«Influencer finde ich ein seltsames Wort»

Mavie Noelle hat auf Youtube 520’000 Abonnenten. Trotzdem will sie ein ganz normales Mädchen sein. Foto: PD
Fragte man einen Teenager in den Achtzigern nach seinem Idol, kam als Antwort womöglich ein erfolgreicher Sportler oder angesagter Sänger. Stellen Sie dieselbe Frage heutigen Jugendlichen, ist die Chance gross, dass der Name eines Influencers fällt: Umfragen haben ergeben, dass die Social-Media-Stars unter Jugendlichen mittlerweile beliebter sind als Schauspieler und Sportler.
Weshalb? Weil sie über Themen reden, welche die Jugendlichen beschäftigen. Und da sie selber im gleichen Alter sind wie ihre Zuschauer, wirken sie authentisch und nah.
Im Umfeld meiner Tochter sind momentan die Kanäle «Ilia’s Welt» und «Mavie Noelle» hoch im Kurs. Zwei blondhaarige Mädchen aus Deutschland, 13 beziehungsweise 12 Jahre alt, die sich dabei filmen, wie sie ihr Zimmer umdekorieren, Rollschuh fahren oder Kleider kaufen gehen. Klingt langweilig? Das sehen die Kinder anders: Ilia hat 186’000 Abonnenten, Mavie Noelle sogar 519’000.
Ziemlich viel Aufmerksamkeit für so junge Mädchen. Wie die wohl damit umgehen? Ich wollte das genauer wissen und habe bei Mavie Noelles Mutter nachgefragt.
Ihre erste Antwort war zurückhaltend, um nicht zu sagen leicht abweisend. Sie stehe dem Hype um die Kinder-Influencer sehr skeptisch gegenüber, sagte sie, Mavie werde hier in eine Schublade gesteckt, in die sie nicht gehöre: «Youtube ist schlicht und einfach ihr Hobby. Sie wird nicht als Star behandelt, und wir haben ein ganz normales Familienleben.» Damit das auch so bleibe, wolle sie ihren Namen nicht in der Zeitung lesen – dann rede sie gern mit mir.
Ihr habt 2015 mit Frisurenvideos auf Youtube angefangen. Wessen Idee war das?
Mutter: «Eigentlich wollte Mavies älterer Bruder damals einen Youtube-Kanal eröffnen, um seine Zaubertricks zu zeigen. Er traute sich aber doch nicht. Wir lagen ihm immer in den Ohren damit, weil wir die Idee gut fanden, da sagte er eines Tages «Macht ihr doch!». Also haben Mavie und ich uns gedacht, okay, lass uns ein Video hochladen.»
Und das ist gleich gut angekommen?
Mutter: «Ja. Und wir hatten Spass daran, Frisuren zu zeigen, also haben wir weitergemacht. Irgendwann wollte Mavie ein eigenes Video hochladen – so hat sich das weiterentwickelt.»
Unterdessen habt ihr 519’000 Abonnenten. Hättet ihr je damit gerechnet?
Mutter: «Niemals. Wir haben die ersten 100 Abonnenten noch abgefeiert wie Weihnachten und Ostern zusammen und sind gross essen gegangen damals.»
Mavie, du bist heute ein Idol vieler Mädchen. Wie fühlt sich das an?
Mavie Noelle: «Ich denke eigentlich nicht gross darüber nach. Es fällt mir erst auf, wenn mich jemand auf der Strasse anspricht. Das freut mich dann natürlich. Ausser wenn die Mädchen weinen, sobald sie mich sehen, das finde ich komisch.»
In der Schule behandeln Sie dich nicht anders, weil du eine Influencerin bist?
Mavie Noelle: «In der Grundschule sind meine Klassenkameraden sozusagen mit mir da reingewachsen, deshalb war das kein grosses Thema. Auf dem Gymnasium gab es die ersten Wochen schon Reaktionen, da wurde ich auch einmal um ein Autogramm gebeten, oder jemand wollte Fotos machen. Ich hab das aber nicht gemacht, weil ich in der Schule normal behandelt werden will. Influencer finde ich übrigens ein seltsames Wort.»
Weshalb?
Mavie Noelle: «Nun, ich will ja keinen beeinflussen. Die Leute gucken einfach gerne, was ich mache.»
Trotzdem hast du grossen Einfluss auf deine Fans: Zeigst du einen bestimmten Rucksack im Video, wollen die Zuschauer den auch haben.
