Ach, diese Instagram-Muttis!
Hat viele Follower und Kritiker: Influencerin Karo Kauer.
Was Fotos meiner Kinder in den sozialen Netzwerken angeht, bin ich ziemlich auf der sicheren Seite. Es existiert genau eines von mir und meinem Grossen. Das nämlich, als er im Kleid und ich im Rock durch die Fussgängerzone spaziert sind. Aber das sind erstens alte Geschichten, und zweitens zeigt ihn das nur von hinten.
Darüber hinaus allerdings gibt es nichts zu sehen und nur Dinge zu erfahren, die mir meine grossen Kinder gestatten und über die ich mir bei meinen kleinen Kindern viele Gedanken gemacht habe. Eine wie auch immer geartete Präsentation der eigenen Kinder in der Öffentlichkeit ist eine schwierige Sache.
Der Kollege Markus Tschannen hat an dieser Stelle schon einmal ehrlich und klug über den schwierigen Grad zwischen Privatsphäre und dem Recht der Kinder am eigenen Bild auf der einen Seite und dem Schreiben und Thematisieren von Familie und Kindern auf der anderen Seite geschrieben. Zusammenfassung: Er handhabt das ein wenig offener als ich, aber nicht viel. Und auch er überlegt sich jeden Schritt sehr genau.
Die bösesten aller Mütter
An dieser Stelle folgt bei ähnlich gelagerten Texten üblicherweise ein «Aber». Aber die Instagram-Muttis! Denn nachdem man mit ein paar Sätzen klargestellt hat, dass man selbst so krasse Sachen niemals tun würde, verbringt man
die restlichen Zeilen damit, ordentlich gegen die Mütter auszuteilen, die sich als Influencerinnen auf Instagram herumtreiben, ihr Kind bei jeder Gelegenheit in die Kamera halten und damit auch noch Geld verdienen.
Aber heute machen wir das mal anders. Denn bei aller berechtigten und notwendigen Kritik an dem allzu sorglosen Umgang von Eltern mit Fotos von ihren Kindern und an dem gedankenlosen Blossstellen von Kindern in intimen Situationen: Dieser scheinheilige, selbstgefällige Umgang mit Instagram-Müttern kotzt mich an. Praktisch alles, was daran falsch ist, findet sich in einem jüngst erschienenen Artikel des Magazins «Focus».
Das geht mit der Überschrift «Mama. Money. Missbrauch» los und endet nicht dabei, Müttern vorzuwerfen, sie würden ihre Kinder quasi Pädophilen zum Frass vorwerfen. Dazwischen ist es nicht weniger unerfreulich, wenn unter anderem die Influencerin Karo Kauer oder die sehr bekannte Youtuberin Bianca Heinicke als abschreckende Beispiele herbeizitiert werden.
Wenn das Privatleben Teil des Jobs ist
Unerfreulich deshalb, weil man geflissentlich unter den Tisch fallen lässt, dass beide bereits vor ihren Schwangerschaften in ihren Geschäftsfeldern erfolgreich waren. So lud Heinicke die ersten Clips 2012 hoch – 6 Jahre vor der Geburt ihres Kindes. In dieser Zeit hat sie mit Schminkanleitungen, Modetipps und Produktvorstellungen über 5 Millionen Follower hinter sich versammelt und es mit ihrem Kanal BibisBeautyPalace auf knapp 2 Milliarden Aufrufe gebracht. Man kann also ohne Übertreibung sagen, dass das ihr Vollzeitjob ist, den sie sehr professionell betreibt und mit dem sie viel Geld verdient.
Reflektieren ihren Umgang mit ihrem Sohn in der Öffentlichkeit: Bibi und Julian. Video: Youtube
Ein Aspekt dieses Job war und ist es, Nähe zu den Zuschauerinnen und Zuschauern aufzubauen, indem man Persönliches preisgibt. Viel anders mache ich das auch nicht. Wenn ich hier in jedem Text nur allgemein über Erziehungsfragen dozieren würde, hätten Sie zu Recht sehr schnell die Schnauze voll. Das könnte und wollte ich auch gar nicht leisten. Aber zurück zur Webvideoproduzentin Bibi, die sich überlegen musste, was sie nun macht. Gibt sie ihr Geschäftsmodell ganz auf, produziert sie an ihrem Kind und der Tatsache, dass sie Mutter ist, vorbei oder integriert sie ihr Kind in die Monetarisierung ihres Alltags?
