalb der Normen wächst, sie bewegt, zu sprechen beginnt usw. Sie haben nun mal die Verantwortung fürs „Gedeihen“ des Nachwuchses.

  • L.T. sagt:

    Warum? Ich glaube, es ist sehr einfach: weil die meisten von uns einen kleinen Minderwertigkeitskomplexe mit sich rumtragen.

    Zeigt sich ja nicht nur wenn wir die „Leistungsdaten“ unserer Kinder vergleichen, sondern auch unsere Erziehungsstile (siehe Beitrag über Pupertät): hier die Super-Eltern die halt wissen wie es geht, dort diejenigen, welche im erziehungsmässig dunklen Tal wandeln und halt selber Schuld sind, wenn die Pubertät ihrer Kinder nicht reibungslos verläuft.

    Guter Text übrigens!

    • Rolf Rothacher sagt:

      Also wenn die Pubertät eines Kindes „reibungslos“ verläuft, dann würde ich mir als Eltern grosse Sorgen machen. Denn biologisches Ziel der Pubertät ist die Ablösung aus der Familie, da man sich den Partner ausserhalb der engsten Sippe suchen muss. Wenn diese Trennung ohne „Reibung“ möglich ist, dann fehlt es an Emotionen und damit an Empathie!

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