Mavie Noelle: «Ich weiss, aber ist das so schlimm? Wenn eine Freundin etwas hat, das mir gefällt, möchte ich es ebenfalls kaufen. Für mich ist das dasselbe.»
Für einen Saugroboter würde sie keine Werbung machen: Youtube-Video von Mavie Noelle.
Ihr bekommt auch Produkte zur Verfügung gestellt von Firmen, damit Mavie diese vorstellt und somit Werbung dafür macht.
Mutter: «Wir sagen aber nur zu, wenn Mavie ein Produkt selber toll findet. Manchmal kommen auch Anfragen, die überhaupt keinen Sinn machen – was soll zum Beispiel ein Kind mit einem Saugroboter? So was lehne ich direkt ab – auch wenn ich den gut gebrauchen könnte.»
Wer sich online so exponiert, erntet auch Kritik und Hass. Wie geht ihr damit um?
Mutter: «Wer auf Instagram eine Hassbotschaft schickt, wird blockiert – ganz einfach.»
Youtube hat die Kommentarfunktion auf Kinderkanälen vor kurzem ganz deaktiviert. Hilft das?
Mutter: «Wir bedauern diesen Schritt. Auf Youtube gab es bei uns nur sehr wenige Hasskommentare. Und Mavie hat der Austausch mit den Fans in der Kommentarspalte immer viel bedeutet.»
Mindestens einmal pro Woche geht ein neues Video online. Das bedeutet viel Arbeit.
Mavie Noelle: «Nö, eigentlich nicht. Ich selber drehe die Videos ja nur, da bin ich in einer Stunde fertig, nur DIY-Videos sind etwas aufwendiger. Wenn es nach mir ginge, würde ich viel mehr Videos hochstellen, aber Mama hat keine Zeit, die alle zu schneiden.»
Was rät ihr Familien, deren Teenager sich auch als Youtuber versuchen wollen?
Mavie Noelle: «Einfach losfilmen! Man kann später ja immer noch entscheiden, ob man das Video hochladen will. Manchmal drehe ich auch nur aus Spass Videos mit meiner Freundin, die wir nie ins Netz stellen werden.»
Mutter: «Einen speziellen Rat habe ich nicht, den braucht es auch nicht. Youtube ist eine Freizeitbeschäftigung wie jede andere. Unsere Familie ist dabei auf jeden Fall unheimlich kreativ geworden. Und ich habe ein neues Hobby gefunden: das Videoschneiden.»
16 Kommentare zu ««Influencer finde ich ein seltsames Wort»»
„Influencer“ klingt fast wie „Influenza“, davon hält man am besten Abstand.
Voll sexistisch, dieser pinke Hintergrund. Und das Glitzerzeugs im Video. Da werden Mädchen, die eigentlich lieber Krieger spielen würden, in ein überholtes Schema gepresst.
Ja und die Erde ist ein seltsamer Planet…
1. Ich finde das Video herzig, erinnert mich wirklich an uns früher, als wir selber auf Radio/Fernsehsendung gemacht haben… 🙂
2. Prinzipiell finde ich dies ein sinnvolles Hobby, alleine schon wegen des Blickes hinter die Kulissen.
3. Ein paar kritische Punkte gibt es dennoch:
a) Ich würde meinem Kind nie erlaube, für irgendein Produkt Werbung zu machen.
b) Ehrlichkeit: Wenn man schon Werbung macht, dann dazu stehen, dass man eine Werbefigur, aka Influencer ist, und sich der Verantwortung auch bewusst sein (Eltern sind hier gemeint!)
c) Instagram?
d) Sind das wirklich Gelnägel?
Na ja, jeder Beruf ist ehrbar, solange es einen Bedarf dafür gibt.
Meine Jungs gucken sich auch You-Tuber an, zuerst wollten sie selbst Videos machen, aber war dann doch nicht so ihr Ding.
Aber klar hätte ich es ihnen erlaubt, wenn es wirklich ihr Ding gewesen wäre.
Wir moralisieren ständig (siehe Anh Toin). Aber ob ein Mensch anständig ist oder ob er seine Seele verkauft, hat weniger damit zu tun, was er macht, als vielmehr damit wer er ist.
Eltern sollten in der Erziehung und Wertevermittlung auf letzteres den Schwerpunkt setzen.
ich finde euch zu moralisierend heute.
Anh – nicht jeder Youtuber verkauft gleich sich selbst,
Klar gibt es solche, die den Ausverkauf ihres Privatlebens betreiben, wie wir aus von den Reality-Promis gewohnt sind.
