Von Drogendealern vertrieben

Machtlosigkeit und Wut: In Berlin häufen sich die Konflikte zwischen Suchtkranken und Familien. Foto: Getty Images
Am Berliner U-Bahnhof Schönleinstrasse ist die Polizei momentan rund um die Uhr präsent. Allerdings nur auf einem Werbeplakat. «Wir können Hauptstadt» steht darauf, was wohl bedeuten soll: Wir moderieren und überwachen das Miteinander von Alteingesessenen, Zugezogenen, Durchreisenden und Touristen, von Menschen, deren Herkünfte, Lebensumstände und kulturelle Hintergründe häufig sehr weit auseinanderliegen. Im Einzugsgebiet der Schönleinstrasse gilt das besonders. Der Bahnhof liegt auf der Grenze zwischen den Bezirken Kreuzberg und Neukölln. Hier leben traditionell viele Menschen mit sogenanntem Migrationshintergrund, viele Arbeiter, aber auch immer mehr Expats, junge Kreative, Agentur-Hipster und Familien.
«Wir können Hauptstadt» sagt also die Berliner Polizei, aber tatsächlich zeigt sich gerade dort, wo ihr Plakat hängt, wie Hauptstadt nicht funktioniert. Einerseits durchlaufen Kreuzberg und Neukölln seit einigen Jahren rasante Gentrifizierungsprozesse: Die Mieten steigen, das Stadtbild und die Bevölkerung verändern sich, Immobilienhaie und andere Investoren treiben den Austausch erbarmungslos voran. Andererseits sind es die ärmsten und schwächsten Menschen in den Bezirken, denen dieser Prozess neue Sichtbarkeit beschert: Obdachlose und Suchtkranke, die sich vor allem in den Bahnhöfen der U-Bahn-Linie 8 niedergelassen haben. Auch die Schönleinstrasse gehört zu diesen Bahnhöfen.
Gefährlicher Kita-Weg
Zu jeder Tageszeit trifft man dort Menschen, die unverhohlen Heroin rauchen und spritzen oder das Zeug den ebenso unverhohlen agierenden Dealern abkaufen. Daneben Anzugträger, Partypublikum und Kinderwagenschieber: Menschen, die den Bahnhof betreten, um so schnell wie möglich von ihm wegzukommen. Es gibt viele Orte in Berlin, an denen sich die Stadt als demografischer und kultureller Knotenpunkt eines jungen, weltoffenen Europa inszeniert. Kreuzberg und Neukölln sind solche Orte. Das Besondere am Bahnhof Schönleinstrasse aber ist, dass man dort zugleich jene Leute sieht, die bei dieser Inszenierung auf der Strecke bleiben.
In den ersten drei Absätzen dieses Textes bin ich selbst zweimal vorgekommen. Als (nicht mehr ganz) junger, zugezogener Journalist, vor dem die Altpunks und andere Kiez-Verteidiger in «Kreuzkölln» immer gewarnt haben. Und als Kinderwagenschieber. Seit fünf Jahren leben meine Freundin und ich in unmittelbarer Nähe der Schönleinstrasse, inzwischen mit zwei Kindern und einem Weg zur Kita, der an bequemen oder verregneten Tagen auch über die U8 führt. Noch nutzen wir die Bahn regelmässig, sogar mit unseren Kindern. An manchen Tagen stellt sich jedoch die Frage, ob wir damit nicht verantwortungslos handeln.
1284 Drogendelikte hat der Berliner Senat von Januar bis Oktober 2019 an den Bahnhöfen der Stadt registriert, die Dunkelziffer ist natürlich sehr viel grösser. Knapp 10 Prozent der aufgenommenen Delikte ereigneten sich in der Schönleinstrasse. Fast immer ist die Stimmung dort angespannt: Es kommt zu Konflikten unter Suchtkranken, mit Dealern oder Fahrgästen. Vor einem Jahr wurde ein Obdachloser bei einer Messerstecherei schwer verletzt. Eine Haltestelle weiter, am Kottbusser Tor, starb im vergangenen Oktober ein Mann, der im Zuge eines Streits vor eine einfahrende U-Bahn gestossen wurde. Die Polizei ordnete das Verbrechen «dem Drogenmilieu» zu.