«Iiiih, guck mal, die zeigt ihre Kinder im Internet!»
Noch mal: Man kann das mit Fug und Recht hochproblematisch finden, aber man sollte schon bei der Wahrheit bleiben. Zur Wahrheit gehört auch, dass Heinicke mit einem anderen, ebenfalls sehr erfolgreichen Youtuber verheiratet ist, den man für die Zurschaustellung des gemeinsamen Kindes ebenfalls kritisieren könnte. Aber da es wie so oft um Mütter-Bashing geht, lässt man das natürlich.
Und dann die Pädophilen-Keule: Mir ist klar, dass der Unterschied zwischen pädosexuellen Menschen und Sexualstraftätern nicht leicht zu fassen ist, aber in der Presse sollte man dazu schon in der Lage sein. Für eine auf Kinder ausgerichtete sexuelle Präferenz kann man nichts. Dafür, Kinder sexuell zu missbrauchen oder Bilder des Missbrauchs zu konsumieren, allerdings schon.
Also bitte: Lassen Sie uns gerne in aller Aufrichtigkeit darüber sprechen, wie wir unsere Kinder schützen können, ohne dass wir dabei alles, was sie betrifft, komplett aus dem öffentlichen Raum und den sozialen Netzwerken entfernen. Aber «Iiiih, guck mal, die zeigt ihre Kinder im Internet!» bringt uns dabei keinen Schritt weiter. Es wirft uns stattdessen eher zurück.
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36 Kommentare zu «Ach, diese Instagram-Muttis!»
Als Eltern ist uns in Sachen Social Media das Buch „Fit und fair im Netz“ ein wertvoller Begleiter durch den Erziehungsalltag. Daraus sei zitiert: „Die Eltern verwalten den Anspruch des Kindes, dass sein Recht am Bild geschützt wird. Wichtig ist, dass sie sich vor einer Veröffentlichung fragen, warum sie ein Bild ihres Kindes online verbreiten möchten. Wer soll die Bilder sehen können und wer nicht? In welchem Rahmen? Wie mag es dem Kind ergehen, wenn es später realisiert, dass sein Aufwachsen im Internet dokumentiert wurde?“ (S. 73, Felix Rauh, ISBN 978-3-0355-0479-8). Ebenfalls empfehlenswert scheint mir der „Entscheidungskreis für das Online-Stellen von Bildern“ von Ulla Patricia Autenrieth (Netzbilder, Uni Basel).
Ja und? Was will Herr Pickert uns mit seinem schwammigen Artikel sagen? Dass es jedem selbst überlassen ist, seine Kinder im Internet zu präsentieren und das man das gefl. nicht zu kritisieren hat? Ms. Karo und Bibi scheinen dem Autor hauptsächlich zu imponieren, weil sie mit ihren öden Schmink- und Vanillegipfeli-Tipps viel Geld verdienen – als ob viel Geld verdienen ab sich schon eine Auszeichnung wäre!
Ich denke eher an die hergezeigten Kinder: wie werden sie das eines Tages sehen? Eine Freundin hatte zahllose Fotos ihrer beiden Mädels auf Facebook und die beiden mal gefragt, ob sie einige davon löschen solle. Ja, einige gefielen ihnen (12/10 Jahre alt) nicht, aber anscheindend meist nicht diejenigen, welche das Mami selber entfernt hätte.
Und weil eine Influenzerin auch vor der Geburt ihrer Kinder influenzt hat, müssen nun auch deren Kinder zum Influenzen herhalten?
Und weil eine Influenzerin auf Nähe zu den von ihr influenzten Menschen angewiesen ist, wirft sie diesen auch noch gleich ihre Kinder an den Hals.
Was für eine völlig verquere Logik ist das denn?
Als Juristin sehe ich die Veröffentlichung von Kinderfotos kritisch – ganz unabhängig davon, was auf dem Bild zu sehen ist. Das Kind kommt mit Persönlichkeitsrechten zur Welt, das Recht am eigenen Bild gehört dazu. Und es ist höchstpersönlicher Natur, d.h. es kann nur die betroffene Person (so auch das Kind) persönlich zustimmen, niemand kann dies in Vertretung tun. Da das Kind aber erst ab ca. 14 Jahren diesbezüglich urteilsfähig ist, kann es vorher gar nicht einwilligen. Und da die Eltern auch nicht einwilligen dürfen (da das Recht wie gesagt absolut höchstpersönlich ist), darf gar niemand einwilligen. Punkt. All die Anfragen von Schulen/Vereinen an Eltern, ob sie Fotos veröffentlichen dürfen, sind rechtlich total falsch aufgegleist.
