Auf ein Bier mit meinem kinderlosen Ich

Abgebrochene Studiengänge und komplizierte Frauengeschichten? Was hast du nur mit all der Zeit angestellt? Foto: iStock
(Zürich, ein überfülltes Lokal)
Mit: Zwei grosse Bier, bitte …
Ohne: … nein, sorry, für mich lieber ein Mineral, bitte.
M: Mineral? Hast du gestern zu tief ins Glas geschaut?
O: Nein, das habe ich bis 30 gemacht. Seit meinem legendären Blackout 2012 rühre ich keinen Tropfen Alkohol mehr an.
M: Vorbildlich. Gehst du denn trotzdem abends noch weg?
O: Dafür reichts selten. Meistens komme ich eh erst so gegen zehn Uhr raus. Bis halb acht bin ich am Arbeiten oder an der Uni, danach treibe ich Sport. Und dann bin ich meistens ziemlich kaputt.
M: Du hast wieder angefangen zu studieren?
O: Nein, einfach ein paar Mal den Studiengang gewechselt und immer noch nicht abgeschlossen. Es kam ständig was dazwischen: Die drei Praktika und dann die 70-Prozent-Stelle in der Werbeagentur, die eigentlich eine 120-Prozent-Stelle ist.
M: Wieso Werbung? Du hast Theater studiert und wolltest Performancekünstler werden. Oder wenigstens ein halbwegs passabler Regisseur.
O: Das hat nicht so richtig geklappt. Ich habe ein paar Stücke geschrieben, aber irgendwie gefielen mir die doch nicht so richtig. Ich hatte damals ausserdem eine recht schwierige Beziehung am Laufen. Und dann war da noch dieser Aufenthalt in New York …
M: Du hast in New York gelebt? Für wie lange?
O: … den ich doch nicht gemacht habe – eine lange Geschichte. Es war halt immer etwas los, irgendwie. Soll das hier eigentlich wirklich ein Interview sein? Ich habe eher das Gefühl, du machst mir Vorwürfe.
M: Natürlich tu ich das. Weil du keinen einzigen unserer Träume umgesetzt hast! Du bist weder gereist, noch hast du beruflichen Erfolg noch irgendetwas Kreatives oder Grosses geleistet – und das ohne Kinder. Du hattest doch alle Zeit der Welt. Was hast du nur damit angestellt?
O: Naja, es gab da wie gesagt eine komplizierte Beziehung und ein paar anstrengende Jobs. Und ich treibe voll viel Sport! Kuck mal, die vielen Adern an meinen Unterarmen. Ich sehe ganz allgemein einiges besser aus als du, wenn ich das so sagen darf. Du bist ja voll grau an den Schläfen, haha.
M: Stimmt. Die schreibe ich den vielen schlaflosen Nächten in den letzten 14 Jahren zu.
O: Das kenn ich! Die Typen in der Wohnung unter mir machen jede zweite Nacht Party. Ein Grund mehr, endlich bei meiner Freundin einzuziehen.
M: Das klingt, als seist du zumindest ganz glücklich, oder?
O: Boah, schwierige Frage! Eigentlich schon. Ich bin mit jemandem zusammen, gesund und komme finanziell über die Runden. Manchmal habe ich halt irgendwie Angst, ich hätte etwas verpasst – aber das hat glaube ich jeder. Stell dir vor, wir reden jetzt ab und zu sogar über Kinder! Meine Freundin geht ja auch auf die 40 zu und macht ein bisschen Druck …
M: Ich glaube, dafür bist du nicht mehr reif genug. Prost, Rainer!
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32 Kommentare zu «Auf ein Bier mit meinem kinderlosen Ich»
Und die Stockbebilderung ist immer noch schrecklich. Von allen Stockagenturen sind die iStock-Bilder mit die langweiligsten. Habt Ihr keine Fotografen mehr (rhetorische Frage)?
Diese Bilder von Männern (Hipsterbart, Holzfällerhemd, Bier, dämlich-dümmlicher Gesichtsausdruck) sind diskriminierend. Frauen stellt Ihr schon lange nicht mehr so klischeehaft dar.
Wegen dem Klima meine ich.
Vielleicht hätte man ja mehr Zeit und Gelegenheit für das Realisieren von Träumen wenn man sich nicht um die Pflege einer albernen Barttracht kümmern müsste?
Treffender Beitrag. Als 40-jähriger Kinderloser habe ich mich durchaus wiedererkannt. Tut ein wenig weh, ist aber so.