Verwahrloste Kieze und die Wut der Anwohner
Es gibt Orte in Berlin, an denen Drogenkonsumenten, Dealer und andere Menschen einigermassen friedlich aneinander vorbeileben. Die Schönleinstrasse gehört nicht dazu. Passanten beobachteten im vergangenen November im Zwischengeschoss des Bahnhofs zwei Dealer, die ihren Stoff auch Kindern anboten. Die Polizei konnte die Tatverdächtigen festnehmen, meistens steht sie dem Treiben entlang der U8 jedoch ideen- und mittellos gegenüber. Zuständig für die Bahnhöfe seien ohnehin die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), heisst es aus Polizeikreisen. Die BVG schickt deshalb seit einiger Zeit vermehrt Sicherheitspersonal durch die Bahnhöfe, verweist ansonsten aber auf die Verantwortung der Politik.
Das ist zumindest insofern sinnvoll, als sich Drogenhandel und -konsum längst nicht mehr auf die Bahnhöfe der U8 beschränken. Wann immer Polizei und BVG-Patrouillen unterirdische Präsenz demonstrieren, vertreibt das die Suchtkranken auf die Strassen, in die Hinterhöfe und Treppenhäuser der anliegenden Wohnhäuser. Die Folgen dieser Problemverschiebung zeigen sich auf beiden Seiten der Bezirksgrenze: Der Neuköllner Reuter- und der Kreuzberger Gräfekiez verwahrlosen zusehends, die Atmosphäre ist auch hier angespannt. Immer heftiger schlägt Suchtkranken, aber auch Bettlern und Obdachlosen, die gar nichts mit der Drogenszene zu tun haben, die Wut der Anwohner entgegen.
Sozialarbeiter und Politiker, die verstanden haben, dass diesen Umständen durch eine Kriminalisierung der Drogenkonsumenten nicht beizukommen ist, fordern deshalb mehr Rückzugsräume: mobile und stationäre Fixerstuben, in denen sich etwa Heroinabhängige mit sauberem Besteck einen Schuss setzen können. Bisher gibt es in Kreuzberg und Neukölln jeweils eine dieser Einrichtungen. Beide sind oft hoffnungslos überlaufen, auch weil ihre Öffnungszeiten an jene Luxusboutiquen erinnern, bei denen man wenige Meter entfernt Handseife für 40 Euro kaufen kann. Mehr, heisst es beim Berliner Senat, gäben die Mittel und auch der Raum derzeit nicht her.
Zum Spiessertraum gezwungen?
Aus Elternsicht bleibt deshalb festzuhalten: Das Problem lässt sich nicht lösen, indem man die U-Bahn meidet. Und auch mit zeitnaher Hilfe der Behörden ist offenbar nicht zu rechnen. Immer mehr junge Familien schlagen sich in «Kreuzkölln» deshalb mit Umzugsgedanken herum. Es gibt weniger überlaufene, noch dazu günstigere Gegenden in Berlin. Es gibt für die besser Situierten ausserdem Reihenhäuser, Doppelhaushälften, Häuser mit Gärten. Was aber, wenn man nicht zu den Menschen gehört, die diesen Spiessertraum leben wollen? Was, wenn die eigenen Kinder dort aufwachsen sollen, wo Berlin international und vergleichsweise weltoffen ist, wo Queerness zum alltäglichen Stadtbild gehört und verschiedene Sprachen und Kulturen aufeinandertreffen?
Ich verstehe, warum viele junge Familien vor der Situation rund um die Schönleinstrasse kapitulieren. Niemand möchte im Treppenhaus auf Menschen stossen, die mit Alufolie und Feuerzeug hantieren. Schon gar nicht, wenn man einen Dreijährigen im Schlepptau hat. Niemand prügelt ausserdem seinen Kinderwagen auf den Bahnsteig der Schönleinstrasse (kein Fahrstuhl, keine Rolltreppe nach unten), um dort zwischen die Fronten einer Prügelei unter Drogendealern zu geraten. Ein Umzug erscheint vielen deshalb als letzte Option. Die ganz Radikalen verschlägt es über die Stadtgrenzen hinaus bis nach Brandenburg.
