Freiwillige Kinder vor!
Anfang 2019 hat der 33-jährige Inder Raphael Samuel seine Eltern dafür verklagt, dass sie ihn nicht gefragt haben, ob er zur Welt kommen will. Er steht damit auf provokante Art für den sogenannten Antinatalismus und für die Frage ein, ob ein Mensch zum Leben gezwungen werden darf. Unsere Autorin hat seine durchaus interessante Idee zu Ende gedacht und sich überlegt, wie man denn einen Menschen nach seinem Daseinswunsch befragen soll, wenn es ihn noch gar nicht gibt. Sie stellt sich dieses Szenario folgendermassen vor:
Zürich 2022. Ein tiefgekühlter Raum. Anwesend: Herr und Frau Rüdisühli, eine Juristin, eine Medizinerin, ein Psychologe, 400 Eizellen von Frau Rüdisühli und 1,5 Millionen Spermien von Herrn Rüdisühli.
Juristin (professionell): «Ich begrüsse alle zur Befragung: Wer will das Kind von Herrn und Frau Rüdisühli werden? Die zukünftigen Eltern wollen das glücklichste Kind aller Zeiten erschaffen und wollen von Anfang an ganz auf das eingehen, was das Kind will. Auch, um spätere Klagen zu vermeiden. Gibt es irgendwelche Freiwilligen?»
Eizelle 3 (aufgeregt): «Ich! Ich sehe es als mein Lebensziel, ein Mensch zu werden. Bitte, bitte nehmen Sie mich!»
Spermium 13 (siegessicher): «Und mich dazu! Bist echt ein knackiges Eilein, bei dir würde ich sofort andocken!»
Juristin (resolut): «Stopp! Wir dürfen keine Paarung vornehmen, deren Anbahnung auf sexistischen Sprüchen basiert. Dies könnte uns zu einem späteren Zeitpunkt grosse juristische Probleme bereiten, Stichwort Sexismusklage.»
Spermium 154 (sachlich): «Dann nehmen Sie mich! Ich interessiere mich nicht sonderlich für Eier. Ich bin aber sehr klug und bringe beste Erbmasse mit!»
Frau Rüdisühli (hysterisch): «Er interessiert sich nicht sonderlich für Eier? Heisst das, aus ihm wird ein homosexuelles Kind? Das geht nicht. Wir wollen Enkelkinder! Gell, Anton?»
Anton Rüdisühli grummelt was. Ratloses Schweigen herrscht.

Psychologe an Spermien: «Sie haben die Möglichkeit, über ihr Sein zu entscheiden.» Foto: Journal of Science, Keystone
Spermium 1082 (maulig) unterbricht das Schweigen: «Sind Sie sich eigentlich sicher, dass alle Kollegen draussen sind? Oder gibt es welche, die noch im Warmen rumlungern? Es ist echt scheisskalt hier.»
Medizinerin (genervt): «In der Tat ist es schwierig, alle Spermien rauszubringen, da der fleissige Herr Rüdisühli ständig neue von ihnen produziert. Sie gehören zur Elite, aus der das Kind gezeugt werden soll, vorausgesetzt wir finden zwei Freiwillige.»
Spermium 386 (hektisch): «Wenn das so ist: Danke, ich will kein Mensch werden. Kann ich jetzt wieder rein? Um vier beginnt der Hormon-Match, den möchte ich ungern verpassen.»
Psychologe (lächelnd): «Das können sie gerne, Spermium 386. Aus Ihrem Gezappel diagnostiziere ich ein starkes ADHS. Diese Disposition kommt für das perfektes Kind sowieso nicht infrage.»
Medizinerin (nervös): «Ich habe mich vielleicht nicht ganz deutlich ausgedrückt. Es kann hier keiner mehr wieder rein! Entweder man übernimmt den Job oder wird je nach Wunsch der Rüdisühlis eingefroren oder ermordet.»
Spermium 45 (zornig): «Eingefroren oder ermordet? Das ist ja grausamste Diktatur! Warum ist eigentlich keine Vertretung der Menschenrechtskommission anwesend? Ich möchte sofort mit meinem Anwalt sprechen!»
Psychologe (sanft): «Ich kann Ihre Wut sehr gut verstehen, Spermium 45. Es ist für die Psyche eines Spermiums eine grosse Herausforderung, so direkt mit dem eigenen Tod konfrontiert zu werden. Ich kann Ihnen aber versichern, dass Ihre Lebensdauer auch in Herrn Rüdisühlis … ähm … Gefäss sehr kurz wäre. Sie aber haben hier die revolutionäre Möglichkeit, über Ihr Sein zu entscheiden.»
Eizelle 37 (eifrig): «Ich würde diese Aufgabe schon übernehmen. Allerdings nur, wenn die Eier 13 und 115 auch mitdürfen. Wir sind Freundinnen!»