Im Si o No an der Ankerstrasse in Züri sieht man man amix noch viele O‘s. Die Bar ist uralt und ich ging dort schon hin, als ich noch jung und familienlos war. Irgend wann einmal ist man selbst für die Szene zu alt. Mit oder ohne Kinder. Doch die mittlerweile wie ich angegrauten O‘s scheint das nicht zu kümmern, ganz im Gegenteil: Die wissen noch immer ganz genau Bescheid, wo die angesagtesten Dinge abgehen in der Limmatstadt. Ich nicht. Weil es mich gar nicht mehr interessiert, obwohl ich auch Velo fahre und einen langen Bart habe wie sie. Mittlerweile bin ich sogar Grosspappi geworden und habe ganz viel Freude an meiner Enkeltochter! Das zaubert mir immer wieder ein Lächeln aufs Gesicht. Die O‘s lächeln amix auch. Oder grinsen vielmehr. Verantwortung verändert einen. Ungebundenheit auch.
@Marcel Zufferey
echt jetzt, Grosspapi geworden?! Meine Güte wie die Zeit vergeht…, herzlichste Gratulation und noch viele Jahrzehnte um die Enkeltochter; und das Leben überhaupt! zu geniessen.
😀
Ich denk Du bist ein super Grosspapi!
Danke Brunhild 😉 Die Kleine ist ein Knuddelchen und man muss sie einfach lieben! Sie hat jetzt gerade damit begonnen, sich mit verschiedensten Lauten zu artikulieren. Sehr schnuslig 😉 Ja, wie die Zeit vergeht…
So, der Szenie-Grosspapi mit Bart und drei Velos (KEIN Fixie darunter!) hat gerade die Grippe und versucht jetzt trotzdem einen Beyond Meat-Burger zu verdrücken: Es wäre die erste, richtige Mahlzeit seit Tagen! Schönen Abend, Brunhild 😉
Muss mich den anderen Kommentaren anschliessen: flach, schönreden, verpasste Chance.
Besonders diese Stelle finde ich suspekt:
„…du machst mir Vorwürfe.
M: Natürlich tu ich das. Weil du keinen einzigen unserer Träume umgesetzt hast! … – und das ohne Kinder….“
Ich gehe jetzt mal davon aus, Person M hat die Träume auch nicht umgesetzt. Und „Schuld“ daran sind dann die Kinder?
Okee…
hahaha, also ich fands echt witzig und habe den text genossen… bin zwar 49, verheiratet, mit zwei kids aber ich sehe doch ein paar paralellen, ich habe auch noch diverse träume, die ich noch umsetzen möchte und auch noch ein paar, mit denen es nicht geklappt hat.
Mir erging es beim Lesen ähnlich wie vielen Kommentierenden: der Text lässt mich etwas ratlos zurück. Wenn ich dann etwas genauer darüber nachdenke, weshalb dies so ist, komme ich zu folgendem Schluss: Dieser Text misslingt (bzw. muss misslingen), da dem Autor ein gravierender Logik-Fehler im Textaufbau unterläuft: Die biografischen Fragen werden vom älteren Ich gestellt. Das ältere Ich, weiss doch aber längst was dem jüngeren Ich passierte. Daher müssten die Fragen entweder vom jüngeren Ich gestellt werden oder aber das ältere Ich müsste andere Fragen stellen, als jene die nur Infos zum bisherigen Lebensweg erfragen.
Schade, dass da nichts Lustiges oder auch Provokantes geschrieben steht.
Das alte Cliché, dass man ohne Kinder immer das Gefühl haben soll, etwas zu verpassen und Workaholic sein muss (wieso eigentlich?) ist ja jetzt auch nicht sehr originell.
Ich will die Story zum legendären Blackout 2012 lesen!
Ich frage mich, ob das Blackout auf jeden Fall passiert ist, mit dem 6jährigen Sohn als Resultat 🙂 🙂 😉
Hm. Hatte mich gefreut auf einen lustigen Austausch, ein paar Pro-Argumente beider Seiten für ihre Lebensentscheidungen, gewürzt mit ein bisschen Neid auf diejenigen des anderen, oder so… Aber als ich am Ende des „Interviews“ angekommen war, war ich sehr enttäuscht. Das hatte ja noch gar nicht angefangen!? Aus diesem Setting hätte man doch viel mehr rausholen können: Schade, Chance verpasst.
Unreflektierter, dummer Text. An der Grenze zur Beleidigung für alle Kinderlosen..
Als Kinderloser: Das ganze ist leider so flach, dass es nicht mal in die Nähe einer wirksamen Beleidigung kommt.
Dabei habe ich mich bei der Überschrift gefreut, wieder mal so richtig den Empörten heraushängen lassen zu können. Nicht mals das wird einem gegönnt 🙂
Da probiert sich aber einer krampfhaft die Vaterrolle schön zu reden….
Warum sollte man?
Der Text trifft gar nicht so schlecht die typischen kinderlosen Um-die-Vierzig-herum in meiner Umgebung. In der Regel bekommen sie die Dinge nicht auf die Reihe, sind schnell überlastet, burnoutgefährdet (was bei mir immer innerliche Lacher erzeugt). und bekommen ausser Reisen (das meines Erachtens ohnehin überschätzt ist), nicht viel hin. Aber vielleicht liegt das ja auch an meinem spezifischen akademischen Umfeld.