#dorfkinder vs. kämpfen
Deutschlands Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat vor kurzem mit einer Social-Media-Kampagne namens #dorfkinder für diesen Ausweg plädiert. Mit heimeligen Kinder- und Kaninchenfotos warb sie für das Familienleben auf dem Land und setzte vermeintliche Vorzüge der Provinz in Szene. Mich erinnerte die Kampagne allerdings an Aspekte meiner eigenen Dorfjugend, die mir schon als Heranwachsender zuwider waren: die Engstirnigkeit der weiten Felder, die Diskriminierung von Minderheiten, das Gehänsel und Getratsche, den Billigfusel an der Bushaltestelle. Für mich war #dorfkinder eine Art Weckruf, nur ganz anders wohl, als die Ministerin sich das vorgestellt hatte.
Es gibt eine Alternative zum Umzug, aber die ist noch mühseliger, als Kühlschränke und Waschmaschinen durch enge Altbautreppenhäuser zu schleppen. Wer sich eine sichere, kinderfreundliche Berliner Innenstadt wünscht, muss bereit sein, für seinen Kiez zu kämpfen – so ähnlich wahrscheinlich, wie die Altpunks und Alteingesessenen früher gegen Leute wie mich (erfolglos) oder die Eröffnung von Google-Büros (erfolgreich) gekämpft haben. Eltern, die bleiben wollen, sollten den verantwortlichen Politikern mit immer neuen Lageberichten und Forderungen auf die Nerven gehen. Oder, ganz wilde Idee: sich selbst in der Politik engagieren. Sozialarbeiter brauchen die Unterstützung der Anwohner, Suchtkranke deren Solidarität.
All das könnten erste Schritte sein, um das «Kreuzköllner» Grenzgebiet für junge Familien wieder zu einem lebenswerten Ort zu machen. Man bekommt einen solchen Ort in Berlin nicht geschenkt, das beweist die aktuelle Lage eindringlich. Wer sich dafür einsetzen will, muss sich diesen Einsatz aber auch leisten können. 2024 soll eine umfassende Sanierung des U-Bahnhofs Schönleinstrasse abgeschlossen werden. Bis dahin dürften die Dealer und ihre Kunden längst in eine andere Ecke der Stadt vertrieben worden sein. Und sollte jene Mietobergrenze greifen, die der Berliner Senat im vergangenen Jahr beschlossen hat, könnte es dann sogar noch U-Bahn-Fahrer im Einzugsgebiet der Haltestelle geben.
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40 Kommentare zu «Von Drogendealern vertrieben»
Vor 40 Jahren haben wir das Gleiche erlebt.Ich war damals noch ein Kind, und wir lebten in Rom in der Altstadt.Überall Junkies,Dealers,Kriminelle….blutige Spritzen am Boden.Als 6 jähriges Kind fand ich dies wiederlich.Nach einem Jahr zogen wir wieder in die Schweiz.Ich war sehr glücklich darüber.
Alle in Berlin Wohnenden die ich kenne beklagen sich darüber, dass die Stadt in horrendem Tempo gentrifiziert, aufgewertet und verteuert wird.
Ist jetzt das erste mal, dass ich von jemandem höre, die Gentrifizierung geht ihm zuwenig schnell.
Ihr habt die Regierung, die das so ermöglicht hat, in Berlin und Deutschland gewählt! Warum jetzt um Mitleid betteln?
Ich meine auch der Prenzelberg oder Brandenburg würden gut zu ihrer Einstellung passen. Ich kann beim besten Willen keine Solidarität mit den Drogenkonsumierenden Menschen finden. Sie wollen diese ja einfach weghaben aus ihrem Gesichtsfeld. Die Drogenszene hat sich eben vom Kotti weiter verlagert, immer dahin wo die Touris und Szenis und Yuppies ihren Stoff kaufen wollen.
Erst wenn die letzten Strassen verkehrsberuhigt, die Letzten Scherben weggefegt, die Junkies vertrieben sind, werden sie merken, wie langweilig es geworden ist.