Medizinerin (seufzend):«Das geht leider nicht. Wir brauchen nur ein Ei.»
Eizelle 37 (flehend) «Aber wir könnten doch Drillinge werden. Bitte! Wir versprechen dafür, unsere Eltern nie für irgendwas zu verklagen.»

«Aber wir könnten doch Drillinge werden. Bitte!» Eizellen werden auf ihre Befruchtung geprüft. Foto: Gaëtan Bally (Keystone)
Herr und Frau Rüdisühli stehen unbemerkt auf und schleichen auf Zehenspitzen Richtung Ausgang.
Medizinerin (euphorisch): «Das wäre natürlich eine Variante. Damit wäre die Rüdisühli’sche Familienplanung sicher abgeschlossen und wir müssten dieses bescheu…, ich meine: diese komplexe Befragung nie mehr durchführen. Was meinen Sie denn zu klaglosen Drillingen, Herr und Frau Rüdisühli? Ähm … Herr und Frau Rüdisühli? Wo zum Teufel wollen Sie hin?»
Herr Rüdisühli (bestimmt): «In die Tierhandlung! Wir haben es uns anders überlegt. Wir wollen nun doch lieber ein Meerschweinchen!»
27 Kommentare zu «Freiwillige Kinder vor!»
Jedes Kind sowie auch beide Eltern werden auf der anderen Seite zuerst gefragt, bevor es zur Empfängnis kommt. Kein Kind kommt auf die Welt, wenn nicht beide Eltern und das Kind selber auch damit und allen möglichen Konsequenzen einverstanden sind. Wir sind keine Opfer eines gemeinen Schicksals sondern Mit-Schöpfer. Und kein Kind kommt als unbeschriebenes Blatt auf die Welt.
…doch es stellt sich ja schon die Frage, wohin würde eine Gesellschaft führen, in der auch noch das Menschwerden und die Interessen, Menschen eben nach eigenen Vorlieben zu formen, führen würde. Und davon sind wir erschreckendweise gar nicht so weit entfernt….
Als im goldenen Zeitalter 1960 geborenes Kind (damals mit genau 3 Milliarden Menschen auf dem Planeten) einer alleinerziehenden Hippiemutter habe ich bis heuer die wohl aufregendsten und innovativen Zeiten der Menschheit durchlebt. Ein goldenes Zeitalter, dazu noch in der CH!
Damals als der Kapitalismus noch halbwegs human und fair war!
Aber jede Party (inkl. der grossen fossilen Party, der wir zu einem grossen Teil unseren Wohlstand zu verdanken haben) geht einmal zu Ende und in dieser Spätphase sind wir mittlerweile, die Flasche sind leergetrunken, viele meiner Freunde schon seit längerem tot oder kürzlich verstorben.
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Im Jahre 2020 geboren zu werden, da würde ich wohl dankend ablehnen und verstehe die Kidz, die auf die Strasse gehen und sich Gedanken um ihre Zukunft machen!
Traurig finde ich, dass es durchaus Eltern gibt, die über das Leben ihres Kindes entscheiden müssen: wird es als behinderter Mensch glücklich? Will es als solcher durchs Leben? Darf ich meinem noch ungeborenen Kind zumuten, dass es auch als erwachsener Mensch nie selbständig wird leben können? Wird es das ständig anders sein und angeschaut werden ertragen? Ist es wirklich sein Wunsch ein solches Leben zu führen oder hegt es nicht eher den Wunsch, nie geboren worden zu sein? Oft hört man, dass Frauen, die sich gegen die Geburt des behinderten Kindes entscheiden, egoistisch handeln aber ist es nicht auch umgekehrt der Fall?
Und um das Tausendefache werden Kinder abgetrieben, nicht weil die Ungeborenen krank sind und die Frau entscheiden muss, was gut für das Kind ist, sondern einfach so, weil Frau keine Lust auf ein Kind hat.
12’000 Abtreibungen in der Schweiz pro Jahr. Wie viele davon, weil sie behindert sind? 50?
Tamar: Weltweit gibt es rund 45 – 50 Mio Abtreibungen pa. Wären die in den letzten sagen wir mal rund 60 Jahren nicht passiert, dann hätten wir inkl. der Nachfahren der abgetriebenen Kinder jetzt schon rund 10 bis 11 Mrd Menschen und von denen würde es einer ganzen Menge beschi…en gehen!
Es ist nicht einfach „Unlust“ wie Sie das herbeireden, sondern aus allen möglichen Gründen wird abgetrieben. Verhütung wäre zwar sicher viel besser für alle Beteiligten, aber manchmal passiert es einfach!
