Gamen statt spielen?

Gut für die Motorik, oder? Bei der Mediennutzung die «richtigen» Regeln zu finden, ist gar nicht so einfach. Foto: iStock
«Chinesischer Säugling hackt Kundendaten einer amerikanischen Grossbank.» Zu dick aufgetragen? Okay, Fake News, frei erfunden. Trotzdem ist das Thema bei mir derzeit hochaktuell: Wie viel digitales Know-how braucht mein Kind?
Aber von vorne: Was in vielen Familien längst zur Standardausrüstung gehört, liegt nun also auch bei uns herum – wir haben jetzt ein iPad. Was daran speziell sein soll? Nun, es gab in meiner Kindheit genau zwei Dinge, die meinen Eltern partout nicht unters Dach kamen: Spielzeugwaffen und Gamekonsolen. Als Knirps war ich mässig begeistert von elterlichen Ansagen wie «Es gibt schon genug Gewalt auf der Welt» und «Computerspiele machen nervös und blöd». Und heute?
Übrigens: Fehlende Waffen liessen sich damals mit etwas Kreativität locker kompensieren. Zu meinen besten Zeiten konnte ich aus einer Scheibe Brot eine täuschend echt aussehende Walter PPK zurechtnagen – auf Wunsch mit Schalldämpfer. Damit habe ich dann beim Znacht auf die Katze gezielt. Spielkonsolen allerdings liessen sich nicht einfach so faken. Unser «Tetris» hiess «Jenga», unser «Zelda» war «Das verrückte Labyrinth». «Solitaire»? Funktionierte auch analog. Spielen statt gamen.
«Mario Kart» und die kindliche Motorik
Die erwähnten Argumente meiner Eltern bezüglich Gamekonsolen haben sich tief in meine Festplatte eingebrannt. Heisst: Ich habe mich jahrelang vor dem Tag gefürchtet, an dem auch in unserem Haushalt gezockt wird. Denn der springende Punkt ist, so meine grundsätzliche Meinung, dass meine Eltern im Kern ihrer Überzeugung richtiglagen. Und wer will schon, dass die eigenen Kinder nervös werden und verblöden? Sie etwa?
Unser Junior wurde letzten Herbst möglicherweise etwas nervös. Denn er war im Digitalunterricht einer der wenigen, die nicht wussten, wie man ein Tablet in Betrieb nimmt. Klar, solche Geräte sind aus dem Schulalltag nicht mehr wegzuklicken, und das ist in Ordnung so. Denn kann es – «gopfergigabyte» – sein, dass chinesische Säuglinge Banken hacken und sich mein Erstklässler bereits am On-Off-Knopf die Zähne ausbeisst? Bisschen polemisch, ich weiss.
Nun haben wir also ein iPad. Junior hat rasch kapiert, wie dieser Scrollbrocken funktioniert. Gleichzeitig wurde mir klar, dass es nun Regeln, verbindliche Ansagen meinerseits braucht: «Ob iPhone oder iPad: ‹iBestimm›, wer, wann, was und wie lange daran rumfummelt.» Und: «Wir bestücken das Teil ausschliesslich mit pädagogisch wertvollen Lernspielen.» Okay, einige Tage später habe ich «Mario Kart» installiert. Gut für die Motorik, rede ich mir ein – seine und meine …
Die grösste innerfamiliäre Sicherheitslücke
Aus den anfänglich angesagten zehn Minuten gamen wurden ab und zu dreissig. Nageln Sie mich deswegen ruhig ans Kreuz der inkonsequenten Eltern – es hängen wohl schon einige dort. Ich kann Sie aber beruhigen, denn der erste Tablet-Hype ist schon weggewischt. Der Bub hat inzwischen ein neues Hobby entdeckt: Fingerskateboarden. Herrlich analog, herrlich spektakulär. Definitiv gut für die Motorik. Aber wie wärs mit beidem, spielen und zwischendurch gamen?
Die Sorge, dass aus Junior flugs ein bleicher Dreikäse-Nerd wird, hat sich also nicht bestätigt. Und es ist ja auch nicht das Gerät, das die Kids reihenweise nervös macht. Die grösste innerfamiliäre Sicherheitslücke sind wir Eltern. Aber solange die geistige Firewall von uns Aufsichtspflichtigen regelmässig upgedatet wird, hat beides in einem akzeptablen Rahmen Platz: spielen und gamen. Das eine tun, das andere hin und wieder nicht lassen. Vielleicht ist genau das die wichtigste Regel.
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15 Kommentare zu «Gamen statt spielen?»
Ich durfte als Kind regelmässig gamen. Habe auch einen PC erhalten. Habe dann den PC auseinandergenommen, aufgerüstet und jahrelang neue PCs für Familie und Bekannte gebaut. Habe leicht programmiert und das Aufkommen des Internets miterlebt. In diesen Jahren habe ich mir so viel IT-Wissen angeeignet, dass ich heute, obwohl ich kein ITler bin, mit deren Zunft im Büro fachsimpeln kann. So komme ich in Projekten rasch weiter und kann die Führung derselben problemlos übernehmen. Hätte ich keinen Zugang zu PCs, Games, etc. bekommen, wäre ich heute wohl so inkompetent in dieser Thematik wie fast alle Schweizer. Nur 100% Games, eher nicht, aber Games + Technik + IT = Win
Wenn die Eltern aber nix darüber wissen, wirds natürlich schwierig dem Kind etwas sinnvolles darüber beizubringen.