Also Flori
Ich bin 40ig, verheiratet und gewollt Kinderlos.
Ein Burnout habe ich nicht mal ansatzweise da ich nie die Absicht hatte Karriere zu machen oder mich in meinem Job zu verwirklichen.
Ich treibe viel Sport
(Im Winter mit meinen Jungs Freeride Weekends im Sommer Hochtouren oder mit meiner Frau Biken).
Ansonsten reffe ich Freunde, gehe mit meiner Frau ab und an mal ins Hive oder mache mit Kollegen einen Kurztrip nach Ibiza.
Wenn ich mein Leben mit dem meiner Vater-Freunde (das sind doch ein paar) vergleiche (vor allem wie sie sich über ihr Leben äussern) dann trifft das was in dieser Blog steht, nicht einmal ansatzweise auf mich zu.
Ich für meinen Teil bin jedenfalls sehr glücklich mit dem Leben das ich führen darf.
Ich denke, das liegt genau daran. Oder an deiner Wahrnehmung.
@Nico: da würde ich eher auf das Umfeld als auf die Wahrnehmunt tippen. Ich wundere mich schon lange darüber warum die Kinderlosen in meinem Umfeld so wenig belastbar sind.
@Matt: das hört sich sehr gut an, sehr ähnlich wie mein Programm (ausser Ibiza und Karriere), welches ich aber auch gerne mit meiner Tochter betreibe. Vielleicht sind ja nicht die Kinder der entscheidende Faktor….
Wie wäre es mit einem Interview mit einem getrennt lebenden Vater, der seine Kinder alle zwei Wochenenden sehen darf, der in einer winzigen 1.5-Zimmer-Wohnung lebt und sich für die Zahlung der Alimente verschulden muss?
Das wäre ein langweilige, nicht erzählenswerte, völlig andere Geschichte, die mit dieser weder inhaltlich noch strukturell etwas zu tun hat.
Wenn Sie Alimente bezahlen müssen, muss Ihr Existenzminimum gewährleistet sein. Informieren Sie sich über die Höhe Ihres Exmins und lassen Sie ggf die Alimente gerichtlich Ihrem Einkommen anpassen.
Schade, dass es nur ein Interview war, und kein Gespräch auf Augenhöhe. Man würde ja gerne wissen, wo denn der Unterschied zwischen den beiden Typen, die ja eine Person darstellen sollen, liegt. Waren da keine Entscheidungen dabei, keine Weichenstellungen?
Waren die Kinder ein Unfall, und er musste sich wohl oder übel auf die neue Situation einstellen?
Und wäre der zweite Alter Ego nicht der Typ, der seine Träume alle umgesetzt hat, und jetzt ein international gefeierter Theater- oder Performance-Künstler ist, statt irgendwo in einer Kommunikationsagentur einen traurigen Job zu machen (so sieht es jedenfalls auf dem Bild aus).
Auch das wäre ein völlig andere Geschichte, welche das gewählte literarische Sujet, die etwas aus der Mode gekommene multiple Persönlichkeit, überstrapazieren würde. In solchen Geschichten ist wie in dieser hier immer eine Persönlichkeit der Master.
@Sportpapi
„Und wäre der zweite Alter Ego nicht der Typ, der seine Träume alle umgesetzt hat …“
Auch wenn der Text mMn misslungen ist, muss ich dem Autor doch zu Gute halten, dass irgendwie zwischen den Zeilen doch deutlich wird, wie sich seine Prioritäten verschoben haben. Das jüngere Ich träumte von einer Karriere als Theater- oder Performance-Künstler (finanziell wohl eher unstet und somit schwierig), während das ältere Ich sich für einen sichereren Job in der Werbe- bzw. Kommunikationsbranche entschied.
.
Das unpassende Bild wurde wohl – einmal mehr – von der Redaktion ohne Wissen des Autors eingefügt.
@Röschu: Der eine, dessen Prioritäten sich verschoben haben (eigentlich wissen wir das gar nicht so genau, denn er wurde ja nicht befragt/porträtiert), weshalb er seine alten Träume nicht umgesetzt hat, hält dem anderen vor, dass er das gleiche gemacht hat? Vielleicht hat der ja auch andere Prioritäten gesetzt?
Heute noch Kinder in die Welt stellen ? Die Armen !
So betrachtet, waren fast alle Kinder, die bisher in die Welt gesetzt wurden, arme!
Oder wann meinen Sie, wäre ein richtiger Zeitpunkt gewesen um Kinder in die Welt zu setzen?
Wahrscheinlich zu Beginn der Industrialisierung als ein Großteil der Kinder noch 12 Stunden täglich in der Fabrik arbeiten durfte. Da hatten es die Kleinen richtig gut 🙂
@Vreni – diesen Spruch gab es schon in den 70ern/80ern… und Kinder gab/gibt es trotzdem… und wahrscheinlich haben meine Grosseltern während des 2. WK diesen Spruch auch schon gehört… und nun? Und warum eigentlich „Die Armen“?