Das aufgerissene Geschenk

Wie unsere Mamabloggerin mit etwas Weihnachtszauber aus einer bösen Entdeckung etwas richtig Gutes machte.

Wissen Sie noch, wie sich diese unbändige Freude auf ein Geschenk früher anfühlte? Ein Junge öffnet sein Päckli. Foto: Getty Images

Eigentlich hatte ich ja geglaubt, die Kinder seien zu gross, um unter mein Bett zu krabbeln, und hatte diesen Ort darum als sicheres Weihnachtsgeschenk-Versteck befunden. Kurz hatte ich noch die Hochsicherheitsvariante – den Kofferraum des Autos – im Kopf, konnte dann aber doch nicht verantworten, unschuldigen Spielzeug-Seelen eine künstlich erhöhte Klimabilanz aufzudrücken.

Hätte ich es doch getan! Denn exakt 15 Tage vor Heiligabend war der Boden vor meinem Bett mit goldenem Glitzer verziert. Haargenau jener Glitzer, den ich in einem Anflug von Romantik auf das Weihnachtsgeschenk meines Sohnes geklebt hatte. Der hatte doch nicht etwa …?

Die unbändige Freude

Doch, hatte er, bewies mein Blick unters Bett. Ein Schwall von Wut und Enttäuschung kam in mir hoch, als ich das Papier um die Ninjago-Legos aufgerissen entdeckte, denn ich war mir sicher, dass es nicht mein Mann gewesen war, der sich nicht hatte zügeln können. Mein durchdacht geheimnisvolles Tun war dahin! Kein überraschter strahlender Kinderblick würde mich an Heiligabend für die hektischen letzten Wochen entschädigen und mich selig denken lassen: «Hach, sie geben einem so viel zurück!» Denn das dilettantisch aufgerissene Paket liess erahnen, dass die kriminelle Energie meines Sohnes im Bereich der Kaschierung noch nicht genug ausgereift war, um diesen Blick professionell zu heucheln. Mit Hochdruck verteilte mein Blut Sauerstoff in alle Zellen, um mich für den Kampf zu wappnen. Atemlos hechtete ich Richtung Zimmer des Sohnes, mein «Was zum Teufel …?» schon im Kopf, als sich urplötzlich ein Bild aus meiner eigenen Kindheit darüberschob.

Ich, vor dem Schrank meiner Eltern, mein Glück kaum fassend, eben mein verpacktes Weihnachtsgeschenk entdeckt zu haben. Da war kein «Soll ich das wirklich tun, obwohl ich das nicht darf?», als ich aufgeregt die Kleber des Geschenkes löste. Da war nicht der Deut einer Frage in mir, sondern nur ein beinahe existenzieller Drang, es tun zu müssen. So stand ich nun 39 Jahre später vor dem Zimmer meines Sohnes und statt der eben noch so starken Wut fühlte ich etwas längst Vergessenes: Wie sich unbändige Freude auf ein Geschenk anfühlt. Dass es beim Glück des Beschenktwerdens nicht hauptsächlich um die Freude an einem weiteren Kilo Material geht, sondern mindestens so sehr um das Gefühl, dass unsere Sehnsüchte und Bedürfnisse von jemandem gesehen, erkannt und erfüllt werden. Und dass es einfach nur schön ist, wenn dieses tolle Gefühl von schillernden Weihnachtsfeierlichkeiten gerahmt wird.

Nur was Kleines, Schatz!

In dem Moment wurde mir klar, wie sehr mir ein eigenes Weihnachtsgeschenk fehlt. Mein Mann und ich hatten einst beschlossen, uns keine mehr zu machen. Weil wir doch schon alles und viel zu viel davon haben. Weil es doch nicht nötig ist und seine Beschaffung nur weiteren Stress in der umtriebigen Adventszeit bedeutet. Wir wollten uns das Leben einfacher machen und übersahen dabei, dass wir ihm ein Stück Glanz raubten. Denn durch unsere pragmatische Nüchternheit lag nun der Fokus bei der weihnachtlichen Bescherung ausschliesslich auf den Kindern und trug jene Einseitigkeit inne, die mir sowieso zunehmend suspekt ist. Wir Erwachsenen sitzen auf dem Sofa, knabbern trockene Mailänderli und werfen «Oh!» «Ah!» und «Seisch Danke!» in die Geschenkeschlacht der Kinder. Vernünftig, stressfrei, von mir aus, aber auch furchtbar asymmetrisch glanzlos.

So kam es, dass ich statt mit meinem Sohn zu schimpfen, meinem leicht erblassenden Mann eröffnete, dass ich mir ein Weihnachtsgeschenk wünsche. «Nur was Kleines, Schatz! Aber finde bloss ein gutes Versteck!» Und der überraschte Blick meines Sohnes an Heiligabend ist mir auch wieder gewiss. Wenn er das von mir wortlos wieder zusammengeklebte Geschenk erblickt, wird er die Welt nicht mehr verstehen, dass Mama für einmal nicht wie erwartet reagiert hat. In diesem Sinne: Frohe Weihnachten, liebe Eltern. Und vergesst euch selbst nicht im Tumult.

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20 Kommentare zu «Das aufgerissene Geschenk»

  • Anita Schüpbach sagt:

    Liebe Frau Sommer
    An dieser Stelle möchte ich mich für all Ihre humorvollen und tiefgründigen Kolumnen, die ich von Ihnen lesen konnte, bedanken. Ihnen und Ihrer Familie wünsche ich frohe Festtage und Geschenke die alle erfreuen.
    Anita S.