Wir sollten einfach mal von dieser Ueberbwertung humanoiden Lebens wegkommen, die Mutter Erde verträgt ganz nicht soviele Humanoide auf westlichem Niveau
Jubel. Dann müssen sich Eltern nicht (mehr) dem Vorwurf aussetzen, aus egoistischen Gründen Kinder zu wollen. Ach wie schön…
Ist der Autorin aufgefallen, dass sich der utopische Dialog um eine Prüfung und Aussortierung unerwünschter zukünftiger Kinder durch Eltern und Mediziner/Psychologen dreht?
Das ist die Pointe der Geschichte und wird von der Autorin beabsichtigt sein. Die Autoren schreiben immer nur den Blog, den Titel und den Teaser schreiben Journalisten. Da kann schon mal ein Widerspruch entstehen.
„Anfang 2019 hat der 33-jährige Inder Raphael Samuel seine Eltern dafür verklagt, dass sie ihn nicht gefragt haben, ob er zur Welt kommen will.“
Raphael Samuel ist offenbar der Meinung, dass es ihn überhaupt nicht geben sollte. Logische Konsequenz wäre somit: Selbstmord. Alles andere ist heuchlerische, inkonsequent und reine Effekthascherei.
Ähm ja, wenn man den Unterschied einer Nicht-Existenz und einer beendeten Existenz nicht erkennt, sollte man besser schweigen.
Aber ja, evtl. liegt es auch daran, dass der MB – so sehr ich ihn auch liebe – wirklich kein geeignete Gefäss für philosophische Diskussionen ist…
Ähm nein, das heutige Thema ist mir zu absurd, um mich dazu zu äussern … aber Sie nerven, tststs. Hören Sie doch einmal auf, andere zu belehren, sie sollen besser schweigen! röschu hat seine Meinung, und die darf er mitteilen, ob Sie Ihnen passt oder nicht. Und es ist ja durchaus diskutabel, ob vor dem Leben und nach dem Leben etwas, nichts oder wieder das Gleiche ist.
Liebe Frau Habig, tststs äussert hier ihre Gedanken, die sie betreffend der Gedanken von Röschu hat.
Ihr Ärger und Ihre persönlich beleidigenden Worte sind unangebracht. Sie können auf tststs Argument, ja ein Gegenargument bringen.
Ich persönlich finde, dass tatsächlich ein Unterschied besteht zwischen Nicht-Existenz und Existenz beenden.
So absurd der Blog auch sein mag, finde ich es bereichernd, wenn Kommentierende es schaffen, dass man dennoch den einen oder anderen erhellenden Gedanken oder eine praktische Anwendung mitnehmen kann.
Natürlich ist auch Ihre Reaktion interessant.
Danke, RoXY.
Ich glaube, Frau Habig hat noch nicht mitbekommen, dass ich mein Geld hauptsächlich mit Unterrichten verdiene und der Lehrer in mir auch in den Kommentaren durchdrückt.
Und dabei habe ich es noch nett versucht… man hätte meinen erste Reaktion auf röschus Suizid-Aufruf sehen sollen… 😉
tststs – mir wurden die gleichen Sachen auch schon oft an den Kopf geworfen und stets auch in diesem Ton. Aber Ihr Beitrag war überhaupt nicht belehrend, nicht „belehrender“ als der von Röschu oder irgendein Beitrag sonst.
Jeder, der seine Meinung sagt, „belehrt“, sogar der, der noch ein m.E. hinzufügt.
Wenn jemand kommentiert: „könnte sich ja umbringen“ ist das genau gleich „belehrend“ wie, wenn Sie sagen „Nicht Existenz ist ungleich Existenz beenden“.
Die Vorwürfe zeigen lediglich auf, dass man keine Gegenargumente hat. Dann sind „Besserwisser“ „belehrend“ und „Sie nerven“ eben gern verwendete Klassiker.
Menschen greifen erst in diese Schublade, wenn Sie den Gedanken
…. nicht widerlegen können und Sie das dann furchtbar ärgert.
Selbstmord machen Menschen erst nach der Pubertät. Die Klage zeigt, der Herr ist dafür noch zu jung.
Genau. Meine Mutter liebte den Spruch „Du hast Dir das im Himmel ausgesucht“ und meint damit ihre Vernachlässigung. Kinder zu haben bedeutet Verantwortung dafür zu tragen, bis in den Himmel. Ich lasse mich als Mittelweg darum von den Eltern Scheiden, bin ja schon erwachsen und hab mir die Deppen leider nicht aussuchen können, sie wollen mich heute noch Besitzen. Tja, ich suchs mir hier auf Erden aus, mit wem ich mein Leben teile.
