In der Schwäche liegt die Stärke!

Das Kind ist zu vorlaut, zu schüchtern, zu zappelig – kategorisiert und optimiert wird bereits im Kindergarten. Ist das sinnvoll?

«Bisch echli schüüch?»: Der lapidare Kommentar der Tante ist ein weiterer Stempel. Fotos: iStock

Ein Kind (anzu)nehmen, wie es ist. Was heisst das eigentlich? Seien wir ehrlich, ein hübsches, offenes, angepasstes, liebes Kind, mit guten Noten und dazu noch ein Ass im Sport, macht uns das Annehmen leicht und einfach. Vielleicht sonnen wir uns sogar in seinem Licht. Doch die allermeisten heranwachsenden Menschen (und Erwachsene sowieso!) besitzen mindestens eine Charaktereigenschaft, die uns schlaflose Nächte bereitet, die uns regelmässig auf die Palme bringt oder mit der wir uns nicht recht anfreunden können. Und dann?

Beginnen wir mit der Schwangerschaft. Damit fängt es nämlich an. Schliesslich sind wir Mütter in spe in diesen besonderen neun Monaten «in Erwartung». Wir gehen also bereits mit einer gewissen Vorstellung von diesem einen Kind ins Rennen. Und dann passiert etwas Einmaliges, das sich Mutter Natur gut ausgedacht hat. Wir verlieben uns Hals über Kopf in dieses noch fremde, unschuldige, ganz und gar «unbeschriebene» kleine Menschlein. Ohne Vorbehalte. Ohne dass wir es kennen.

Von diesem Moment an beginnt für uns Eltern die eigentliche Aufgabe. Nebst all der Liebe, Geborgenheit und Zuneigung, nebst all dem Rüstzeug, das wir unseren Kindern mit auf den Weg geben, dürfen wir herausfinden, wer da gerade zu uns gekommen ist. Welches Temperament hat dieses Wesen? Was macht mein Kind glücklich, und wogegen sträubt es sich? Wir lernen unsere Kinder über all die Jahre immer besser kennen. Wir wissen, was unsere Kinder ausmacht. Wir lieben sie immer noch. Aber was ist mit den Vorbehalten?

Das grosse Warum

Hand aufs Herz – irgendwann beginnt die Bewertung, die Beurteilung. Vielleicht nicht einmal in der Familie selbst, aber spätestens auf dem Spielplatz. Schon sehr bald runzeln wir die Stirn, wenn sich Maximilian nicht alleine getraut, ein Eis zu kaufen. Vielleicht wundern wir uns, warum unser Kind partout nicht zwei Minuten sitzen bleiben kann oder warum es plappert ohne Punkt und Komma. Von wem es das wohl hat, fragen wir uns. Nun, vielleicht von niemandem. Jedes Kind ist einzigartig, richtig und wichtig, so wie es ist. Es ist auch nicht auf die Welt gekommen, um uns zu gefallen. Es gehört uns nicht mal. Dies sollten wir uns immer wieder vergegenwärtigen, wenn wir nicht verstehen können, dass Klein-Sebastian in der dicken Jacke schwitzt, während Gross-Sebastian im Lammfell-Parka die Zähne klappern.

Daran sollte man immer denken, wenn wir beginnen, nach dem grossen Warum zu fragen! Warum schläft mein Kind noch nicht durch, hei namal, mit sieben Jahren? Warum ist Julia eigentlich immer so langsam in allem, und warum in Gottes Namen kann unser Vierjähriger noch nicht bis 10 zählen? Es bringt nichts, nach dem Warum zu fragen. Genauso wenig wie das Vergleichen. Beides bringt allerhöchstens die allgemeine Verunsicherung. Es schwimmen Millionen Arten von Fischen im Ozean, und keiner ist schlechter als der andere. Einfach nur anders.