So ist das nicht ganz liebe Mami78. Urteilsfähige (Art. 16 ZGB), aber aufgrund ihres Alters eigentlich handlungsunfähige Jugendliche (Art. 13 ZGB) können ihre höchstpersönlichen Rechte selbständig geltend machen (Art. 19c ZGB). In Bezug auf das Recht am eigenen Bild bedeutet das, dass der/die Betroffene in die Beschaffung oder Veröffentlichung der eigenen Abbildung allein einwilligen kann, vorausgesetzt, die Urteilsfähigkeit ist gegeben. Das bedeutet, dass die abgebildete Person in der Lage sein muss, einerseits Sinn, Tragweite und Nutzen ihrer Handlung zu erkennen.
Wenn die Person aber aufgrund des Alters – ein/e Zweijährige/r beispielsweise – entsteht kein rechtsfreier Raum. Jetzt sind die Eltern / Erziehungsberechtigten gefragt, diese Zustimmung zu geben – oder zu verbieten.
Es stellt sich noch eine andere Frage ausser dem Recht am eigenen Abbild, nämlich ob diese Kinder nicht arbeiten im Sinne des Arbeitsrechts: Solche Influencer Photos oder Videos sind ja nicht einfach Schnappschüsse, da wird geschminkt und ausgeleuchtet und einstudiert und mehrmals gedreht: Das ist Arbeit, sowas: daran müssen die Kinder nicht zwingend leiden, aber die Gefahr ist gross, dass deren Interessen dem geschäftlichen Erfolgsdruck oder persönlichen Erfolgshunger untergeordnet werden, da alles innerhalb der Familie geschieht, kontrolliert niemand. Es gibt keine Verträge (wie die armen Mütter vor Kurzem, haben die Kinder vielleicht auch keine geregelten Pausen), keinen Schutz, wenn die Eltern Arbeitgeber werden.
Auf YouTube gibt es seit einger Zeit Osteuropäische Väter/Mütter (dem gebrochenen Englisch nach urteilend) die deren Kinder nötigen, Spielzeuge zu testen, billige Szenarien zu spielen basierend auf Spielzeugen/TV-Serien/Filmen. Dies alles mit dem schlechstmöglichst ausgesprochenen Englisch seitens der Eltern und vor allem bei den Kids (können ja normalerweise auch noch richtig Englisch ausser sie kommen aus einem englisch-sprachigem Land). Die verdienen Geld via YouTube indem sie die Kinder freiwilligen-Kinder-Arbeit leisten lassen und all die armen Opfer-Kinder mit Gossen-Englisch vergewaltigen. So etwas gehört der Riegel geschoben. Aber klar das die Gschpührsch-Mi-Alle-Wollen-Wie-die-Generation-Znowflakes-sein-Gesellschaft noch hip rüber kommt…
Gegen Bilder im Netz ist aus meiner Sicht nichts einzuwenden. Die Promis gehen damit ja sehr unterschiedlich um, und fast alles hat seine Berechtigung.
Aber es hat schon Grenzen. Ich finde es z.B. nicht ok, einen Jungen im Rock aller Welt zu präsentieren, weil die Wahrscheinlichkeit doch gross ist, dass er das irgendwann nicht mehr gerne sieht.
Ein lustiges Familienfoto ist etwas anderes.
Es ging damals ja nicht um ein lustiges Familienfoto, sondern darum, den Jungen in seiner Vorliebe zur Kleidern zu unterstützen. Und ich hoffe und glaube, dass N.P. dieses Bild heute, wo der Sohn älter ist, das Thema mit ihm besprochen hat, d. h. dass dieser schon lange weiss, dass das Bild im Netz ist. Ob ihm das Bild peinlich ist? Vielleicht… in einem gewissen Alter ist einem ja eh alles peinlich… das legt sich auch wieder. Vielleicht stört es ihn auch nicht sondern ist stolz auf die Aktion… möglich ist alles. Aber man sieht mal wieder, dass Grenzüberschreitungen unterschiedlich bewertet werden. Ich finde andere Fotos weitaus grenzwertiger…
Recht auf Privatspäre, bleibt ein Recht auf Privatsphäre, bleibt ein Recht auf Privatsphäre. Auch wenn die Eltern mit der Verletzung der Privatsphäre ihrer Kinder Geld verdienen, bleibt es Missbrauch, zumal die Kinder oft genug in demütigender Pose gepostet werden.