NB: habe selbst mit kleinen Kindern in Berlin gelebt, zwischen Obdachlosen und den ewigen Berliner Scherben
Was wenn man den Spiessertraum nicht leben will? Man zieht z.B. in ein Arbeiterquartier mit hohem Migrantenanteil. Und nicht an Orte, wo es die junge Journalisten-, Künstler- und Queer-Szene grad hinzieht (typischerweise innerstädtische Quartiere mit einer eher rauhen und somit coolen Vergangenheit, die im Aufstieg begriffen aber noch nicht völlig gentrifiziert und somit wieder uncool und ohnehin unerschwinglich sind). Also bei uns in Bern wäre das z.B. nach Bethlehem statt in die Umgebung der Reitschule. Da gibt es dann keine offene Drogenszene, und das Kind wächst trotzdem in einer kulturell vielfältigen und nicht bünzlihaften Umgebung auf. Klingt nicht so cool? Ist es auch nicht. Da müsste der Autor dann zwischen den eigenen Bedürfnissen und denen seines Kindes anfangen unterscheiden.
Dazu kann ich nur noch „Amen“ sagen. Bravo für den überaus zutreffenden Kommentar.
Ich sage nur – Augen auf bei der Wohnortwahl.
Ist ja schön, wenn man in diesem Blog auch mal gewaltig über den Tellerrand schaut und von den Sorgen eines Familienvaters, der sich im Drogenmilleu von Berlin niedergelassen hat berichtet.
Aber wozu ist dieser Bericht nutze ? Damit dem Schweizer ein wohliger Schauer über den Rücken läuft, weil es in der Schweiz keine Stadt mit einem Problem in diesem Umfang gibt ?
echt jetzt? noch nie was vom Platzspitz oder Letten gehört? Hier gab es wohl ein weitaus grösseres Drogenproblem, dort wo die Hipster heute baden und Biertrinken lagen nämlich vor kurzem noch Drogentote aus ganz Europa..
Ja herrliche Zeiten (bin im Schulhaus Letten in die Primarschule). Zürich war vor allem hierfür bekannt. Und heute sind die Kreis 3, 5, 10 Hipster Territorium….
Schade, der Autor hat ein an sich gut geschriebener Artikel mit dem unnötigen lächerlich machen einer anderen Lebensform („die diesen Spiessertraum leben wollen“) selber abgewertet.
Für uns war der Erwerb eines Häuschen in der Agglo mit Garten gleichbedeutend mit Freiheit. Hier leben wir selbstbestimmt und gestalten unseren Lebensraum selber, kein Vermieter der uns Vorschriften macht. Die Kinder genossen schon von klein auf eine ganz andere Freiheit, als sie in unserer Stadtwohnung je gehabt hätte.
Spiessig finde ich eher Leute, die sich nie Veränderungen zu trauen und das mit Sprüchen wie „ich könnte nie ausserhalb der Stadt leben“ kaschieren.
P.S. das die Mietdeckelung kontraproduktiv ist, ist sogar den Berliner Wohngenossenschaften klar.
spiessig sind immer die anderen.. gilt sowohl für den Autor, für Sie und für mich 🙂
Die ursprüngliche Bedeutung des „Spiessers“ ist schon lange verloren gegangen.
Heute entlarvt diese Wortwahl, dass man einen Dünkel hat.
Man wertet eine ganze Gruppe von Menschen pauschal ab, indem man ihnen unterstellt, sie wären langweiliger, intoleranter, unflexibler etc., als man selbst und seine Gemeinschaft.
Man tut das aufgrund von Äusserlichkeiten: Wohnverhältnisse, Kleidung, Berufe etc.
Man entlarvt sich damit, dass man genau selbst diese Einstellungen hat, welche man dem „Spiesser“ unterstellt. Man wertet Menschen pauschal ab, die sich in Äusserlichkeiten oder in ihrem Lebensstil von einem selbst unterscheiden.
@ Sonic: nein, Spiessig sind nicht immer die anderen. Da bin ich nicht einverstanden. Ich halte mich an die Definition, die Wikipedia nicht schlecht umschreibt (ok, klar: ist sicher nicht DIE Referenz um zu zitieren, aber immerhin). Wobei sich die Konformität für mich auf die soziale Peergroup einer Person bezieht. Für mich ist nicht jeder „andere“ ist ein Spiesser.
@ Reincarnation of….