Bleiben wir beim Schwimmen – irgendwann schwärmen unsere Kinder aus und tümmeln sich unter ihresgleichen im offenen Ozean der Schule. Spätestens dann beginnt das Kategorisieren. Anna gehört in die Kategorie «vorlaut», Emma in die Schublade «verträumt» und Lionel in die Ecke der «Neunmalklugen». Die Stempel enthalten oftmals die versteckte Botschaft «nicht gut», und es wird um Korrektur gebeten oder um Training, um die vermeintlich suboptimale Verhaltenseigenschaft auszumerzen. In Elterngesprächen heisst es dann: Ihr Kind ist zu vorlaut, zu schüchtern, zu zappelig, zu ruhig. Irgendetwas mit «zu» ist immer, und man wird es zuweilen beim Elterngespräch nicht zum ersten Mal hören. Lapidare Kommentare abgeben können wir nämlich alle gut! «Jö, seisch mer nüd hoi, bisch echli schüüch?», tönt es von der Tante, «Frag mir nicht Löcher in den Bauch, du Gwunderfitz», sagt vielleicht der Verkehrspolizist beim Besuch im Kindergarten. Zack, Stempel!

Öfter mal die Perspektive wechseln

Es bringt nichts, wenn wir versuchen an unseren Kindern herumzuschrauben. Aus einem Mops wird kein Windhund, aus einem Spatz keine Lerche. Höchstens macht man aus einer Mücke einen Elefanten. Aber das ist dann auch nicht gewollt. Klar, darf an Ecken und Kanten gefeilt werden, es spricht auch nichts gegen das Fördern gewünschter Verhaltensweisen, doch das Fundament (das, was mich als Mensch ausmacht) sollte erhalten bleiben. Eigentlich bleibt uns gar nichts anderes übrig, und wir tun gut daran, unser Kind so anzunehmen, wie es ist, und uns Folgendes vor Augen zu führen:

Elterngemachte Nicht-Mathe-Hirsche.

Die vermeintlichen Schwächen sind vielleicht die grossen Stärken in der Zukunft! Ein ruhiges, introvertiertes Kind ist tiefgründig, ein guter Beobachter und ein verlässlicher Freund. Aus einem vorlauten Kind wird vielleicht einmal ein erfolgreicher Politiker oder Unternehmer, aus der langsamen Schnecke ein geschätzter Forscher und aus dem Zappelphilipp ein begnadeter Eishockeyspieler.

Gelassen bleiben und auf das Leben vertrauen. Tatsächlich kann aus einem schüchternen Kind eine wortgewandte Schauspielerin werden oder aus dem Klassenclown ein Schriftsteller. Nichts ist in Stein gemeisselt. Darum können Stempel stigmatisieren und gehören abgestempelt. Impliziert man einem Kind ständig, es sei halt kein Hirsch in Mathe, wird es dies irgendwann glauben, verinnerlichen und bleibt im Kreis der ein-geweih-ten Nicht-Hirsche.

Ich bin ich und du bist du

Eine Kinderpsychologin hat mir einmal einen simplen, aber wunderbaren Ratschlag gegeben: «Wenn Sie sich wieder einmal über eine Macke Ihres Kindes ärgern, tun Sie mal so, als ob Ihr Kind gar nicht zu Ihnen gehört und Sie es nur gerade hüten würden. Wetten, die insgeheim kritisierte Charaktereigenschaft verschwindet dadurch auf wundersame Weise oder ist zumindest nicht mehr so schlimm?» Also, Abstand nehmen. Blickwinkel ändern.

Ich bin ich und du bist du. Hilft immer. Unsere Kinder sind nicht unsere Abziehbilder. Und wenn die Kinder so ganz andere Eigenschaften haben als man selber? Gut so! Wir dürfen ruhig auch den Spiess umdrehen, von unseren Kindern lernen, dadurch reifen und uns ständig weiterentwickeln.

Misserfolg? Weiter so!

Niemand hat sein Kind bei Amazon bestellt, sondern es ist naturgereift wie ein echter Schweizer Käse und glücklicherweise so unvollkommen wie wir alle. Zum Schluss noch ein Statement von Remo Largo: «Sie sollten sich stets sagen, unser Kind ist nicht auf die Welt gekommen, um unsere Erwartungen zu erfüllen, sondern um zu jenem Wesen zu werden, das in ihm angelegt ist. Dies zu ermöglichen, liegt in unserer Verantwortung.»