Zudem ist es doch so, dass gepostete Fotos von Junior im Kleid nicht dem Junior dienen, der sich ev (Wahrscheinlichkeit 0.0000000001%) als Transgender fühlen könnte, sondern dient der Aufmerksamkeit des Autors: „seht her, wie tolerant ich bin, ich liebe mein Kind auch dann, wenn es sich als Transgender, Fisch, oder Pferd fühlt“!!!! Das alles ist nur Selbstbeweihräucherung. Deswegen behaupten auch überdimensional viele Promis, ihre Kinder seien nicht hetero. Das alles dient als Werbung und ist klar Missbrauch.
@Tamar von Siebenthal: Ich hoffe, das “ Deswegen behaupten auch überdimensional viele Promis, ihre Kinder seien nicht hetero“ können Sie belegen. – Danke für die Angabe der Quellen.
Das müsste dann aber auch für alle Minderjährigen gelten, die in Film, Foto oder Werbung auftauchen.
Wow, was haben denn Sie für ein Problem, Frau von Siebenthal?! Es ging gar nicht um die sexuelle Ausrichtung des Kindes, sondern um dessen Kleidergeschmack. Oder sind etwa alle Hosen tragenden Frauen transgender? Ah, nein.
Und noch als Nachtrag: Da Morde durch Steinigungen auf der Welt immer noch sehr real sind, sollten wir zurückhaltend mit der „Steinigung“ als Redewendung für etwas viralen Shitstorm sein.
Das ist typischer Unsinn. Worte sind Abstraktionen, welche nicht an Deutungen kleben. Man darf alles, restlos alles sagen. Was man sagen kann, orientiert nicht an dem, was man machen darf oder nicht.
Seit das öffentliche Sprachniveau sich auf einem Allzeittief befindet, verstehen manche nicht einmal die Funktion und die Mechanismen von Sprache. Es wird nur noch platt und 1:1 dahin geschnattert.
@ ML
Auch wenn für Sie Worte anscheinend keine Bedeutung haben, so werden Sie den Unterschied zwischen dürfen und sollen kennen. Man darf restlos alles sagen, solange es im rechtliche Rahmen ist. Nur Drohungen, Beleidigungen, Belästigungen, Hetze etc. fallen ein „das darf man nicht“.
Sollen ist aber etwas anderes als dürfen und da ist die Frage berechtigt: „Soll ich das sagen?“ Soll ich reale Gewalt durch Redewendungen bagatellisieren? Soll ich in die Kommentarfunktion für irgendwelche absurden, unlogischen Theorien nutzen? Man darf, keine Frage. Nur wenn man es tut, muss man eben mit Konsequenzen rechnen…
Völlig einverstanden, 13.
In meinen Augen sogar eine Entgleisung.
@Muttis Liebling: was für hanebüchener Unsinn. Worte kleben nicht an Deutungen? Wenn man denn die Funktion und den Mechanismus von Sprache versteht, dann sollte man erkannt haben, dass Worte weit mehr als eine Aneinanderreihung von Buchstaben sind.
Was mich am meisten stört, aber in diesen Diskussionen eigentlich nie vorkommt, ist die Vorbildfunktion der Eltern.
Was sollen Kinder lernen, wenn Eltern ständig Selfies von sich machen und posten! Ernsthaft! Wieso muss man seine Freunde und Follower ständig daran erinnern, wie man aussieht? Was ist am „Leben-teilhaben-lassen“ und was ist „Fishing-for-Compliments“?
Nehmen wir Foto von Karo Kauer. Selbstverständlich soll/darf sie uns an ihrem Leben teilhaben lassen. Aber seien wir ehrlich, dieses Foto hat mit „heute backen wir Vanillekipferl und so langsam kehrt hier ganz viel Weihnachtsstimmung ein. Ich liebe es Habt ihr auch schon Weihnachtsplätzchen2019 gebacken?“ nix, aber reingarnix zu tun.Maus
„Genauso gut könnte stehen: „Osterhasen erfolgreich gejagt!“ oder „Happy Birthday kleine Maus! oder „Heute alle pünktlich und gesund aufgestanden.“
Dieses Bild will nichts anderes als Status zu bilden und zu zementieren!