Wie der Autor musste als Kind auf’s gamen verzichten ?? Jede Generation hatte doch seine Art der Spiele. Mit meiner Schwester habe ich ausgiebig mit Barbiepuppen gespielt. Die Jungs aus meiner Bekanntschaft waren Experten mit Lego und mit dem Märklin Baukasten. Mein Vater / meine Mutter hatten davin nichts. Denen reichte es, wenn sie einen Kreisel über die Strasse getrieben haben.
Spielen – warum muss man es übrigens gamen nennen ?? – heute ist eben anders. Da gibt es eine ganze Menge an PC Spielen, die man alleine und auch zusammen spielen kann. An uns Eltern liegt es jetzt, den Kids zu zeigen, das auch die alte Arte des Spielens interessant sein kann. Sich physisch mit seinem Gegener auseinander zu setzten, ist schwieriger, als es über einen PC zu machen. Und schult mehr.
Warum eigentlich immer wieder diese gehässige und beleidigende Ton in diesen Kommentaren?
Ich finde es schade, dass Leute, die sich und ihre Gedanken in diesen Blogs zeigen, immer wieder be- und verurteilt werden, statt dass das aufgeworfene Thema diskutiert wird.
Grundgütiger, ein iPad ist keine Spielkonsole. Lasst eure Kinder wenn schon an richtigen Gamekonsolen spielen. Mario Kart spielt man auf der Nintendo Switch, da ist es erstens um Welten besser, zweitens zahlt man dann nur einmal für das Spiel und drittens kann man dann auch richtige Knöpfe drucken. Aber wenn der Autor halt schon selber keine Erfahrung hat…
Genau das habe ich auch gedacht 😉
Noch geiler finde ich fast, Gaming-Skills mit „Digitalem Know-How“ gleichzusetzen !!! Digitales Knowhow ist nicht Spiele spielen, sondern Spiele programmieren!
Wieder so ein „ach wir und unsere Kinder sind schon was Besonderes.“
Ein klein wenig Inkonsequenz zugeben, man ist ja schliesslich menschlich und hipp. Und dann jegliche Fakten ignorieren….Kinder, Jugendliche und Erwachsene sind anfällig für Mediensucht. Aber natürlich nicht die von Bergens. Die sind etwas ganz Besonderes.
Anfällig sein heisst noch lange nicht, dass jeder damit ein Problem hat. Wie immer meinen bei solchen Themen primär jene, die selber nicht damit umgehen können, dass das natürlich auf alle anderen zutreffen muss. Denn man ist selber ja so etwas ganz Besonderes, da kann es gar nicht sein, dass all die anderen Deppen etwas besser im Griff haben..
Und dann noch etwas hipsterige Sprache dazu: „haben sich tief in meine Festplatte eingebrannt“, die in sich völlig unsinnig ist, garniert mit einem dieser properen iStock oder Getty-Bildern: voila, das reicht schon für den Mamablog. Daddy Cool.
Holler/Meier
Vielleicht wären sie glücklichere und entspanntere Menschen, wenn sie in ihrer Kindheit mit ihren Eltern hätten Mario Kart spielen können.
@Jan Holler
Das ist ja genau das Kreative an diesem Beitrag, dass sich der Autor mit Begriffen aus der digitalen Welt ausgedrückt hat, wie “ geistige Firewall“ usw. Schwierig zu erkennen für alle Daddy Uncool.
Nicht alle die ein wenig vor der Konsole sitzen und zum Spass gamen, driften in die Spielsucht ab – ebenso wenig wie das Gros der Alkohol-trinkenden Gesellschaft zu Alkoholikern werden.
Ein wenig differenzierter betrachten wäre sicherlich nicht falsch. Auch unsere Tochter spielt ab und an an der Konsole und tut es damit ihrem Vater gleich. Wichtig dabei ist aber, dass andere Aktivitäten in der analogen Welt nicht dauerhaft ersetzt werden.
Ich behaupte mal, es gibt zwei Arten von Gamen. Etwas überspitz dargestellt:
a) der Social Gamer: Man trifft sich zuhauses bei jemandem mit Spielkonsole. Man spielt im Einer-Modus oder zu zweit gegeneinander oder gleich als ganze Gruppe. Diejenigen, die gerade nicht am gamen sind, beschäftigen sich anderweitig miteinander.
b) der Einzelkämpfer: ein Zimmer, ein PC, ein Gamer, ein Zwölferpack Red Bull, eine Rolle Rips und 1 kg Chips.
Während ich ersteres meinem Kind uneingeschränkt erlauben würde, ist zweiteres doch eher problematisch
es gibt noch die art von gamen, bei der man online mit freunden abmacht und zusammen spielt, aber jeder bei sich zuhause. meine söhne spielten häufig so, mit fremden in irgendwelchen anderen ländern, die mit der zeit freunde wurden, aber gleichzeitig auch mit freunden aus dem quartier. auch die brüder spielten jeder in seinem zimmer und sie hatten und haben wirklich grossen spass so. ich sah ein, dass das gar nicht „asozial spielen“ ist. übrigens auch ohne chips und redbull. sie spielten recht komplexe spiele (wie mir gamer in meinem alter erklärten. mir selber fehlt das gamer gen komplett), spielten im team, entwickelten strategien, lernten übrigens auch eine menge (ehrlich! und zwar geschichte). ich wills ja nicht schönreden, aber ich musste schon lernen, dass es nicht so schlimm ist
Es ist ja auch kein Entweder-Oder!
ich meinte damit, dass du irgendwie übersehen hast, dass man in einer gruppe mit freunden spielen kann, obwohl man allein im zimmer sitzt