Weitere interessante Postings:

31 Kommentare zu «In der Schwäche liegt die Stärke!»

  • Susanne Nicolini sagt:

    Ja, das ist ein schöner Artikel. Könnten Sie den mal unserer Lehrerin / Kindergärtnerin weitergeben?
    Im 1. KiGa (d.h. mit 4.5 Jahren!!!) hatten wir das erste Gespräch. Die ganzen 90min drehten sich darum, was unser Kind nicht kann, aus Basis eines fünfseitigen Standard-Fragebogens. Er konnte Schwarz und violett nicht unterscheiden, er konnte seinen Namen noch nicht schreiben,… (mit 4.5 Jahre!).
    In der 1. Klasse mussten die Kinder doch tatsächlich ihre eigenen sozialen und fachlichen Kompetenzen einschätzen, inklusive bei welchen Kompetenzen sie noch Verbesserungsbedarf haben.
    Was ich sagen will: der Artikel ist sehr auf Eltern angelegt, dass diese etwas lockerer werden sollen. Oftmals kommt aber der Druck von aussen, und man muss sich dagegen wehren.

  • Thomas sagt:

    Naja, der Zappelphilipp wird vielleicht einfach Physiotherapeut oder Velokurier. Wieso immer angenommen wird, dass wenn jemand eine Schwäche hat, er ein Ausnahmetalent in etwas anderem sein soll, verstehe ich nicht.

  • MB sagt:

    Der Satz von einer Lehrerin meines Sohnes bei der Rede zum Schulabschluss:
    „Nun geht hinaus und werdet die, die ihr seid.“

  • Coco sagt:

    Danke für diesen Text. Es tut mir gut, das heute zu lesen.

  • Sportpapi sagt:

    „Gelassen bleiben und auf das Leben vertrauen.“ Guter Vorsatz. Aber manchmal muss man dem Glück auch ein bisschen auf die Sprünge helfen. Und es ist gerade Aufgabe der Eltern, dem Kind nicht alle Steine aus dem Weg zu räumen, sondern es zu befähigen, diese zu überspringen.
    Und ich würde mein Kind auch bei schlechten Schulleistungen nicht einfach hängen lassen, sondern versuchen, es zu unterstützen nach meinen Möglichkeiten.
    Da passt dann eben auch ein weiterer Largo-Spruch dazu: „Das Gras wachst nicht besser, wenn man daran zieht.“ Aber wenn man hegt und pflegt, genügend Wärme liefert, düngt…

  • Anh Toàn sagt:

    In der Stärke liegt die Stärke!

    Nicht dass verklären von Schwächen zu zukünftigen Stärken gibt unser Kindern Selbstvertrauen und Selbstwert, so doof sind die nicht, die wissen schon, wo die schwach sind, wo ihre Vergleichsgruppe (das englische Wort Peers gefällt mir besser, wo die hingucken) besser ist, sondern das Anerkennen ihrer Stärken. Die erkennen die auch, aber wenn wir uns vorwiegend mit ihren Schwächen beschäftigen, werten wir die Stärken ab, machen die unwichtig.

  • Anh Toàn sagt:

    Gebt dem Guten Nahrung und es wird wachsen in Euren Kindern, und dem Schlechten / Schwachen weniger Platz lassen.

    Mir scheint bei Kindern liege zur Zeit der Fokus auf den Schwächen. Die angesprochene Kategorisierung erfolgt über die Schwächen, nicht über die Stärken. Damit macht man die Schwächen wichtig. Nützlicher ist, den Fokus auf die Stärken zu legen, dann werden die Schwächen unwichtig.

    Konkret: Wenn unser Kind Mühe hat mit Spracherwerb, will ich es nicht auf eine Schule senden, die sich darum kümmert, sondern in eine Schule, in der seine motorischen Talente gefördert werden: Lukas Podolski kann auch nicht reden, aber er hat kein Problem damit.

    • Eva D sagt:

      Recht haben Sie damit, dass fast überall defizitorientiert statt ressourcenorientiert auf Kinder geschaut wird. Der Vergleich mit Podolski stellt aber wieder darauf ab, dass eine schulisch messbare Schwäche mit einer schulisch messbaren Stärke kompensiert werden kann. Dies ist aber nicht immer der Fall. Es gibt viele Kinder, die weder sprachlich noch motorisch glänzen können, bzw. sogar Mühe haben in beiden Bereichen. Wer immer überall zu den Unterdurchschnittlichen gehört, verzweifelt leicht schon in frühem Alter. Und da wird es auch für die liebevollsten Eltern schwierig, permanent zuversichtliche Gelassenheit zu verbreiten. Das Kind, welches die Ängste der Eltern spürt, fühlt sich ihnen gegenüber als „nicht gut genug“ und schuldig.