Bitte nicht falsch verstehen, das machen wir alle, das ist die menschliche Natur. Aber dann soll man doch bitte auch dazu stehen!
Unterschreibe ich
Mache ich ganz bestimmt nicht!
Soll doch jeder / jede machen wie er will. Ich verurteile da niemanden, wenn man es supertoll findet, die Fotos seiner Kinder der Weltöffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.
Meine Lebensqualität wird davon in keinster Weise berührt – und das ist in diesem Fall für mich die Hauptsache.
Den erhobenen Zeigerfinger habe ich mir schon lange angewöhnt.
Es geht hier um Eltern, welche ein Leben in der Öffentlichkeit führen.
Egal welches Leben Eltern leben, es tangiert immer das Leben der Kinder.
Ob man nun eine Netz-Bekannheit ist, oder Mitglied des Königshauses oder ein Superstar wie Roger Federer, es ist für die Kinder nicht einfach.
Aber es ist für die Kinder auch nicht einfach, wenn die Eltern arme Nobodys sind. Das Promi-Kind wünscht sich vielleicht einmal, es hätte ganz normale unbekannte Eltern gehabt und das Normalo-Kind wünscht sich vielleicht einmal, es hätte reiche berühmte Eltern gehabt.
Wir alle sollten einfach nach bestem Wissen und Gewissen das tun, was unseren Kindern eine gesunde Entwicklung ermöglicht und nicht soviel darüber nachdenken, was andere Eltern tun sollten.
Wir beschäftigen uns so gerne mit den Problemen und (vermeintlichen) Fehltritten anderer Leute, damit wir nicht über uns selbst nachdenken müssen.
Öffentliche Steinigungen sind grundsätzlich falsch. Psychologisch gesehen sind sie ein Ventil für persönliche Konflikte und persönliche aufgestaute Aggressionen. Das Opfer hat die Rolle des Sündenbocks. Das wird sehr eindrücklich dargestellt in der Serie „A Handmaid’s Tale“. Eine Serie, welche reale gesellschaftliche Phänomene fiktiv in die Zukunft verlegt.
„Egal welches Leben Eltern leben, es tangiert immer das Leben der Kinder.
Ob man nun eine Netz-Bekannheit ist, oder Mitglied des Königshauses oder ein Superstar wie Roger Federer, es ist für die Kinder nicht einfach.“
Natürlich tangieren Eltern (selbst die abwesenden) das Leben der Kinder. Aber Berühmtheit ist keine Entschuldigung, die Kinder in dieses Leben hineinzuziehen! Nur weil Roger Federer und die Royals das nicht im Griff haben*, gilt das nicht für alle. So weit ich weiss, hat Stefan Raab zwei Kinder… niemand weiss, wie sie aussehen oder heissen… und Stefan Raab ist nun wirklich ein Schwergewicht im Showbiz…
*natürlich sind diese Kinder deshalb nicht verloren…
Sie würden gut daran tun, den Kommentar um die rechtlichen Aspekte des Sharenting zu ergänzen. Dabei geht es nicht nur um Kinderrechte nach UN-KRK (z.B. das Recht auf Privatsphäre), sondern auch um zivilrechtlich relevante höchstpersönliche Rechte. Es ist bei Weitem nicht nur eine Meinungsfrage (wobei es ja nur um Erwachsenenmeinungen geht), ob es in Ordnung ist, Bilder seiner Kinder zu posten, und es ist zudem seltsam und bedenklich, dass Leute, die mit ihren Kindern Geld verdienen, sich nicht mit dem rechtlichen Rahmen auseinandersetzen und allfällige Konsequenzen für die Kinder ausblenden, bagatellisieren oder abstreiten.
Ich halte die Zurschaustellung des Kindes im Internet durch den Vater für genau gleich verwerflich, wie die Zurschaustellung durch die Mutter und kritisiere ihn hiermit genauso.