Dass der Traum vom Vorstadthäuschen spiessig sei, hört man seit den 60er Jahren. Irgendwie könnte man sich mal was Neues einfallen lassen. Der Autor könnte whs innerhalb seiner urbanen, progressiven Peergroup total avantgardistisch sein, wenn er in ein Reihenhäuschen ziehen würde…..er vergibt gerade diese Chance.
Stattdessen fordert er, dass irgendjemand seine Probleme löst.
Klar gibt es in einem solchen Umfeld Gefahren, die es in einem gut bürgerlichen Quartier kaum gibt. Dazu gehören insbesondere Krankheiten, nicht nur Aids, auch Tuberkulose, Hepatitis und anders sind die Risiken wohl höher, aber nicht sehr viel. Betonen will ich aber, dass ich nicht glaube, dass die Risiken für ein vorsätzlich an einem Kind begangenes Delikt in einem solchen Umfeld grösser sind als irgendwo. Die allenfalls bösen Drogendealer haben andere Prioritäten, die interessieren sich nicht für Kinder, vor dem Teenageralter fehlt denen Kaufkraft. Gibt es Probleme, kommt die Polizei, das stört das Geschäft. Der Junge in Basel wurde auf alle Fälle in einem spiessigen Bürgerquartier von einer alten verrückten Frau getötet.
Ach ja, bei mir in der spiessigen Siedlung, habe ich Kinder gehört, die sagten, sie dürfen den einen Spielplatz nicht benutzen, weil der alte Mann der dort wohnt, auf Kinder schiesse: Der schon Klischeehaft alte, verbitterte einsame Mann, schiesst (wohl) nicht auf Kinder, aber Stacheldraht hat er am Boden verlegt um seinen Garten abzutrennen: Barfuss da drauf treten, gefährdet die Gesundheit der Kinder auch.
Herr Gerhardt,
Sie schreiben über Gentrifizierung wie über eine Naturkatastrophe die über die Leute hereinbricht. Ist Ihnen schon mal in den Sinn gekommen dass dieses Phänomen in beide Richtungen gehen kann? Nur ist die gezielte Sanierung / Aufwertung eines Strassenzugs sehr viel offensichtlicher als dessen langsame Verslumung…
Warum ist es denn von Nachteil für diese Gegend, wenn sich google niederlässt? Ich hätte vermutet, dass es eher ein Vorteil ist, wenn eine Firma mit gut bezahlten Mitarbeitern in der Nähe ein Büro eröffnet. Das sollte doch auch für die Geschäfte der Umgebung von Vorteil sein.
Die „gut bezahlten Mitarbeiter“ brauchen Wohnraum und sind bereit dafür mehr zu bezahlen als die alteingesessene, nicht so zahlungskräftige Bevölkerung. Sie wollen auch hippe Shops und es ist ihnen egal wenn dafür Ottos Nähmaschinenecke rausgeschmissen wird.
Sie sehen das Problem?
Die kinderfreundlichen Bezirke Prenzlauer Berg, Schöneberg oder besser noch Niklassee muss man sich leisten können. Inzwischen ist auch der wald- und wasserreiche, dörfliche Südosten rund um den Müggelsee übervölkert und vor allem überteuert.
Ich habe lange in Kreuzberg im Bergmannviertel gelebt. Allein war das damals toll. Inzwischen ist es gentrifiziert. Schönleinstrasse hätte ich auch damals nicht genommen. Das ist entweder Pech oder lokale Unkenntnis eine Zugezogenen.
Kann mich nur wiederholen: IMHO gibt es kaum bessere Drogenprävention als eine offene Drogenszene.
Platzspitz und Letten hatten bei mir diese Wirkung.
Das sehe ich genau gegenteilig.
„Was aber, wenn man nicht zu den Menschen gehört, die diesen Spiessertraum leben wollen?“
Hahahaaahaaa… Doch. Wollen Sie. Ist auch völlig in Ordnung. Aber man sollte dazu stehen 😉
@tststs
Das sind dann die Leute, die von der Göscheneralp in die Innenstadt neben ein Fussballstadion ziehen, und sich an Fussballfans am Wochenende stören. Oder noch besser, am Schattenwurf. Dito für Leute die auf die Göscheneralp ziehen und sich an Kuhglockengebimmel stören.