      • Anh Toàn sagt:

        Muss ja nicht Spitzensportler sein, kann ja auch Skilehrer oder Bergführer oder sowas.

        Jedes Kind, jeder Mensch kann Manches besser und anderes schlechter als andere. Von Kindern verlangen wir, sich vorwiegend mit dem zu beschäftigen, was sie am schlechtesten können, man muss überall mindestens knapp unterdurchschnittlich sein, ist man irgendwo noch schwächer, dreht sich die Welt primär um die Schwäche. Könnte man damit die Schwäche beseitigen, könnte ich einen Nutzen darin erkennen, nur geht das kaum je. Sich mit seinen Schwächen laufend abgeben ist nichts als frustrierend.

      • Sportpapi sagt:

        @AT: Gute Idee. Also Bergführer, weil man da Erfahrung und Begabung hat.
        Und dann wäre es vermutlich gut, man hätte ein Label, wie den eidg. Fachausweis.
        Für den dann wieder eine berufliche Grundausbildung und Fremdsprachenkenntnisse Voraussetzung sind.
        Wie so oft.

    • Sportpapi sagt:

      @At: So falsch ist es allerdings nicht, dafür zu sorgen, dass das Kind in allen wichtigen Bereichen des Lebens wenigstens die minmalen Kompetenzen hat, um sich durchzuschlagen, um teilzunehmen. Schulisch beispielsweise wäre es doch schon gut, wenn mögilchst viele Lehren zugänglich wären.
      Nutzt ja nichts, wenn der gute Handwerker nicht in die Ausbildung kommt (oder sie abschliessen kann), weil es schulisch einfach nicht reicht.
      Und alles ganz auf eine Karte setzen? Wie viele machen das im Fussball, und scheitern?

      • Anh Toàn sagt:

        Wer schlecht in Mathe ist, muss mehr Mathe üben.
        Wer schlecht liest, muss mehr lesen.
        Wer sich nicht bewegen kann, muss sich mehr bewegen.

        Weil man muss in allem wenigstens minimale Kompetenzen haben.

        Und dann macht man ganz oft, was man nicht gut kann und hat in allem minimale Kompetenzen. Aber das hilft nichts im Leben, weil in nichts ist man gut. Ich kann minimal rechnen und minimal deutsch und minimal mich bewegen bringt keinen Job. Im Leben kommt weiter, wenn man gut ist in etwas. Es geht darum heraus zu finden, worin man gut ist.

        Lieber Sportpapi, Du beschreibst genau das Prinzip Schule, das demotiviert. Fokus auf was einem am wenigstens interessiert.

      • tina sagt:

        nach der schule finden unsere kinder hoffentlich einen weg, der ihren neigungen, stärken und interessen entspricht, wenigstens einigermassen. wir haben viele stärken und schwächen, viele interessen und es gibt viele wege. wenn es zum teil stimmt, ist das doch schon gut. viele leben ihre stärken und interessen halt auch nicht unbedingt beruflich aus. aber häufig kann man sich dank mühsam erworbener grundlagen in dingen, die weder interessant sind noch unseren stärken entsprechen, wege eröffnen, die später sehr wohl unser ding sind. schule deckt die grundlagen ab, die eltern können die kinder in schulisch nicht relevanten dingen fördern. aber mal ehrlich: viele stärken sind nunmal nicht im kind erkennbar, die findet es später selber raus. vielleicht auch nicht.

      • tina sagt:

        wer kennt nicht leute, die alles auf eine karte setzten, dann das interesse verloren, doch nicht zur elite gehörten, der weg plötzlich versperrt war, man folgeschäden hat weil einseitige belastung (wie auch immer).
        wie viele eltern glaubten, das kind zu fördern, dabei haben sie sich geirrt und dem kind etwas aufgedrückt, was ihm nicht entsprach.
        vermutlich die meisten versuchen, ihrem kind das zu geben, was sie sich rückblickend gewünscht hätten als kind. aber das würde ja einem selber entsprechen, nicht dem kind.
        ich denke, man kanns echt kaum richtig machen. aber zum glück gibt es viele wege und kinder sind fehlertolerant