  • Lisa sagt:

    Mein Bruder und ich haben damals auch das Schlafzimmer der Eltern durchsucht bis wir sie gefunden haben. Dann ertastet und geschüttelt – aber nie aufgemacht, das hätten wir uns dann doch nicht getraut. Ausserdem waren wir 4 Kinder und den Geschenken war nicht anzusehen, für wen was ist (die anderen beiden Geschwister haben sowas nie gemacht, die zwei braven und die zwei wilden halt 😉 ). Lang ists her…

  • Nala sagt:

    Komisch, wir waren 4 Kinder und keines hat je Geschenke einfach geöffnet. Obwohl die gut sichtbar bei den Eltern im Schlafzimmer auf dem Schrank aufgestapelt wurden. Je nähe Weihnachten, desto mehr Geschenke waren dort. Uh wenn man da stand und werweiste, welches wohl für einem selber war. So schön. Aber heimlich öffnen – darauf wären wir nie gekommen.

  • Esther sagt:

    Hat man wirklich keine Idee dann Blumen, Rosen, etwas buntes und schönes.
    Das kommt stets gut an. Glaube ich.

  • 13 sagt:

    Wer die Weihnachtsgeschenke am 24.12 besorgt, muss sie nicht mehr verstecken 😉

    • Nala sagt:

      Hat was 🙂 Und man kann sich ja wochenlang vorher überlegen, was man dann am 24. besorgen will. Dann artet es auch gar nicht in Stress aus. Und immer gut ist sonst riesige Verpackung (möglichst mit Steinen beschwert) um dann ein kleines Schächtelchen mit einem kleinen Bling drin zu überreichen. Muss man auch nicht verstecken, weil die Person nicht versteht, dass sie nichts grosses bekommt. Und wer heimlich Geschenke vorher öffnet, dem sollte man sowieso nichts, aber auch gar nichts schenken.

      • Tamar von Siebenthal sagt:

        @ Nala

        „…. dem soll man nichts, aber auch gar nichts schenken!“

        Bei einem Kleinkind, echt jetzt? Und für Erwachsene für dasselbe Vergehen dann die Todesstrafe oder was?

  • Hans Niederer sagt:

    Mein Vater könnte seine Sex-Heftli nie gut genug verstecken, ich fand gleich alle…

  • Maike sagt:

    Schenken geht immer ! Und das man alles und davon zuviel hat – Unsinn ! Ich freue mich über einen Blumenstrauß, ein neues Buch meiner Lieblingsschriftstellerin, eine neue LP oder CD. Und für meine Töchter oder meinen Mann weiss ich immer was. Und das geht weit über SOS hinaus. Die Absprache, sich keine Geschenke zu machen in einer Partnerschaft halte ich für bedenklich. Hat man kein Interesse mehr am anderen ?

    • Synn sagt:

      Das sehe ich auch so. Man kennt und liebt sich doch (hoffentlich) genug um Ideen zu haben. Mein Mann und ich machen uns sogar auch jedes Jahr einen Adventskalender mit je 12 Päckli, so dass abwechselnd geöffnet werden kann. Da schon lange Tradition, ist das auch Null Stress da wir die Sachen „nebenbei“ während dem ganzen Jahr besorgen.

      • maia sagt:

        Ich bin froh, wenn mir jemand Zeit für mich schenkt und ich sie nicht für das „besorgen und nachdenken“ von Geschenken verschwenden muss.

    • Nala sagt:

      Sicher schenken geht immer. Aber muss es denn ausgerechnet zum 24.12. sein? Mein Partner und ich beschenken uns gerne. Aber selten bis nie zu Weihnachten. Ausser es hat sich halt gerade dann was ergeben, das man dem anderen schenken möchte.

  • tststs sagt:

    Jaja, jeder nach seiner Facon, aber ehrlich, wer sich nicht einmal zu Weihnachten aufraffen kann, um seine/n Liebste/n zu beschenken…

    • Karl Drais sagt:

      Sie widersprechen sich selbst. „Jeder nach seiner Façon“ heisst eben auch, dass manche sich nichts schenken, weil sie das nicht WOLLEN — nicht weil sie nicht können.

  • Niklas Meier sagt:

    Oder man schenkt das dann einem andern Kind und sucht dem eigenen etwas anderes? Und packt das dann im zerrissenen Papier ein. Das fände ich zumindest ein Spezialblick wert.

    Aber: unter dem Bett versteckt? Wirklich? In jedem schlechten Agentenfilm schauen die Bösen sofort(!) unter das Bett. So schlau wie ein dummer Ganster dürfte auch ein Kind in Weihnachtsvorfreudebeutezug sein.
    Ein prima Versteck: unten im Wäschekorb.
    Oder man stemmt im Keller die Wand auf, platziert das Geschenk dort und verputzt wieder alles. Einfach aufpassen, dass man nicht versehentlich den Nachbarn wieder ausgräbt.

  • Peter Kunz sagt:

    Das geht aber nicht jedem gleich. Für meinen Teil bin ich froh darum keine Geschenke zu bekommen. Einerseits weil ich nicht weiss wohin damit, andererseits weil es mir keine Freude macht Dinge geschenkt zu bekommen. Die erwartete Dankbarkeit und die ist immer vorhanden, wenn nicht offen dann heimlich, ist so unangenehm, dass es kein Geschenk der Welt aufwiegt. Darauf kann ich wirklich verzichten.
    Trotzdem viel Spass mit dem Geschenk und angenehme Festtage.

    • Niklas Meier sagt:

      Herr Kunz, wenn man Ihnen Socken schenkt und dann erwartet, dass Sie sich freuen kann ich Ihren Unmut verstehen.
      Ich schenke aber beispielsweise meiner Partnerin jeweils etwas das sie schon lange gerne hätte, sich aber nicht leisten will. Ich weiss, dass sie sich freut und darum geht es doch. Dass man jemandem eine Freude macht, nicht dass man Dankbarkeit erwartet..

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