Es gab doch diese Kampagne „Ich echten Leben würden Sie ihre Kinder schützen. Warum tun sie es nicht auch im Internet?“ Und das sollte eigentlich die Leitplanke sein. Ich gehe mit meinen Kindern raus. Unvermummt. Ich zeige sie damit der Öffentlichkeit. Dabei sind sie anständig angezogen, gepflegt und werden nicht gedemütigt. Und gegen ein solches Foto, gibt es auch wenig einzuwenden. Über das angeblich fehlende Einverständnis zu reden, ist sinnlos. Solange die Kinder nicht in der Lage sind, selber zu entscheiden, müssen wir das eben für sie tun. Das gilt auch bei viel gewichtigeren Themen als Fotos im Internet, also auch da. Will man ein Einverständnis, bevor Kinder dazu in der Lage sind, führt das dann zu abgedrehten und absurden Beiträgen wie demjenigen gestern…
Schliesse mich vorbehaltlos an, 13. Elterliche Sorgfaltspflicht wäre das Stichwort, welches man letztendlich nicht wegdiskutieren kann. Alles Verständnis für etablierte Geschäftsmodelle hin, und für persönliche Bedürfnisse und spezielle Persönlichkeitszüge her.
„Dabei sind sie anständig angezogen, gepflegt und werden nicht gedemütigt. Und gegen ein solches Foto, gibt es auch wenig einzuwenden.“
Es geht nicht um das Foto an und für sich, es geht um dessen Veröffentlichung und Verbreitung.
„Solange die Kinder nicht in der Lage sind, selber zu entscheiden, müssen wir das eben für sie tun.“ Fast; es gibt auch noch Bereiche, wo mit der Entscheidung abzuwarten ist, bis das Kind selber entscheiden kann.
„Solange die Kinder nicht in der Lage sind, selber zu entscheiden, müssen wir das eben für sie tun.“
Habe noch einmal ein wenig darüber nachgedacht und muss sagen, dass wir eigentlich so gut wie gar nie für unsere Kinder entscheiden (auch wenn wir die Floskel im Alltag oft benutzen).
Wir „entscheiden“ nicht, dass die Kinder im Winter eine dicke Jacke anziehen müssen (keine Anziehen ist nun wirklich keine Option), wir „entscheiden“ auch nicht, dass jetzt Zeit ist um die Zähen zu putzen. Wir wägen nicht zwischen verschiedenen Optionen ab und entscheiden uns dann für eine. Es ist nur eine Pseudo-Wahl…
Deshalb sage ich etwas provokativ: Wenn es wirklich um eine Entscheidung geht, sollte dies immer den Kindern überlassen werden (auch wenn dies eine gewisse Wartezeit bedeutet)!
@ tststs
Sorry, das ist absurd. Keine Jacke anziehen ist selbstverständlich eine Option, gleich wie drin bleiben. Auch Impfen ist eine Option, die wir für unsere Kinder entscheiden. Oder die Behandlung von Krankheiten. Die Schule ist eine Option, die wir für unsere Kinder entscheiden. Auch der Name. Etc. etc. Jeden Tag!
Und wenn man schon bei der Veröffentlichung von Fotos geht: Das fängt bei der Babygalerie des Spitales an (das kann das Kind ja gar nicht später entscheiden, egal wie die Entscheidung der Eltern ausfällt) oder wenn eines dieser Schreiben der Schule eintrifft, dass irgendetwas in der Schule gedreht wird oder über ein Projekt berichtet wird. Dann entscheidet man als Elternteil, ob das Kind da drauf sein darf oder nicht. Nachträgliche Entscheidungen sind nicht möglich.
Wofür steht nun dieser Beitrag genau, frage ich mich. Frei nach dem Motto: wir können zwar gerne darüber reden, Kritik aber verbitte ich mir? Oder schwingt da wieder mal im feministischen Mann die „anarchische Ritterlichkeit„ mit, Frauen die ihm nahestehen pauschal vor Kritik schützen zu wollen? Denn worüber soll man bei Kritik an Instagram-Selbstdarstellern anderes reden, als darüber, dass ihre Kinder ohne deren Einverständnis zum öffentlichen Gut werden, dass ihr Anrecht auf Wahrung ihrer Privatsphäre, welches zu schützen den Eltern obliegt, mit Füssen getreten wird?
Der Totschlagbegriff „Pädophilenkeule“ hilft da auch nicht wirklich weiter in einem Zeitalter, wo man Bilder bereits digital in andere Bilder und Filme zweckentfremden kann.
Kurz, ich erlaube mir Kritik weiterhin.
Ich würde mit denen, welche grosse Datenmengen mehrfach gespiegelt auf Serverfarmen laden, vor allem über Ressourcen und Klimaschutz reden. Es sind häufig die gleichen Kreise, die sich über kultische Protestformen an Freitag Nachmittagen erfreuen und meinen, mit in Bildern darstellbarer Symbolik löst man Probleme der realen Welt.