      • tina sagt:

        ich staune jedenfalls nicht selten nicht schlecht, wie sich die dinge dann tatsächlich entwickeln

      • Sportpapi sagt:

        @AT: Natürlich beschreibe ich genau das Prinzip Schule, weil es ja einen Grund gibt, dass die Schule so ist wie sie ist, und ich mit dieser Ausrichtung durchaus einverstanden bin.
        Es gibt ja durchaus Situationen, da wird Lernzielbefreit, oder es werden ganze Fächer gestrichen, um den Druck wegzunehmen. Ist aber nur der Notfall, ansonsten geht man davon aus, dass die Schule eine breite, solide Grundlage bietet. Für alles, was das Leben noch so bereithält.
        Inselbegabungen führen nur selten wirklich zum Erfolg. Was bringt es denn, wenn ich im z.B. im Handwerk gut bin, aber sozial inkompetent, Aufträge nicht verstehe, keine Rechnungen schreiben kann, usw.
        Die meisten Lebenskünstler sind nicht erfolgreich, sondern schlagen sich durch.

      • Anh Toàn sagt:

        Wir versuchen und schaffen es oft, Leute aus der IV zu integrieren. Die waren bei der IV, weil sie in gewissen Bereichen nicht mal „minimale Anforderungen“ erfüllen. Und dennoch schaffen wir es, die zu integrieren, zu vollwertigen, selbständigen Mitgliedern der Gesellschaft zu machen. Aber bei Kindern behaupten wir, dass ginge nicht, wir müssten die da fördern, in der Wahrnehmung des Geförderten quälen, wo sie die minimalen Anforderungen nicht erreichen? Und dann wundern wir uns über „Hurra, hurra die Schule brennt“ oder „Teachers, leav’em kids alone“
        (Trotz schlechtem Englisch klarer Ansage, ist es nicht?)

      • Sportpapi sagt:

        @AT: Ich kann kaum mehr folgen. Viele, die später mal wegen Individualität aus dem Erwerbsleben ausgeschlossen bleiben, haben ganz regulär die Schule absolviert. Die integrative Schule nimmt heute ja wirklich fast alle mit.
        Ändert nichts daran, dass es die Verantwortung gegenüber dem Nachwuchs ist, sie bestmöglichst auf die Anforderungen des Lebens vorzubereiten, auch wenn es mühsam ist, und manchen Konflikt mit dem Kind auslöst.

  • tststs sagt:

    In der Schwäche liegt die Stärke? Klingt schön, aber eigentlich doch eher weniger… wahrscheinlich ist gemeint: Jede Eigenschaft kann je nach Umstand Stärke oder Schwäche sein.

    Und so ganz generell: Kategorisieren heisst nicht automatisch Werten. Kategorisieren ist eine überlebenswichtige Funktion!

    • Muttis Liebling sagt:

      Kategorisieren ist eine Leistung des Verstandes, Werten, besser Urteilen, eine der Vernunft. Die Kategorie ist das Denkwerkzeug, welches beim Menschen Verstand und Vernunft verbindet.

      Verstand haben auch höhere Tiere. Jedes Schwein, jeder Hund kann kategorisieren. Urteile abgeben, so nimmt man zumindest an, können nur Menschen.

      Fazit: Kategorisieren schliesst Werten explizit nicht mit ein.

  • Muttis Liebling sagt:

    ‚…kategorisiert und optimiert wird bereits im Kindergarten. Ist das sinnvoll? ‚

    Nein, das ist ein keinem Alter sinnvoll. Kategorisieren ist eine Methode des Verstandes, welche man für statistische Betrachtungen und individuell für Diagnostik einsetzt. Diagnostizieren sollte immer nur im Grenzfall der Erwartung eines pathologischen Resultates. Niemals im Normalfall. Statistik ist für das Individuum bedeutungslos. Optimieren sollte man nie.