Viele aber „verkaufen“ sich nicht mehr, wie jeder Gewerbetreibende oder Künstler.
Und tsts – nein, das muss nicht zwingend unehrlich sein. Ich habe (unfreiwillig) schon manche Stunden solcher Channels mitbekommen. Ich finde so ein radikales Urteil übertrieben. Es kann unehrlich sein oder werden, muss es aber nicht.
Ich würde meinem Kind erlauben ein Produkt zu verkaufen, aber nicht, sich selber zum Produkt zu machen.
Das ist das gefährliche daran.
„Ehrlichkeit“, dafür ist kein Platz, weder in der Werbung noch im Internet!
Ein Produkt zu verkaufen (aka Kinderflohmi) würde ich meinem Kind auch erlauben; ich sprach von „ein Produkt bewerben“.
Und die Ehrlichkeit bezog sich nicht auf Inhalt, sondern auf die Form; sie macht Werbung und ist somit eine Influenzerin (oder eben, altdeutsch: Werbefigur). Und dann sind Sätze wie „Nun, ich will ja keinen beeinflussen. “ einfach unehrlich.
Und man muss schon schauen, dass man das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet: „Ich würde meinem Kind erlauben ein Produkt zu verkaufen, aber nicht, sich selber zum Produkt zu machen.“
Ich gehe jetzt mal davon aus, dass Ihre Kinder – wenn es denn zu deren Hobbies gehören würde – z.B. mit einem Chor öffentlich auftreten dürften, oder in einer Theatergruppe mitspielen … 😉
Viel interessanter als obige Miesepeter-Kommentare ist doch die Frage, welche Gefahren lauern können und wie man sich davor schützt. Meine Tochter möchte auch gerne Youtuberin werden, aber mir macht die unkontrollierte Öffentlichkeit Sorgen.
Es dürfte doch – gerade in der Schweiz – ein leichtes Unterfangen sein, Identität und Adresse eines derart öffentlich präsenten Kindes herauszufinden.
Dann ist das eine Art Gemeinsam-Mutter-und-Tochter-Hobby? Grundätzlich was Schönes, ich geniesse unsere „Mutter/Tochter-Hobbies“ auch sehr und würd sie nicht missen wollen; nur…, so komplett „nicht anders als andere Hobbies“ ist die Exposition in der digitalen Welt wohl doch nicht,
da fehlt mir die kritische Begleitung.
Dass bspw die Kommentarfunktion bei Kindervideos deaktiviert worden ist hat ja seine ziemlich unschönen Gründe.
„Manchmal drehe ich auch nur aus Spass Videos mit meiner Freundin, die wir nie ins Netz stellen werden.»“
Also die Videos, die ins Newt gestellt werden zu drehen, macht keinen Spass: Dieser Satz entlarvt alles andere, was hier gesagt wird, doch als Lüge: Die Videos, die ins Netzt gestellt werden, werden nicht „nur aus Spass“ gedreht, sondern um ein Produkt zu verkaufen: Schlimm ist, das Produkt ist der fast- Teenager!
Nicht ganz korrekt, die Videos welche ins Netz gestellt werden machen noch einen Abstecher zur Video-Bearbeiterin…
Werter Anh Toàn, jetzt verrennen Sie sich aber.
Ich lese hier zwei ganz andere (positive) Aspekte raus:
1) Ihr Hobby ist es also Videos zu erstellen, nicht primär Youtube-Clips; sehr beruhigend zu wissen; erinnert mich an uns früher, halt einfach mit Kassettli und Mikrofon.
2) Wie jedes Hobby, das mit einer gewissen Ernsthaftigkeit betrieben wird, ist es nicht immer nur Spass; umso besser wenn man trotzdem dranbleibt.
„Die Leute gucken einfach gerne, was ich mache“
oder
„Ich mache, was die Leute gerne gucken“
„Ich bin, wie mich die Leute gerne haben“
Das heisst Prostitution, die behauptet, keine Produkte sondern sich selbst zu verkaufen, nicht mal als eine gespielte Rolle, sondern offen und ehrlich ihr Selbst verkaufen an wer auch immer ein Stück davon will.
“ «Einen speziellen Rat habe ich nicht, den braucht es auch nicht. Youtube ist eine Freizeitbeschäftigung wie jede andere. Unsere Familie ist dabei auf jeden Fall unheimlich kreativ geworden. “
Ja, wenn der Spiessbürger kreativ wird, wird es unheimlich, man sagt dem Fasnacht, Fasching, Karneval.