@Reincarnation of XY: wenn man jemanden abkanzelt mit „sollte man besser schweigen“, ist das allerdings keine Einladung zu einem Meinungsaustausch und einem Erwachsenen gegenüber geradezu beleidigend, und ja, so eine Haltung ärgert mich. Tststs geht davon aus, dass sie, und nur sie, Bescheid weiss über Vor- und Nichtexistenz, wie auch immer, und wer sich andere Gedanken macht, hat UNRECHT und soll SCHWEIGEN. Gerade bei solchen Themen, bei denen niemand etwas wirklich wissen kann, ist aber jede Meinung zuzulassen. Das muss auch eine Schullehrerin akzeptieren. Warum empfinden Sie eigentlich die Antwort an Röschu nicht als unverschämt, meine Reaktion darauf aber schon, das würde mich echt interessieren. Schliesslich muss auch einstecken können, wer so austeilt.
Habig
1. tststs hat ein konkretes Argument
2. jemandem der sagt, „dann soll er sich doch umbringen“ darf man schon mal sagen, dass er doch besser schweigen solle, wenn er den erwähnten Unterschied einfach ignoriert
3. haben Sie ja dann nochmals zwei Schippen drauf gelegt. Tststs hat Röschu trotz allem nicht persönlich beleidigt, Sie aber tststs sehr wohl.
Roxy: Wir drehen uns im Kreis. Ich akzeptiere nicht, dass jemand die Autorität an sich reisst, und das tut sowohl Tststs (soll doch einfach schweigen) als auch Sie (dem darf man schon mal sagen). Wo nehmen Sie nur Ihre Oberhoheit her? Sie wissen genauso wenig wie alle anderen Bescheid über Existenz vor und nach dem Leben, also greifen Sie in die Schublade, Andersdenkende abzukanzeln und ärgern sich furchtbar, wenn jemand es wagt, Ihrer vermeintlichen Weisheit zu widersprechen. Im Gegensatz zu Ihnen akzeptiere ich andere Meinungen und habe noch nie den unverschämten Versuch unternommen, jemanden einfach zum Schweigen aufzufordern. Wenn Sie beleidigt sein wollen, ist das Ihr Problem.
„und habe noch nie den unverschämten Versuch unternommen, jemanden einfach zum Schweigen aufzufordern.“ sagt die Frau, die kurz vorher schrieb „… aber Sie nerven, tststs. Hören Sie doch einmal auf, andere zu belehren, sie sollen besser schweigen!“
Hmmm….
Meine Meinung habe ich sachlich ohne jeden Ärger dargelegt. Ich habe auch niemandem zum schweigen aufgefordert. Ich äusserte nur Verständnis, dass das unpersönliche „sollte man besser schweigen“ im Lauf einer Diskussion schon mal gesagt werden kann. Wenn man den Kontext beachtet, ist es auf den indirekten Aufruf zum Selbstmord bezogen und ich finde, ein Aufruf zum Selbstmord ist schon so gravierend, dass man sagen darf, dass es evt. besser wäre, erst mal kurz inne zu halten, bevor man so etwas sagt.
RoXY: Ich würde Ihnen zustimmen, wenn es ein echter Aufruf zu einem Selbstmord an jemanden hier gewesen wäre. Wir gehen aber sicher davon aus, dass der Herr aus Indien den MB nicht liest. Ich stimme auch zu, dass das Thema für einen Blog nicht geeignet ist, was tststs ja ebenfalls meint. Ich hoffe, ich kann Ihnen verständlich herüberbringen, dass mich einfach ärgert, wenn jemand so von oben herab andeutet, ein Diskussionsteilnehmer sei zu blöd, das Thema zu verstehen und solle besser schweigen. Ich habe meine Kommentare nochmals durchgelesen und bin total begriffsstutzig, was daran beleidigend gewesen sein soll. Falls wir es dabei belassen wollen, wünsche ich Ihnen einen schönen Mittwoch, an dem ich meinerseits darüber nachgrübeln werde, wo ich beleidigend war :).
Die Sichtweise, – wollen Kinder überhaupt geboren werden -, ist insbesondere im Zusammenhang mit dem Beitrag von gestern interessant: Wenn Eltern sich als Altruisten sehen, die Care Arbeit machen für ihre Kinder, die nie darum, gebeten haben, geboren zu werden.
Volle Übereinstimmung AT.
Eltern wollten Kinder. Eigener Wunsch, eigene Entscheidung. Deshalb ist es völlig daneben, wenn man dann dem Kind sagt „mit Schmerzen hab ich dich geboren“, „auf meine Karriere verzichtet“ bla, bla, bla…
Wenn schon können die Kinder klagen, denn sie wurden einfach ungefragt in diese Welt hineingeworfen.
Die Zukunft der anthropogenen Fortpflanzung ist die automiktische Parthenogenese. Männer werden überflüssig, können aber bei Bedarf als fortpflanzungsunfähige Arbeits- und Kuscheltiere erzeugt werden.
Manchesmal ist es schade, das das noch Zukunftsmusik ist….