  • Eva D sagt:

    Der Text spricht etwas wichtiges an, tappt dann aber doch auch in die Falle: Man solle das Kind annehmen, wie es ist, heisst es, vielleicht sei es langsam, werde aber mal ein/e Forscher/in. Sprich: vielleicht brilliert es nicht in X, dafür in Y. Es ist keine Herausforderung, das Mathe-averse Kind anzznehmen, wenn es dafür in Deutsch brilliert. Die Kunst des Annehmens fängt erst dort an, wo das Kind in nichts brilliert, überall „nur“ (unterer) Durchschnitt ist. Da bekommt man als Eltern dann nämlich Angst, das Kind werde sein Leben lang kämpfen müssen um jeden kaum feststellbaren Fortschritt und irgendwann ganz generell die Lust verlieren. Jedes Kind hat Stärken und ist auch ohne diese liebenswert. Aber trösten Sie mal ein verzweifeltes Kind, das „nichts“ besonders gut kann.

    • tststs sagt:

      1. In den Eigenschaften/Können, in denen wir denken, kann eigentlich so gut wie gar kein Kind irgendwas „besonders gut“ (wie auch, die meisten Fertigkeiten bedürfen – auch bei Talent – jahrelanger Übung).
      2. Wer das über den Tellerrand hinausblickt, findet bei jedem Menschen/Kind etwas, das man positiv herausstreichen kann. „Ich kenne niemanden, der die Stickers so schön ordnet wie Du!“ „Läck, kannst Du schnell auf der Tastatur tippen!“ „Bist Du ein Detektor für coole Youtubevideos?“ „Deine Augen glitzern am schönsten, wenn du lachst.“ „King of the Abwaschmaschine“

      • Eva D sagt:

        Ja, geschenkt. Aber im Kiga-/Schulkontext, auf welchen die Bloggerin sich bezieht, werden weder glitzernde Augen noch Sticker-Klebefähigkeiten bewertet. Kinder wollen auch in etwas gut sein, das in der Schule zählt. Klar kann man sie evtl. trösten, indem man persönliche Eigenschaften aufzählt. Aber das zitierte „du hast zwar Schwierigkeiten mit Fach X, kannst dafür Y besonders gut“ trifft eben nicht immer zu.

    • Niklas Meier sagt:

      Eva D, ich würde das noch etwas weniger behüterisch einordnen.
      Wenn man Eltern so zuhört, haben eigentlich alle Genies. Das autistische Kind hat eine Inselbegabung, man muss sie nur noch finden, der ADSler wird irgendwann in irgend einem Sport sicher grandios und der der mit allem überfordert ist, ist einfach hypersensibel und wird mal ein Musikgenie.
      Und warum? Der Erfolgszwang endet nicht bei der Person selbst, nein auch Eltern müssen etwas ganz Besonderes auf die Welt stellen. Durchschnitt, oder gar unterdurschnittlich geht nicht, ist persönliches Versagen.
      Und so werden Kinder und Jugendliche gequält, etwas zu lernen das sie nicht wollen, oder nicht können.

    • Gioia sagt:

      Ich kann sehr gut nachvollziehen, was Eva anspricht. Natürlich liebt man sein Kind bedingungslos, aber anzuerkennen, dass es in sehr vieler Hinsicht eben einfach nur oder nicht mal dem Durchschnitt entspricht und sich keine grossen Talente entdecken lassen, ist in unserer stets vergleichenden Gesellschaft nicht immer einfach. Darüber zu sprechen, ist ein No-go und absolut verpönt.

      • Sabine Dermon sagt:

        Liebe gioia und eva d.
        Vielen dank für euren gedankenanstoss! Ihr habt sehr recht damit, dass heute durchschnitt nicht mehr zählt und unterdurchschnitt verpönt ist. Ihr bringt mich damit auf ein thema, worüber mal berichtet werden sollte! Danke!

      • Niklas Meier sagt:

        Gerne Frau Dermont

    • mira sagt:

      Ja, daran habe ich auch gedacht. Nicht alle Kinder haben Stärken, die sie auch mal beruflich umsetzen können. Und diese Kinder benötigen besonders viel Akzeptanz und Förderung, damit sie nicht untergehen….

      • Eva D sagt:

        Genau. Weil es nämlich verdammt viel anspruchsvoller ist, einem Kind ohne besondere Begabung zu vermitteln, dass es „gut genug“, also wertvoll und liebenswert, ist. Das Kind nimmt seine Schwierigkeiten nämlich überdeutlich war und verzweifelt u.U. trotz annehmender Eltern fast daran. Und es ist auch verdammt viel anspruchsvoller für die Eltern in einem solchen Fall, nicht panisch zu werden.

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.