Man kann nicht alles haben im Leben. 😉
Richtig! Der Spiesser war ja der Bürger der demokratischen Gesellschaft, der einen Spiess zu Hause hatte. Um notfalls die Gesellschaft zu verteidigen. (Die griechischen Stadtstaaten) Verantwortung zu übernehmen für die Gemeinschaft zu übernehmen der er sich zugehörig fühlte.
Das positive Bürgertum.
Das ist die ursprüngliche Bedeutung. 🙂
Warum diese neurotische Larmoyanz? Der Autor erkennt ja selber, dass er eigentlich auch ein Teil des Problem ist. Erinnert mich an das Crowded Bus Syndrom: bei jeder Haltestelle wollen noch mehr Leute einsteigen und wenn sie dann mal drin sind, fluchen sie an der nächsten Haltestelle noch lauter als diejenigen, die schon vor ihnen drin waren, über diejenigen, die neu hineindrängen…
Ich habe etwa ein Jahr in Berlin gelebt als Wochenaufenthalter, habe selber 2 Kinder und würde nicht für 1 Million pro Jahr in dieser Stadt meine Kinder grossziehen wollen.
Was für ein wilder Artikel! Als Sozialarbeiterin (und Mutter) mit jahrelanger Erfahrung im niederschwelligen Drogenbereich, muss ich ein paar Dinge klarstellen. Es wird ständig von „Heroin“-Junkies gesprochen. Dieses Bild entspricht nicht der Realität. Was in der offenen Szene nämlich hauptsächlich konsumiert wird ist Kokain, das kann man auch rauchen und intravenös konsumieren. Bei solchen Zuständen fehlt einfach der Willen der Politik. Es müssen mehr Konsumräume eingerichtet werden, der Mikrodeal muss darin toleriert werden, sonst hat man ihn draussen. Spritzen können dort in speziellen Eimern entsorgt werden. Es ist nicht so schwer, man muss nur ein Blick in die Schweiz werfen. Das Thema ist vielschichtig und ich wünsche mir, dass Journalisten mehr mit Fachleuten sprechen….
Liebe Frau Schicker,
Danke für Ihren Kommentar. Ich habe allerdings das Wort “Junkie” ganz bewusst vermieden. Und dass in den Berliner U-Bahnhöfen Heroin konsumiert wird (neben Kokain, Crack, Crystal Meth und anderen Drogen) entspricht leider der Realität, lässt sich zahlreich in Berliner Medien nachlesen und hat mir auch eine Sozialarbeiterin im Gespräch bestätigt.
Viele Grüße!
Daniel Gerhardt
Klar, es wird alles mögliche an psychoaktiven Substanzen konsumiert. Besteht aber ein Opiat-Substitut-Angebot, reduziert sich die Anzahl Heroinkonsumenten. In Deutschland fällt man leider aus dem Programm bei Beikonsum, in der Schweiz ist das eine der Indikationen. Der europäische Austausch unter uns „Experten“ funktioniert. Die Rahmenbedingungen sind anders. Ich wollte einfach klar stellen, dass in einer Spritze nicht immer Heroin drin ist. Das vermittelt ein falsches Bild von Konsum und Substanz. Zumal die die grössere Zahl inhaliert (Crack/Base/Folie). Intravenöser Konsum ist rückläufig (Zahlen vorhanden;)). Ich merke einfach immer wieder, wie genau solche kleinen Details zu falschen Bildern führen. Ich gebe sonst gerne differenzierter Auskunft, einfach nicht über Kommentarspalten. LG
Tja, man kann eben nicht gleichzeitig moderner, übertoleranter Oberhipster-Journalist und bünzlihafter Papa sein. Offenbar hört auch bei toleranten Meiden-Hipstern die Toleranz dann auf, wenn sie dann plötzlich und ganz konkret selbst mit ihrer Toleranz gegenüber allem konfrontiert werden.
Der Fall lässt sich auch auf CH-Verhältnisse übertragen, ist exemplarisch für linke Ueberzeugungstäter, die mit vielen Idealen und Utopien ausgestatten in soziale Brennpunkte ziehen, die bekannt sind für ihr rauhes Ambiente, nur um irgendwann festzustellen dass es dort rauh ist. Denn spätestens wenn Kinder da sind, beginnt zumeist die innere Zerrissenheit. Eigentlich weiss man, dass Kinder nicht mir Spritzen spielen und Gewalttätigkeiten trauriger Gestalten beiwohnen müssen, um gesund aufzuwachsen und weltoffen zu sein. Andererseits weiss man primär, was man nicht will (sprich alles andere, hier Spiessertum genannt).
Ich meine, offene Haltungen werden durchs nächste Umfeld vermittelt und vorgelebt, egal ob in Brandenburg oder Neukölln. Das sollte nicht abhängig sein vom Wohnort.
/Für eine bessere Welt, hier Quartier genannt, kämpfen zu wollen, ist idealistisch, durchaus löblich, nur haben die meisten Ideale die Tendenz, von der Realität eingeholt zu werden. In Berlin dürfte dies besonders oft der Fall sein, ist die Stadt ja nachgerade bekannt dafür, dass Anspruch und Realität mitunter divergieren. Auf jeden Fall wird es keinen Orden der Stadt geben, wenn man selber einen hohen Preis dafür bezahlt. Ob es das wert ist, nicht zuletzt auch in Hinblick auf das Kindswohl, muss jede Familie selber entscheiden.
Jei, hier wird doch nicht „für das Quartier gekämpft“, es soll gefälligst gesäubert werden!
Was sind „linke Überzeugungstäter“?
Bezüglich was sind die den „Täter“?
@SP
„Bezüglich was sind die den „Täter“?“
Dass sie das, was sie tun, aus linker Ueberzeugung tun.
Dünkt mich jetzt nicht so schwierig zu verstehen.
@Martin Frey: Ich sehe nur nicht, dass dass hier irgendjemand etwas anderes tut, als nachdenken und darüber schreiben. Taten sehen für mich anders aus.
@ Martin
Die Linken sind in dem Beispiel diejenigen, denen abwechslungsweise vorgeworfen wird, sie idealisieren gewisse Quartiere, würden aber selber da nicht wohnen oder gar die Kinder zur Schule schicken (Siehe Ursula Wyss) oder dann, dass sie dahin ziehen und angeblich ihre Kinder gefährden. Die Rechten wären dann eher diejenigen, die dafür sorgen, dass soziale Brennpunkte entstehen, zum Beispiel indem sie bezahlbaren Wohnraum anderswo bekämpfen, selber aber nie einen Fuss reinsetzen würden.
So oder so, ist es aber bereits ein Versagen, wenn solche Brennpunkte entstehen. Nur dafür bräuchte es ein kleines Öffnen des Gartenhaages von allen.
@13
Da bin ich total bei Dir. Bekanntermassen kann man weder auf Seiten der politischen Linken wie der Rechten alle über einen Kamm scheren. Stereotypen hüben wie drüben. Ganz ohne wahren Kern kommen Stereotypen zwar nicht aus, sonst würden sie ja aussterben, aber auf ganz viele treffen sie jeweilen auch nicht zu. Das sollte man nie vergessen.
Der Berner Gossip (Wyss) ist mir weniger geläufig, in ZH aber gibt es immer wieder vergleichbare Diskussionen.
„So oder so, ist es aber bereits ein Versagen, wenn solche Brennpunkte entstehen. “
Dem gibt es wenig hinzuzufügen. Ausser, dass wenn man Brennpunkte aufwertet, es unter dem Schlagwort Gentrifizierung auch wieder nicht recht ist, und von gewissen Kreisen deshalb jede Verbesserung vehement bekämpft wird.
@13: genau, das gibt es im schönen Bern.. bin absolut nicht rechts aber beim Thema Schule habe ich Mühe.. genau von besagter Frau Wyss kommt’s immer mit Integration usw… aber selber werden dann die Kinder in Privatschulen geschickt. Sie wohnt auch nicht im Westen von Bern, im Gegenteil… ich rede aus Erfahrung, wohne ihn Bern-Bümpliz und meine Kinder gehen da zur Schule, gemeinsam mit x verschiedenen Kindern aus x verschiedenen Nationen.
Das kann man nicht verantworten. Umziehen, sonst wird ihr Kind vermutlich entsprechend sozialisiert werden.
Den Rest müssen sie dem nicht funktionierenden Rechts- und Sozialstaat überlassen.